Das Monster in uns
Nicht nur, dass die Stunde, die Draco und ich gerade im Raum der Wünsche verbracht hatten, mal wieder völlige Zeitverschwendung war, sondern auch mein knurrender Magen, trieben mich in den Wahnsinn.
Vermutlich war aber der Hauptfaktor dafür Draco, der wieder völlig am Ende war. Den Ausgang suchend und dabei wahllos Gegenstände mit Gewalt zur Seite tretend oder schiebend, ging er mit schnellen Schritten vor mir her. Ich sagte ihm diesmal nicht, dass er sich beruhigen sollte, im Endeffekt brachte das dann sowieso eher wenig Erfolg.
Als wir beim Ausgang angekommen und nach draußen getreten waren, nutzte ich allerdings die Gelegenheit, um von meinen letzten Erfahrungen mit dem Verschwindekabinett zu berichten: "Gestern hab ich wieder ein Glas Wasser reingestellt. Diesmal war es nur noch zur Hälfte leer."
Zuerst zeigte er keine Reaktion. Er schaute um die Ecke, ob jemand in der Nähe war. Dies war nicht der Fall, was für ihn scheinbar das Zeichen war reden zu können.
"Was für ein Fortschritt", sagte Draco sarkastisch.
Wir gingen die Stufen hinab in den sechsten Stock.
"Ja, das ist ein Fortschritt, nur für den Fall, dass es dir auch auffällt", sagte ich, doch er schien nichts darauf erwidern zu wollen.
Wir waren mitten in einem etwas dunkleren Korridor angelangt, kein Mensch schien in der Nähe.
Ich hielt Draco an der Schulter fest und wir blieben stehen.
"Merkst du denn nicht, dass das ein erster Schritt in die richtige Richtung ist?", fragte ich.
"Das Glas war nur halb voll, Lucie, es sollte ganz voll sein!", gab er zurück.
"Dir geht's auch nur um deinen Fortschritt, oder? Du hast einen Vogel dadrinnen umgebracht, hab ich dich damit aufgezogen; nein! Aber dann bringe ich uns einmal einen kleinen Schritt näher ans Ziel und es ist dir egal. Juckt dich eigentlich irgendwas, was ich mache?!"
"Hey, ich hab keine Ahnung wo du das auf einmal her hast, aber du suchst immer nach Anerkennung! Die ganze Zeit schon", warf er mir vor.
"Ich bin nicht die, die ganze Zeit Anerkennung sucht. Du Arschloch, hast dich immer nur für deinen eigenen Ruf interessiert, ich war dir egal. Manchmal kam ich mir echt vor wie eines von deinen Mobbingopfern", sagte ich.
"Ach, du hast dich von mir verarscht gefühlt?!", fuhr er mich an. "Ich sag dir jetzt mal was; Alles was ich wollte, war ein bisschen Aufmerksamkeit, aber nein, Mutter hat dich immer bevorzugt - ihr kleines Mädchen - und wann glaubst du hat Vater mich beachtet? Wenn ich was größeres geschafft hatte, ich musste aufsteigen um von euch allen beachtet zu werden. Und, ja, vielleicht kam dieses Machtgefühl öfters über mich, aber hast du auch nur einen Finger deswegen gerührt? Du hättest genauso gut herkommen und sagen können, es reicht. Oder mir vielleicht sogar helfen. - Weißt du noch, Anfang drittes Jahr? Der Drang mich beweisen zu müssen kam eben über mich, also bin ich nach vorne zu diesem Hippogreif Vieh. Ich hab mir den Arm gebrochen und was hast du getan? Du hast gelacht. Zumindest etwas Mitleid wäre doch nicht zu viel verlangt gewesen, also sag nicht, dass du mir egal warst, denn ich war es dir genauso"
"Du hast mich damals auch gefragt, was mein Irrwicht war.", sagte ich, langsam stiegen mir Tränen in die Augen. "Und ich hab es dir nicht gesagt, weil du auch gelacht hast.
Hast du eine Ahnung? Weißt du, was meine größte Angst ist?"
Ich war mir nicht sicher, ob Draco begriffen hatte, worauf ich hinaus wollte, jedenfalls sagte er nichts darauf.
"Wenn du glaubst, ich hätte nie versucht dir zu helfen, dann hast du dich aber gewaltig getäuscht. Ich war es nicht, der einen auf heile Welt gemacht und mich teilweise beleidigt hat, sobald ich auch nur ein Wort mit dir reden wollte. Du wolltest mir auch nie zuhören." Ich spürte, wie eine Träne meine Wange hinunterlief. "Weißt du überhaupt, warum ich Mutters kleines Mädchen war? Alleine deshalb -" Ich nahm kurz eine Haarsträhne zwischen die Finger und ließ sie wieder los. "Also glaub nicht, dass ich deren Liebling war. Ich war ihnen ebenso egal wie dir."
"Wenn du das gewesen wärst, hätte ich mir das -" Draco deutete auf meine Haare. "- nicht vor bereits einiger Zeit erklären lassen", behauptete er.
"Was?", fragte ich mit einem Mal atemlos nach.
"Ja, Lucie, ich weiß es. Ich bin nicht so stur wie du, ich glaube, jeder würde es lieber wissen als du.", sagte er.
"Du warst da fünf Monate alt, was interessiert dich das, was da los war?", fragte ich.
"Mutter hatte in deinen ersten Wochen furchtbare Angst um dich, Vater auch!", begann Draco zu erklären. Ich bemerkte, dass auch er Tränen in den Augen hatte. "Mutter ging es schlecht die ganze Zeit, sie dachte wirklich, du würdest das nicht überleben. Ohne Snape hättest du das auch nicht. Sie hat mir auch erzählt, dass der Trank laut Snape nicht mal vollkommen korrekt gewirkt hat und, dass er selbst nicht wusste welche Nebenwirkungen auftreten konnten. Später kam die Angst, dass du ein Squib sein würdest.
Mutter und Vater hatten ihr ganzes Vertrauen in Snape gesetzt, aber ihnen war egal, was noch kam, Hauptsache, du warst am Leben."
Ich wusste nicht, was ich sagen sollte, also ließ ich es.
Plötzlich ergab alles Sinn, warum Mutter sich unter anderem bei dem Spitznamen Streifenhörnchen angegriffen fühlte. Es erinnerte sie einfach an die ganze Angst, die sie damals hatte.
"Mutter wollte dich die ganze Zeit beschützen, einfach auch, weil du durch das ganze mit dem Trank von Haus aus etwas schwächer warst.", setzte er fort. "Vor sechs Jahren, als wir das erste Mal nach Hogwarts fuhren, hat sie mir gesagt, ich soll zumindest etwas auf dich aufpassen und die neugierigen Typen von dir fernhalten."
"Ja, das hast du sehr gut hingekriegt mit dem Beschützen", bemerkte ich sarkastisch.
"Hey, bis heute sind Leute auf der Straße unterwegs, die dir hinterherschauen, wer glaubst du sorgt dafür, dass sie nicht mehr werden?", sagte Draco.
"Früher hättest du die Leute verscheuchen können, glaubst du, ich komm inzwischen nicht damit klar?", fragte ich. "Ich bin nicht mehr das kleine Mädchen"
Daraufhin zog ich den Ärmel hoch und streckte ihm das Dunkle Mal entgegen. Er würdigte es allerdings keines Blickes, sondern sah mir einfach in die Augen.
Sekunden vergingen in denen nichts gesprochen wurde.
"Wir wissen beide, dass das nicht nötig gewesen wäre", brach ich mit leiser Stimme die Stille.
"Es ist meine Schuld", sagte Draco ebenfalls leise. "Wenn, dann wollte Vater, dass ich das mache, aber niemals du!"
"Glaubst du, es interessiert mich, was er von uns erwartet?", sagte ich. "Glaubst du, ich hab das gemacht, um irgendwas zu beweisen oder sonst was? Ich kenne dich, verdammt nochmal, ich weiß, dass du alleine überhaupt keine Chance haben würdest"
"Hör auf jetzt", zischte Draco, den Blick nun auf den Boden gerichtet.
"Nein, Draco, du hörst mir jetzt zu!", forderte ich. "Du musst niemandem etwas beweisen, verstanden, niemandem. Und schon gar nicht so. Ich wusste von Anfang an, dass du mit dem Gefühl, alleine für unser Schicksal verantwortlich zu sein, nicht leben könntest und woll-"
"Hör auf, Lucie!", unterbrach er mich.
"- nicht leben wolltest. Wie hätte ich dir in dem Moment denn anders helfen sollen, Draco, sag mir das? Ich wusste, dass es dir das Herz brechen würde, aber -"
"HÖR AUF!"
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