Kapitel 27

„Ihr beide seht so süß zusammen aus." Mary sah mit glänzenden Augen die Fotos von Sirius und meinen Flitterwochen an.
„Glaubst du, Samuel und ich werden auch nach Australien in die Flitterwochen fliegen? Obwohl sag ihm, wir werden nach Hawaii fliegen. In ein Wellnesshotel." Marlene grinste mich an.
„Ich dachte, Samuel sollte sich um die Flitterwochen kümmern." Lily sah fragend zu der blonden Nymphe herüber.
„Und wer hilft ihm dabei? Meine allerbeste Freundin. Also kann sie ihn ganz unterschwellig in die richtige Richtung beeinflussen und dafür sorgen, dass wir nach Hawaii fliegen."
„Du bist ein richtiger Kontrollfreak, McKinnon." Maélys sah kopfschüttelnd zu der Blondine herüber.
„Vielleicht ein wenig." Ein Engelsgrinsen unterstrich die Aussage noch. Kopfschüttelnd machte ich mit dem weiter, womit ich eigentlich beschäftigt war. Das Einkleben der Fotos in ein Fotoalbum. Nachdem wir aus Australien wieder zurückgekommen waren, hatten wir nicht wirklich Zeit gehabt, um unsere Fotos zu sortieren. Unser Urlaub war vorbei gewesen, ich war mit meinen Abschlussprüfungen beschäftigt gewesen und Sirius war von einem Auftrag zum nächsten geeilt.
Abends hatten wir dann beide keine Lust mehr gehabt, das Fotoalbum auf den neusten Stand zu bringen. Stattdessen hatten wir die wenige gemeinsame freie Zeit damit verbracht, auszureiten, Familienausflüge zu machen und Ähnliches. Auf das Sortieren von Fotos hatten wir keine Lust gehabt. Doch nun waren meine Prüfungen vorbei. Ich hatte bestanden. Jetzt als richtige Heilerin musste ich nicht mehr so viel nach der Arbeit lernen. Also hatte ich endlich damit begonnen die Fotos einzukleben. Lily und Mary, die eigentlich Marlene bei Hochzeitsvorbereitungen helfen wollten, waren dann doch mit Samuels Verlobter bei mir sitzen geblieben. Man hörte einen Schlüssel in der Haustür. Dann ging sie auf.
„Prinzessin? Ich bin wieder zu Hause und James ist auch hier", hörte man meinen Ehemann im Flur rufen.
„Wir sind im Wohnzimmer, Stallbursche." Mein Partner streckte seinen Kopf durch den Türrahmen.
„Guten Abend, Ladys. Wie laufen die Hochzeitsvorbereitungen?"
„Langsam. Wir sind bei euren Flitterwochen hängen geblieben." Marlene zeigte auf die Fotos, welche vor uns ausgebreitet waren. Mein Ehemann kam näher.
„Oh, der süße Koala, der meinen Teddy geklaut hat." Er zog ein Foto zu sich heran, welches mich mit dem Tier zeigte, welches es sich auf meinen Schoß gemütlich gemacht hatte und an meinen Eukalyptustee schnüffelte. Trinken wollte es mein Getränk allerdings nicht. Dabei war es ein sehr leckerer Tee gewesen. Nach zwanzig Minuten bei uns war der Koala wieder verschwunden, wahrscheinlich um sich Eukalyptusblätter zum Essen zu suchen. Oder er hatte seine vier wachen Stunden am Tag abgearbeitet und wollte sich wieder auf einem Baum gemütlich zusammenrollen. Sehr zur Freude meines Ehemanns, welcher mich nur sehr ungern mit dem anderen Lebewesen teilen wollte. Nicht in unseren Flitterwochen. Marlene griff nach der Teekanne, um sich ihre Tasse neu zu füllen. Allerdings war sie leer.
„Ich mach mal neuen. Wollt ihr beiden etwas trinken?" Marlene sah die beiden Jungen an.
„Ich würde auch eine Tasse Tee nehmen." James lächelte die Blondine breit grinsend an. Mein Ehemann nickte zustimmend.
„Für mich bitte auch."
„Klar, ich bringe noch zwei Tassen mit." Man hörte die andere Nymphe in der Küche kramen. Dann klirrte es.
„Marlene, ist alles in Ordnung?" Wir bekamen keine Antwort. Unsicher sah ich zu meinen Freunden herüber, die alle ein wenig unsicher wirkten. Ich sprang auf.
„Marlene?" Ich rannte in die Küche. Dort herrschte Chaos. Die Teekanne lag zerbrochen am Boden. Der fischgemachte Tee hatte eine große, rote Pfütze gebildet. Meine beste Freundin hatte sich an die Ablage gelehnt.
„Marlene?"
„Mir ist schwindelig", murmelte sie kaum hörbar. Mit einem kurzen Schlenker meines Zauberstabs kam ein Stuhl aus dem Esszimmer angeflogen.
„Setze dich erstmal hin." Ich half dem Mädchen sich auf den Stuhl zusetzen. Dann holte ich ein Glas und füllte es mit Wasser.
„Du solltest etwas trinken." Ich drückte ihr das Getränk in die Hand.
„Danke, Carolin."
„Kein Problem." Während Marlene nach und nach ihr Wasser trank, machte ich mich daran die Scherben aufzusammeln und den Tee aufzuwischen.
„Glaubst du, ich bin krank?" Marlene sah mich besorgt an.
„Schwindel kann ein Anzeichen für ein Haufen Sachen sein: Bluthochdruck, niedriger Blutdruck, Unterzuckerung, eine Herzschwäche, eine Schwangerschaft, Stress und auch noch ein Haufen anderer Krankheiten."
„Soll ich besser Morgen ins St. Mungos gehen?" Ich schüttelte lächelnd den Kopf.
„Nicht, wenn es nur einmal passiert ist. Ich vermute, du bist einfach gestresst, weil du dir zu viele Gedanken über die Hochzeit im Oktober machst. Falls dir regelmäßiger schwindelig wird, solltest du aber zum Arzt gehen, um es abzuklären. In Ordnung?" Die Nymphe nickte eifrig.

Mein Trank verfärbte sich langsam von einem dunklen Rot zu einem hellen Violett. Zufrieden sah ich in meinen Kessel. Mein Trank war brav und verhielt sich, wie ich es wollte. Ich sah wieder auf meine Notizen. Zweimal gegen den Uhrzeigersinn rühren, dann einmal mit dem Uhrzeigersinn und wieder dreimal dagegen. Danach sollte der Trank blassrosa werden. Ich folgte der Anweisung. Einmal gegen den Uhrzeigersinn, ein zweites Mal, dann einmal mit und schließlich wieder dreimal dagegen.
Ich sah zu, wie sich der Trank bei jeder Drehung ein wenig weiter verfärbte, bis er schließlich nur noch blassrosa war. Ich sah wieder aufs Rezept. Den Trank vom Feuer nehmen. Die letzten drei Worte hatte ich mit einem Textmarker markiert. Mein häufigster Fehler war, den Kessel auf dem Feuer zu lassen, obwohl man ihn vor zugeben der letzten Zutat herunternehmen sollte.
Doch heute folgte ich ausnahmsweise mal dieser Anweisung. Der Kessel kam vom Feuer, die letzte Zutat kam herein. Dann rührte ich noch zweimal mit dem Uhrzeigersinn, bevor der Trank ganz klar wurde. Ich war fertig.
Zufrieden füllte ich den Inhalt meines Kessels in mehrere Fläschchen ab und reichte es an Fabian, welcher zufrieden nickte. Da im Moment wenig zu tun war, hatten wir beide beschlossen, den Vorrat an häufig gebrauchten Heiltränken wieder aufzufüllen.
Fabian räumte die Fläschchen in den Vorratsschrank ein, während ich den Kessel säuberte. Sobald wir damit fertig waren, wollten wir Samuel abholen, welcher sich die Zeit mit Papierkram vertrieb. Zu dritt würden wir dann nach oben gehen, um mit Megan Mittag zu essen. Ich hatte gerade den Kessel sauber gemacht, da klopfte es an der Tür. „Herein", rief mein Kollege. Die Tür wurde geöffnet. Hippocrates kam mit einer ziemlich aufgelösten Lily zum Vorschein.
„Carolin, es ist Besuch für dich da." Die Rothaarige fiel mir kommentarlos um den Hals. Sie begann zu weinen. Sofort verkrampfte sich mein Magen. Dieses Auftreten konnte nichts Gutes bedeuten.
„Was ist denn los? Mit James und Sirius ist doch alles in Ordnung, oder?" Mein Magen verkrampfte sich bei den Gedanken, dass ich heute Nacht nicht mit meinem Ehemann im Bett kuscheln konnte.
„Bei denen ist alles in Ordnung, aber Remus –"
„Was ist Remus passiert? Ist er hier im St. Mungos? Wie schlimm ist es?"
„Nein, mit ihm ist alles in Ordnung. Er wollte mit Mary zusammen Mittagessen und da – also er – es ist Mary." Die Rothaarige wurde von einem Heulkrampf geschüttelt. Liebevoll strich ich dem Mädchen über die langen Haare. Gerne hätte ich irgendetwas Tröstendes gesagt, doch mein Hals war wie zugeschnürt. Tränen brannten in meinen Augen. Ich musste meine ganze Selbstbeherrschung aufbringen, um nicht ebenfalls anzufangen zu weinen. Dabei war diese Nachricht nicht wirklich überraschend. Eigentlich warteten wir schon seit Monaten auf Mary Tod, so hart es auch klang. Dass sie noch fast, bis August durchgehalten hatte, war überraschend gewesen.
Doch trotz allem hatte ich das Gefühl, mir wäre etwas komplett Überraschendes mitgeteilt worden. Als hätte ich mich nicht seit über einem Jahr auf diese Nachricht vorbereiten können. Gestern hatte ich mich noch von dem brünetten Mädchen verabschiedet. Dabei war ich davon ausgegangen, wir würden uns noch einmal wieder sehen.
„Rem ist mit Dorcas unten. James, Sirius, Alice und Frank sind im Außendienst. Sie können wir erst informieren, wenn sie Dienstschluss haben. Marlene ist bei Samuel", berichtete Lily schluchzend.
„Dann sollten wir vielleicht zu Rem gehen." Ich sah zu Fabian herüber, welcher verständnisvoll nickte.
„Ich mache hier noch alles fertig. Du kannst ruhig mit Lily gehen."
„Danke, Fabian."

Mein Magen verkrampfte sich beim Anblick der Leichenhalle des St. Mungos. Wenn es nach mir ging, hätte ich sie gar nicht erst wieder betreten. Das Bild meiner Familie, wie sie dort lag, hatte sich in mein Gehirn eingebrannt. Auch jetzt noch drehte sich mein Magen bei dem Gedanken daran um.
Remus saß zusammengesackt auf einem Stuhl in einer Ecke. Das Gesicht in den Händen vergraben, während man ihn leise Schluchzen hörte. Neben ihm saß Dorcas. Die Brünette hatte ihm eine Hand auf die Schulter gelegt und strich vorsichtig darüber.
„Remus?" Ich lief auf den Werwolf zu. Dort angekommen zog ich ihn in meine Arme.
„Mary – sie ist – meine Mary –"
„Ich weiß, Remus. Ich weiß. Es tut mir so unendlich leid."
„Warum sie, Carolin? Warum musste es unbedingt meine Mary sein?"
„Die Frage stelle ich mir seit zwei Jahren." Ich merkte, wie sich die ersten Tränen jetzt doch über meine Wange liefen. Mein Letztes bisschen Selbstbeherrschung war vorbei, die Dämme gebrochen. Die Tränen flossen unaufhaltsam über meine Wange. Remus zog mich vorsichtig auf seinen Schoß. Erschöpft lehnte ich meinen Kopf an seine Schulter.
„Wird es irgendwann wieder gut werden?" Ich schüttelte den Kopf.
„Ich hab noch nicht herausgefunden wann. Rem, es tut mir so unendlich leid."
„Mir auch, Carolin. Mir auch."

Erschöpft lag ich mit Sirius zusammen auf dem Sofa. Meine Tränen hatten aufgehört, zu laufen, was auch daran liegen konnte, dass ich nicht das Gefühl hatte, meine Augen wären in der Lage noch eine zu produzieren. Stattdessen hatte sich das Gefühl der Leere in mir ausgebreitet.
„Glaubst du, ich hätte Remus dazu überreden sollen, ein paar Tage bei uns zu wohnen? Jetzt ist er ganz alleine in seiner und Marys ehemaliger Wohnung." Mein Ehemann starrte nachdenklich die Wand ihm gegenüber an.
„Wenn du dir sorgen machst, dann geh ihn besuchen. Er freut sich mit Sicherheit darüber."
„Ich weiß nicht. Er wollte seine Ruhe haben." Sirius kratzte sich am Hinterkopf.
„Wenn er dich wirklich überhaupt nicht dahaben will, kannst du doch noch immer wieder gehen."
„Kann ich dich denn hier alleine lassen? Du siehst nicht so aus, als würdest du es gerade verkraften alleine zu sein."
„Ich habe doch Samuel, Elaina, Jean und Marlene hier. Du musst dir also überhaupt keine Sorgen um mich machen."
„Dann gehe ich nach ihm gucken. Wir sehen uns später, Prinzessin." Mir wurde ein Kuss auf die Stirn gedrückt, bevor mein Freund sich von dem Sofa erhob.

Ich hörte, wie leise die Zimmertür geöffnet wurde. Kurz fiel das Licht aus dem Flur in den Raum. Der Schatten meines Ehemanns war ebenfalls zu sehen. Leise schlich er sich in das Schlafzimmer, um mich nicht zu wecken.
„Sirius?"
„Habe ich dich geweckt, Prinzessin?" Ich schüttelte den Kopf, bis mir einfiel, dass er es in der Dunkelheit gar nicht sehen konnte.
„Nein, hast du nicht." Ich drehte mich leicht. Dann begann ich damit den Lichtschalter zu suchen. Es dauerte ein paar Sekunden, bis ich den Schalter gefunden hatte, doch dann erleuchtete die Lichterkette über Sirius und meinem Bett. Sie verbreitete in angenehmes, düsteres Licht, sodass mein Ehemann auch sehen konnte, wo er hinlief. Gerade rechtzeitig, da er fast gegen den Sessel gelaufen wäre.
„Wie war es bei Remus?"
„Er war schlecht drauf, doch eigentlich habe ich auch nichts anderes erwartet. Ich habe ihn für morgen Abend zum Essen eingeladen. Ich weiß nur nicht, ob er wirklich kommt. Er war nicht so begeistert. Ich glaube, er möchte lieber seine Ruhe haben." Mein Partner begann sich auszuziehen.
„Ich bin mir sicher, er wird kommen."
„Ich hoffe es doch." Er war fertig mit umziehen und kam zu mir ins Bett gekrabbelt. Glücklich kuschelte ich mich an meinen Partner.
„Ist bei dir alles in Ordnung?", wurde ich vorsichtig gefragt.
„Ich beruhige mich langsam wieder. Der erste Schock ist überwunden. Und du? Mary war schließlich auch mit dir befreundet. Nicht nur mit mir." Ich versuchte, in Sirius Augen seine Gefühle herauszufinden, doch im Dämmerlicht war nichts zu erkennen.
„Ich – na ja, irgendwie – keine Ahnung, was mit mir los ist. Remus ist traurig, du bist es, Marlene ist es, Samuel ist es, Jean ist es und auch Elaina ist traurig. Ich stehe daneben und versuche, euch alle zu trösten, aber ich bin irgendwie nicht traurig. Ich bin auch nicht glücklich. Mit Sicherheit nicht, aber – Warum kann ich nicht einfach mit euch traurig sein?" Unsicher strich ich ihm ein paar Strähnen aus dem Gesicht.
„Als meine Familie gestorben ist, habe ich auch nicht sofort angefangen zu weinen. Ich brauchte Zeit, um es erstmal richtig zu realisieren. Mach dir keine Vorwürfe. Jeder weiß, dass du Mary genauso gerne hattest wie wir alle." Leises Seufzen war die Antwort. Liebevoll drückte ich ihm einen Kuss auf die Wange.
„Schlaf gut, mein liebster Stallbursche."
„Du auch, meine hübsche Prinzessin." Glücklich kuschelte ich mich an die Brust des Auroren, welcher seine Arme um mich schlang und seine Nase in meinen Haaren vergrub.

Sirius und ich spülten das Geschirr vom Frühstück ab, während Marlene Elaina für den Kindergarten fertig machte. Samuel schrieb für Jean eine kurze Botschaft auf einen Zettel, da die Zweitklässlerin noch schlief. Wenn sie aufwachte, würde sie sich mit Sicherheit über die paar Sätze freuen.
Mein Großcousin war mit der kurzen Nachricht fertig und legte sie auf Jeans Teller, welcher noch als einziger auf dem Esstisch stand. Sirius gab mir die letzte Tasse vom Frühstück, welche ich noch schnell abtrocknete, bevor ich sie wegstellte.
„Carolin!", hörte ich Elaina im Flur rufen. Das kleine Mädchen schien ziemlich aufgewühlt. Sirius und ich rannten sofort zu ihr. Aus dem Esszimmer kam Samuel. Marlene saß auf der Treppe. Ihr Gesicht hatte sie in ihren Händen versteckt. Elaina stand vor ihr und tätschelte sie vorsichtig.
„Marlene, was ist los?"
„Mir ist wieder schwindelig."
„Ich bringe dich sofort ins St. Mungos. Carolin, Sirius, könnt ihr Elaina ohne mich zum Kindergarten bringen?"
„Das schaffen wir. Kein Problem. Gute Besserung, Marlene."
„Danke", kam es zeitgleich von dem Pärchen.

Ich hatte mich gerade an meinen Schreibtisch im St. Mungos gesetzt, um die Akten über die neuen Patienten zu lesen, welche in der Nacht eingeliefert worden waren, da klopfte es an der Tür.
„Herein." Ich sah verunsichert auf. Normalerweise kam höchstens Hippocrates herein, mit welchem ich mir das Büro teilte, doch dieser würde wohl kaum klopfen. Als dieses Mal die Tür auf ging, kamen Samuel und Marlene zum Vorschein. Sie beide hatten ein strahlendes Lächeln im Gesicht.
„Nach eurem Grinsen nach zu urteilen, hatte ich Recht, dass Marlene nicht krank ist."
„Ich bin kerngesund."
„Lag es am Stress?"
„Unteranderem." Marlene kratzte sich am Hinterkopf.
„Und was hat noch dazu beigetragen?" Meine beste Freundin sah zu ihrem Verlobten herüber.
„Wir werden Eltern. Marlene ist schwanger." Ich sprang quietschend von meinem Schreibtischstuhl auf und fiel den beiden um den Hals.
„Ihr kriegt ein Baby! Ich werde Tante. Merlin, ich freue mich so. Welche Woche?"
„In der fünften Woche." Ich zog eine Augenbraue hoch.
„Und dir ist noch nicht aufgefallen, dass deine Periode ausbleibt?"
„Doch, schon, aber erst dachte ich, sie kommt einfach ein wenig verspätet und dann hatte ich es verdrängt." Ich biss mir auf die Unterlippe, um mein Gelächter zu unterdrücken.
„Du hast eine verrückte beste Freundin, Carolin." Samuel grinste mich schief an.
„Und du willst die Verrückte heiraten."
„Da habe ich noch einmal mindestens neun Monate Bedenkzeit."
„Ihr heiratet im Oktober. In zwei Monaten, um genau zu sein." Marlene sah unsicher zu ihrem Freund.
„Wir werden die Hochzeit verschieben. Wie du schon richtig angemerkt hast, macht sich Marlene viel zu viel Stress wegen der Hochzeit. Schwangerschaft und Stress macht sich nicht so gut zusammen und dann tickt sie auch noch aus, weil sie Angst hat, nicht mehr in ihr Brautkleid zu passen." Die Worte meines Großcousins ließen die Blondine erröten.
„Also sagen wir die Hochzeit ab und haben das ganze Geld dafür zum Fenster rausgeworfen?" Marlene wurde noch ein wenig roter.
„Na ja, das ganze Geld mit Sicherheit nicht. Das Hochzeitskleid verstecke ich bis zur Hochzeit bei meinen Eltern. Wir bekommen nur nicht den Vorschuss für die Lokation wieder. Ich weiß, es ist immer noch viel Geld, aber –"
„Du willst deine Traumhochzeit feiern. Ganz ohne Babybauch und mit Alkohol." Sie nickte leicht. Ich gab seufzend nach.
„Vor der nächsten Hochzeit verhütetet ihr. Nochmal sagen wir keine ab, weil Marlene schwanger ist."
„Werden wir nicht. So, ich werde jetzt ins Büro gehen. Na ja, erstmal gehe ich die Aurorenabteilung überfallen. Sirius muss doch auch erfahren, was mit mir los ist." Die Nymphe zwinkerte mir zu, bevor sie hüpfend den Raum verließ.
„Ich habe noch nie jemand gesehen, der sich so darauf freut, nicht zu heiraten."
„Ich auch nicht." Samuel war sichtlich amüsiert.
„Jetzt komm erstmal zu mir, Großer." Ich umarmte meinen Großcousin.
„Ich freue mich wirklich sehr für euch beide."

Es klingelte an der Tür. Bevor man hätte Quidditch sagen können, stand Marlene schon dort und riss sie auf, um Remus hereinzulassen.
„Samuel und ich kriegen ein Kind!", quiekte die Blondine anstelle einer Begrüßung. Ich sah zu Sirius herüber, welcher so aussah, als hätte er auf eine saure Zitrone gebissen. Zwar hatten bisher all unsere Freunde sich sehr über das erste Kind in unserem Freundeskreis gefreut, doch ich hätte nicht unbedingt dem Werwolf auf diese Weise die Information unter die Nase gerieben. Schließlich hatte er gerade erst seine Freundin verloren. Da wollte er mit Sicherheit nicht als Allererstes hören, wie glücklich doch alle anderen in einer Beziehung waren. Eine schonendere Art, ihn diese Nachricht mitzuteilen, wäre mit Sicherheit die bessere Idee gewesen.
„Freut mich, Marlene." Die Stimme des vernarbten Mannes hörte sich so an, als wäre ihm gerade mitgeteilt worden, die Blondine hätte ihr fünfzigstes Paar schwarzer Pumps gekauft. Er klang uninteressiert, ausgelaugt und traurig. Ich ließ meinen Ehemann alleine in der Küche zurück.
„Remus, schön, dass du hier bist." Im Laufen zur Haustür wischte ich meine mehligen Hände an meiner Schürze ab.
„Hallo, Carolin."
„Komm erstmal rein", meinte ich an den Werwolf gewandt. Gleichzeitig schob ich Marlene bestimmt in Richtung Küche.
„Samuel holt gerade Elaina und Jean rein, willst du nicht Sirius in der Küche helfen?" Die Blondine verstand offensichtlich meinen Wink mit dem Zaunpfahl.
„Ich gehe dann besser mal deinem Ehemann helfen. Ansonsten fackelt er noch unser Abendessen ab." Remus trat verunsichert in das Haus.
„Mary wird Montag beerdigt." Mir wurde eine Einladungskarte in die Hand gedrückt. Ich zog den Jungen in meinen Armen.
„Du hast mich im St. Mungos gefragt, wann alles wieder gut wird."
„Hast du den Zeitpunkt gefunden?"
„Nein, ich glaube, den Zeitpunkt gibt es nicht. Aber irgendwann wird es leichter. Es wird nie wieder gut, aber es wird leichter. Dann wird der Schmerz von den glücklichen Erinnerungen überschattet. Nicht mehr andersherum."
„Wie lange?"
„Ich fürchte, das ist bei jedem verschieden." Der Werwolf seufzte leise.
„Das Essen ist fertig." Remus hob vorsichtig seinen Kopf.
„Hey, Sirius."
„Hey, Moony, mein alter Freund." Ich hörte die Schritte meines Ehemanns hinter mir. Dann legte er dem Werwolf und mir jeweils eine Hand auf die Schulter.
„Ist mit euch beiden alles in Ordnung?"
„Es geht schon." Ich drückte meinem Ehemann einen Kuss auf die Wange.
„Habt ihr Hunger? Es gibt dein Lieblingsessen, Moony."
„Ihr müsst euch nicht solche –"
„Das sind keine Umstände, Remus. Du hast bei uns immer einen Platz. Egal, was vorgefallen ist."

Elaina hatte es sich bei Remus auf dem Schoß gemütlich gemacht und führte mit ihren Stofftieren ein kleines Theater auf, um ihn zu trösten. Auch wenn es der Werwolf kaum tröstend fand.
„Elaina, es ist Zeit für dich ins Bett zu gehen." Samuel hielt dem Mädchen seine Hand hin.
„Ich will nicht ins Bett. Remus ist noch traurig, weil Mary zu den Göttern durfte und er nicht."
„Ja, Elaina, ich bin traurig."
„Willst du auch zu den Göttern?"
„Nein, ich hätte Mary gerne wieder bei mir."
„Artemis hat sie zu sich geholt, weil sie auf der Erde als erreicht hat, was sie erreichen sollte. Du hast noch Großes vor dir, deshalb musst du noch bleiben. Artemis hätte sie dir nicht genommen, wenn sie nicht wüsste, du wärst stark genug, um ohne sie zu leben. Auch wenn es sich jetzt gerade nicht so anfüllt. Sagt jedenfalls Marlene immer zu mir, wenn ich meine Familie vermisse. Jetzt gehe ich ins Bett. Sonst bin ich morgen müde. Das sagen alle jeden Abend, wenn ich nicht ins Bett will." Das kleine rothaarige Mädchen sprang von Remus Schoß auf. Zusammen mit Samuel lief sie die Treppe herauf.
„Artemis passt also auf eure Familie auf?"
„Und auf Mary auch."
„Glaubt ihr wirklich, die Götter haben sie zu sich geholt?" Remus sah fragend in die Runde.
„Ja, das glaube ich." Auch die anderen Anwesenden nickten leicht. Na ja, bis auf Sirius, der eher nach einem vielleicht aussah. Ein leichtes Lächeln erschien auf Remus Gesicht. Noch sehr gequält und unglücklich, doch es war besser als sein trauriger Blick.
„Sag deiner Artemis, sie muss gut auf meine Mary aufpassen. Ich werde irgendwann kommen und will sie dann mit einem strahlenden Lächeln wiedersehen."
„Ich richte es ihr aus." Er wandte sich an Marlene.
„Und richte es zur Sicherheit auch deiner Athene aus."
„Natürlich Remus, nichts lieber als das. Maélys wird es mit Sicherheit auch Ares sagen."

Sirius hatte einen Arm um mich gelegt, während wir die Kapelle des kleinen Friedhofes in Marys Heimatstadt betraten. Die Kirchenbänke waren schon gut gefüllt. Vorne stand der Sarg. Der Deckel war geöffnet und obwohl wir noch so weit weg waren, konnte man eindeutig die brünette Frau darin liegen sehen. Ich merkte, wie mein Ehemann immer langsamer wurde. Mein Blick glitt zu ihm. Sämtliche Farbe war aus seinem Gesicht gewichen.
„Sirius, ist alles in Ordnung mit dir?" Mein Freund biss sich auf die Unterlippe, dann schüttelte er den Kopf.
„Nein, ist es nicht. Ich geh an die frische Luft bis es anfängt." Er ließ mich los, dann drehte er sich um. Verunsichert sah ich zu Marlene und Samuel. Die Blondine nickte in Richtung Tür.
„Worauf wartest du noch. Wir halten euch zwei Plätze frei." Ich nickte leicht, dann eilte ich meinem Ehemann hinterher. Sirius zu finden war nicht schwer. Er hatte sich mit einigem Abstand zur Tür an die Mauer der Kapelle gelehnt. Die Ankommenden würden ihn kaum sehen, doch da ich gesehen hatte, wo der Auror hingelaufen war, konnte ich ihm problemlos folgen. Unsicher trat ich neben den jungen Mann, welcher mit aller Macht versuchte, die Tränen zurückzuhalten.
„Lass es einfach raus, Stallbursche." Ich zog ihn in meine Arme.
„Bisher kam mir alles so unwirklich vor. Es war eher so, als wäre sie im Urlaub und nicht", mein Ehemann stockte, bevor er fortfuhr, „als wäre sie tot. Ich vermisse unsere Mary."
„Ich weiß. Ich vermisse sie auch." Ich merkte, wie die ersten Tränen meinem Ehemann über die Wange flossen. Sie tropften auf meine Schulter. Liebevoll strich ich ihm über die Haare.
„Lass es einfach raus." Man hörte Schritte hinter uns.
„Sirius, Carolin?" James kam auf uns zugelaufen.
„Mein Tätzchen braucht Streicheleinheiten." Wir wurden auch noch von meinem Schwager umarmt. Nun war es mit Sirius letzter Selbstbeherrschung dahin. Er begann richtig zu weinen und zu schluchzen.
„Ist schon gut, Sirius. James und ich sind für dich da."

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