Kapitel 8

Nervös lief ich zurück ins Bad. Dieser verdammte Pferdeschwanz wollte einfach nicht wie ich. Ich zog an dem Haargummi, doch irgendwie hatte ich es geschafft einen Haarknoten um das Haargummi zu bauen. Ungeduldig zog ich es mit viel Kraft wieder aus meinem Haar. Auch wenn es wehtat.
Ich griff wieder nach der Bürste, mit der ich heute schon dreimal versucht hatte meine Haare in diesen verdammten Zopf zu binden. Bei den 12 Göttern, hatten sich meine Haare mit der Krawatte verbündet oder was soll das Zickendrama jetzt? Man hörte wie Samuels Zimmertür geöffnet und dann auch wieder geschlossen wurde. Dann hörte man Schritte in meine Richtung.
„Carolin, was machst du da?" Marlene versuchte mühevoll, ein Lachen zu unterdrücken.
„Ich will meine Haare in einen Pferdeschwanz binden, aber sie wollen nicht. Sie sind so rebellisch wie meine Krawatte geworden." Ich versuchte verzweifelt, sie ordentlich zurückzubinden, doch es rutschten mal wieder ein paar Strähnen weg. Sie fielen mir ungebändigt über die Schulter. Meine Freundin trat hinter mich. Sie nahm meine Haare und faste sie zu einem Pferdeschwanz zusammen. Bei ihr wirkte es furchtbar leicht.
„Warum bist du so nervös?" Sie sah mich neugierig im Spiegel an.
„Heute beginnt meine Ausbildung im St. Mungo."
„Du wirst eine tolle Heilerin. Du musst nicht nervös sein." Meine beste Freundin machte ein Zopfgummi um meine Haare.
„Und jetzt wirst du auch die schönste Heilerin im ganzen St. Mungo sein. Also los! Geh runter zum Frühstück. Ansonsten musst du noch ohne Frühstück zur Ausbildung fahren." Sie schob mich Richtung Treppe.

Samuel hatte einen Arm um mich gelegt. Das St. Mungo hatte sich seit dem Tod meiner Familie von vor einem Jahr kaum verändert. Es war noch immer die gleiche Eingangshalle und auch der Empfang schien sich nicht verändert zu haben. Nur eine andere Empfangsdame saß nun dort.
„Wir sehen uns dann zum Mittagessen, Kleine." Mein Großcousin drückte mir einen Kuss auf die Stirn.
„Bis später, Großer." Während Samuel hoch in das dritte Obergeschoss, der Abteilung für Vergiftungen durch Zaubertränke und magische Pflanzen lief, blieb ich im Erdgeschoss, wo die Abteilung für Utensilien-Unglücke lag. Dort war Mason Holloway die meiste Zeit beschäftigt und dort würde meine Ausbildung und vermutlich auch die von ehemaligen Mitschülern beginnen.

Das Büro meines Ausbilders war wie fast alle Räume im Krankenhaus in Weiß gehalten worden. Mason Holloway saß hinter seinem Schreibtisch. Er hatte ein paar Akten vor sich liegen, in denen er las. Doch außer ihm war das Büro leer. Demnach war ich wohl die Erste, die angekommen war.
„Carolin, schön dich wiederzusehen. Setze dich doch erstmal, bis die anderen kommen." Er zeigte auf einen Stuhl vor dem Schreibtisch. Ich ließ mich darauf fallen. Mein Ausbilder klappte die Akten zu. Er sah mich neugierig an.
„Und bist du aufgeregt?"
„Ein wenig."
„Ach, das musst du nicht. Deine Schulnoten sind super, die Lehrer reden in hohen Tönen von dir." Er lächelte mir beruhigend zu, während mein Gesicht krebsrot anlief.
„Gibt es noch weitere Auszubildende?", versuchte ich vom Thema abzulenken. Der Heiler nickte grinsend. Dann drehte er die Akten um, damit ich die Namen darauf lesen konnte. Natasha Million, sprang mir als erstes ins Auge. Brandons aktuelle Freundin war bis heute nicht wirklich gut auf mich zu sprechen. Sie war mindestens genauso eifersüchtig wie ihr Freund, weshalb sie sofort einen Anfall bekam, sobald ich mal zwei Worte mit diesem wechselte. Dies kam zwar nicht gerade häufig vor, doch trotzdem blieb sie gegenüber mir misstrauisch.
Der nächste Name war Allen Nagle. Er war ebenfalls ein Hufflepuff in meinem Jahrgang gewesen. Da er mit Brandon sieben Jahre lang, in einem Schlafsaal gewohnt hatte, hatten sie ein ziemlich enges Verhältnis. Dem entsprechend war er ebenfalls nicht gerade gut auf mich zu sprechen. Aus seiner Sicht war ich die Böse, die sich von seinem Kumpel getrennt hatte.
Mein Blick glitt zum dritten und letzten Namen: Megan McFarlin. Ob sie wohl die Sache mit Sirius und Lindsay Galbraith verarbeitet hatte? Ich fürchte, bei den anderen Auszubildenden würde ich nicht gerade gut ankommen.
„Du siehst unzufrieden aus. Haben wir keine gute Wahl getroffen?"
„Sie sind einfach nicht so gut auf mich zu sprechen. Megan McFarlin ist eine Ex von Sirius, Allen Nagle ist ein guter Freund von meinem Ex Freund und Natasha Million die aktuelle Freundin von meinem Ex." Der Heiler nickte verstehend.
„Mache dir keine Sorge, sie werden sich schon professionell verhalten. Außerdem wirst du gar nicht so viel mit ihnen zu tun haben. Drei Tage in der Woche sind alle Auszubildenden in den verschiedenen Abteilungen unterwegs. Nur an zwei Tagen habt ihr alle vier gemeinsam bei mir Unterricht, aber das erkläre ich gleich für alle zusammen." Der Blick meines Ausbilders glitt zur Uhr. Die anderen hatten noch zwei Minuten oder sie wären gleich am ersten Tag zu spät. Kein guter erster Eindruck. Eine Minute später klopfte es an der Tür.
„Herein." Die Tür wurde aufgemacht und die anderen drei Auszubildenden betraten den Raum. Sie waren demnach pünktlich.
„Hallo, ihr drei." Ich lächelte ihnen freundlich zu.
„Sanders." Allen Nagle nickte mir kurz zu, während Megan McFarlin sich wenigstens zu einem freundlichen Gesicht durchrang.
„Schön, dass ihr jetzt alle hier seid. Setzt euch erstmal." Er zeigte auf die drei anderen Stühle, die von den drei ehemaligen Mitschülern von mir besetzt wurden.
„Nun denn, wie sie mit Sicherheit wissen, wurde vor zwei Jahren die Ausbildung auf ein Jahr, genauer gesagt zehn Monate, gekürzt. Dabei wurde allerdings festgestellt, dass das bisherige System nicht mehr so gut funktioniert wie früher. Daher haben wir seit dem letzten Jahr ein neues, was wir zu diesem Ausbildungsjahr noch ein bisschen verbessert haben. Ihr werdet ein Tag die Woche mit mir Heilzauber trainieren. Jeden Montag. Dienstags werden wir Heiltränke brauen. Wir fangen mit den Einfachsten an und arbeiten uns zu den Komplexeren hoch. All diese Zauber und Tränke sind die Grundlagen für die Heilkunst. Egal in welcher der fünf Abteilungen des St. Mungo ihr später arbeiten wollt, ihr werdet sie auf jeden Fall nutzen müssen. Die anderen drei Tage werdet ihr in einer der Abteilungen helfen und dort die grundlegenden Zauber und Tränke für diese Spezialgebiete erlernen. In jeder Abteilung habt ihr einen Monat Zeit, um euch dort umzusehen. Ab dem fünften Februar, also nach fünf Monaten, habt ihr eure ersten Prüfungen über die Grundlagen der Heilkunst. Sowohl über die spezifischen als auch die allgemeinen Zauber. Ihr habt eine Woche lang Prüfungen. Es sind sieben Prüfungen an fünf Tagen. Also ein ziemlich straffes Programm. Nach den Prüfungen, die ihr hoffentlich bestehen werdet, werdet ihr in einer Abteilung weiter ausgebildet. Ihr lernt dann nur noch Heilzauber, die ihr in diesem Bereich braucht. Euer Haupteinsatzort ist dann auch nach eurer Ausbildung in dieser Abteilung. Das heißt allerdings nicht, dass ihr die Zauber aus den ersten fünf Monaten vergessen könnt. Je nachdem wie voll besetzt das St. Mungo gerade ist, werdet ihr auch in anderen Abteilungen helfen müssen. Während eurer Ausbildung habt ihr immer von 8 Uhr bis 16 Uhr dienst. Wir haben allerdings drei Schichten. Mitternacht bis 8 Uhr wäre die frühste und die späteste wäre von 16 Uhr bis Mitternacht. Das Krankenhaus ist demnach 24 Stunden sieben Tage die Woche besetzt. Ihr habt beschlossen, diesen Beruf betreiben zu wollen, und daher werdet ihr auch mal am Wochenende und in den anderen Schichten arbeiten müssen. Natürlich berücksichtigen wir eure familiäre Situation beim Erstellen der Arbeitspläne." Der Ausbilder sah zu mir herüber.
„Die Hauptarbeitszeit ist von 8 Uhr bis 16 Uhr. Zu dieser Zeit sind die meisten Heiler hier, da werdet ihr also auch nach eurer Ausbildung am meisten Arbeiten müssen. In den anderen Schichten sind zwischen drei bis sechs Heiler vor Ort. Bei Notfällen werdet ihr allerdings auch außerhalb eurer Schicht hier her gerufen. Auch schon in eurer Ausbildungszeit. Also falls ihr es euch jetzt schon anders überlegt habt." Der Heiler zeigte auf die Tür, doch keiner bewegte sich. Über diese Folgen unseres Jobs hatte mich Mason schon beim Vorstellungsgespräch aufgeklärt und vermutlich die anderen auch.
„Schön, letztes Jahr hat an dieser Stelle doch noch einer gekündigt. Nun denn, kommen wir zu der Verteilung auf die Abteilungen. Megan, du bleibst den nächsten Monat bei mir hier unten in der Abteilung für Utensilien-Unglücke. Carolin, Hippocrates Smethwyk wird dich in die Abteilung für Verletzungen durch Tierwesen einführen. In der Abteilung für ansteckende magische Krankheiten wird Charles Abbott dich ausbilden, Allen. Natasha, damit bist du bei Fabian Prewett in der Abteilung für Vergiftungen durch Zaubertränke und magische Pflanzen. Alles klar?" Mason sah sich in unserer Runde um, wo alle langsam nickten. Der Heiler nickte zufrieden.
„Na dann, kümmern wir uns mal, um ihre neuen Umhänge und dann zeige ich ihnen das Krankenhaus."

Samuels Augen leuchteten genauso stolz, wie an dem Tag, wo ich meine ZAGs bestanden habe, als ich die Cafeteria betrat. Dort saß er zusammen mit Fabian Prewett an einem Tisch und aß sein Lunchpaket, welches wir heute Morgen zusammen gemacht hatten. Als er unsere kleine Gruppe den Raum betreten sah, deutete er auf den freien Stuhl neben sich. Wahrscheinlich hatte er Angst, ich könnte mich zu den anderen Auszubildenden setzen. Doch auf diese Idee wäre ich nicht gekommen, auch wenn ich mich besser mit den drei anderen verstanden hätte. Ich wollte mit meinem Großcousin zusammen am Mittagstisch sitzen und essen. Egal ob mich Megan, Allen und Natasha ignorierten oder auch nicht. Ich löste mich von der Gruppe und lief zu den beiden anderen Heilern.
„Hallo, ihr beiden."
„Carolin, setz dich." Marlenes Freund zog den Stuhl ein wenig zurück. Ich ließ mich darauf fallen.
„Und wie waren deine ersten paar Stunden als Lehrling?" Fabian sah mich neugierig über den Tisch hinweg an.
„Informativ. Wir haben eine Rundführung durch das St. Mungo gemacht, aber erst hat uns Mason noch eine halbe Stunde über den Verlauf unserer Ausbildung und unseren späteren Arbeitszeiten informiert."
„Sehr wichtige Informationen. Schließlich wollt ihr diesen Beruf hoffentlich euer ganzes Leben lang ausführen." Mason setzte sich neben Fabian.
„Das wollte auch niemand in Frage stellen. Aber jetzt zu den wirklich wichtigen Themen. Wie ich heute Morgen feststellen musste, begleitet mich in diesem Monat eine gewisse Natasha Million. Welche von den beiden Mädchen ist es?" Fabian sah neugierig zu den beiden anderen weiblichen Lehrlingen herüber, die zusammen mit Allen ein paar Tische weiter saßen.
„Die mit den schulterlangen Haaren."
„Interessant. Im welchem Haus war sie denn?"
„Hufflepuff."
„Dann ist sie wahrscheinlich sehr nett. Und die anderen beiden? Schließlich habe ich euch alle mal am Hals."
„Allen Nagle war ebenfalls in Hufflepuff und Megan McFarlin in Ravenclaw."
„Interessant." Fabian sah noch einmal zu den drei anderen Auszubildenden herüber, bevor er sich wieder seinen Brötchen zuwandte.

Hippocrates Smethwyk war ein Zauberer im Alter von Mitte dreizig. Seine dunkelblonden, lockigen Haare wirkten nicht so, als hätten sich heute schon einen Kamm gesehen. Sie standen wild vom Kopf ab. Ganz gegensätzlich dazu war sein restliches Auftreten. Sein Umhang wirkte so, als hätte er ihn fünf Mal gebügelt, damit er ja keine Falten mehr schlug. Sein Bart war ordentlich abrasiert, die Fingernägel perfekt abgerundet und gekürzt. Die weißen Schuhe sahen so aus, als würden sie täglich geputzt werden.
Auch das Büro des Heilers war akkurat aufgeräumt worden. Die Patientenakten standen nach Nachnamen alphabetisch sortiert in einem Aktenschrank. In einem anderen standen Heilmittel, ebenfalls ordentlich sortiert. Doch obwohl es so steril und eigentlich sogar ziemlich ungemütlich wirkte, fühlte ich mich hier sehr wohl, was auch an dem Heiler liegen könnte, welcher glücklich lächelnd von seiner Arbeit erzählte, die verschiedenen Stationen in dieser Abteilung, von seinen Kollegen und noch viel mehr. Dabei erfuhr ich auch, dass er hoffte, eines Tages in der Dai-Llewellyn-Station arbeiten zu können, da dort die gefährlichsten Bissverletzungen behandelt werden, doch momentan musste er sich mit den leichten Bissverletzungen zufriedengeben. Und damit unfähige Lernheiler zu fähigen Heilern auszubilden. Eine Aufgabe, die er sehr ernst nahm. Er erklärte mir bei jedem stationär aufgenommenen Patienten aufs Genauste, welche Verletzungen, durch welche Tierwesen zustande gekommen waren und auch, wie er sie warum behandelte.

Die ersten zwei Wochen meiner Ausbildung liefen relativ langweilig ab. Heilen kleinerer Bisswunden, lernen von einfachen Heilzaubern und –tränken, keine wirklich spannenden Erkenntnisse. Das änderte sich allerdings am Donnerstag der dritten Woche. Hippocrates und ich hatte gerade eine Frau, die versucht hatte ein Doxy mit einem Buch zu erschlagen und ein Mann, der den Stolz eines Hippogreifes verletzt hatte, weshalb dieser ihm die Krallen einmal quer über den Rücken gezogen hatten, verarztet. Nun saßen wir wieder in seinem Büro und machten den Papierkram fertig.
„Hippocrates." Karin Oneal, eine Heilerin aus der Abteilung für Fluchschäden und Zauberunfälle, kam in den Raum gelaufen.
„Wir brauchen dich, ich meine natürlich euch beide unten in der Notaufnahme." Mein Ausbilder stand von seinem Sitzplatz auf. Ich schloss noch das Tintenfässchen, bevor ich es ihm gleichtat und den beiden Heilern folgte.

In der Notaufnahme war ein großes Durcheinander. Auf einer Trage lag ein ungefähr fünfzigjähriger Mann. Auf seinem linken Unterarm prangte das dunkle Mal. Man erkannte mehrere blutige Wunden an seinem Körper. Das Blut floss aus ihnen und tropfte auf den Boden, wo es mehrere Pfützen bildete. Doch obwohl der Mann mit Sicherheit schnell Hilfe brauchte, hielten sich alle Heiler von ihm fern. Der Grund dafür war schnell zu erkennen. Ein Bowtruckle saß auf den Mann und konnte sich nicht entscheiden, ob er nun mit seinen kleinen, spitzen Fingern weiter auf den Mann einstechen wollte oder ob er sich lieber auf uns Heiler stürzen wollte.
„Hippocrates, wir müssen den Bowtruckle loswerden. Wir haben es mit einem Zauber versucht, aber er ist zu flink. Also irgendwelche Ideen?"
„Holzläuse oder Feen-Eier", sprudelte es automatisch aus mir raus. Die anderen Heiler sahen mich verwirrt an.
„Bowtruckle können mit ihrem Lieblingsessen ruhig gestellt werden. Das sind Holzläuse und Feen-Eier", erklärte Hippocrates mich, während ich gleichzeitig das Essen heraufbeschwor. Vorsichtig ging ich in Richtung des kleinen Tierchens.
„Hey, mein kleiner Freund, guck mal, was ich hier habe." Der Blick des Bowtruckles fixierte sofort die Holzläuse in meiner Hand.
„Na komm her." Er sah noch mal kurz auf den bewusstlosen Mann, dann kam er zu mir gehüpft. Das Tierwesen machte sich auf meiner Hand gemütlich. Vorsichtig machte ich einen Schritt zurück, damit die anderen Heiler ihre Arbeit machen konnten. Mir wurde ein Käfig für das Tier hingehalten, doch um ehrlich zu sein, war es das Letzte, was ich für den Kleinen wollte. Er gehörte nicht in einen Käfig. Er brauchte nur wieder einen Baum, den er vor einem Zauberer schützen konnte. Die Holzläuse auf meiner Hand waren mittlerweile aufgegessen worden, weshalb ich den Bowtruckle auf meine Schulter setzte. Dann trat ich neben meinen Ausbilder, welcher sich die Verletzungen des Mannes ansah.
„Die hier kommen von Carolins neuen, kleinen Freund. Vollkommen ungefährlich. Ein bisschen Diptam, dann geht das wieder." Er zeigte auf die Kratzer, die der Mann überall von den spitzen Fingern des Bowtruckles hatte. Karin fing sofort an die Wunden zu versorgen, während sich Hippocrates dem Arm des Mannes zuwandte. Ein zähes, klebriges Sekret war um die Wunde herum verschmiert. Die Wunde selber erinnerte mich an die Wunde, die ein Krebs mal Patrick am Finger zugefügt hatte. Das Tier hatte den Finger mit seinen Scheren gepackt und zugekniffen, sodass sie anfingen zu bluten. So ähnlich sah auch diese Wunde aus, nur dass sie wesentlich größer war. In meiner kurzen Zeit hier hatte ich noch nie so eine Wunde gesehen, doch auch von Newt kannte ich diese Art von Verletzungen noch nicht. Der Amerikaner hatte wirklich oft irgendwelche Verletzungen von irgendwelchen Tierwesen davongetragen. Oft war der Grund dafür nicht einmal, dass Newt seine Tierwesen geärgert hätte, doch es passierten nun mal Unfälle. Einmal eine falsche Bewegung und man erschreckte eines der sensiblen Wesen oder man passte mal eine Sekunde nicht beim Spielen auf, dann hatte man sich schon verletzt. Doch diese Wunde konnte ich keinem Tier von Newt zuordnen. Auch das seltsame Sekret war mir neu. Allerdings musste die Wunde nicht unbedingt von einem Tier stammen.
„Weiß man, wie diese Wunde zu Stande kommt?"
„Nein, er sagte nur, sie sei von einem Tierwesen. Er wollte nicht sagen von welchem genau. Wir haben ihn dann einen blutbindenden Trank gegeben und ihn ruhig gestellt. Er hat sich vor Schmerzen gewunden, sodass wir uns gar nicht in Ruhe seine Wunden ansehen konnten", berichtete Karen. Mein Ausbilder sah erneut zu der Wunde am Arm des Mannes. Offensichtlich schien er auch nicht wirklich zuordnen zu können, welches Tier diese Art von Wunden und diese Art von Gift abgab.
„Acromantula." Ich blickte verwirrt auf, bis mir klar wurde, dass der Bowtruckle auf meiner Schulter zu meinem Ohr gelaufen war und mir die Antwort ins Ohr flüsterte.
„Es war eine Acromantula." Acromantula? Sofort schossen mir ein Haufen Informationen über diese Spinnenart in den Kopf. Herkunft, Ernährung, Gefahren und so weiter. Doch neben diesen ganzen Informationen fiel mir noch ein Ereignis mit Professor Slughorn ein: Er hatte uns allen stolz eine kleine Phiole voller Acromantula-Gift im Slug-Club gezeigt. Eine wirkliche seltene, teure und vor allem hochgiftige Substanz. Der Lehrer war ganz stolz darauf gewesen, diese zum Brauen von Zaubertränken zu haben. Slughorn hatte uns auch irgendeinen Verwendungszweck genannt, doch dieser war mir wieder entfallen. Allerdings war dieser auch nicht gerade wichtig in diesem Moment. Viel wichtiger war, dass die Substanz so ausgesehen hatte, wie die auf dem Patienten.
„Acromantula-Gift sieht so aus wie die Substanz. Allerdings kommen diese Spinnen eigentlich nur im Dschungel von Borneo vor." Die anderen Heiler sahen mich verwirrt an. Wahrscheinlich hatte von ihnen noch nie jemand, diese seltene Substanz zu Gesicht bekommen.
„Professor Slughorn hat uns mal das Gift gezeigt. Er brauchte es für irgendeinen Zaubertrank", versuchte ich meine Erkenntnis zu erklären. Ich konnte schließlich kaum sagen, der Bowtruckle auf meiner Schulter hat es mir gerade gesagt. Danach hielten sie mich für komplett durchgeknallt. Wenn sie das nicht eh schon taten. Schließlich hatte ich gerade gesagt, dass die Wunde wahrscheinlich von einer Acromantula stammte. Einer Spinne, die hier gar nicht Leben sollte. Doch Hippocrates schien meine Anmerkung tatsächlich ernst zu nehmen. Er nahm eine Probe von dem zähen, klebrigen Sekret, welche er mir in die Hand drückte.
„Bringe die in die Dai-Llewellyn-Station. Robert Foster soll die Probe untersuchen. Sofort. Verstanden?" Ich nickte, bevor ich den Raum verließ und die Treppe wieder hoch rannte.

Robert Foster war ein älterer Zauberer. Seine Haare waren ergraut, sein Gesicht voller Falten. Doch auch wenn er schon so alt wirkte und er sogar einen Gehstock im Büro stehen hatte, so war er trotzdem noch geistig sehr fit. Seine Hände waren komplett ruhig, während er verschiedene Substanzen zu dem Sekret dazugab. Gebannt sah ich ihm bei dieser konzentrierten Arbeit zu. Schließlich gab er ein paar Tropfen Lobalug-Gift hinzu. Das Sekret verfärbte sich zu einem komischen Violett, weshalb der Heiler zu mir aufsah.
„Die gute Nachricht ist, es handelt sich wirklich um Acromantula-Gift."
„Wenn man betont, dass es eine gute Nachricht gibt, dann gibt es meistens auch eine schlechte."
„Nun ja, Acromantula kommen hier eigentlich nicht vor, weshalb wir kein Gegengift dazu vorrätig haben. Geh runter zu Hippocrates. Sag ihm, worum es geht. Ich werde mich um das Gegengift kümmern." Ich nickte eifrig, bevor ich aufsprang, um wieder herunter zu rennen.

Nervös sah ich den Heilern zu. Der Zustand des Mannes hatte sich rapide verschlechtert. Aus diesem Grund war dem Patienten ein Bezoar verabreicht worden in der Hoffnung, dass der Stein ebenfalls als Gegengift wirken könnte. Kurz darauf stellte Karin, die in einem Buch nachlas, allerdings fest, dass ein Bezoar bei dem Acromantula-Gift nicht wirksam war. Leider wirkte der magische Stein nur bei vielen, allerdings lange nicht bei allen Giften. Also lief Hippocrates wieder zur Dai-Llewellyn-Station, wo er seinem Kollegen unter die Arme greifen wollte, um es zu beschleunigen, während wir bei dem Patienten blieben, in der Hoffnung ihn irgendwie lange genug am Leben halten zu können.
„Ein Todesser weniger wird auch niemanden Schaden", murmelte Karin wütend vor sich hin, während sie dem Mann irgendein Mittel verabreichte, dass sein Fieber, welches als neustes Symptom ausgebrochen war, senken sollte.
„Wir unterscheiden hier nicht zwischen Todesser und Auroren, Karin." Ein Heiler, den ich noch nicht namentlich kannte, sah die Frau streng an.
„Wir sollten vielleicht mal damit anfangen. Warum sollen wir eigentlich immer mühevoll nach Angriffen Todesser zusammenflicken, wenn sie dann in Askaban verrotten. Wir sollten unsere Kräfte viel lieber auf die Opfer voll und ganz konzentrieren."
„Die mit den schwersten Wunden werden zuerst versorgt. So war es schon immer und so wird es auch bleiben. Unabhängig vom Blutstatus, Einkommen oder sonst etwas."
„Dass du den Todessern das Leben retten willst, Henry, wundert mich nicht. Du findest ein paar der durchgeknallten Ideen sogar gut." Der Heiler, der wohl Henry hieß, verdrehte die Augen.
„Nur weil ich gesagt habe, wir sollten aufhören, uns von den Muggeln unterdrücken zu lassen, heißt es noch lange nicht, dass ich die Meinung und schon mal gar nicht die Vorgehensweise der Todesser gut finde." Von Karin kam ein wütendes Schnauben.
„Heutzutage darf man wirklich gar nichts mehr sagen."

Ich knabberte lustlos an meinem Brötchen, während ich aus dem Augenwinkel heraus Larry Avery und seine Mutter beobachtete. Mathew Avery war der Name des Mannes mit dem Acromantula-Gift gewesen. Doch auch wenn mein Ausbilder sich wirklich viel Mühe dabei gegeben hatte, das Gegenmittel rechtzeitig fertig zu brauen, war der Todesser seinen Wunden doch erlegen. Meiner Meinung nach kein wirklich großer Verlust, doch mir tat mein ehemaliger Klassenkamerad leid.
Larry hatte gerade seinen Vater verloren, auch wenn er es bisher ziemlich locker nahm. Auch seine Mutter wirkte sehr gefasst dafür, dass ihr vor gerade einmal zehn Minuten mitgeteilt wurde, dass ihr Mann ein Todesser war und auch noch vor einer Acromantula getötet wurde. Hippocrates saß bei den beiden und redete mit ihnen. Karin hatte mir erzählt, dass das Zauberministerium zum einen auf Grund des dunklen Mals, zum anderen auf Grund der ungewöhnlichen Verletzung anfangen würde zu ermitteln.
„Hallo, Kleine." Samuel neben mir zog den Stuhl zurück.
„Hey."
„Wie geht es dir?"
„Gut, warum fragst du?"
„Weil gerade jemand in der Notaufnahme verstorben ist und du dabei warst."
„Er hieß Mathew Avery und war der Vater von Larry Avery."
„War Larry Avery nicht einer aus deinem Jahrgang?"
„Ja, ein Slytherin. Sein Vater war ein Todesser. Was aber viel interessanter war, er wurde von einer Acromantula gebissen." Mein Großcousin sah mich überrascht an.
„Hier gibt es doch gar keine."
„Dachte ich auch."
„Aber?" Ich fischte vorsichtig den Bowtruckle aus der Tasche meines Umhanges.
„Das hier ist Celia."
„Du hast doch nicht hier mit ihr –"
„Es hat niemand mitbekommen. Keine Sorge. Allerdings weiß ich jetzt, wo die Acromantula wohnt." Mein Großcousin sah mich neugierig an.
„Mathew Avery war im verbotenen Wald nahe des Hogwartsgelände als er auf die Spinnen traf und auf seiner Flucht dann Celia belästigte."
„Er wollte in Hogwarts einbrechen?" Ich nickte leicht.
„Vermutlich schon."
„Scheiße und wir können niemanden warnen, ohne dass wir auffliegen."
„Ich weiß."

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