19. Telefonate
Louis
„Ich habe mitbekommen, was heute vorgefallen ist", meldete sich Simon irgendwann gegen Mitternacht am Telefon. Er war in einem anderen Land. Auf einem anderen Kontinent. Zeitverschiebung. Bei ihm war es früher morgen. Er telefonierte lieber nach seiner, als nach unserer Zeit.
„Wir haben schon vermutet, dass Lena mit dir darüber reden wird." Liam klang nicht feindselig. Abgecheckt und gechillt. Keine Emotion ließ sich aus seinem Gesicht oder aus seiner Stimme ableiten.
„Ich würde die Geschichte gerne noch aus eurer Sicht hören." Zumindest klang Simon nicht ganz so wütend, wie erwartet. Eben auch abgecheckt und gefühlslos.
Wir saßen noch alle, wie vorhin. Harrys Tee war inzwischen alle und auf dem Fernseher lief Titanic.
Wir berichtete Simon von heute. Noch währenddessen wurde mir bewusst, dass ihn anzurufen verschwendete Mühe war. Sein immer mal wieder hereingerufenes „Aha", und „Verstehe", an unpassenden Stellen, bewiesen es. Wut sammelte sich in mir. Während Zayn Lenas Rede einigermaßen anständig wiedergab, stand ich schnaubend auf. Mein Magen kribbelte, als würde er jeden Moment explodieren.
Simon hatte kein Interesse daran uns zu helfen. Wahrscheinlich wusste er von Anfang an, wie die Geschichte mit der Band enden würde. Als er uns erzählt hatte, wie groß unsere Zukunft und wie besonders und einmalig dieser Vertrag mit Modest! war. Vielleicht sogar, als er unseren Eltern versprochen hatte, immer ein Auge mit auf uns zu haben und dafür zu sorgen, dass es uns mit dem Management gut gehen würde.
Irgendwas sagte mir, dass wir damals zu unvorsichtig waren. Dass er uns übers Ohr gehauen hatte und sein einziges Interesse gewesen war, an unserer Musik zu verdienen. Und als unser Musikproduzent tat er das sehr gut.
Wir waren naiv gewesen. Früher und auch heute, dass wir die Hoffnung gehabt hatten, er würde uns helfen. Wir waren ihm egal. Hauptsache wir funktionierten.
Ich stampfte die Treppen zu Harrys und meinem Schlafzimmer empor und pflanzte mich auf unser Bett, ehe ich mein Handy aus der Tasche kramte und auf der Anrufliste nach Eleanor schaute.
Es war mitten in der Nacht. Ich würde sie wecken. Aber ich musste mit jemandem reden und Harry war mit unten und telefonierte mit. Außerdem war Eleanor doch meine Freundin. Wir waren zusammen. In einer Beziehung half man sich gegenseitig und hörte sich zu, schätzte ich. Also zögerte ich nicht länger und wählte ihre Nummer.
Es dauerte kurz, bis ein verschlafenes „Wasn los?" am anderen Ende der Leitung ertönte. Darauffolgend ein Gähnen.
„Hey El."
„Louis?"
„Ja?"
„Es ist mitten in der Nacht?"
„Sorry, ich frag den Mann im Mond, ob er mir helfen will." Grummelig schmiss ich mich nach hinten. Mein Kopf landete auf Harrys Bettdecke. Sie war bauschig und roch nach meinem besten Freund. Nach Blumen. Sofort beruhigte sich die Wut in mir, als wäre der Duft eine Droge.
„Was ist denn passiert Louis?", sofort klang die Brünette munterer.
Ich wollte gerade den Mund aufmachen, ihr von dem heutigen Tag erzählen, da blockte etwas in mir. Eine innere Stimme schien zu schreien: Das ist falsch!
Mein Griff ums Telefon verkrampfte sich.
„Hallo?" Eleanors Stimme zitterte. Nicht, weil sie gleich weinen würde. Sie war besorgt.
„Ich kann es dir nichts sagen." Ich hasste mich. Der Preis für den schlechtesten Freund des Jahres ging an mich.
Eleanor war so toll. Sie war loyal, verständnisvoll und gab so viel. Sie verurteilte nicht, verlangte nicht und hatte die Welt verdient. Hatte so viel mehr verdient, als mich, der nicht mal richtig mit ihr reden konnte. Und der einen ganzen verschissenen Tag nur an seinen besten Freund denken konnte, wie der ihn nackt küsste. Sofort schüttelte ich die Erinnerungen wieder ab. Harry und ich sprachen nicht darüber und ich verbot mir möglichst jeden Gedanken, an diese Nacht. Mein Herz pochte und zog schmerzerfüllt, während ich mit Tränen in den Augen Harrys Geruch inhalierte. Irgendetwas stimmte bei mir ganz und gar nicht. Eine Melancholie lastete auf mir, drückte meinen Brustkorb zusammen und erschwerte die Atmung.
„Geht's um heute? Um euer Interview? Ich schätze ihr habt jetzt einige Probleme mit dem Management." Ich hörte ein Rascheln, als würde El sich aufrichten.
„Ja. Fock, das regt mich so auf. Solche bildungsresistenten Wesen!"
„Wie geht es dir denn damit?"
Huch, ähh... was sollte ich denn darauf antworten? Aufregen war einfach, darüber reden? Mit Eleanor? Geht nicht. Zu schwierig. Fühlt sich falsch an.
„Scheiße halt."
Ein unangenehmes Schweigen entstand.
„Wieso rufst du jetzt an? Lena hat euch sicher schon vor Stunden zusammengestaucht."
„Stimmt. Die anderen Jungs reden gerade mit Simon, wegen dem heute."
„Das ist doch gut. Er kann euch sicher helfen."
„Ja... sicher." Eine glatte Lüge. Heute hatte ich, mehr denn je, verstanden, dass die Musikindustrie nicht so schön war, wie ich sie mir vorgestellt hatte. Die Musik und das Verhältnis mit den Fans – das war schöner, als vorgestellt. Aber die Menschen, mit denen wir teilweise zusammenarbeiteten, den ging es nicht um uns. Wir waren für sie keine Menschen, wie waren Roboter, die Geld einbrachten. Bullshit. Alles richtiger Bullshit.
„Das wird schon." Ich hörte Els Lächeln und ich fühlte mich schrecklich. Ich müsste ehrlich sein.
„Ja. Sorry fürs Wecken. Gute Nacht."
„Nacht Lou. Ist nicht schlimm."
Schnell legte ich auf. Jede Sekunde länger am Telefon, hätte mir den Verstand geraubt.
Was stimmte denn nur nicht mit mir?
Ich schloss meine schweren Augen, bemühte mich um Ruhe und Ordnung. Beides nicht so wirklich mein Ding. Harry mochte Ordnung. Wieso kam der nicht einfach mal hoch?
Oh mein Gott! Ich musste irgendein übermächtiges Wesen sein! Harrys Schritte, irgendwie federnd, nährten sich dem Schlafzimmer, bis er schließlich im Raum stand und mich verschmitzt angrinste. Mit diesem Lächeln und den Grübchen, hatte er damals ganz x-Factor überzeugen können. Es war einnehmend, sympathisch und lustig.
„Also, hast du dir schon einen Racheplan ausgedacht?"
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