Geht's dir gut?
"Ich würde mir aber gern das Spiel ansehen"
Ich saß noch beim Frühstück in der großen Halle, mit dem Löffel in einer Müslischüssel rührend. Die Schüler um mich am Tisch waren von oben bis unten in Silber und Grün gekleidet und riefen Buhrufe zum Hufflepufftisch hinüber. Draco stand mit verschränkten Armen vor mir auf der anderen Seite des Tisches und sah mich ernst an.
"Wir spielen gegen Hufflepuff, solche Spiele waren noch nie spannend, weil wir da sowieso gewinnen", sagte er. "Jeder wird draußen auf dem Feld sein, sogar die Vertrauensschüler. Das müssen wir ausnützen"
Seufzend wandte ich den Blick auf mein Essen und aß einen Löffel.
"Okay", sagte ich und schluckte, bevor ich weitersprach. "Kann ich jetzt bitte weiter essen?"
"Um neun geht das Spiel los, also gehen wir in einer halben Stunde hoch.", meinte er noch etwas leiser, damit die anderen ihn nicht hörten, und ging dann wieder.
"Hufflepuff hat jetzt schon verloren", lachte Pansy, als sie mit mir und Daphne die Halle verließ. Sie bogen zur Treppe nach unten zum Eingangstor ab, während ich auf die Treppen auf der gegenüberliegenden Seite zuging.
"Wo gehst du hin, Lu? Ich dachte wir wollten zum Spiel?", fragte Daphne.
"Jaa, ich - ich komm dann nach. Ich muss noch schnell in den Gemeinschaftsraum", log ich und ging weiter in die Richtung dorthin, da man, um in den siebten Stock zu gelangen, ebenfalls dort in der Nähe eine Treppe nach oben nehmen musste.
Ich wartete am Fuß der Stufen auf Draco, da ich ihn nicht aus der Halle gehen sah und nun nicht wusste, wo er war. Ich hoffte nur, dass er nicht schon oben war und ich umsonst hier auf dem kalten Stein saß.
Doch wenige Minuten später kam er die Treppe, die in die Kerker führte, hoch. Wir beeilten uns in den Raum der Wünsche zu kommen, um genügend Zeit dort zu haben.
Wir hatten vor einiger Zeit die Möbel im Raum etwas umgestellt, um keinen langen Umweg zwischen diese hindurch gehen zu müssen.
"Was machen wir jetzt eigentlich, damit Crabbe und Goyle nicht draußen auffallen? Du hast gesagt du kümmerst dich darum", fragte ich und erinnerte mich an den kleinen Streit, den wir bei unserem ersten Besuch hier hatten.
"Ja, mir ist da was eingefallen", antwortete Draco.
"Und was?", wollte ich wissen.
"Vielsafttrank", sagte er. "Ist bald fertig, nächste Woche spätestens"
"Vielsafttrank? Und als wen sollen sie sich ausgeben?"
"Das ist der Punkt, ich weiß noch nicht", sagte Draco.
"Naja, ich glaub, Erstklässler oder so wären nicht schlecht. Bei denen ist die Gefahr nicht so groß, dass die auf Erkundungstour hier hoch gehen und dann sozusagen sich selbst begegnen", schlug ich vor.
"Ja, gar keine schlechte Idee...", überlegte Draco.
Wir waren beim Verschwindekabinett angekommen und während er das Tuch, mit dem es abgedeckt war, entfernte, suchte ich nach einem geeigneten Gegenstand, den wir verschwinden lassen und hoffentlich wieder heil zurück bringen konnten.
"Hier, hab was", sagte ich und nahm eine alte Öllampe von einem kleinen Tisch.
Nervös stellte ich sie in den Schrank und betete innerlich, dass es endlich funktionieren würde. Seit zwei Monaten schickten wir fast jeden Tag alle möglichen Gegenstände auf magischem Wege nach London und wieder zurück, doch immer waren sie nach ihrer Rückkehr beschädigt gewesen.
Diesmal sprach ich den Zauberspruch, der das Verschwindekabinett angeblich reparieren sollte. Wieder hörte man zweimal das vertraute Rauschen im Inneren des Kabinetts.
Wir öffneten die Türen und sahen, dass von der Lampe nur die metallene Halterung wiedergekehrt war, das Glas, das die Flamme für gewöhnlich schützte, war auf dem Weg hierher auf magische Weise verloren gegangen.
Draco schloss seine der beiden Türen wieder und lehnte sich mit dem Kopf dagegen. Er hatte die Augen geschlossen und ich hörte ihn verzweifelt seufzen.
Plötzlich vibrierte das Verschwindekabinett kurz, weil er mit der Faust dagegen schlug, aber immer noch nicht aufschaute.
So am Ende hatte ich meinen Bruder noch nie gesehen, aber bis jetzt hatten wir ja schließlich noch keine Aufgaben erledigen müssen, von deren Abschluss das Leben unserer ganzen Familie abhing.
Ich versuchte der Sache noch mit Ruhe und Geduld gegenüber zu treten, da das Schuljahr noch lange nicht rum war. Es war erst November, noch nicht mal Halbjahr, wir hatten also noch genügend Zeit.
"Wir haben noch Zeit", sagte ich möglichst ruhig, während ich die Lampe wieder aus dem Kasten nahm und auf die Seite stellte. "Es ist noch nichts verloren"
"Aber es soll so schnell wie möglich passieren", erwiderte Draco. "Und was haben wir für einen Fortschritt bei dem Ding? Gar keinen"
Er sah wieder auf und ging ein paar Schritte vom Verschwindekabinett weg. Er zitterte am ganzen Körper und fuhr sich nervös mit der einem Hand durch die Haare, mit der anderen rieb er sich die Augen.
"Geht's dir gut?", fragte ich, obwohl ich wusste, dass ich mir keine ehrliche Antwort zu erhoffen brauchte.
"Ja, alles bestens", sagte Draco tonlos. Es war mir egal, dass er mich bei der Frage für gewöhnlich anlog, so wie jetzt, aber ich konnte nicht verstehen, warum er meine Hilfe immer ignorierte, wenn ich sie ihm anbot.
"Geh schon, ich komm gleich nach", sagte Draco, sah mich aber nicht an.
"Wenn du meinst", sagte ich und ging ein paar Schritte Richtung Ausgang, doch ich stoppte noch einmal.
"Wann gehen wir nächste Woche rauf? Donnerstag?", fragte ich.
"Da kann ich nicht. Nachsitzen", antwortete er. "Mittwoch"
"Nein, Draco, das ist der 13., falls du nicht rechnen kannst. Da geh ich sicher nicht hier rauf", sagte ich kopfschüttelnd.
"Wieso nicht? - Oh...", fragte er, doch ihm fiel die Antwort selbst ein.
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