6. Viel Unterstützung

Blinzelnd öffnete Astrid die Augen und späte aus dem Fenster. Ein sonniger Tag. Für andere Wikinger wahrscheinlich toll, aber für sie nicht. Wenn das jetzt jeden Tag zu gehen würde...Das würde Astrid nicht aushalten. Jeden einzelnen Tag deprimiert und mit dem Gewissen, zwei wichtige Personen verloren zu haben, aufwachen. Nein danke. Die einzige Person, die es noch gab, war Hicks. Natürlich liebte Astrid auch Sturmpfeil über alles und Valka, die Drachenreiter und die Dörfler hatte Astrid ebenfalls gern. Trotzdem war es ein hartes Schicksal, die zwei Personen verloren zu haben, die einen groß gezogen haben. Die ersten Personen, die man zu Blick bekommen hat. Die Personen, die dich dein Leben lang begleitet haben. Die Personen, die man von Anfang an liebte. Grausam. Einfach nur grausam.
Mit einem trüben Gesicht kuschelte Astrid sich noch näher an ihren schlafenden Freund. Dieser allerdings wachte dadurch auf. Er erblickte verschlafen die junge Frau halb auf sich liegen und flüsterte mit einer müden Stimme: ,,Guten Morgen, Mylady. Konntest du gestern noch gut schlafen?" Stumm nickte Astrid und sah dem Wikinger in die Augen. Lächelnd wischte Hicks seiner Freundin ein paar Strähnen aus dem Haar und wisperte: ,,Hab ich es nicht gesagt?" Kopfschüttelnd, aber leicht grinsend, wandte sich die Blondine von ihm ab und setzte sich auf. Hicks tat es ihr gleich und rückte näher zu ihr. Nach kurzem Schweigen startete der junge Mann das Gespräch: ,,K-Kannst du mir erzählen, was gestern passiert ist?" Er hatte Angst, irgendwelche falschen Reaktionen von Astrid zu verursachen, wie zum Beispiel Tränen. Zum Glück geschah dies nicht. Sie blickte ihm nur kurz still in die Augen. Schließlich holte sie kurz Luft und begann zu erzählen, wobei sich ihre Stimme etwas rau anhörte: ,,Ich bin an diesem Tag am Abend ganz normal in mein Zimmer gegangen. Habe mir nichts Böses gedacht und nichts Schlimmes erwartet. Kurz bevor ich mich ins Bett gelegt habe, bin ich rüber ins Schlafzimmer von meinen Eltern gegangen. Ich hatte sie komischerweise an diesem Tag noch nicht gesehen, also wollte ich Ihnen zumindest noch eine gute Nacht wünschen. Schon ab diesem Zeitpunkt hatte ich dieses mulmige Gefühl. Ich wusste irgendwie, dass etwas nicht stimmte.  Immerhin hatte ich sie in der Früh nicht einmal beim Tisch unten angetroffen und keiner hier auf Berk hatte sie tagsüber gesichtet. Dann sah ich dieses Grauen...All das Blut, meine Eltern. Doch es lagen keine Waffen am Boden oder sonst irgendwo. Das einzige was ich fand, lag am Tisch, der im Zimmer steht. Es war ein...ein...äh...nicht so wichtig...Jedenfalls habe ich mir sofort meine Axt genommen und bin so schnell ich konnte in den Wald gerannt." Schlussendlich kam Astrid zum Glück keine Träne. ,,Alles wird gut, Astrid. Da bin ich mir sicher. Wir werden den Übeltäter finden und ihm eine Lektion erteilen." Kurz machte Hicks eine Pause, bis er fortsetzte: ,,Aber was lag da denn am Tisch?" Geschockt sah Astrid auf und antwortete rasch: ,,Hab ich doch gesagt, es ist...nicht wichtig..." ,,Astrid, was war es?",,Nichts." ,,Warum verheimlicht du es? Astrid, sag schon. Was zum Thor war das?" Nun hatte der Braunhaarige einen ernsten Ton angenommen. Kein Grinsen übermalte seine Lippen und kein ermutigender Ton füllte seinen Mund. Astrid sah ihn überrascht an. Aber eher schlecht überrascht. Ihr Gesichtsausdruck ließ sie schon fast (Betonung auf das fast) verängstigt aussehen. Sofort bemerkte Hicks seinen Fehler und sagte: ,,Astrid tu-tut mir leid. Aber was war es? Ich muss es wissen. Vielleicht kann es uns zum Täter führen." ,,Warum glaubst du mir nicht? Es war nichts." Der Wikinger seufzte. ,,Und wo ist es jetzt?" ,,Unwichtig." ,,Vertraust du mir nicht?" ,,Wa- Natürlich vertraue ich dir. Aber wenn ich sage, dass es unwichtig ist, dann ist es auch so." ,,Na schön..." Hicks blickte auf seine Beine und eine unangenehme Stille herrschte. Um die Situation zu lockern und vom Thema abzulenken, fragte Hicks: ,,Was möchtest du essen?",,Keine Ahnung, ein Brot wird schon reichen." Der Berkianer drehte sich zur Bettkante und sprach, während er aufstand: ,,Okay, du kannst liegen bleiben, ich bringe es dir." Nachdem Astrid kurz nickte, verschwand Hicks schon aus der Türe. Als die junge Frau sich vergewissern konnte, dass er weg war und bereits das Frühstück zubereitete, sah sie auf ihren Rock am Boden herab. Der Blick der Wikingerin blieb bei dem kleinen Beutel, der an der Kleidung befestigt war, hängen. Wieder schossen diese vier Worte durch ihren Kopf. Diese Worte verfolgten sie Stunde über Stunde. Sie konnte sich nie sicher sein, was als nächstes wohl geschehen wird, wenn sie diese Worte las. Astrid blickte nun wie hypnotisiert auf die Tasche und war so in Gedanken versunken, dass sie nicht einmal merkte, wie Hicks hinauf kam. In seinen Händen hielt er ein Schild, mit zwei Broten und Getränken darauf. So diente es als Tablett. Der junge Mann blieb aber sofort stehen, als er den Blick seiner Freundin mitbekam. Er schaute ebenfalls zum Rock. ,,Soll ich dir was aus deiner Tasche holen?", fragte Hicks während er das Tablett am Bett abstellte. Der Wikinger beugte sich hinunter und griff nach dem Beutel. Erst jetzt begriff Astrid, was im Moment passierte und rief schon fast: ,,Nein! Nein, nein, alles gut. Ich brauche nichts." Verwirrt erhob sich Hicks wieder und widmete sich dem Tablett. Mit einem einfachen ,,Okay." setzte er sich wieder neben die Blonde ins Bett und legte das Tablett zwischen die beiden. Während der Wikinger gleich in sein Essen hinein biss, schaute Astrid nur schweigend auf ihr Brot, das immer noch auf dem Schild lag. Hicks bemerkte dies sofort. ,,Warum isst du nicht?" ,,Hab' irgendwie keinen Appetit.", antwortete seine Freundin. ,,Wenn ich dir sage, dass du essen sollst, wirst du es nicht tun, oder?" ,,Nein." ,,Na schön...Entweder du verspeist das jetzt, oder ich stopfe es dir eigenhändig in den Mund.", forderte Hicks und versuchte gespielt ernst zu klingen. Astrid ließ ein kurzes Kichern heraus, ehe sie sich für geschlagen empfand und sagte: ,,Okay, okay. Ich esse schon." Dabei hob die junge Dame unschuldig ihre Hände, die dann nach wenigen Sekunden das Mahl festhielten. Während des Essens fragte die Wikingerin zögernd: ,,Und...was soll ich jetzt heute machen?" Hicks hätte sich fast verschluckt, konnte sich aber halten. Ein paar Lacher entwichen seinem Mund. ,,Wow...Dass du mich das einmal fragst...hätte ich nicht gedacht." Die Blondine besaß nun einen eher genervten Ausdruck auf ihrem Gesicht. Unschuldig grinste der Braunhaarige und überlegte laut: ,,Naja...Wenn wir heute, sobald es dunkel wird, zur Arena gehen, dann könntest du den Nachmittag doch mit...Raffnuss verbringen. Sie ist deine beste Freundin und kann dich trösten. Du weißt ja, dass sie in solchen Fällen auch ernst sein kann. Ich habe zwar noch etwas zu tun, aber wir sehen uns ja dann am Abend." Astrid nickte kurz, gab dann aber bei: ,,Gute Idee, aber ich möchte lieber einfach alleine sein." Leicht empört stieß der Drachenreiter hervor: ,,Ooh nein, junge Dame. Du wirst ganz sicher nicht alleine sein. Du brauchst genau jetzt ganz viele Personen um dich, die dich trösten und dir beistehen. Verstanden?" Astrid sah ihn mit einem zweifelnden Funkeln in ihren Augen an, nickte dann aber wieder ganz kurz und kaum sehbar. ,,Astrid, wehe, ich sehe dich heute alleine und nicht bei Raff.", mahnte das junge Oberhaupt. ,,Schon gut, Hicks. Ich habe es verstanden.", gab die junge Kriegerin sich geschlagen. Beide nahmen noch ein paar Bissen, während eine Stille herrschte. Diese hielt bis auch der letzte Happen weg war an. ,,Dann ziehen wir uns mal an.", verkündigte Hicks, während er vom Bett aufstand. Es schien so, als würde er neue Motivation für den Tag schöpfen. Astrid wünschte, sie könnte es genauso machen wie er, doch schon der Gedanke dafür gelang ihr nicht. Nicht so optimistisch wie Hicks, erhob auch die junge Frau sich und zog sich an. Während die Wikingerin sich einen neuen Zopf flocht, brachte das angezogene Stammesoberhaupt das Schild schon mal nach unten. Schließlich stieg auch Astrid die Treppen herab und folgte ihrem Freund aus dem Haus.
Den ganzen Vormittag lief Astrid nur im Dorf herum und gönnte sich die frische Luft. Fast jede Sekunde kam ein Berkianer auf sie zu und schenkte ihr sein größtes Beileid. Eigentlich war dies ganz nett, aber aufheitern konnte es Astrid nicht. Die junge Dame sah Hicks kaum, da er nur in der Schmiede arbeitete. Allerdings wusste sie nicht, dass er sie die ganze Zeit beobachtete und aufpasste, als sie im Dorf umher spazierte. Sturmpfeil hatte schon Futter bekommen und begleitete ihre Reiterin die ganze Zeit über. Auch Sturmpfeil hatte ihr ihr Beileid gegeben, nur eben auf die Drachen-Art.
Gegen Mittag entschied sich die Blonde dafür, noch eine Runde mit ihrer Nadderdame zu fliegen. Eigentlich sollte sie nun schon laut Hicks bei Raffnuss sein, doch die Frau ignorierte seinen ,,Befehl". Der Mann wollte zwar nicht, dass Astrid alleine war, doch sie hatte die Einsamkeit nun einfach nötig. Ja, vielleicht hatte Hicks Recht und sie brauchte Unterstützung, doch im Moment war dies nur der Fall für Sturmpfeil und die Natur. Heute würde sie sich einfach nur wo niederlassen und Zeit für sich gewinnen. Kurz bevor Astrid auf ihren Drachen aufstieg, erinnerte sie sich die Wikingerin an zwei gewisse Drachen. Die Drachen ihrer Eltern. Widerwillig entschied sich die junge Dame sie mitzunehmen. Doch diesmal bekam Hicks nicht mit, wie die drei Drachen hinauf zu den Schneegebieten sausten.

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