Kapitel 38
Liebevoll strich ich über die Haare meines Ehemannes. Er hatte noch immer die Augen geschlossen. Doch wenigstens war er schon lange nicht mehr so bleich wie nach dem Angriff. Er hatte schon fast wieder seine normale Hautfarbe. Meine Hand glitt von seinen Haaren zu seiner Wange.
„Komm endlich zu mir zurück, Sirius. Ich brauche dich. Die Zwillinge brauchen dich. Wir brauchen dich alle und ich vermisse dich." Ich merkte, wie mir mal wieder eine Träne über die Wange lief.
„Carolin?" Ich versuchte mir eilig, die Tränen wegzuwischen.
„James."
„Hätte ich gewusst, dass du bei Sirius bist, hätte ich vorher geklopft." Mein Schwager ließ sich neben mich auf die Bettkante fallen.
„Ich hätte gedacht, dass du das erste Weihnachten mit deinen Zwillingen und Marianne bei ihnen verbringen willst." Ich biss mir auf die Unterlippe.
„Ich wollte bei Sirius sein. Außerdem haben wir eh nichts geplant. Wir wollten heute zu deinen Eltern. Was machst du hier?"
„Der gleiche Grund." Wir saßen kurz schweigend nebeneinander, bevor ich wieder anfing zu sprechen.
„Patricia Prim hat heute ihr erstes Wort gesagt. Sie hat mich fragend angesehen und Papa gesagt. Ich habe keine Ahnung, was ich dazu sagen sollte. Sie sind neun Monate alt. Da kann ich ihnen wohl kaum sagen, dass ihr Vater sich für einen Job entschieden hat, der ihn eines Tages vermutlich umbringen wird. Oder er wird deshalb sein Leben lang geschädigt sein. Vielleicht wird es solange gefoltert, bis er sein Gedächtnis verliert. Dann können wir ihren verrückten –" Mir wurde der Mund zugehalten.
„Bitte rede nicht weiter." Mein Schwager hatte Tränen in den Augen. Er fuhr sich mit den Händen mal wieder durch die Haare.
„Sirius und ich sind Rabenväter, richtig? Merlin, warum frage ich das überhaupt? Meine Eltern sind Auroren gewesen. Seit ich denken kann, hatte ich immer Angst, sie würden nicht nach Hause zurückkommen. Jeden verdammten Tag saß ich am Fenster und habe darauf gewartet sie an der Appariergrenze zu sehen. Jeden verdammten Tag, auch wenn ich wusste, dass sie auf mehrtägiger Mission sind. Und was mache ich? Ich tue meinem Sohn genau das Gleiche an. Lasse ihn jeden Tag um mich und mein Leben Angst haben. Dabei weiß ich genau, wie es sich anfühlt. Warum bin ich nicht Heiler wie du geworden? Oder Richter wie Lily? Merlin, alles wäre besser gewesen. Sogar Arbeitsloser wäre eine bessere Jobwahl gewesen. Vielleicht sollte ich kündigen. Meine Eltern haben genug verdient, damit Lily und ich unsere Leben lang nicht mehr arbeiten müssen. Lily hat erzählt, dass Muggel ihr Geld anlegen. Sie kaufen sich Anteile an Firmen oder Immobilien und verdienen damit noch mehr davon. Wir hätten damit eine Altersvorsorge und wahrscheinlich könnten wir auch unseren Kindern ein gutes Leben finanzieren." Er brach ab und starrte nachdenklich seinen Bruder an. James fing wieder an sich seine Haare zu zerwühlen.
„Aber?"
„Was wäre ich für ein Vater, wenn ich den ganzen Tag zu Hause sitzen und mich auf dem Vermögen meiner Eltern ausruhen würde? Draußen sterben Menschen und ich kann ein paar von ihnen retten. Wie soll ich Harry eines Tages erklären, dass ich damit aufgehört habe, auch wenn ich es für das Richtige gehalten habe? Auch wenn seine Großeltern gestorben sind, weil sie es für das richtige Gehalten haben."
„Du liebst deinen Job, genauso wie Sirius es tut. Weil ihr beide wisst, dass es das Richtige ist, was ihr dort tut. Egal, ob ihr euer Leben dabei riskiert oder es nicht tut. Falls es dich tröstet. Egal was passiert, Harry wird stolz auf seinen Vater sein. Ich bin mir ziemlich sicher, er wird verstehen, warum sein Vater in diesem Krieg kämpfen wollte. Genauso wie Patricia Prim und Kira Lorraine es verstehen werden, wenn ich sterben werde, und Marianne wird verstehen, wofür sich ihre Mutter geopfert hat. Eines Tages, wenn sie alt genug für das alles sind." James lächelte gequält.
„Geben wir ihnen allen keinen Grund, es nachvollziehen zu müssen."
James hatte einen Arm um mich gelegt. Meine Hände hatten sich, um die Teetasse verkrampft, die ich mir mittlerweile besorgt hatte. Der Geruch von Melisse, Lavendel, Fenchel und Rosmarin hatte sich aus der Tasse in dem Zimmer verbreitet.
„Wir sitzen hier seit zwei Stunden."
„Ich weiß."
„Wir sollten Mal zu unseren Kindern zurückkehren." Der Arm verschwand. Stattdessen stand mein Schwager auf. Ich allerdings blieb sitzen. Meine Finger noch immer fest um die Tasse geklammert.
„Carolin, deine Zwillinge können nicht ihre Mutter auch noch verlieren. Es bringt nichts, wenn du pausenlos hier sitzt. Ich weiß, dass du gestern den ganzen Tag hier warst. Seit dem – Vorfall warst du immer hier. Zeit endlich wirklich nach Hause zu gehen. Die Heiler werden dir Bescheid sagen, sobald er aufwacht. Deine Kollegen werden dich verständigen." Ich nickte leicht. Wahrscheinlich hatte mein Schwager recht. Es war Zeit, endlich wieder meinen Mutterpflichten nachzukommen, als den ganzen Tag im Krankenhaus bei Sirius zu sitzen. Ich beugte mich zu meinem Ehemann herunter, um ihn einen Kuss auf die Stirn zu drücken.
„Ich liebe dich, Stallbursche. Und dein kleines Kätzchen tut das auch. Dein Welpe fragt schon nach ihrem Papahund. Du hast ihr erstes Wort verpasst." Ich löste mich wieder von meinem Partner. Stattdessen lief ich zu James. Dieser hatte schon eine Hand nach mir ausgestreckt, die er mir wieder auf die Schulter legte.
„Soll ich dich nach Hause bringen, Carolin?"
„Nein, danke. Das ist wirklich lieb gemeint, aber es ist besser, wenn ich alleine gehe."
„Klar, ansonsten wüsste ich wieder, wo ihr wohnt und –" Mein Schwager brach mitten im Satz ab. Er wirkte ziemlich schuldbewusst. Anscheinend wusste er, dass er von unserem heimlichen Umzug eigentlich gar nichts wissen sollte.
„Sirius hat etwas gesagt, was euch verraten hat. Es tut ihm leid." Ich lehnte meinen Kopf an die Schulter meines Schwagers.
„Ist schon in Ordnung. Ich kann dir nur leider nicht verraten, wo wir jetzt wohnen."
„Das ist mir bewusst. Ich finde es ehrlich gesagt vollkommen in Ordnung. Ich verstehe es. Es ist ein Nymphending. Ich bin froh, wenn meine Familie in Sicherheit ist. Meine Schwägerin, meine beiden Nichten und mein liebster Bruder sind es auf jeden Fall." Wir sahen zusammen in Richtung Sirius, welcher noch immer in seinem Krankenbett lag. Allerdings nicht mehr mit geschlossenen Augen, denn genau in diesem Moment schlug er die Augen auf.
„Sirius!" Ich rannte zu dem Bett meines Ehemannes herüber. Dort angekommen, fiel ich meinem Partner um den Hals.
„Du bist wach! Du bist endlich wach. Ist alles in Ordnung mit dir? Wie fühlst du dich? Hast du Schmerzen? Soll ich einen Heiler holen? Sag mir, was ich tun kann."
„Nicht so fest drücken." Erschrocken ließ ich meinen Ehemann wieder los.
„Tut mir leid. Ich wollte dich nicht verletzen. Ich –"
„Ist schon gut, Prinzessin. Setz dich erstmal zu mir. Und du auch, James." Ich lehnte meinen Kopf gegen die Schulter von Sirius. Dieser sah sich noch immer leicht verwirrt im Raum um.
„Ich bin im St. Mungos, richtig?"
„Ja, bist du."
„Wo sind die anderen? Geht es ihnen gut?" Ich kratzte mir am Hinterkopf. Zwar hatte ich mit dieser Frage gerechnet, doch trotzdem wusste ich nicht, wie ich darauf antworten sollte.
Sirius heißgeliebte Adoptiveltern waren verstorben. Die beiden Menschen, die ihn aufgenommen haben, als er keine Ahnung hatte, wohin er gehen sollte, weil er es bei seinen Erzeugern nicht mehr ausgehalten hatte. Er war gerade erst nach mehreren Tagen Bewusstlosigkeit aufgewacht. Da wollte ich ihm nicht sofort mitteilen, dass sie gestorben waren. Er sollte erst wieder zu Kräften kommen. Sich ärgern, weil er Weihnachten teilweise verpasst hatte. Doch ihn anzulügen kam mir auch falsch vor. Schließlich hatte er ein Recht darauf zu erfahren, dass seine Eltern verstorben waren.
Mein Blick glitt hilfesuchend zu meinem Schwager, welcher genauso überfordert schien, wie ich mich fühlte.
„Ich weiß, dass Euphemia und Fleamont –" Sirius brach Mitten im Satz ab, während ihm eine Träne über die Wange liefen. Vorsichtig zog ich ihn an mich heran.
„Ich war bei ihnen, als – es passiert ist."
„Es tut mir so unendlich leid, Stallbursche."
„Mir auch." Der Blick des gerade Aufgewachten glitt zu seinem Bruder.
„James, ich – es tut mir leid, dass ich sie nicht gerettet habe. Ich hätte es tun müssen. Ich hätte es verhindern müssen. Ich –" „Es ist nicht deine Schuld, Tatze. Du hättest sie nicht retten können. Ansonsten hättest du es getan. Das weiß ich."
Liebevoll strich ich über Sirius Haare. Er hatte seinen Kopf in meinen Schoß gelegt. James saß noch immer auf der Bettkante. Mein Schwager starrte die Wand an, während wir darauf warten, dass der Rest der Familie kam. Wir hatten einen Brief an Lily geschrieben und einen Weiteren an Samuel. Nun hoffte Sirius, dass sie möglichst bald hierherkommen würden. Er freute sich auf seine beiden Töchter, die ihn schließlich auch schon ziemlich vermissten. Ich war einfach nur froh, doch noch mit meinem Ehemann und unserer Familie Weihnachten feiern zu können. Dass er aufgewacht war, war wohl das beste Geschenk, welches man mir hätte machen können. Ich war gerade dabei, Sirius eine verirrte Haarsträhne aus dem Gesicht zu streichen, als es an der Tür klopfte.
„Herein." James war aufgestanden, während seine linke Hand über seinen Zauberstab lag. Er beäugte misstrauisch den Zimmerzugang, welcher gerade geöffnet wurde. Zuerst streckte Marlene ihren blonden Lockenkopf durch die Tür.
„Hallo, ihr drei. Und schöne Weihnachten." Die Nymphe schob die Tür ganz auf, weshalb man ihre Begleiter sah. Marianne saß auf dem Arm ihrer Mutter, während Samuel die Zwillinge trug. Ganz hinten kamen dann noch Jean und Elaina. Als Patricia ihren Dad erblickte, begannen ihre Augen zu leuchten.
„Papa!" Sie klatsche glücklich in die Hände und fing an mit den Beinchen zu strampeln, damit sie endlich zu ihrem Vater kam. Meinem Ehemann standen währenddessen Tränen in den Augen.
„Sie hat gerade Papa gesagt. Ihr erstes Wort war Papa!" Das breite Grinsen auf seinem Gesicht, schnürte mir die Kehle zu. Schließlich war es nicht das erste Mal, dass Patricia dieses Wort in den Mund nahm, doch mein Ehemann wirkte so glücklich, dass ich ihm nicht die Illusion nehmen wollte, er hätte gerade ihr erstes Wort miterlebt.
„Ja, ihr erstes Wort ist Papa." Ich strich meinem Ehemann wieder eine Strähne aus dem Gesicht, welche wieder dorthin gerutscht war, während Samuel die strampelnde Patricia Prim an ihren Daddy übergab. Ich nahm ihm Kira Lorraine ab, welche sich glücklich an mich kuschelte.
„Na, hast du deinen Papahund vermisst, kleiner Welpe?" Sirius kitzelte dem Baby am Bauch. Dieses fing sofort an zu quietschen und strampelte wieder mit den Ärmchen und Beinchen.
„Ich will mitspielen!" Elaina kam ebenfalls auf das Bett gehüpft, um mit zu toben. Ich merkte, wie mir die Tränen in die Augen stiegen. Ich hatte meinen Sirius wieder zurück. Endlich hatte ich meinem Ehemann wieder und meine beiden Töchter hatten endlich ihren Vater zurück. Wenn jetzt noch Lily kam, war die Familie wieder, so weit es möglich war, vereint.
„Der Weihnachtsmann hat Geschenke für dich gebracht." Elaina guckte Sirius mit ihren kugelrunden Augen an. Die Neugierde war ihr ins Gesicht geschrieben. Ganz anders als bei meinem Ehemann. Dieser schien kein wenig an den Päckchen interessiert zu sein, welche ihm der Weihnachtsmann gebracht hatte.
„Hat der Weihnachtsmann das? Das wundert mich aber ziemlich, schließlich habe ich schon alles, was ich mir wünschen könnte." Ich wurde mit einem stolzen Blick bedacht, danach die Zwillinge, die sich an ihren Vater gekuschelt hatten.
Alles, was sich der Animagus je gewünscht hatte, war nun bei ihm. Eine Familie. Nein, nicht irgendeine Familie, sondern seine ganz eigene kleine Familie. Auch wenn der Krieg sie ständig bedrohte und verkleinerte. Trotz allem hatte er alles, was er sich so sehnlichst gewünscht hatte.
Doch den neugierigen Kulleraugen von Elaina konnte niemand widerstehen, weshalb er trotzdem brav nach einem der Päckchen griff, die mitgebracht worden waren. Einige von meiner Familie, andere hatten Lily und Harry bei ihrer Ankunft mitgebracht.
„Wir haben im Übrigen nicht nur Geschenke für Sirius." Die rothaarige Frau sah zu ihrem Ehemann herüber, welcher sich auf die Unterlippe biss.
„Wir waren die letzten Tage im Haus meiner Eltern, um nachzusehen, ob alles in Ordnung ist. Dabei haben wir auch die Weihnachtsgeschenke entdeckt, die sie besorgt haben." Ein trauriger Schatten huschte über Sirius Gesicht. Das letzte Geschenk, welches er jemals von seinen Eltern bekommen würde. Die ersten und letzten Geschenke, die Patricia und Kira jemals von ihren Großeltern kriegen würden. All diese Geschenke lagen in dem Korb und verdeutlichten noch einmal, was wir schon alle lange wussten. Euphemia und Fleamont Potter würden nicht zurückkehren. Sirius war vielleicht heute aufgewacht, doch die beiden würden es nicht tun. Nie wieder.
„Sie hätten nicht gewollt, dass wir heute Trübsal blasen." Der Hirschanimagus sah uns streng an. Dann zog er den Korb mit Geschenken zu sich.
„Das hier ist für Marlene." Meiner Schwägerin wurde ein kleines Päckchen gereicht. Nur ziemlich zögerlich nahm sie es entgegen und noch wesentlich zögerlicher öffnete sie das Geschenkpapier. Zum Vorschein kam ein neues Paar glitzernder Ohrringe. Die blonde Nymphe schluckte schwer, bevor sie die kleine Schatulle, in der die Sachen aufbewahrt wurden wieder schloss.
„Ich werde sie in Ehre halten." Mein Schwager nickte leicht. Sein Lächeln wirkte verkrampft. Er versuchte, glücklich zu sein, weil seine Eltern es gewollt hätten, doch eigentlich wäre ihm nach heulen zu Mute. Wahrscheinlich war uns allen danach. Na gut, allen außer Patricia, Kira, Harry und Mary. Die vier verstanden schließlich nicht, dass die Geschenke von toten Menschen kamen. Sie würden sich in ein paar Jahren nicht einmal mehr an ihre Großeltern erinnern. Personen aus Geschichten, die ihre Eltern ihnen erzählt hatten. Keine wirkliche emotionale Verbindung, kein gar nichts. Nur Geschichten.
„Carolin, dieses hier ist für Kira." James reichte mir ein Geschenk. Es war größer als das von Marlene. Vermutlich hatten die Großeltern ihren Enkelkindern etwas zum Spielen besorgt. Etwas anderes brauchten die paar Monate alten Kinder auch nicht.
Vorsichtig öffnete ich die Geschenkverpackung. Ein Katzenplüschtier kam zum Vorschein. Um den Hals hatte ihr jemand ein Armband mit Katzenanhänger gelegt. Das goldene Schmuckstück kam nicht so rüber, als wäre es schon wirklich etwas für ein Baby, doch wahrscheinlich hatte Euphemia es einfach lustig gefunden, auf Kiras Spitznamen anzuspielen und ein einfaches Plüschtier war ihr vermutlich einfach zu billig gewesen. Wenn meine Tochter älter wäre, würde sie allerdings hoffentlich gerne das Schmuckstück tragen, welches ihre Großeltern ihr hinterlassen hatten. Ihr letztes und erstes Geschenk von ihnen.
Vorsichtig löste ich das Schmuckstück von dem Kuscheltier, bevor ich es an Kira reichte. Das Armband legte ich auf den Nachtisch. Patricia sah eifersüchtig zu ihrem Zwilling herüber. Da bahnte sich Streit an, wenn der andere Zwilling nicht bald auch ihr Geschenk bekommen würde.
Ich sah wieder zu James herüber, der mein Blick richtig deutete. Er reichte mir das Geschenk für meine zweite Tochter. Dieses gab ich allerdings an Sirius weiter, damit er es auspacken konnte. Dies machte er auch mit offensichtlicher Freude.
Es dauerte nicht lange, da lag ein schwarzer Plüschhund vor uns. Auch um den Hals dieses Tieres war ein goldenes Armband gelegt worden mit Hundeanhänger. Ich bekam das Schmuckstück in die Hand gedrückt, Patricia ihr neues Stofftier. Diese sah es mit glänzenden Augen an.
„Papa!" Sie tätschelte dem Hund den Kopf.
Mittlerweile lag ich neben Sirius im Bett. Er hatte seinen Arm schützend um meine Schultern gelegt. Patricia und Kira hatten es sich auf seinem und meinem Bauch gemütlich gemacht. Sie schliefen tief und fest, beide ihre neuen Kuscheltiere fest umklammert.
„Du solltest endlich nach Hause gehen. Ansonsten schläfst du mir noch hier ein, genauso wie die Zwillinge."
„Wäre das so schlimm?"
„Jetzt denke mal darüber nach als Heilerin und nicht als meine Ehefrau." Ich seufzte. Natürlich wäre es nicht lebenswichtig, ob ich nun bei Sirius schlief oder es ließ, doch eine entspannte Nacht würde ihm mit Sicherheit sehr guttun. Es gab nicht umsonst die Nachtruhe in diesem Krankenhaus.
„Ich komme morgen früh mit den Zwillingen wieder und gucke nach dir." Ich drückte Sirius seufzend einen Kuss auf die Stirn.
„Ich habe dich lieb, Prinzessin."
„Ich dich auch, Stallbursche." Vorsichtig hob ich Kira auf meinem Arm, um sie nicht zu wecken.
„Dich habe ich auch lieb, kleines Kätzchen." Sirius strich seiner Tochter noch einmal über die Wange. Ein kleines Lächeln erschien auf dem Gesicht des Babys, doch sie wachte nicht auf. Mein Ehemann wandte sich an seine zweite Tochter.
„Dich hat dein Papahund auch lieb, kleiner Welpe." Mir wurde das zweite Baby in den Arm gelegt. Ich seufzte leise.
„Schlaf gut."
„Du auch. Welpe, Kätzchen, lasst eure Mamakatze friedlich schlafen." Ich lachte leise auf.
Das Haus der Potters wirkte ziemlich leer, wenn man nicht von der herzlichen Euphemia Potter oder dem breit lächelnden Fleamont Potter begrüßt wurde. Diese Gewissheit traf mich wie ein Schlag, obwohl ich seit ihrem Tod schon mehrmals hier gewesen war.
Zusammen mit James, Lily und Sirius hatten wir persönliche Erinnerungsstücke aus dem Haus geholt. Bilder, alte Familienerbstücke und Ähnliches. Nun zeugten nur noch hellere Flecken an den Wänden von den Bildern, leere Stellen im Bücherregal oder Ähnliches von der ehemaligen Anwesenheit dieser Dinge. Trotz allem wirkte das Haus noch so, als würde es auf seine Bewohner warten. Die Küche war bereit, von Euphemia zum Kochen benutzt zu werden. Fleamonts Lesesessel wartete auf seine Rückkehr mit dem aktuellen Tagespropheten. Das gute Besteck wartete darauf, für ein Sonntagsessen herausgeholt zu werden. Allerdings würde das alles nicht geschehen. Der Sessel würde leer bleiben, die Küche nie wieder nach Euphemias Gerichten riechen und das Sonntagsbesteck würde so bald nicht mehr benutzt werden. Nicht solange nicht Sirius oder James es zu sich holen würden. Doch bisher hatte keiner der beiden wirklich Interesse daran gezeigt, dieses Besteck an sich zu nehmen.
Doch obwohl vieles wie bei meinem letzten Besuch hier war, hatte sich doch vieles geändert. Das Haus war wesentlich voller. Aus dem Wohnzimmer drang das übliche Geplapper, wie immer wenn hier ein Ordenstreffen stattfand.
Mein Ehemann und mein Schwager hatten sich dazu entschlossen, das Haus dem Orden zur Verfügung zu stellen. Sirius und ich lebten in unserem Schlösschen. Das Fachwerkhaus war noch immer in unserem Besitz. Dieses war trotz unseres vorübergehenden Auszuges noch immer voll eingerichtet. Falls dort Todesser einfallen würden, sähe es so aus, als könnten wir jeder Zeit zurückkommen. Nicht einmal Bilder hatten wir abgenommen. Nur die wichtigsten als Kopie mitgenommen.
Ein Hauself kümmerte sich darum, regelmäßig dort sauber zu machen, damit es auch in dieser Hinsicht weiterhin bewohnt aussah. Doch durch diese zwei Immobilien hatten wir eigentlich gar kein Interesse an einer dritten. Vor allem da in diesem Haus alles an Sirius verstorbene Eltern erinnerte.
Auch Lily und James zeigten nicht wirklich viel Interesse an dem Gebäude. Sie fanden es zu groß für drei Personen, außerdem hatten sie sich erst vor kurzem ihr eigenes Haus gekauft. Sollte einmal mehr Nachwuchs unterwegs sein, wollten sie noch einmal über einen Umzug nachdenken, doch solange würde der Orden hier sein Quartier haben. Eine Aussage, über die sich vor allem Dumbledore gefreut hatte.
Unsicher betrat ich das Wohnzimmer. Heute war das erste Ordenstreffen, nach dem Angriff auf die Winkelgasse. Sirius war erst vor ungefähr einer Woche aus dem Krankenhaus entlassen und die Silvesternacht von vor zwei Tagen hing mir noch ziemlich in den Knochen. Nicht, dass wir lange aufgeblieben waren, um zu feiern. Trotzdem hatten wir nicht viel geschlafen.
Normalerweise wären wir an diesem Abend bei den Potters gewesen. Dass es dieses Jahr nicht ging, war eine ziemlich schmerzhafte Erkenntnis gewesen. Eine Erkenntnis, die erst mich dazu gebracht hatte Ewigkeiten im Schloss rum zu tigern. Gerade als ich geglaubt habe, endlich Ruhe finden zu können hatten Kira und Patricia angefangen zu weinen, weil sie momentan zahnten und danach konnten Sirius und ich beide nicht mehr schlafen, weshalb wir die ganze Nacht wach gelegen haben.
Die Nacht zu heute hatte zwar wieder Schlaf beinhaltet, doch auch nur kurz und nicht tief. Daher war er nicht wirklich erholsam gewesen. Am liebsten hätte ich mich jetzt wieder in mein Bett gelegt anstelle mich einem Ordenstreffen zu stellen.
„Ihr seht ziemlich mitgenommen aus." Kingsley schüttelte Sirius und mir zur Begrüßung die Hand.
„Welpe und Kätzchen kriegen ihr ersten Zähnchen." Mein Ehemann gähnte leise.
„Das legt sich bald wieder. Dann könnt ihr wieder durchschlafen." Fabian grinste uns mitfühlend an. Wahrscheinlich kannte er die ganze Problematik schon von seiner Schwester.
„Hoffentlich passiert das sehr bald. Ein unausgeschlafener Auror ist ein toter Auror", mischte sich jetzt auch noch Moody ein. Ich sah zu meinem Ehemann herüber. Genau die aufmunternden Worte, die ich jetzt hören wollte.
„Zum Glück bin ich momentan krankgeschrieben." Sirius warf seinem Ausbilder einen bösen Blick zu. Offensichtlich hatte er ebenfalls nicht hören wollen, dass Moody seine Überlebenschancen als schlecht ansah. Na gut, das wollte wirklich niemand hören. Vor allem nicht in der heutigen Zeit.
„Rückt mal näher zusammen." Emmeline Vance unterstützte ihre Worte noch mit einer wedelnden Handbewegung, während sie durch ihre Kamera sah.
„James hast du seit neustem Angst vor deinem Bruder?"
„Erst seit neustem? Schon mein ganzes Leben lang. Ich meine sieh ihn dir an." Ein Hundeblick erschien auf Sirius Gesicht.
„Ja, er sieht sehr gefährlich aus. Er könnte dich mit seinem Blick erknuddeln." Die Umstehenden fingen an zu lachen. Die beiden Brüder sahen sich kurz an, bevor mein Schwager seine Arme ausbreitete.
„Erknuddel mich, Bruderherz." Das ließ sich mein Ehemann natürlich nicht zweimal sagen. Die beiden Auroren fielen sich in die Arme. Ein langes gerührtes Oh ertönte, begleitet von belustigtes Gelächter.
„Jetzt stellt euch vernünftig hin. Es soll ein hübsches Foto vom Orden werden." Emmeline sah uns streng an, weshalb sich alle Mühe gaben, sich nun doch richtig hinzustellen. Sirius hatte einen Arm, um die Schulter seines Bruders gelegt, der andere lag um meine Hüfte. Die Kamerafrau betätigte den Selbstauslöser und eilte zu ihrer Position.
Kurz darauf wurde der Raum kurz von einem Blitz erhellt. Aus der Kamera kam ein Foto heraus, welches Emmeline kurz betrachtete. Dann schwang sie kurz ihren Zauberstab und vervielfältigte damit das Bild. Die Kopien verteilte sie an die Ordensmitglieder.
Neugierig betrachtete ich das Foto. Es war wirklich gut geworden. Ein Haufen Leute, die alle in die Kamera lächelten. Wüsste ich es nicht besser, hätte ich nicht gedacht, dass sie gerade einen schrecklichen Krieg durchlebten.
Patricia und Marianne stritten sich mal wieder um ein Spielzeug. Das Geschrei der beiden Mädchen war im halben Schloss zu hören. Genervt versuchte ich, sie zu trennen, was gar nicht mal so einfach war. Kira wollte eigentlich weiter mit mir spielen und fand es gar nicht schön, dass ich stattdessen den Streit schlichten wollte. Daher fing sie ebenfalls an zu weinen und zu quengeln. Manchmal waren Kinder doch sehr anstrengend. Ich ignorierte Kira und nahm den beiden Streithähnen das umstrittene Spielzeug weg. Ein Fehler, da sie dadurch erst richtig anfingen zu schreien.
„Wenn ihr euch streitet, könnt ihr nicht damit spielen." Ich sah die beiden streng an. Die Streithähne betrachteten sich kurz gegenseitig.
„Mama sauer", stellte Patricia nüchtern fest. Mary nickte leicht. Die beiden sahen mich noch einmal abschätzig an, dann griff Marlenes Tochter nach der Hand meiner. Zusammen trapsten sie ziemlich unsicher in eine andere Ecke, wo sie mit zwei Kuscheltieren anfingen zu spielen. Kurz darauf schloss sich auch die weinende Kira an, die wohl auch keine Lust hatte, mit einer wütenden Mutter zu spielen. Ich ließ mich auf einen Stuhl fallen und sah den drei Mädchen beim Spielen zu.
„Du siehst ein wenig genervt aus." Sirius, der noch immer krankgeschrieben war, sah mich mit einem breiten Grinsen an.
„Dein Welpe hat sich mit deiner Nichte gestritten. Als ich sie trennen wollte, kam dann die Aussage, ich wäre sauer und sie sind friedlich spielen gegangen." Mein Ehemann fing an zu lachen. Ich streckte ihm die Zunge heraus.
„Hauptsache sie vertragen sich wieder." Er hob mich kurz hoch, setzte sich auf den Stuhl und mich dann auf sich ab.
„Vielleicht kündige ich meinen Job und bleibe bei dir zu Hause. Es ist schön, den ganzen Tag Zeit für dich und die Zwillinge zu haben." Mir wurde ein Kuss auf die Wange gedrückt.
„Auf Dauer würdest du dich hier langweilen. Außerdem brauchen wir nun einmal auch Geld." Mein Ehemann schüttelte den Kopf.
„Wie soll mir mit der Rasselbande langweilig werden? Außerdem haben wir dann mehr Zeit, um sie zu vergrößern. Du musst dir keine Sorgen mehr machen und im Keller liegt genug Gold für die nächsten zwanzig Generationen." Ich fing an zu lächeln.
Ein Teil von mir wollte natürlich Sirius hierbehalten. Es war gefährlich, Auror zu sein, das Geldargument zählte nicht mehr wirklich, doch trotz allem wussten wir beide, es war der richtige Weg. Keiner von uns würde es reichen, sich hier den ganzen Tag mit den Zwillingen zu verstecken. Ich liebte meine Elternzeit, doch ich freute mich auch darauf, nach dieser Zeit wieder im St. Mungos arbeiten zu können. Das Gleiche galt für Sirius. Natürlich genoss er die Zeit mit den Zwillingen. Das merkte man an den Abenden und Wochenenden, doch es würde ihm niemals reichen, auch wenn er jetzt gerade anderer Meinung war. Außerdem wollte ich mich nicht von dem Geld im Keller des Schlosses abhängig machen. Wir brauchten es nicht. Falls irgendwann mal eine Generation kommen sollte, wo jemand wirklich nicht arbeiten konnte, sollte das Geld nicht aufgebraucht sein. Ich lehnte meinen Kopf an die Schulter meines Ehemanns.
„Ich liebe dich, aber bitte gebe nicht deinen Job auf. Ich weiß, dass du ihn liebst."
„Euch liebe ich mehr."
„Das hoffe ich doch. Ansonsten würde ich auch über die Scheidung nachdenken."
„Musst du nicht." Sirius wollte mich gerade küssen, doch ein Klopfen an der Tür ließ uns auseinanderfahren. Marlene stand in der Tür. Hektische, rote Flecken waren überall auf ihrem Gesicht zu sehen. Misstrauisch betrachtete ich die Blondine.
„Ist irgendetwas passiert?" Ein leichtes Nicken war die Antwort. „Es ist gerade eine Eule aus dem St. Mungos gekommen." Ich sprang auf. Für einen solchen Brief gab es eigentlich nur einen Grund.
„Ist irgendetwas mit Samuel?"
„Du weißt doch, dass er mit Dorcas, Fabian und Gideon für den Orden unterwegs war." Ich nickte leicht.
„Irgendetwas ist schief gelaufen. Er ist jetzt dort." Ich schluckte schwer.
„Wir sollten sofort hin."
„Ja, sollten wir." Mein Blick glitt zu meinem Ehemann.
„Soll ich mit den Kindern hierbleiben?" Ich nickte leicht.
„Danke, Sirius."
„Kein Problem."
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