17. Drohungen und Lügen
Louis
„Louis William Tomlinson! Was hast du dir dabei gedacht?" Lena tobte schon seit die Kameras aus waren. Elina schien mit dem Interview zufrieden. Kein Wunder. Sie hatte eine Sensation erhalten und grinste demnach selig vor sich hin. Aber was für den einen toll ist, ist für den anderen schlecht. „Harry die Nägel lackieren. Du tickst wohl nicht mehr richtig! Was sollen denn die Fans denken?"
„Die sterben vor Freude", kams nüchtern von Zayn, der an seinem Handy, immer noch auf dem unbequemen Sofa, saß.
„Ein paar sterben vor Freude. Und wisst ihr was der Rest macht? Der stirbt vor Ekel. Ein Junge lackiert einem anderen die Nägel." Lena schüttelte den Kopf. „Weißt du eigentlich, wie sehr das eurem Image schadet? Ihr seid eine Boyband. Ihr müsst seriös und anziehend wirken. Nicht wie pubertierende Mädchen." Wild fuchtelte sie mit den Armen, ihr sonst so blasses Gesicht rot angelaufen
„Sie wirken nicht, wie pubertierende Mädchen. Sie wirken wie ein Pärchen", mischte Zayn sich wieder ein.
„Sind sie aber nicht!" Lenas Gesicht verzehrte sich wütend, ein Doppelkinn ließ die Grimasse noch eindrucksvoller Wirken. „Sie sind nicht zusammen!"
„Äh, ich weiß? Bin zufällig mit ihnen befreundet." Diesmal sah der Pakistani von seinem Handy auf und runzelte die Stirn. „Lass sie doch einfach Lena. Die Fans sehen nur eine innige Freundschaft. Mit dem ganzen Anti-Larry-Kram vom Management und dir, wurden die Gerüchte doch erst so groß."
Zitternd atmete die Blondine ein. „Ich sag es ein letztes Mal. Wenn du und Harry euch nicht zusammenreist, hat das Konsequenzen. Fällt noch einmal etwas derart Gravierendes vor, rede ich mit dem Rest des Teams, dass ihr unverzüglich in getrennte Häuser kommt."
Während sie das Machtwort an mich richtete, wurde es um uns herum leiser. Jeder starrte uns mit großen Augen an. Auch Elinas Lächeln verblaste. Meine Kinnlade klappte herunter. „Aber- Aber Modest! kann doch nicht entscheiden, wo wir leben."
„Glaub mir Louis", Lena trat heran, beugte sich zu meinem Ohr und flüsterte bedrohlich, so dass nur ich es hörte, „Modest! kann alles. Ihr habt den Vertrag unterschrieben. Wir bestimmen, was ihr zu tun und zu lassen habt. Und wenn wir entscheiden, dass ihr nicht mehr gemeinsam wohnt, haben wir das Recht euch zu trennen."
Mein Herz pochte so schnell, dass in mir die Angst wuchs, es würde jeden Moment abheben und davon fliegen. Stocksteif stand ich da, während Lena ein paar Schritte zurück trat.
Plötzlich fiel ruhiger nickte sie mir zu und wandte sich dann den anderen Jungs zu, die schockiert auf dem Sofa saßen. „Dir Niall wollte ich noch sagen, dass du unbedingt mehr trainieren musst. Der Bauch steht dir nicht."
„Wir machen zehn Minuten Pause! Dann kommt euer Auftritt!", mit diesen Worten rauschte sie ab, das PR-Team ihr hinterher.
„Nehm dir den Scheiß nicht zu Herzen!", donnerte es plötzlich aus Zayn, während Liam halb kreischend „Sie hat unrecht Niall. Glaub ihr nicht", rief.
Ich wollte auch etwas sagen. Etwas Aufmunterndes. Etwas Nettes. Es ging nicht. Kein Muskel ließ sich bewegen, atmen fiel mir schwer und Lenas Worte halten noch immer in meinem Kopf nach.
„Ich werde nachher mit Simon telefonieren. Er wird sowieso anrufen. Dann rede ich gleich mal mit ihm über Lena. Das Management soll uns jemanden anderes zur Verfügung stellen. So kann sie nicht mit uns umgehen!" Liam sah sich kopfschüttelnd um, während er Niall über den Rücken fuhr. Jener sah an sich herab, bewegte sich nicht.
Ich drehte mich zu ihnen. Zu meinen Freunden. Ich sah die Tränen, die in Nialls Augen schimmerten. Wie konnte Lena nur?
Wut entflammte in mir, als mir bewusst wurde, wie kaputt diese Frau uns machte. Wer weiß, was jeder Einzelne noch zu hören bekommen hatte. Wie Harry, zum Beispiel, dass er nicht über seine Sexualität reden dürfte. Vielleicht hatte sie zu den anderen Jungs auch schon heimlich etwas gesagt und verlangt.
„Schau nicht so Kumpel. Du bist heiß und sexy. Lena ist eine dumme Kuh." Zayn knuffte dem Iren in die Seite.
Aus dem Augenwinkel sah ich, wie sich alle anderen langsam verdrückten. Elina, die Kammermänner und Kamerafrauen. Die Kosmetikerin Lou hatte schon vor längeren den Drehraum verlassen.
„Aber ich habe wirklich ein Bauch." Niall hob seinen weißen Cardigan leicht hoch und sah darunter. Es stimmte. Hatte er. Das wussten wir theoretisch alle. Schließlich waren wir schon des öfters schwimmen zusammen. Doch praktisch juckte es uns nicht. Wieso sollte es? Niall war süß und hübsch. Kein Bauch der Welt würde was daran ändern.
Plötzlich fiel Niall lachend auf Liam, Zayn, schief grinsend, halb auf ihn.
„Hör auf! Das kitzelt!", rief der Ire immer wieder japsend.
„Was ist denn hier los?" Ich drehte mich zu Harry. Er sah ungewöhnlich müde und verwirrt aus.
„Wir werden nach dem Scheiß hier Essen gehen. Im Nandos." Zayn grinste uns an, während er sich langsam wieder aufrichtete. Nialls Augen glänzten. Genau das brauchte er, nach Lenas Aussage.
Während ich meinen besten Freund musterte, wurde mir plötzlich unglaublich schlecht. Mein Blick landete auf seinen Nägeln. Sie standen ihn. Es sah schön aus. Bunte Nägel standen Harry. Und sie machten ihn glücklich. Ich erinnerte mich an die vielen Male, die Harry mit Nagellackentferner in Garderoben vor Konzerten oder Interviews gehockt und traurig die Farbe von seinen Nägeln entfernte. Weil das was für Mädchen sei. Sagt das Management. Ich hatte keine Ahnung davon. Vielleicht war es eher was für Mädchen. War mir egal. Harry mochte es, also war es auch etwas für ihn. Es war dumm gewesen, ihm die Nägel zu lackieren. In einem live Interview.
„Louis?" Harry kam auf mich zu und musterte mich besorgt. Er wusste, dass während seiner Abwesenheit etwas war. Die Stimmung zwischen uns Freunden war zum Reisen gespannt. Jeder schien etwas zu ruhig. Und dem Lockenkopf fiel das auf. Ihm fiel es immer auf, wenn Jemandes Stimmung kippte.
Sanft umschlossen seine Hände mein Gesicht. Nur diese Handlung reichte, dass ich mich sicher fühlte.
„Was ist denn los Boo. Du sieht schrecklich aus."
„Na danke."
„Du weißt wie ich es meine."
Ich schluckte. Seine grünen Augen bohrten sich in meinen Geist. „Sie sagen, dass wir auseinanderziehen müssen."
„Was?!" Harry stand der Schock ins Gesicht geschrieben.
„Doch nicht sofort du Dödel!", rief Niall durch die Gegend, dem es seit Zayns Verkündung, wo wir heute essen würden, wieder besser ging.
„Wann?" Harry schien angespannt. Seine Jawline stach deutlicher heraus.
„Wenn ihr nochmal vor Millionen Menschen ein auf Pärchen macht." Diesmal war es Zayn, der sich meldete.
„Haben wir doch gar nicht." Die Energie verschwand auf Harrys Stimme, ich sah die Tränen in seinen Augen, bevor er sich übers Gesicht rieb. Gerade wurde mir bewusst, dass Harry sich von uns wohl am meisten verstellte. Weil er am wenigstens in das Bild passte. Direkt danach kam Zayn. Seine Wuzeln missfielen dem Management. Es gefiel ihnen nicht, wenn er seine Muttersprache in der Öffentlichkeit nutzte. Man hatte es ihm verboten. Niall verstellte sich kaum, bis gar nicht, hatte dadurch aber erst recht Probleme. Er passte sich nicht an, machte kein Sport, wie man von ihm verlangte (sah stattdessen liebend gerne zu) und genoss einfach sein Leben. Liam wurde unter Druck gesetzt. Er passte auf uns auf. Anders als Zayn. Liam hielt uns von Dummheiten ab. Wahrscheinlich auch nur, weil das Management und Lena ihn dazu gebracht hatten. Sie verlangten es von ihm. Alles, was wir verkehrt machten, fiel irgendwie auf ihn zurück. In 90 von 100 Fällen, redet Liam uns etwas aus, worauf er selber Lust gehabt hätte, weil er Angst vor den Konsequenzen hatte. Ich fand meinen Platz in der Band nicht und wurde rausgedrängt, weil ich in den Augen anderer nicht gut genug sei. Aber Harry? Der passte nicht in ihr Weltbild. Ihm gefielen Dinge, die als unmännlich galten. Er mochte bunte Sachen, Schmuck und Nagellack. Manchmal erwischte ich ihn, wie er sehnsuchtsvolle Blicke Richtung Frauenabteilung warf, wenn wir einkauften. Bescheuert, dass es solche Trennungen überhaupt gab. Kleidung definierte keine Menschen und kein Geschlecht. Sie definierten gar nichts. Höchstens den Geschmack und den Kleidungsstil. Aber nichts... Persönliches. Diese Trennung der Kleidung in verschiedene Kategorien, sorgte nur dafür, dass sich Menschen nicht zu der Kleidung trauten, die sie gerne tragen würden. So wie Harry sich nicht in die Frauenabteilung zu den Kleidern oder den Schlaghosen traute.
Kleidung machte Menschen... So ein Bullshit. Vor jedem öffentlichen Auftritt, ja sogar vor unseren Freunden, verstelle Harry sich.
Er war schwul - Er verschwieg es.
Er stand auf Vielfalt - Er versteckte es.
Er war verliebt - Er fraß es in sich hinein.
Er schminkte sich und machte es ab, sobald ihm einfiel, was Lena und das Management sagen würden.
Harry hasste es zu lügen. Tat es nie. Er erzählte mir eins, dass er es sich abgewöhnt hatte zu lügen und es gar nicht mehr konnte. Bullshit. Harry log die ganze Zeit. Vor der Kamera, hinter der Kamera und das ohne es zu merken. Er log über sich selbst. Versteckte seine wahre Persönlichkeit und zeigte niemandem, wer er war. Und das, mit einem teuflisch realistischem Lächeln.
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Würde mich über Votes freuen, wenn es euch gefallen hat. Was denkt ihr?
xoxo Joy
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