Kapitel 31

Unruhig lief ich durch das Wohnzimmer der Potters. Meine Hände hatte ich hinter dem Kopf verschränkt. Merlin, wie war es so weit gekommen? Ich war an einem Ende des Raumes angekommen, machte eine 180° Drehung und lief weiter. Vorbei an James, Lily und Sirius, welche zu dritt auf dem Sofa saßen und mich beobachteten.
Mein Ehemann hatte sein Gesicht in den Händen vergraben. Seine Schultern waren zusammengesackt. Der Potterjunge hatte einen Arm um ihn gelegt. Doch auch in seinem Gesicht konnte man Zweifel, Schmerz und Trauer sehen. Ganz andere Emotionen sah man bei der Rothaarigen auf dem Sofa. Sie hatte ihre Füße an sich herangezogen und kaute auf ihrer Unterlippe herum. In ihren Augen war Wut und Verzweiflung zu sehen. Nur Peter, welcher stumm in der Ecke auf einem Sessel saß, wirkte irgendwie unbeteiligt. Seine Augen waren gläsern, sein Gesicht noch blasser als sonst. Er schien tief in Gedanken versunken und nicht zu bemerken, was um ihn herum gerade los war.
„Carolin, jetzt setze dich endlich hin!" Lilys Augen funkelten mich böse an.
„Nein, ich kann mich nicht hinsetzen. Ich muss mich bewegen. Ansonsten drehe ich durch."
„Wenn du dich nicht augenblicklich hinsetzt, drehe ich durch." Sirius sah auf. Ein paar Tränen flossen noch über seine Wange, während er eine Hand nach mir ausstreckte.
„Prinzessin." Ich seufzte leise, bevor ich mich auf seinen Schoß setzte. Er lehnte seinen Kopf an meine Schulter.
„Es ist in Ordnung, Stallbursche."
„Nein, ist es nicht. Es ist vollkommen falsch. Wir sollten Remus vertrauen. Marlene und Lily haben vollkommen recht. Er hat mich immer unterstützt, jetzt falle ich ihm in den Rücken."
„Als du mir hinterhergeschnüffelt hast, hattest du doch auch kein schlechtes Gewissen. Was anderes wollen wir doch jetzt auch nicht machen."
„Das war aber auch nicht richtig. Ich will nicht den gleichen Fehler mehrmals machen." Ich drückte ihm einen Kuss auf die Schläfe.
„Auch wenn ich damals oft sauer auf dich war, kann ich es mittlerweile verstehen. Im Nachhinein finde ich es gar nicht mehr schlimm. Er wird vielleicht kurzzeitig sauer sein, aber ich bin mir absolut sicher, Remus wird verstehen, warum wir herausfinden wollen, was los ist." Mein Partner schluchzte auf.
„Ich will ihn nicht hintergehen. Er ist Familie für mich, Carolin."
„Ich weiß, Sirius, aber wir können auch nicht ignorieren, dass Masons Aufenthaltsort verraten wurde. Deshalb sind er und seine Frau gestorben."

Das raue Oktoberwetter spiegelte die Stimmung im Orden des Phönix wieder. Masons Tod hing wie eine dicke Gewitterwolke über dem Orden, welche jeden Moment einen Sturm auslösen konnte. Jedem war klar, dass ein Verräter bei der letzten Versammlung gewesen war. Das Misstrauen war überall zu spüren. Niemand traute mehr dem anderen über den Weg. Maélys war wohl die Einzige aus unserem Freundeskreis, die es nicht wirklich störte.
„Jetzt haben sie endlich realisiert, dass blindes Vertrauen im Krieg nicht gerade schlau ist. Deborah und ich haben schon überlegt, wann sie mal endlich zu dieser Erkenntnis kommen", erklärte sie uns mindestens drei Mal. Eine Aussage, welche die Stimmung regelmäßig auf den Tiefpunkt brachte.
Sirius saß danach nur noch wie ein Häufchen Elend in der Ecke, weil er nicht wusste, wie er mit Remus umgehen sollte, Lily stritt mit der Kriegsnymphe über Vertrauen und Freundschaft, was immer damit endete, dass die Rothaarige der Französin die Freundschaft kündigte. Das brünette Mädchen nahm dies allerdings immer mit einem einfachen Schulterzucken hin, was meine zukünftige Schwippschwägerin nur noch wütender machte. James versuchte immer, zwischen den beiden zu vermitteln, während Alice und Dorcas die ganze Situation mit ihren Kommentaren nur noch verschlimmerten. Immer wieder schien es so, als würde auf Grund des Krieges auch die Freundschaft unserer Gruppe zerbrechen.
Zum Glück dauerten die Streitereien nicht allzu lange. Maélys und James Freundschaft brachte auch die ehemalige Schulsprecherin mit der ehemaligen Treiberin wieder zusammen, Alice und Dorcas schwörten Besserung, auch wenn dieser Schwur schnell in Vergessenheit geriet, und Sirius kam nach einer ausgiebigen Kuscheleinheit mit möglichst vielen Menschen und Tieren wieder aus seiner Ecke heraus.
Auf Grund der belasteten Situation blieb allerdings ein Termin unter schlechten Sternen. James und Lilys Hochzeit rückte immer näher, während die Hälfte der Gäste niemanden mehr über den Weg traute.
Der 31. Oktober versprach endlich Besserung. Das erste Mal seit mehreren Wochen regnete es nicht. Stattdessen wagte sich immer wieder die Sonne hinter den weißen Wattewolken hervor, welche an dem ansonsten blauen Himmel entlangflogen. Maélys Art schien Lily ausnahmsweise Mal zu beruhigen, anstelle ihr feuriges Temperament zu wecken und die ankommenden Gäste, die ich von meinem Fensterplatz aus sehen konnte, schienen ihr Misstrauen für einen Nachmittag vergessen zu haben. Stattdessen drang Gelächter und freundliche Gespräche zu uns herauf.
Euphemia rannte wie ein aufgeregtes Küken durch das Schloss. Mal begrüßte sie Gäste, im nächsten Moment tauchte sie bei uns auf, um Lily zu erklären, was für eine wunderschöne Braut sie war und dann rannte sie wieder zu James, um mit diesem zu sprechen.
Marlene hatte mittlerweile eingesehen, dass man in ihrem Kleid den noch nicht wirklich vorhandenen Babybauch nicht sah. Eigentlich sah man diesen nie. Nur wenn sie mal wieder im BH durch die Gegend rannte, konnte man erkennen, dass sie doch ein wenig zugelegt hatte. Dies konnte allerdings auch an ihrem überhöhten Verzehr von Schokolade liegen. Nach dieser Erkenntnis konnte sie sich endlich von dem Spiegel lösen und hatte sich glücklich an das Make-up aller Anwesenden gemacht.
Die einzige Person, die nicht ganz so glücklich wirkte, war Lilys Dad, der unter Stimmungsschwankungen litt. In einem Moment wollte er seine jüngste Tochter gerne wieder zu einer süßen Vierjährigen machen, die noch nichts mit Typen am Hut hatte und im nächsten sprach er lächelnd davon, wie glücklich Lilys Mutter doch über diese Hochzeit gewesen wäre.
Ich hatte es mir neben Samuel gemütlich gemacht, Elaina auf meinem Schoß. James stand ganz vorne am Altar. Der junge Auror wirkte ziemlich nervös. Sirius schlug ihm mehrmals die Hand weg, damit er sich nicht die Frisur ruinierte. Nicht dass diese wirklich ordentlich war, doch man sah, viel Zeit und Mühe wurde ins versuchte Zähmen investiert. Seine Krawatte war sehr ordentlich gebunden worden. Der Anzug saß perfekt.
Die Musik setzte ein. Zuerst kam Marlene, die den Part der Trauzeugin ein weiteres Mal übernahm, dann Lily, die neben ihrem Vater, den Gang entlangschritt. Die Augen ihres zukünftigen Ehemanns fingen an zu leuchten. Seine Hände wanderten ausnahmsweise Mal nicht zu den Haaren. Der Auror wirkte so, als hätte er noch nie ein schöneres Wesen als seine zukünftige Ehefrau gesehen.
Euphemia neben mir schniefte theatralisch, weshalb Fleamont sie in den Arm nahm. Meine Großcousine rutschte zu meiner Schwiegermutter. Sie versuchte, die Tränen wegzuwischen. Allerdings schien sie zu verstehen, dass es Freudentränen waren, denn sie versuchte Euphemia nicht mit tröstenden Worten zum Aufhören zu bewegen. Die Braut war bei ihrem Bräutigam angekommen. Lilys Vater schien ein wenig widerwillig seine Tochter zu überreichen. Seine Augen funkelten ein wenig drohend.
„Hatte ich auch diesen Mörderblick drauf?" Samuel betrachtete Lilys Vater nachdenklich.
„Deiner war schlimmer." Fleamont zwinkerte dem Heiler zu, welcher mit dieser Antwort sehr zufrieden schien.

Elaina erreichte als erstes James und Lily. Glücklich umarmte sie die Beine des frischgebackenen Ehepaares. Der Auror fing an zu lachen, während er das Kleinkind hochhob.
„Hallo, Elaina."
„Herzlichen Glückwunsch." Ein breites Grinsen zierte das Gesicht meiner Großcousine.
„Wo hast du denn Samuel und Carolin gelassen?" Sirius sah suchend in die Menge, entdeckte uns allerdings offensichtlich nicht. Ich schob mich an zwei anderen Auroren vorbei, sodass ich ins Blickfeld meines Ehemannes trat.
„Da ist ja meine wunderschöne Prinzessin." Sirius breitete seine Arme aus, damit ich ihm um den Hals fallen konnte. Allerdings hatte ich das nicht vor. Jedenfalls noch nicht. Zuerst wollte ich meinem Schwager und meiner Schwippschwägerin gratulieren.
„Meinen Glückwunsch ihr beiden."
„Danke, Carolin." Elaina streckte ihre Arme nach mir aus. Offensichtlich wollte sie wieder auf meinen Arm.
„Komm rüber, Kleines." Ich nahm sie von James entgegen.
„Meine zwei wunderschönen Schwiegertöchter!" Euphemia legte einen Arm um Lily und den anderen um meine Schulter.
„Guck nicht so traurig, Sirius. Du hast deine Carolin oft genug für dich alleine. Jetzt musst du mal auf sie verzichten."
„Aber ich habe sie heute noch gar nicht gesehen."
„Du bist selbst schuld, wenn du bei James übernachtest. Wärst du nach dem Junggesellenabschied nach Hause gegangen, hättest du sie gesehen."
„Aber –"
„Kein aber, Junge. Heute Abend kriegst du sie wieder. Solange gehört sie der Allgemeinheit."
„Ich will sie trotzdem einmal in den Arm nehmen. Nur ganz ganz kurz drücken." Er guckte mit seinem süßen Hundeblick. Euphemia fing an zu lachen. Sie löste ihren Arm um meine Schulter.
„Prinzessin?" Lächelnd umarmte ich meinen Ehemann.
„Das ist toll. Euphemia, kommst du auch zu mir? Ich will all meine Frauen bei mir haben. Meine Prinzessin", mir wurde ein Kuss auf die Stirn gedrückt.
„Mein Prinzesschen." Elaina bekam einen.
„Und meine wunderschöne Königin." Euphemia war an der Reihe. Als Reaktion darauf strich sie ihrem Ziehsohn liebevoll über die Wange.
„Ich liebe dich, Sirius. Du bist einer meiner zwei Lieblingssöhne und das wirst du auch immer bleiben. Egal, was passiert. Vielleicht habe ich dich im Moment sogar ein wenig lieber, weil du mir zuerst Enkelkinder bescherst."
„Mama, ich kann dich hören! Du bist hier auf meiner Hochzeit, also bin ich heute dein Lieblingssohn." James sah empört zu seiner Mutter herüber.
„Will mein heutiger Lieblingssohn auch umarmt werden?"
„Ja, ich will!" Der Auror schmiss sich schon fast in die Arme der Aurorin.
„So begeistert hast du aber nicht geklungen, als du zu mir diese Worte gesagt hast", lachte Lily.
„Dann pass mal auf. Ja, ich will Lily Potter für immer bei mir behalten. Ja, ich will. Ja, ich will. Ja, ich will." Er hob seine frischgebackene Ehefrau hoch und wirbelte sie im Kreis. Die rothaarige Frau quietschte erschrocken und gleichzeitig glücklich auf. Mein Blick glitt zu Sirius, welcher noch immer einen Arm um mich und den anderen um seine Mutter gelegt hatte. Seine Augen glitzerten. Nicht weil sie mit Tränen gefüllt waren, sondern weil sie vor Glück so sehr strahlten.

Gelächter füllte den Raum. Die gute Laune war fast greifbar. Musik wurde gespielt. Die Tanzfläche war gut gefüllt. James hatte sich seine Mutter zum Tanzen geschnappt, Lily wurde von ihrem Vater geführt. Auch Marlene und Samuel bewegten sich dort zum Takt der Musik. Sirius war mit Elaina dort. Ich stand etwas abseits und beobachtete, dass geschehen mit einem Glas Wasser in der Hand.
„Hallo, Carolin." Remus stellte sich neben mich. Er wirkte mal wieder sehr blass.
„Wie geht es dir, Moony?"
„Ganz gut."
„Willst du mir erzählen, was los ist? Du warst schon wieder so lange verschollen." Er schüttelte leicht den Kopf. Unauffällig zog ich ihn ein bisschen weiter von den anderen Gästen weg.
„Remus, du weißt, dass du mir vertrauen kannst, richtig?" Leichtes Nicken war die Antwort.
„Warum erzählst du uns dann nichts." Der Werwolf kratzte sich verlegen am Hinterkopf. Er schien über irgendetwas nachzudenken, bevor er wieder zu mir sah.
„Ihr habt Angst, dass ich Mason verraten habe, nicht wahr? Ihr glaubt, ich wäre der Verräter." Ich schluckte schwer, während ich beschämt zu Boden sah.
„Remus, wir – ich – was sollen wir denn glauben? Du bist seit Monaten verschollen –" Der junge Mann begann zu lachen.
„Ihr solltet genau das Denken, Carolin. Alles andere wäre verrückt. Ich gebe euch momentan keinen Grund, mir zu vertrauen."
„Wenn du das alles weißt, warum änderst du die Situation dann nicht?" Er hielt mich am Arm fest, weshalb ich nicht weitergehen konnte.
„Weil es besser ist, wenn ihr mir misstraut, als wenn ihr die Wahrheit wisst. Der Meinung warst du im Übrigen auch."
„Du hast mit mir darüber geredet?" Ich sah verwirrt zu meinem Schulfreund herüber.
„Hast du es nicht komisch gefunden, als Lily und du in meiner Wohnung aufgewacht seid?" Ich merkte, wie ich rot anlief. Ich versuchte, mein Gesicht in meinen Händen zu verstecken.
„Der Verdacht kam auf, du hättest Lily und mich obliviiert."
„Habe ich. Du warst dafür. Davor hast du mir allerdings noch gesagt, dass ihr misstrauisch werden könntet. Ich bin dieses Risiko bewusst eingegangen und ich bereue es kein wenig. Carolin, bitte, akzeptiere deine Entscheidung, dich obliviieren gelassen zu haben. Sobald es geht, werde ich euch einweihen. Das verspreche ich dir. Ihr werdet alles erfahren, was ihr Wissen wollt. Doch solange musst du Stillschweigen bewahren, versprichst du mir das?" Ich nickte leicht.
„Komme bald zurück nach Hause, ja. Wir alle vermissen dich."
„Ich euch auch." Er lächelte ein wenig verkrampft, doch an seinen Augen konnte ich sehen, dass er mich wirklich vermisste. Ich breitete die Arme aus.
„Einmal umarmen?"
„Komm her, Carolin." Der junge Mann schlang seine Arme um mich.
„Ich würde am liebsten bei euch bleiben, Carolin, bitte, glaube mir das."
„Ich glaube dir, Remus."

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