Neben der Spur
Etwa 15 Minuten später kommen J.J. und ich wieder beim Polizeirevier an. Die schwarzen SUVs der anderen stehen nicht auf dem Parkplatz, sie sind also wahrscheinlich noch beim neuen Tatort.
Kaum das J.J. und ich in unserem Raum sind, ruft sie Garcia an und stellt direkt auf laut, sodass ich mithören kann. „J.J." Sagt Garcia direkt als sie das Gespräch annimmt. „Wie geht es Jessi?" Ich höre ihre Besorgnis deutlich in ihrer Stimme und bekomme automatisch ein schlechtes Gewissen. Mir ist klar, dass sich alle um mich sorgen, aber ich weiß auch, dass ich momentan nicht in der Lage bin etwas dagegen zu tun. J.J. wirft mir einen kurzen Blick zu und beißt sich auf die Lippe. „Mir geht's gut Penelope." Sage ich deswegen und aus dem Telefon hört man ein leises „Oh." Aber nur ein paar Sekunden später hat Garcia sich wieder gefangen und sagt mit fester Stimme. „Freut mich zu hören, dass es dir gut geht. Wenn ihr wieder Zuhause seid, müssen wir erst einmal einen schönen Mädelsabend machen." Ich kann quasi vor mir sehen, wie Garcia mit ihrem lila Kugelschreiber durch die Luft wedelt und dabei ihre kleinen Figuren, die überall im Büro stehen, betrachtet. Meine Mundwinkel zucken ein wenig nach oben, aber gleichzeitig fühle ich mich noch immer mies. Deswegen gehe ich nicht weiter darauf ein, sondern sage: „Garcia, du musst jemanden für uns finden." „Das ist meine liebste Aufgabe. Schießt los." Antwortet sie sofort und J.J. erzählt, was wir bis jetzt wissen. „Wir suchen eine Frau mit dem Vornamen Sophie. Sie hat vor einiger Zeit ihre Tochter verloren, hat aber noch eine ältere Tochter. Sie hat eine Zeit lang die Selbsthilfegruppe besucht und ist vernarrt in den Gedanken, dass Hexen Leid zufügen." Man hört Garcia tippen und mit einem „Ich ruhe nicht eher, bis ich was gefunden habe." Verabschiedet sie sich.
Da die anderen noch immer nicht da sind, bleibt uns erst Mal nichts anderes übrig, als zu warten. Ich sehe wie J.J. mich mustert und fühle mich augenblicklich unwohl. „Ich hole mir mal einen Kaffee." Murmle ich und verlasse schnell den Raum. Beim Kaffee holen lasse ich mir dann viel Zeit, da ich die Situation vermeiden möchte, dass J.J. mich wegen Gestern anspricht. Aber als ich mit einer Tasse Kaffee wieder in den Raum komme, steht J.J. noch immer alleine da. Den Blickkontakt meidend setze ich mich an den Tisch und starre meine Hände an, welche die Tasse umklammern. „Jessi du solltest mit jemandem darüber reden." Meint J.J. nach ein paar Minuten Stille. „Mhm." Murmle ich zur Antwort und nehme einen Schluck Kaffee. Ich weiß, dass sie recht hat, aber ich fühle mich einfach nicht in der Lage darüber zu sprechen. Derek wäre der einzige mit dem ich jetzt reden würde, aber...Bei dem Gedanken überkommt mich Wut und Trauer gleichermaßen und ich spüre wie meine Augen feucht werden. Noch bevor J.J. darauf reagieren kann, geht die Tür auf und das restliche Team kommt herein. Schnell springe ich vom Stuhl auf und stelle mich an die Wand, um den Blicken der anderen möglichst aus dem Weg zu gehen. Die anderen fangen an zu reden, aber wieder einmal kann ich ihnen nicht folgen, sondern bin in meinen eigenen Gedanken gefangen. Ich merke aber, wie sich jemand neben mich stellt. Ich blicke zur Seite und sehe in das freundlich lächelnde Gesicht von Spencer. Ich versuche zurück zu lächeln, weiß aber, dass ich grandios dabei scheitere. Spencer scheint trotzdem zu verstehen, was ich bezwecken wollte, denn er legt seine Hand auf meinen Rücken und streicht kurz darüber. Diese soziale Aufmerksamkeit und Gesten von unserem Doc sind mir neu, aber doch fühle ich mich etwas geborgener bei dieser Geste. Dann fällt mein Blick auf Derek, der mich und Spencer von der anderen Seite des Raumes beobachtet. Ich sehe das schlechte Gewissen in seinem Ausdruck, aber da ist noch etwas anderes. Etwas, dass ich nicht ganz einordnen kann. Dann aber lenke ich meine Aufmerksamkeit auf Hotch, welcher gerade das Gespräch mit Garcia beendet. „Okay, wir fahren zu Sophie Grimes. Sie passt perfekt ins Profil." Wieder einmal habe ich die Hälfte der Informationen nicht mitbekommen und ich kann nur vermuten, dass es sich um Sophie Grimes um die Sophie handelt, von der J.J. und ich heute erfahren haben. Alle setzen sich in Bewegung und kurzentschlossen gehe ich auf meinen Boss zu. „Hotch? Kann ich kurz mit dir reden." Hotch sieht mich kurz an und nickt dann. Als die anderen den Raum verlassen haben, sage ich zu ihm: „Ich bitte dich, mich vom Rest des Falles abzuziehen. Ich bin nicht bei der Sache und dadurch niemandem eine Hilfe. Und wenn es gleich zu einer Festnahme oder Schießerei kommt, wäre ich wohl eher ein zusätzliches Risiko." Mein Boss blickt mich ernst und mit unergründlicher Miene an. Mir ist es noch nie gelungen, aus Hotchs Miene schlau zu werden, und auch jetzt gelingt es mir nicht. „Natürlich. Es ist gut, dass du ehrlich zu mir und zu dir selbst bist. Ich werde mich bei dir melden, wenn der Fall abgeschlossen ist und wir zurück fliegen." „Danke." Antworte ich und will gerade gehen, als Hotch noch einmal das Wort erhebt. „Jessi?" Ich drehe mich um und blicke ihn an. „Wenn wir Zuhause sind, müssen wir darüber noch einmal reden." Ich nicke.
3 Stunden später sitze ich bereits im Flieger und warte darauf, dass wir endlich abheben. Ich sitze am hinteren Ende des Fliegers und habe meine Jacke als Decke über mich gelegt und versuche mich mit meinem Handy abzulenken. Etwa 20 Minuten nachdem wir losgeflogen sind, kommt Dave zu mir und setzt sich gegenüber von mir. Er lächelt mich freundlich an und mir wird erst jetzt bewusst, welch beruhigende Aura der Italiener ausstrahlt. „Wie geht es dir?" Fragt er und ich zucke mit den Schultern. „Ich bin müde." Antworte ich ehrlich und wie zur Bestätigung muss ich gähnen. Dave schmunzelt. „Im eigenen Bett lässt es sich eben doch am besten schlafen." Ich nicke, dann frage ich: „Wie ist der Fall eigentlich ausgegangen?" „Sophie Grimes war tatsächlich die Täterin. Gemeinsam mit ihrer 20 Jahre alten Tochter hat sie die Frauen entführt und auf dem Scheiterhaufen verbrannt." „Und ihr Motiv?" „Ihre jüngste Tochter ist vor einem Jahr im Krankenhaus gestorben. Eine Krankenschwester hat noch versucht sie wiederzubeleben, aber ohne Erfolg." Antwortet Dave mir. "Deswegen also der Hass auf Krankenschwestern. Und ihre Obsession zur Hexerei?" Will ich wissen. Dave zuckt mit den Schultern. „Es gibt keine offensichtliche Erklärung dafür. Aber ich vermute mal, sie hat in ihrer Trauer etwas gesucht, dem sie die Schuld geben kann. Und da hat sie sich auf die Hexerei fokussiert." „Und wieder einmal hat sich gezeigt, dass es keine übernatürliche Kraft gibt. Zumindest nicht in unseren Fällen." Ruft Emily, die zwei Plätze weiter sitzt. Alle pflichten ihr stumm bei.
„Ganz gewiß hat es auf dieser Welt niemals Hexen und Hexenmeister gegeben; aber ebeno unleugbar haben es zu allen Zeiten die Leute an Betrüger geglaubt, die das Talent besaßen, als Zauberer aufzutreten."
Der italienische Abenteurer und Schriftsteller Giacomo Casanova
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