28. Heimkunft im Dunklen

Schon der dritte vor langer Zeit gelernte Drachenruf von Hicks erklang. Normalerweise hätte Ohnezahn seinen Kumpel sofort gehört und wäre zu ihm geeilt, doch diesmal konnten die Rufe nicht zu ihm durchdringen. Egal wie laut Hicks sie machte, egal wie viel Luft der Drachenreiter holte, um noch länger zu schreien - Durch die dichten Baumkronen mit den vielen Blättern vernahm man nichts. Die vielen Bäume verhinderten, dass man irgendetwas von mehreren hundert Metern oder Kilometern hörte. Einmal versuchte der Braunhaarige es noch, doch wieder brachte es nichts. Genervt stöhnend ließ das Stammesoberhaupt den Blick vom Himmel ab und bewegte sich in eine unbestimmte Richtung. Der Aufenthalt im Wald hatte sich nun bestimmt schon auf zwei Stunden hinausgezögert - Jede Minute war es lästiger und nervenraubender geworden. Wenn er nicht in kürzester Zeit die anderen fand, dann würden sie es nicht mehr bis zu den Beschützern des Flügels schaffen.
Inzwischen war dem 20-Jährigen klar geworden, dass diese Insel riesig war, also lag die Wahrscheinlichkeit, dass die anderen Drachenreiter und ihre tierischen Freunde durch die Windhose ins Meer geraten waren, bei knapp einem Prozent. Wenigstens konnte sich der Mann auch vergewissern, dass es seinen Freunden gut ging, da es beinahe unmöglich war, dass man bei den vielen Bäumen mit den dicken Blättern, durch die man beim Sturz etwas abgefangen wird, starb.
Im nächsten Moment passierte etwas, womit Hicks nicht gerechnet hätte. Wie aus dem Nichts stürzte ein aufgedrehter Hakenzahn aus den Büschen. Nicht nur sein Gesichtsaudruck zeigte, wie viel Angst und Panik er hatte, sondern auch sein Körper, der überall mit Flammen bedeckt war. ,,Hakenzahn!" Im ersten Moment wusste Hicks nicht, ob er fröhlich oder nicht so erfreut über den Auftritt des Drachens sein sollte. Aber dann ging ihm auf, dass er das erste lebendige Mitglied der Gruppe und noch dazu eine Flugmöglichkeit gefunden hatte. ,,Hakenzahn, komm runter!", rief das Oberhaupt von Berk schließlich und hielt seine Hände vor sich, als er merkte, wie der Riesenhafte Alptraum hektisch umherwirbelte. ,,Hakenzahn, bleib ruhig! Der Tornado ist weg, alles ist gut!" Die kleine Rede schien den den Drachen nicht sehr zu beeindrucken, denn er spielte weiterhin auf einen geisteskranken Drachen, der kein Feuer aushält, aber gerade damit entzündet wurde. ,,Hakenzahn, Stopp!". Diesmal versuchte der Wikinger es mit einem Befehl, doch dies hielt Hakenzahn auch nicht von seinem Auszucker ab. Doch bald kam Hicks eine Idee auf, die das Tier auf jeden Fall umstimmen würde. ,,Hakenzahn, wenn du dich so aufführst, wird dich Rotzbakke nachher auslachen und behaupten, dass du der ängstlichste Drache auf dem ganzen Archipel bist!" Sofort erlosch das Feuer und der Alptraum fixierte Hicks mit einem ernsten Gesicht. Zufrieden lächelte der junge Erwachsene und äußerte: ,,Geht doch. Jetzt lass mich auf dich steigen und wir können die anderen von oben suchen."
Schon gleich bemerkten die beiden, dass dies keine gute Idee war, da man von oben nichts außer Bäume mit ihren Blättern sah. So mussten sich die zwei zu Fuß auf die Suche begeben. Beiden gefiel diese Variante nicht so sehr.
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Genervt wäre zu untertrieben für Ohnezahns Zustand. Den Nerven entzogen trifft schon etwas besser zu. Noch nie war der Drache so gelangweilt von dem Gerede des Wikingers zu seiner Rechten. ,,Weißt du, Ohnezahn, mein geliebtes Ohnezähnchen, ich habe mich schon immer gefragt, warum Hicks so ein großer Erfinder ist und dann so eine schwierige Konstruktion für dich gebaut hat. Das muss doch übel schwer sein. Im Gegensatz zu so ziemlich allen Drachen bist du doch so klein und so...so zerbrechlich...Keine Sorge, ich kenne mich damit aus, ein gebrochenes Herz zu haben. Wenn dich alle Kraft verlässt, sowohl innerlich...als auch äußerlich." Der linke Arm um Ohnezahn Kopf gelegt und die rechte Hand zu einer Faust an der Stelle, wo das Herz bei einem Menschen festsitzt, drückte Taffnuss sich ganz nahe an den Nachtschatten und schluchzte. Genervt - Nein - Den Nerven entzogen blieb der Nachtschatten nicht stehen, sondern hielt seine Beine in Bewegung. Während er den sich an seinem Hals klammernden Taff zusätzlich mitschleifen musste, sprang dieser auf einmal auf und rief: ,,Hey, können Nachtschatten eigentlich rückwärts rennen? Ich bin Meister darin." Rückwärts lief Taffnuss mit einem fröhlichen Gesicht zu dem noch immer bewegenden Ohnezahn und wurde dabei immer schneller. Schließlich stieß er gegen etwas hartes, welches einen schrillen Schrei von sich gab und sich hastig umdrehte. Genau wie der noch immer geschockte Fischbein beäugte Raffnuss belustigt ihren Bruder. Ohnezahn gesellte sich sofort zu ihnen. Innerlich war er sowohl glücklich, die zwei zu sehen, als auch unruhig, da er noch immer nicht seinen Reiter gefunden hatte.
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,,Das gibt's doch nicht!", schrie Rotzbakke gereizt und beobachtete die zwei Drachen, die vor ihm genüsslich spielten. Der junge Jorgenson hatte nun nicht nur Fleischklops, sondern auch Kotz und Würg gefunden - Ausgerechnet die zwei Drachen, die er sich am wenigsten gewünscht hätte. ,,Könnt' ihr nicht endlich aufhören zu spielen?! Das ist echt nicht witzig, wie ihr euch über mich lustig macht! Ihr macht euch doch über mich lustig, oder?! Ich werde von einer Windhose hart zu Boden gestürzt, hätte das fast nicht überlebt und ihr?! Tja, ihr, ihr spielt einfach, als wäre nichts gewesen! Ihr seid eine echt große Hilfe! Habt ihr mich gehört?! Eine echt große Hilfe!" Nach seiner lauten Beschwerde musste der Wikinger tief Luft holen. Dabei wurde ihm klar, dass die Drachen vor ihm nichts von dem, was er gesagt hat, mitbekommen haben. ,,Aaaaaah", ließ der Berkianer den genervten Ruf hören. Ganz plötzlich hoben Kotz, Würg und Fleischklops wie auf Knopfdruck die Köpfe und schauten in den Himmel. Rotzbakke aber nahm sofort an, dass sie ihre Aufmerksamkeit ihm schenkten, wodurch er mit dem kurz aufgegabelten Stolz verkündete: ,,Na also, geht doch. Ich wusste, dass ihr mir zuhört. Ich meine, wer hört mir nicht z-" Mit dem Beenden seiner Aussage wurde nichts. Stattdessen gab der 20-Jährige einen lauten, von Angst ergriffenen Schrei von sich, als der grüne Wahnsinnige Zipper ihm plötzlich die Beine vom Boden nahm und gemeinsam mit Fleischklops durch die Lüfte flog. ,,Was is-", wollte Rotzbakke hektisch fragen, doch eine lila Farbe im Himmel erklärte alles. Ohnezahn hatte einen Plasmastrahl als Signal in den Himmel geschickt.
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,,Leute!", rief Hicks und sprang von Hakenzahn, welcher ihn zu der Stelle, von der der Plasmastrahl in den Himmel geschossen worden ist, gebracht hatte. ,,Ohnezahn!", hing er gleich hinten dran und umarmte seinen besten Freund. Der Nachtschatten war genauso wie sein Reiter mehr als überglücklich, endlich wieder bei einem vernünftigen Wikinger zu sein.
Nachdem alle zu ihren Drachen geeilt waren und jeder seine Geschichte kurz zusammengefasst hatte, berichtete Hicks, als er mit Verzweiflung in den durch die untergehende Sonne verfärbten Himmel blickte: ,,Es ist schön und gut wieder mit euch vereint zu sein, aber diese Suche hat jetzt mehrere Stunden gedauert. Es geht sich nicht mehr aus, zu Mala zu fliegen. Wir müssen zurück nach Berk." Am Ende seiner Erklärung wurde der Braunhaarige immer leiser und man merkte, dass die Hoffnung ihn verließ. ,,So ein Drachenmist!", schimpfte Taffnuss. Rotzbakke, der die Stimmung von seinem Freund mitbekam, erinnerte ihn: ,,Aber Hicks, jetzt beruhige dich mal. Wir haben noch genug Tage, um diese Beere zu finden." Das Stammesoberhaupt nickte langsam und fast übersehbar, dann setzte es sich auf Ohnezahn und beschloss: ,,Na schön, wir sollten jetzt nach Hause fliegen, sonst kommen wir erst dort an, wenn die Sterne schon am Himmel stehen."
Es dauerte einige Zeit, bis die Freunde Berk erreichten. Man erkannte es daran, dass der Himmel schon eine ziemlich dunkle Farbe besaß. Jeder verschwand in seinem Haus, Hicks flog mit seinem Nachtschatten zu seiner eigenen Hütte. Er hatte nicht darüber nachgedacht, dass ihn etwas überraschendes erwarten würde. Doch genau das passierte.

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