Kapitel 5

Ich hatte es mir am Rande des verbotenen Waldes gemütlich gemacht. Ein Baum diente mir als Rückenlehne, während auf meinen Beinen mein Walkman lag. Irgendwie musste ich dem Ding doch wieder leben einhauchen können. Schon alleine damit ich nicht mehr Parkinsons Gerede hören musste. Heute Abend würde sie wahrscheinlich auf Seidenschnabel herumhacken. Der arme Hippogreif hatte wirklich nichts falsch gemacht. Nur Malfoy war zu blöd gewesen. Er hätte ihn niemals so beleidigen dürfen.
Ich sah zu dem silbergrauen Tier herüber, welches bei seinen Artgenossen stand. Stolz und wunderschön mit hocherhobenen Kopf. Offensichtlich hatte das Tier kein schlechtes Gewissen auf Grund Malfoys Verletzung. Richtig so. Brauchte er auch nicht zu haben. Allerdings würde Draco wohl dafür sorgen, dass es Seidenschnabel noch bereuen würde.
„Da bist du ja, Rona! Ich suche dich schon die ganze Zeit." Ich sah in die Richtung, aus der Adina kam. Meine Klassenkameradin kam auf mich zugelaufen. Jamie wurde von ihr hinterhergeschliffen. Daphne Greengras lief den beiden nach.
„Jetzt hast du mich gefunden." Und meine Ruhe war fort. Dabei hatten wir uns so gut verstanden.
„Wann hast du dich aus dem Gemeinschaftsraum geschlichen?" Adina war bei mir angekommen. Sie sah auf mich herab.
„Willst du dich nicht setzen?" Jamie hatte sich schon längst von der Wassernymphe befreit und es sich neben mir gemütlich gemacht.
„Weißt du eigentlich, wie dreckig die Kleidung wird, wenn man auf dem Boden sitzt?" Ich zog eine Augenbraue hoch. Natürlich wusste ich es. Ich hatte oft genug Ärger bekommen, weil ich mal wieder schmutzig in ein Kinderheim oder zu einer Pflegefamilie gekommen war.
„Die Erde kann man wieder raus waschen. Kein Ding. Und lasst mich raten. Ihr musstet noch nie waschen. Ihr lasst auch noch waschen. Also stellt euch nicht so an. Reicht schon, dass Malfoy wegen eines Kratzers heult. Jetzt fangt nicht auch noch wegen ein bisschen Erde an."
„Kratzer? Du nennst Dracos Wunde einen Kratzer? Das Biest hätte ihn fast umgebracht!" Ich verdrehte die Augen.
„Es hätte Stunden gebraucht, bis er an dieser Wunde verblutet wäre. Es war ein Kratzer. Mit Sicherheit tief und schmerzhaft, aber man kann ihn mit ein paar Stichen nähen. Dann ein Verband drum und fertig." Ich wurde verständnislos angesehen. Offensichtlich schienen sie mit meinem Vorschlag nicht gerade einverstanden zu sein.
„Draco ist kein Hemd, was man nähen kann." Daphne sah mich abfällig an.
„Tut mir leid, ich habe vergessen. Magische Welt. Ihr wedelt kurz mit einem Stock in der Hand und spart euch das Desinfizieren und Nähen. Ihr verpasst etwas." Jamie neben mir gluckste leise. Er hatte sich mittlerweile meinen nutzlosen Walkman geschnappt und schien nicht an dem Gespräch zwischen den Mädchen und mir teilnehmen zu wollen.
„Willst du etwas beitragen – wie auch immer du heißt?" Greengras sah verächtlich zu dem anderen Waisenkind, welches mittlerweile die Batterieklappe geöffnet hatte.
„Kakerlake", wurde neben mir geflüstert und die Frage blieb unbeantwortet.
Adina hatte mittlerweile beschlossen, sie könnte es wagen, ihren Rock dreckig zu machen. Sie saß nun auf meiner anderen Seite. Neugierde war ihn ihren Augen abzulesen.
„Was ist mit Kakerlaken?" Daphne fing an, laut zu quietschen. Sie trat dabei blitzschnell von einem Fuß auf den anderen.
„Sie krabbelt gerade an deinem Bein hoch." Noch lauteres Quietschen. Jamie zwinkerte mir breit grinsend zu. Adina ignorierte ihre Freundin. Anscheinend war ihr klar, dass nicht wirklich eine Kakerlake an dem anderen Mädchen hoch krabbelte.
„Ist Kakerlake ein Codewort?"
„Es geht jedenfalls nicht um das Krabbeltierchen." Die Wassernymphe musterte mich noch einmal kurz, bevor sie leise seufzte.
„Du sagst mir nicht, was es bedeutet. Das ist eine Sache zwischen dir und – Parsons, richtig?" Ich fragte mich, worauf sich das richtig nun bezog. Darauf, dass es eine Sache zwischen mir und Jay Jay war, die wir ihr nicht erzählen würden, jedenfalls jetzt noch nicht oder darauf, dass er Parsons mit Nachnahme hieß. Doch eigentlich war es egal, denn beide Fragen mussten gleich beantwortet werden.
„Richtig." Die Blondine seufzte leise.
„Du hast etwas im Zimmer vergessen." Mir wurde Ares in den Schoß gelegt. Der Blick, der anderen Nymphe glitt kurz zu der Slytherin, die noch immer nach einer nicht existierenden Kakerlake trat, dann wieder zu uns.
„Er vermisst dich anscheinend. Jedenfalls ist er voll ausgetickt. Du solltest vielleicht mit ihm reden. Warum trägst die ihn überhaupt nicht? Du kannst als Nymphe doch nicht einfach das Medaillon abnehmen!" Der jungen Malfoy wollte ich am Allerwenigsten von meinen Problemen mit Ares und das Auslassen von wichtigen Informationen erzählen. Also musste ich sie wohl ablenken.
„Weiß deine Freundin nichts von deinen Kräften oder warum achtest du darauf, dass sie noch immer so tut, als würde eine Kakerlake sie ermorden wollen?" Die Wassernymphe sprang sofort auf meinen Ablenkungsversuch an. Ihr Blick glitt wieder zu dem schreienden Mädchen.
„Sie weiß über mich Bescheid. Meine Adoptiveltern haben nicht versucht meine Fähigkeiten in irgendeiner Art zu verheimlichen. Es ist wahrscheinlich eigentlich allen Leuten in Hogwarts bekannt. Nur glauben die meisten nicht an Nymphen, also interessiert es niemanden. Deine Fähigkeiten allerdings, sind bisher nur wenigen Leuten bekannt, mir, deiner Zwillingsschwester, deiner Cousine, deinem Onkel, Parsons und vermutlich Dumbledore. Du musst entscheiden, ob du es offiziell machen willst oder nicht. Woher weiß Parsons überhaupt Bescheid?" Ich sah zu dem Jungen neben mir. Die bessere Frage war, woher wusste Adina, dass Jamie Bescheid wusste.
„Adina kam mit deinem Medaillon in die Bibliothek gestürmt. Da habe ich gesagt, dass du Ares absichtlich im Zimmer gelassen hast." Jamie wandte sich an die Wassernymphe.
„Und ich habe von Ares erfahren, als ich neun war. Damals hatten Ro und ich uns gerade kennengelernt. Ich hatte sie als Hexe erkannt und habe sie darauf angesprochen. Daraufhin meinte sie, dass sie nicht nur eine Hexe ist, sondern auch Ares Nymphe. Ich dachte, sie würde sich über mich lustig machen. Als dann der Hogwartsbrief ausblieb, bin ich davon ausgegangen, ich hätte mich geirrt. Zweifel daran bekam ich wieder, als ich dann erfahren habe, du sollst angeblich auch eine Nymphe sein, Malfoy. Dann ist Ro im Hogwartsexpress aufgetaucht, da hat sich das mit der Hexe als wahr rausgestellt, also bin ich davon ausgegangen, dass die zweite Sache ebenfalls wahr ist. Und ich hatte recht." Er grinste mich schief an.
„Du bist ein Genie. Das wolltest du doch hören, oder?" Zufriedenes Nicken war die Antwort. Greengras hatte mittlerweile aufgehört zu schreien. Stattdessen sah sie entsetzt auf Adina herab.
„Dein Rock ist jetzt mit Sicherheit matschig und nass." „Ich kann mich vor dem Essen noch umziehen. Die Hauselfen werden den Rock waschen. Ist doch alles kein Problem." Das Entsetzen in Daphnes Gesicht wurde noch ein wenig ausgeprägter.
„Guckst du dir jetzt die schlechten Manieren der – der Gossenkinder ab?" „Nur ich bin ein Gossenkind. Jamie hat es nur bis zum Waisenkind gebracht." Mir wurde mein Walkman wieder in den Schoß gelegt. Jamie stand auf.
„Ich gehe jetzt wieder in die Bibliothek. Wir sehen uns nach dem Abendessen." Ich seufzte leise, während ich meinen Walkman in meiner Hand herumdrehte. Ich sollte wirklich aufhören, in James Gegenwart so zu tun, als gäbe es irgendetwas Positives daran ein Waisenkind zu sein. Wir wussten beide genau, dass es in einer Familie, die einen wirkliche liebte, wesentlich schöner war, als in einem Waisenhaus oder einer Pflegefamilie, wo alle nur funktionieren sollten. Mir persönlich gefiel sogar die Straße besser, beziehungsweise die Gosse, wie sie hier liebevoll genannt wurde.

Lustlos stocherte ich in meinem Essen herum, während ich aufmerksam die Tür zur großen Halle beobachtete. Marianne und Kira waren zusammenhereingekommen. Leise kichernd, dann hatten sie zum Gryffindortisch geschaut, wo sie beide kurz jemand angestarrt hatten. Wen genau hatte ich nicht ausmachen können, doch daraufhin hatten sie sich mit einem bedeutsamen Blick angesehen und waren dann kichernd zum Tisch gelaufen, wo sie nun noch immer zu zweit saßen. Sie hatten ihre Köpfe zusammengesteckt, kicherten und schienen niemanden anderen auf der Welt zu brauchen. Na ja, außer die weiße Katze vielleicht, die sie begleitete.
Doch eigentlich interessierte es mich herzlich wenig, was mein Spiegelbild mit ihrer Cousine trieb. Eigentlich wartete ich darauf, dass Jamie endlich zum Essen erschien, doch bisher war er leider noch nicht aufgetaucht. Wahrscheinlich hatte er sich heulend in einer Ecke zusammengerollt, weil ich eine alte Wunde aufgerissen hatte.
Erneut kamen ein paar Schüler herein. Unter anderem eine vollkommen aufgelöste Parkinson. Sie kam zu uns herübergelaufen. Etwas, wofür ich momentan keine Nerven hatte. Wahrscheinlich heulte sie noch immer herum, weil Malfoy einen Kratzer hatte. Ich glaube, ein paar von den Slytherins brauchten unbedingt mal eine Portion der kalten, harten Realität.
„Adina, dein armer Bruder! Er wird erst morgen entlassen." Die Angesprochene hörte auf, mit mir zu reden, auch wenn ich ihr Mal wieder nicht zugehört hatte. Greengras, welche mal wieder erfolglos versucht hatte, Adinas Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, blickte hoffnungsvoll auf. Nun hatte sie diese zwar noch immer nicht, doch gegen Pansy hatte sie wenigstens die bessere Chance. Diese hatte schließlich nicht den Nymphenbonus bei der Blondine.
Noch weitere fünf Minuten, in denen Pansy theatralisch erzählte, wie schlimm doch Draco Malfoys Armverletzung war, beobachtete ich die Tür. Meine Aktivität wurde nur kurz einmal unterbrochen, als sich Adina zu mir zurücklehnte, um zu flüstern:
„Pansy übertreibt echt total. Ich würde Dracos Wunde vielleicht nicht wie du als kleinen unbedeutenden Kratze abtun, aber sein Arm war definitiv nicht kurz davor amputiert zu werden." „Er war weit davon entfernt", murmelte ich kurz, bevor ich wieder die Tür anstarrte, durch die endlich der Erwartete kam.
Jamie kam herein, unter dem Arm mal wieder ein Buch, während er nachdenklich etwas auf einem Zettel las. Dann sah er kurz auf. Sein Blick glitt zum Slytherintisch, über die Schüler und blieb schließlich an mir hängen. Mit einer leichten Kopfbewegung forderte ich ihn auf, zu mir zu kommen. Er zögerte kurz. Sein Blick wanderte zu einem anderen Tisch. Den der Ravenclaws, dann weiter zu dem der Lehrer und Gryffindors.
Schließlich lag seine Aufmerksamkeit wieder auf mir. Ein leichtes Lächeln umspielte seine Lippen, welches er immer trug, wenn er mal wieder verzieh, dass ich meine Klappe zu weit aufgerissen hatte. Noch einmal bat ich ihn mit einer Kopfbewegung, sich zu mir zu setzen, weshalb er sich nun doch in Bewegung setzte.
Jamie ließ sich auf meine rechte Seite fallen. Er schob mir den Zettel zu.
„Was ist das?"
„Ich war in der Bibliothek, um nach einer Lösung für dein Problem zu suchen." Er nickte in Richtung meiner Klassenkameradinnen, die noch immer über Dracos schwerwiegende Verletzung redeten. Gerade erklärte Mopsgesicht ausführlich, Draco wäre beinahe verblutet. Wäre er nur eine Sekunde später in den Krankenflügel gekommen, würde er nun nicht mehr unter den Lebenden weilen.
„Ich habe auch eines." Ich ließ das mein silbernes Messer kurz aufblitzen, weshalb Jay Jay die Augen verdrehte.
„Reicht doch schon, dass Malfoy heute fast seinen Arm verloren hat und daran verblutet wäre. Nein, meine Lösung ist ein wenig weniger tödlich und – na ja, er führt nicht zu einem Aufenthalt in Askaban." Dieses Mal verdrehte ich die Augen. Warum musste er jetzt mit Askaban ankommen? Vielleicht konnte ich von dort fliehen. Schließlich hatte es Sirius Black geschafft. Wenn es ein Massenmörder schaffte, sollte es der Kriegsnymphe wohl mit Links schaffen.
„Den Dementoren und Auroren werde ich schon entkommen. Mach dir keine Sorgen deshalb. Wenn es ein einfach Massenmörder kann, kann ich es schon lange." Kopfschüttelnd begann er sich Essen auf einen leeren Teller zu laden, um es daraufhin in sich herein zu stopfen. Anscheinend hatte er mal wieder ordentlich hunger. Vielleicht hätte er nicht so lange in der Bibliothek bleiben sollen.
„Was ist das jetzt?" Ich zeigte auf dem Zettel. Ich konnte wirklich gut darauf verzichten, zehn Minuten auf den Zettel zu starren, um das Geschriebene zu entziffern. Wenn die Zeit reichen würden.
„Ich habe einen Zauber gefunden, der Muggelgeräte in Hogwarts zum laufen bringt. Das Problem ist, dass Elektronik hier nicht funktioniert. Also muss die Batterie durch einen magischen Antrieb ersetzt werden. Und das hier ist die Anleitung, wie wir deinen kleinen Schatz wieder ans Laufen bringen. Und das beste ist, du musst dir nie wieder neue Batterien besorgen." Er tippte auf den Zettel zwischen uns. Ein leichtes Lächeln schlich sich auf mein Gesicht. Jamie war wirklich der Beste.
„Danke, Jay Jay." Der Junge zuckte mit den Schultern.
„Nicht dafür, Ro. Du hast mich schon oft genug irgendwo rausgehauen. Sieh es als Begleichung meiner Schulden." Er grinste mich an, bevor er wieder anfing, seinen Teller leer zu essen.
Ich sah meine ganzen Rettungsaktionen ihm gegenüber zwar nicht als Schulden an, vor allem weil er mir eigentlich schon oft genug bei irgendwelchen Dingen geholfen hatte. Doch ich wollte mich nicht beschweren, dass bald mein Walkman wieder laufen würde, dank seiner Hilfe. Pansys Rumgeheule ging mir wirklich auf die Nerven, mal abgesehen von ihren Lektionen in Sachen Manieren. Adina machte es wenigstens nichts aus, wenn ich ihr nicht zuhörte, doch Parkinson war ein wenig aufmerksamkeitsbedürftiger. Bei ihre führte es nur zu einer Rede über die Höflichkeit des aufmerksamen Zuhörens, bei der ich nach spätestens zwei Minuten abschaltete.

Vor mir blubberte ein Kessel mit der Schrumpflösung, die wir in der heutigen Stunde zubereiten sollte. Frischgeschnittene Gänseblümchenwurzeln lagen auf einem Schneidebrettchen. Alle in ordentlichen, gleichgroßen Stücken geschnitten. Adina hatte mir mit offenen Mund bei der Zerkleinerung zugesehen, die nicht einmal eine ganze Minute gedauert hatte. Messer und ich kamen nun einmal sehr gut miteinander aus. Auch die Schrumpelfeige hatte ich innerhalb kürzester Zeit geschält, weshalb Professor Snape, der Lehrer für Zaubertränke und mein Hauslehrer, offensichtlich gefallen an mir gefunden hatte.
Jedenfalls wesentlich mehr als an den Gryffindors. Die Rivalität der beiden Häuser schien sich wohl auch auf die Lehrer auszuwirken. Doch was mich besonders begeisterte: Neben einen kleinen, pummeligen Jungen namens Neville Longbottom hatte er meinen Zwilling und dessen Cousine ganz offensichtlich besonders auf dem Kicker. Nur zu gerne hörte ich dabei zu, wie er jede Kleinigkeit bei den beiden kritisierte, während er bei mir begeistert war, wie schnell ich arbeitete. Sogar meine Raupen hatte ich schon erfolgreich zerkleinert, sodass ich nur noch alles nach Snapes Anweisungen zusammenmischen musste. Etwas, was ich gerne mit größter Aufmerksamkeit tat.
Erst als Draco Malfoy, in der Mitte der Stunde dazukam, teilte sich meine Aufmerksamkeit auf. Der wasserstoffblonde Junge hatte noch beide Arme, wirkte auch ansonsten nicht, als hätte er eine Nahtoderfahrung gemacht und schien sich eher über die ganze Aufmerksamkeit zu freuen als alles andere. Zugegeben sein rechter Arm war verbunden und lag in einer Schlinge, doch nach einer kurzen Beobachtung seiner Bewegungen schien es nicht so, als würde er diese Vorkehrung wirklich brauchen. Dafür bewegte er ihn zu viel darin. Wahrscheinlich hatte er einfach nur solange rumgeheult, bis die Krankenschwester ihm diesen gegeben hat.
„Wie geht's, Draco? Tut's noch weh?" Pansy Parkinson, welche mit Deanna Pucey hinter mir stand, schenkte dem Jungen einen bewundernden Blick. Ja, seht euch diesen Helden an. Er hat einen Kratzer überlebt.
„Ja", sagte Malfoy mit der Miene des tapferen Kämpfers. Ausnahmsweise ließ er sein angeblich verletztes Körperteil ruhig liegen. Sobald Parkinson wegsah, zwinkerte Malfoy seinen zwei Schlägertypen zu. Oh ja, er genoss es sehr, die Aufmerksamkeit von dem Mädchen zu bekommen.
„Setzen sie sich, setzen sie sich." Professor Snape schien die Verspätung des Schülers nicht zu interessieren. Neugierig musterte ich die Gryffindors, denen ihre Gedanken ins Gesicht geschrieben standen. Draco hatte hier einen Freifahrtschein. Sie hätten trotz des Aufenthalts im Krankenflügel für die Verspätung Ärger gekriegt. Gut zu wissen.
Malfoy stellte seinen Kessel auf links von mir auf, genau neben Harry Potter und Ron Weasley. Das konnte wirklich witzig werden. Während meine Augen wieder auf meinen Kessel lagen, spitzte ich meine Ohren, um die drei Jungen zu belauschen.
„Professor", meldete sich Malfoy zu Wort, „Professor, ich brauche Hilfe beim Zerschneiden dieser Gänseblümchenwurzeln, weil mein Arm –" „Weasley, du schneidest die Wurzeln für Malfoy." Ich musste leicht grinsen. Der Slyhterinjunge nutzte seinen vorgetäuscht kaputten Arm wirklich aus. Würde ich wahrscheinlich auch tun.
„Dein Arm ist vollkommen in Ordnung", zischte Weasley leise, allerdings nicht leise genug, damit es mir entging. Damit hatte der Rotschopf den Nagel auf dem Kopf getroffen. Jetzt war ich gespannt auf Malfoys Reaktion.
Vorsichtig sah ich wieder herüber. Der Blonde blieb vollkommen ruhig. Er zuckte nicht einmal mit der Wimper, sondern grinste nur hämisch.
„Weasley, du hast gehört, was Professor Snape gesagt hat, schneid mir die Wurzeln." Mittlerweile hatte ich mich wieder meinem Kessel zugewandt, sodass ich nicht sah, was Weasley tat. Allerdings reichten mir die Geräusche aus, um mir das Ergebnis vorstellen zu können. Das Messer knallte immer wieder voller Wucht auf das Schneidebrett. Offensichtlich hatte der Rotschopf schlechte Laune und achtete nicht darauf, die Wurzeln ordentlich zu machen.
„Professor, Weasley verhacktstückt meine Wurzeln, Sir", schnarrte Malfoy. Adina neben mir kicherte leise. Ich belauschte wohl nicht als Einziges die drei Jungen. Snape trat an den Nachbartisch. Er betrachtete die Wurzeln und ein Unheil verkündendes Lächeln erschien auf seinem Gesicht.
„Du nimmst Malfoys Wurzeln, Weasley, und gibst ihm deine." Das Kichern rechts von mir wurde noch ein wenig lauter. Adina mochte es wohl ebenfalls Rotschopf leiden zu sehen.
„Aber Sir!", kam der Protest.
„Sofort!" Die Anweisung wurde nur ziemlich widerwillig befolgt.
„Und Sir, diese, diese Schrumpelfeige muss mir auch jemand schälen." Man hörte, wie Malfoy versuchte, ein fieses Lachen zu unterdrücken, schaffte es allerdings nicht ganz.
„Potter, du kannst Malfoys Schrumpelfeige schälen." Er konnte? Dann konnte er es allerdings auch lassen. Doch dieser Gedanke kam Potter gar nicht. Er griff nach der Feige und begann diese brav zu schälen, während Weasley wieder die Wurzel ordentlich in kleine Stücke schnitt. Das wütende Klappern des Messers war weg.
Snape sah noch einmal zu mir und Adina herüber. Letztere kicherte noch immer schadenfreudig, weil Potter und Weasley schikaniert wurde. Für das eigentlich ziemlich störende Geräusch hatte er allerdings keinen fiesen Kommentar über. Der Slytherinvorteil halt. Mein leuchtend giftgrüner Trank wurde ziemlich kritisch gemustert. Offensichtlich suchte der Lehrer zwanghaft etwas, dass er gegen mich verwenden konnte. Doch scheinbar fand er nichts. Er schien sogar sehr zufrieden. Ein anerkennendes Nicken war meine Belohnung.
„Überraschend gut, Miss Smith. Bei ihrer ersten Zaubertrankstunde habe ich eigentlich gedacht, sie sind auf dem Niveau von Longbottom." Stolz machte sich in mir breit. Zwar waren die Worte des Lehrers vielleicht nicht die Nettesten, doch in seinem Blick konnte ich erkennen, dass er mit überraschend gut, doch sehr zufrieden war. Auch wenn es ihm irgendwie ein wenig gegen den Strich zu gehen schien, dass ich es gut darin war.
Vielleicht hatte er ein Problem mit Professor Lupin und übertrug das nun leider auch auf mich. Nur mal wieder ein Beweis dafür, dass Familie nichts Gutes war.
Der Lehrer ließ Adina und mich wieder stehen, weshalb ich mich wieder auf das Gespräch am Nachbartisch konzentrieren konnte.
„Er hat sich bei den Schulbeiräten beschwert. Und beim Zaubereiministerium. Vater hat gute Beziehungen, müsst ihr wissen. Und eine bleibende Verletzung wie diese ..." Er ließ einen langen, falschen Seufzer hören, weshalb ich mühsam ein Lachen unterdrücken musste. Bleibende Verletzung? Wenn eine Narbe blieb nach der magischen Heilung, wäre ich schon wirklich überrascht.
„Wer weiß, ob mein Arm je wieder richtig gesund wird?" Jeder wusste es vermutlich – na ja, bis auf Pansy Parkinson, die es viel schöner fand auf Malfoys Zug aufzuspringen und diesen zu bemitleiden.
„Also deshalb spielst du dieses Theater. Damit sie Hagrid rauswerfen", ging nun auch Potter ein Licht auf. War es nicht schon von Anfang an klar gewesen, dass Malfoy sich einfach aufspielte, um seine Macht gegenüber dem Lehrer, welcher ihm offensichtlich nicht passte, zu demonstrieren und Aufmerksamkeit von wirklich jedem hier zu bekommen? Es passte ihm nun einmal nicht, wenn jemand im Mittelpunkt stand, der nicht Draco Malfoy hieß. Außerdem kommandierte er wohl auch sehr gerne Potter und Weasley herum.
„Nun", sagte Malfoy und senkte seine Stimme noch weiter. Dieses Mal leise genug, damit ich nicht mehr lauschen konnte.
„Weasley, schneid mir die Raupe", rief er schließlich. Was genau der Auslöser dieser offensichtlichen Feindschaft zwischen den drei Jungen war, würde ich auf jeden Fall noch herausfinden. Auch wenn ich schon ein paar Vermutungen hatte.
„Orange, Longbottom", hörte man Professor Snape hinter uns. Ich sah mich neugierig um. Der Lehrer ließ gerade ein bisschen was, von dem Trank zurück in den Kessel plätschern. Somit konnte wirklich jeder die orange Flüssigkeit sehen, denn die Aufmerksamkeit aller lag auf der Szene. Vorführen des Gegners. Eine gute Taktik im psychischen Krieg, im Unterricht eigentlich nicht angemessen.
„Orange. Sag mir, Bursche, geht eigentlich überhaupt etwas in deinen dicken Schädel rein? Hast du nicht gehört, wie ich ganz deutlich gesagt habe, nur eine Rattenmilz zugeben? Hab ich nicht klar gesagt, ein Spritzer Blutegelsaft genügt? Was soll ich tun, damit du es kapierst, Longbottom?" Der Junge war rosa angelaufen und fing an zu zittern. Er schien wirklich jeden Moment losheulen zu wollen. Die psychische Kriegsführung schien beim ausgewählten Opfer gut zu funktionieren. Allerdings bezweifle ich, dass es zur Besserung Leistung im Unterricht führte.
„Bitte, Sir", schaltete sich nun Potters Freundin ein, „bitte, ich könnte Neville helfen, es in Ordnung zu bringen."
„Ich erinnere mich nicht, Sie gebeten zu haben, hier die Wichtigtuerin zu spielen, Miss Granger", sagte Snape kalt. Das Mädchen lief ebenfalls rosa an. Allerdings blitzte in ihrem Blick Kampfgeist auf. Vielleicht zeigte die Blamage durch den Lehrer Wirkung, doch sie war definitiv nicht so leicht unterzukriegen wie der Junge. Allerdings schätzte ich den Gryffindor auch als das schwächste Glied der Gryffindorkette ein.
„Longbottom, am Ende der Stunde werden wir ein paar Tropfen dieses Tranks an deine Kröte verfüttern und zusehen, was passiert. Vielleicht machst du es dann endlich richtig." Während der Lehrer weiterlief, blieb der Schüler atemlos vor Angst sitzen.
„Hilf mir!", stöhnte er seiner Sitznachbarin zu. Diese schien auch ziemlich gewillt zu sein, eine Katastrophe abzuwenden. Irgendwie schon ein wenig schade. Ich würde gerne mal live sehen, was passierte, wenn dieser Trank genutzt wurde, doch wahrscheinlich würde sich der Gryffindor von diesem Schock nie wieder erholen.
Ich hätte sie wahrscheinlich noch weiter beobachtet, hätte nicht ein wichtiges Gespräch mich abgelenkt. Potter sprach mit einem anderen Gryffindor und dabei fiel der Name Sirius Black. Er war wohl gesehen worden.
„Wo?", fragten gerade der Junge mit der Narbe und sein rothaariger Freund. Und ich war wieder nicht die Einzige, die mal wieder lauschte. Auch Malfoy hatte seine Aufmerksamkeit auf das Gespräch der Jungen gelenkt. Ich hoffte allerdings, dass ich wesentlich unauffälliger lauschte als er.
„Nicht allzu weit von hier. Eine Muggel hat ihn gesehen. Natürlich hatte sie im Grunde keine Ahnung. Die Muggel glauben doch, er sein ein gewöhnlicher Verbrecher, oder? Jedenfalls hat sie den Notruf gewählt. Aber als die Leute vom Zaubereiministerium auftauchten, war er verschwunden", erklärte der unbekannte Gryffindor aufgeregt.
„Nicht allzu weit von hier", wiederholte Weasley. Er sah vielsagend zu Potter herüber.
Black war nicht weit von hier? Dann hatte Dumbledore wohl Recht gehabt. Der Massenmörder hatte seine Nymphenjagd wieder aufgenommen. Er bereitete sich auf seinen Angriff vor.
Automatisch ließ ich meine Finger über den Griff meines Messers gleiten. Die Gravur schmiegte sich mal wieder an meine Haut. „Aus der Asche erhoben die Provisionals". Egal was für Schrecken Black auch mit sich brachte, ich war für diese bereit. Ich war für ihn bereit. Sollte er doch kommen. Seine Tage als Massenmörder waren vorbei. Er würde keine weitere Nymphe mehr ermorden. Falls er wagen sollte, wäre es nicht die Nymphe, die Tod aus der Sache herausging.
Weasley drehte sich wieder um. Dabei sah er natürlich, dass Malfoy die drei Gryffindors scharf beobachtete.
„Was ist los, Malfoy? Soll ich dir noch was schälen?" Ein bösartiges Leuchten hatte sich in den Augen des Slytherin breitgemacht. Offensichtlich wusste er etwas, dass er gegen die Jungen verwenden konnte. Damit war es eine Information, die ich unbedingt haben wollte.
„Glaubst du, du könntest Black alleine fangen, Potter?"
„Ja, sicher." Potter schien gegenüber dem blonden Jungen unbedingt stark wirken zu wollen. Doch genau damit spielte der Gryffindor seinem Feind genau in die Karten. Das verriet das schiefe Lächeln auf seinem Gesicht.
„Ich an deiner Stelle, hätte schon längst was unternommen. Ich würde nicht in der Schule bleiben, wie ein braver Junge, sonder draußen nach ihm suchen." „Wovon redest du eigentlich, Malfoy?" Ron sah den Slytherins misstrauisch an. „Weißt du es nicht, Potter?"
„Was denn?" Malfoy ließ ein leises, hämisches Lachen vernehmen. Oh, er genoss es wirklich, etwas zu wissen, was sein Gegner nicht wusste. Eine Tatsache, die ihn irgendwie sympathischer machte. Vielleicht weil ich ebenfalls genau so war. Obwohl, ich würde nicht mein Pulver für einen unwichtigen Kleinkrieg verschießen. Dann doch lieber in wirklich wichtigen Momenten.
„Vielleicht willst du deinen Hals nicht riskieren. Willst es lieber den Dementoren überlassen, oder? Aber ich an deiner Stelle wollte Rache. Ich würde ihn selbst jagen." Jetzt machte es Malfoy aber wirklich spannend.
„Wovon redest du?" Potter hörte sich mittlerweile sehr zornig an. Er verlor wohl langsam die Geduld, doch die Antwort bekam weder er noch ich.
„Ihr solltet inzwischen alle Zutaten rein gemischt haben, dieser Trank muss eine Weile köcheln, bevor er getrunken werden kann, also lasst ihn ein wenig blubbern und dann testen wir das Gebräu von Longbottom ..." Malfoys Schlägertypen lachten laut auf, während der Gryffindor seinen Trank fieberhaft umrührte, in Schweiß aufbrach und wahrscheinlich hoffte, dass die Anweisungen von Granger ihn gerettet haben. Diese hörte auch jetzt nicht auf, ihrem Klassenkameraden zu helfen.
Währenddessen ging das große Aufräumen los, sodass die Aufklärung von Malfoys Wissen noch warten musste. Und eines stand fest, er wusste etwas wirklich Interessantes und ich würde herausfinden was. Schon alleine, damit ich besser gegen Black vorgehen konnte.
Die Stunde nährte sich dem Ende, weshalb es Zeit wurde, Longbottoms Trank auszuprobieren. Dieser saß eingeschüchtert neben seinem Kessel.
„Alle hier im Kreis aufstellen." Die Augen des Lehrers glitzerten. Offensichtlich genoss er es richtig den Jungen zu quälen.
„Seht euch an, was mit Longbottoms Kröte passiert. Wenn er es geschafft hat, eine Schrumpflösung zustande zu bringen, wird sie zu einer Kaulquappe zusammenschrumpfen. Wenn er, woran ich nicht zweifle, die Sache vermasselt hat, könnte seine Kröte vergiftet werden." Mein Spiegelbild sah so aus, als überlege sie, den Lehrer davon abzuhalten, das Tier als Versuchskaninchen zu missbrauchen. Doch Mariannes Hand an ihrem Arm schien sie wieder zur Besinnung zu bringen. Auch Longbottom schien, das alles am liebsten verhindern wollen.
Ehrlich gesagt war mir dabei auch nicht ganz wohl. Zwar hatte Granger dem Jungen Anweisungen zugeflüstert, doch mit dem Leben der Kröte zu spielen, ging mir doch irgendwie zu weit.
Ein paar Tropfen landeten in der Kehle des Tieres. Ein Moment des gespannten Schweigens trat ein. Die Kröte gluckste, dann gab es ein leises „Plopp" und eine Kaulquappe wand sich in Professor Snapes Handfläche.
Die Gryffindors brachen in Beifall aus, während ich erleichtert aufatmete. Alles war gutgegangen. Der Lehrer, welcher sauer dreinsah, zog eine kleine Flasche aus der Tasche seines Umhangs, träufelte ein paar Tropfen auf das Tier und plötzlich war sie wieder eine ausgewachsene Kröte.
„Fünf Punkte Abzug für Gryffindor", verkündete Professor Snape. Das Lachen der Gryffindors verstummte sofort.
„Ich habe Ihnen gesagt, Miss Granger, Sie sollen ihm nicht helfen. Der Unterricht ist beendet." Eins musste man dem Lehrer lassen, dumm war er wirklich nicht.

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