Das seitenlose Buch
"Du hast sie doch nicht mehr alle?!", rief ich. "Du kannst denen nicht einfach das Dunkle Mal zeigen, das Ganze hier soll nicht umsonst geheim bleiben!"
"Glaubst du, die wären da draußen geblieben, wenn ich ihnen nicht gesagt hätte, womit sie es hier zutun haben? Die zwei sind dumm wie sonst wer, aber von ihren Vätern wissen sie, wozu wir fähig sein können, und mir trauen sie auch alles zu", erwiderte Draco.
"Aber trotzdem musst du nicht gleich am zweiten Tag erzählen was Sache ist!", sagte ich. "Ich vertraue den beiden nicht, hab ich noch nie getan. Ich hoffe wenigstens, dass du vor Blaise und den anderen nicht wieder mit solchen Sachen wie im Zug anfängst"
"Ja, und ich vertraue Daphne und den anderen genauso wenig - ja, auch Pansy nicht. Du sollst genauso deine Klappe halten"
"Jaa, ich muss aufpassen", sagte ich. "Ich wollte es vorhin nicht zeigen, aber wer war so unvorsichtig schnell und ist damit rausgerückt? Wenn sie es zumindest nur von einem von uns wüssten"
"Schieb's mal wieder auf mich! Immer mach ich was falsch, als ob du nie Fehler machen würdest!", sagte Draco.
"Ich mach auch genug Fehler, das weißt du, aber den jetzt hast du gemacht!", gab ich zu.
Nach einer kurzen Pause fügte ich wieder ruhig hinzu: "Außerdem fällt das auf, wenn Crabbe und Goyle da draußen rumstehen wie zwei übergroße Wasserspeier"
"Ich lass mir was einfallen", meinte Draco ebenfalls wieder ruhig. "Komm jetzt, wir müssen das Verschwindekabinett suchen"
Der Raum der Wünsche, so wie er nun für uns aussah, war mit vielen pyramidenartigen Stapeln an allem möglichen vollgestellt. Teils zog sich ein Weg durch die Berge, teilweise musste man sich zwischen Gegenständen durchzwängen.
"Okay, such etwas, dass so aussieht wie das Verschwindekabinett bei Borgin und Burke's. Ich weiß auch nicht wie weit drinnen es sein könnte - oder wie groß dieser Raum ist", sagte Draco, nachdem wir mehrere Meter in das Innere vorgedrungen waren.
Ich nahm an, dass der Kasten aufgrund seiner Größe allein stehen würde, weshalb ich mich nicht auf Kleinigkeiten konzentrierte, sondern so weit wie möglich umher sah.
Auf der Suche trennten wir uns schnell, so war die Wahrscheinlichkeit auch größer, dass wir das Kabinett finden.
Irgendwo spielte ein kaputter Plattenspieler, welcher ein endloses Summen von sich gab, von woanders konnte ich Schritte und sich bewegende Gegenstände hören, wofür nur Draco verantwortlich sein konnte.
Ich versuchte mir gerade einen Weg zwischen zwei Gegenständebergen voller alter Lampen und kleinen Kommoden und Kisten zu bahnen, als ich einen letzten Blick zurück auf den Weg warf, den ich bereits durchsucht hatte.
In einem schmalen Spalt zwischen einem kleinen Kleiderschrank und einem hohen Stapel Bücher konnte ich etwas großes, dunkles aus Holz sehen. Es hatte mindestens einen Griff und war mit einer Art Vorhang zur Hälfte verdeckt.
Sofort änderte ich meine Pläne und ging zu dem Kasten auf der anderen Seite.
Je mehr ich mich ihm näherte, umso klarer wurde mir, dass dieser Schrank und das Verschwindekabinett bei Borgin und Burke's keinerlei Ähnlichkeiten hatten.
Dieser war kleiner und mit viel mehr Schnitzereien verziert worden, jedoch ließ mich irgendwas daran nicht los und hinderte mich daran meine Suche fortzuführen. Ich wollte wissen, was sich darin verbarg, ein kleiner Blick hinein hätte gereicht. Gespannt näherte ich mich dem dunkelbraunen Schrank mit ausgestreckter Hand, selten hatte ich meine Neugier weniger zügeln können.
Plötzlich ertönten ein, zwei dumpfe Schläge gegen das Holz aus dem Inneren des Kastens, worauf lautes Knarzen des vermutlich alten Holzes folgte. Als wollte etwas darin nach draußen.
Mit meiner Hand berührte ich bereits den Stoff des Vorhangs, er fühlte sich sehr weich und dünn an.
Gerade wollte ich ihn zur Seite ziehen, um auch die zweite Klinke sehen zu können, bis mich das Echo einer Stimme aus meinem beinahe Trancezustand riss.
"Lucie! Ich hab's gefunden, hier ist es"
"Wo bist du?", rief ich zurück.
"Hier drüben"
Ein paar Stapel weiter links von mir sah ich kurz ein Buch durch die Luft fliegen, welches Draco offenbar geworfen hatte, um mir ein Zeichen zu geben.
Groß und irgendwie edel stand das Verschwindekabinett da. Mir schien, als wäre es der neueste Gegenstand hier drinnen, als einziger wirkte es sauber und schien insgesamt nur selten benutzt worden zu sein.
Ich schob den letzten herumstehenden Stuhl vor mir beiseite und war nun endgültig bei Draco und dem gesuchten Objekt angelangt.
"Lass mich mal den ersten Versuch machen", meinte Draco und stellte sich direkt neben das Verschwindekabinett.
"Nur zu", stimmte ich ihm zu, doch ich stellte mich ebenfalls nahe an den Schrank.
Draco öffnete eine Seite des Kastens und legte ein Buch hinein, vermutlich das, welches ich auch vorhin fliegen sah. Langsam schloss er die Tür wieder und ich konnte sehen, dass er die Augen geschlossen hielt, während er die drei Worte aus dem Buch aufsagte.
Und tatsächlich taten die ihre Wirkung.
Ein kurzes Geräusch aus dem Kasten war zu hören, als hätte Draco mit seinen Worten einen Windstoß erzeugt, der den Hohlraum darin leerfegte.
Ein kurzer Blick in den Schrank bestätigte das Vermutete; kein Buch war mehr zu sehen.
Erleichtert darüber, dass der Zauberspruch funktionierte, atmeten wir auf. Wir hatten eine Chance, eine Möglichkeit zumindest den Teil der Aufgabe zu absolvieren.
Draco sagte die vorhin gesagten Worte vor der wieder geschlossenen Tür ein zweites Mal, doch diesmal geschah nichts. Immer und immer wieder wiederholte er die Phrase, bis zum Glück beim neunten oder zehnten Versuch der Windstoß wieder zu hören war.
Draco öffnete die Schranktür diesmal nur einen Spalt breit, sodass ich nicht hineinsehen konnte. Nachdem mehrere Sekunden, in denen er nur mit dem Kopf im Schrank dagestanden und nichts gesagt hatte, öffnete auch ich neugierig, aber vorsichtig, die zweite Schranktür und sah, was Draco so sprachlos machte.
Von dem ganzen Buch, das er in das Verschwindekabinett gelegt hatte, war nur der Einband wieder zurückgekehrt.
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