Kapitel 37
Vorsichtig tastete ich nach Marlon. Meistens lagen wir zusammengekuschelt im Bett. Doch jetzt fehlte er. Stattdessen ertastete ich irgendetwas Großes und Flauschiges. Ein leises Bellen war zu hören, welches definitiv nicht zu dem kleinen Bärchen passte. Ich machte vorsichtig meine Augen auf. Mein Babysitter lag nicht mit mir im Bett. Er befand sich nicht einmal hier im Raum. Allerdings lag Antiope bei mir. Der kleine, braune Welpe wedelte glücklich mit ihrem Schwanz und sah ich mich mit seinen viel zu kleinen Augen freundlich an.
„Antiope, was machst du denn hier?" Das kleine Fellknäuel stand von seinem Platz auf. Es kam zu mir herübergetrapst und kuschelte sich an mich. Mein Hals schnürte sich zu. Einerseits freute ich mich, das Tier mal wieder zu sehen. Mit ihm zu kuscheln und dabei zuzusehen, wie die Schlappohren immer wieder um ihn herumflogen, wenn der Kopf bewegt wurde. Doch auf der anderen Seite war da noch der Grund, warum der kleine Welpe bei mir im Bett sein konnte. Lupin war hier. Anders konnte ich es mir nicht erklären.
Natürlich hatte ich den Lehrer sehen wollen, doch eigentlich hatte ich gehofft, vorher noch in Ruhe mit Marlon reden zu können. Mir noch einmal Mut zureden lassen. Doch jetzt war er hier, ich hatte keine Ahnung, was ich sagen sollte und für immer konnte ich mich kaum hier verstecken. Also schluckte ich schwer, bevor ich langsam aufstand. Im Laufen griff nach meinem Messer. Die Gravur bohrte sich mal wieder in meine Hand. Ein Gefühl der Sicherheit machte sich in mir breit. Ich war nicht wehrlos, würde es nie wieder sein. Ares war bei mir, ich hatte meine Waffe, was sollte schon passieren?
Vorsichtig öffnete ich die Schlafzimmertür. Am Esstisch saßen Remus und Marlon zusammen. Sie schienen gerade in ein Gespräch vertieft zu sein. Kaum hatte ich einen Schritt in den Raum gemacht, drehte sich mein Babysitter schon zu mir.
„Welpe, du bist wach. Hast du gut geschlafen?" Ich brachte ein unsicheres Nicken zustande.
„Hab ich." Etwas unsicher sah ich zwischen den beiden Männern am Tisch hin und her. War es zu spät mich im Schlafzimmer zu verstecken oder aus dem Fenster zu klettern? Die Flucht war doch eine wirklich kluge Idee. Vor allem wusste ich dann, was ich machen musste. Hier hatte ich keine Ahnung, was als nächster Schritt passieren sollte.
Marlon streckte auffordernd die Hand nach mir aus. Ich sollte zu ihm kommen. In seine sicheren Arme, allerdings auch näher an den Lehrer und die Standpauke, die ich wahrscheinlich gleich erhalten würde. Ich spürte, wie Ares Medaillon mal wieder wärmer wurde. Er war der Meinung, ich sollte herübergehen. Unsicher setzte ich mich in Bewegung. In der einen Hand noch immer das Messer, die andere in Antiopes flauschigem Fell vergraben.
Kaum war ich in Reichweite von Marlons Hand, wurde mein Arm ergriffen. Mein Babysitter zog mich auf seinen Schoß, während ich es bereitwillig zuließ. Bei ihm fühlte ich mich wesentlich sicherer. Er verstand mich. Egal, was passieren würde, er würde mich beschützen.
Ich merkte, wie mein Babysitter mir einen Arm um die Schulter legte und langsam darüber strich. Er war da. Ares war da. Mein Messer war in Reichweite und die beiden Hunde waren mir auch treu ergeben. Also was sollte passieren? Ich wandte mich unsicher dem Lehrer zu. Dieser war gerade dabei mich zu mustern. Er wirkte nicht so, als würde er sich über den Anblick von mir auf Marlons Schoß freuen.
„Hallo, Rona."
„Hallo", murmelte ich leise. Ich drückte mich noch etwas näher an meinen Babysitter. Gleich würde die Standpauke losgehen. Es war unverantwortlich gewesen, dass ich weggelaufen war. Er würde mich fragen, was ich mir dabei gedacht habe. Wahrscheinlich würde er schreien, mir vorwerfen, meine Mutter hätte sich geopfert, um mich zu retten. Auf all diese Dinge bereitete ich mich vor, doch stattdessen blieb er überraschenderweise ruhig.
„Ist alles in Ordnung mit dir? Frédéric meinte, du wärst sehr krank gewesen, als Marlon dich gefunden hat."
„Bin gesund", murmelte ich leise.
„Ein paar Heiltränke haben alles geregelt." Mir wurde von Marlon liebevoll über die Haare gestrichen. Ich drehte mich wieder leicht zu ihm. Er schenkte mir ein freundliches, aufmunterndes Lächeln.
„Wo ist eigentlich, Frédéric?"
„Er holt Frühstück. Er kommt mit Sicherheit gleich wieder zurück. Willst du eigentlich etwas trinken?" Mein Babysitter sah mich fragend an. Ich nickte leicht.
„Dann hole ich dir mal eine Tasse."
„Aber keinen Kaffee für sie, Marlon!"
„Sie ist die Kriegsnymphe. Egal wie viel Kaffee ich ihr einflöße, ihre Leber verarbeitet ihn schneller als unsere beiden zusammen."
„Marlon! Wage es auf gar keinen Fall!", fing Lupin wieder an zu toben.
„Ich mag gar keinen Kaffee. Den habe ich schon vorgestern probiert. Jetzt trinke ich Kakao", versuchte ich den Streit zu schlichten.
„Und den hole ich dir jetzt." Ich wurde hochgehoben, mein Babysitter stand auf, dann wurde ich wieder auf den Platz abgesetzt. Sobald Marlon mich losgelassen hatte, zog ich meine Knie an den Körper. Jetzt gerade würde ich mir den Kakao lieber selber holen. Verunsichert beobachtete ich Lupin, welcher auch nicht so wirkte, als wüsste er wirklich, wie es von jetzt an weitergehen sollte.
„In Hogwarts hast du zwei Fotos verloren." Mir wurden die beiden Bilder hingehalten. Nur ziemlich zögerlich griff ich danach.
„Marlon meinte, sie wären deine Eltern gewesen." Mein Blick glitt zu den Akten, die auf dem Tisch lagen. Offensichtlich hatte mein Babysitter einmal meine Lebensgeschichte vor dem Lehrer ausgebreitet. Ich hatte keine Ahnung, was ich davon halten sollte. Irgendwie war ich froh, dass ich es nicht selber machen musste. Es hatte seine Vorteile, doch andererseits war Wissen nun einmal Macht. Ich hörte den Lehrer mal wieder leise Seufzen.
„Rona, ich glaube, wir hatten einen ziemlich schlechten Start damals im Zug. Und danach haben wir unseren schlechten Start auch nicht wieder ausbügeln können. Ich glaube, ich weiß jetzt, was ich besser machen kann. Wie ich zu der Situation beigetragen habe. Da du mit mir sprechen wolltest, hast du dir wohl auch ein paar Gedanken gemacht und festgestellt, es ist nicht alles so super gelaufen. Also wie wäre es, wenn wir noch einmal von vorne anfangen? Dieses Mal werden wir weniger streiten und mehr darüber reden, was für Probleme wir gerade mit dem anderen haben, in Ordnung?"
Ich merkte, wie sich mein Hals zuschnürte. Ich hatte ihn angeschrien, als zweitklassigen Lehrer beleidigt und insgesamt war ich ziemlich unverschämt gegenüber ihm gewesen. Jetzt wollte er einfach darüber hinwegsehen. Noch einmal neu anfangen. Mir eine zweite Chance geben. Eine erste Träne lief mir über die Wange.
„Rona?" Lupin wirkte ziemlich verunsichert. Immer wieder huschte sein Blick in Richtung Marlon, welcher noch immer sehr beschäftigt mit meinem Kakao war. Er hoffte wohl, Hilfe von ihm zu kriegen. Und ich? Die erste Träne wischte ich noch bestimmt weg, doch eine zweite und eine dritte folgten. Schließlich gab ich es auf. Ich ließ meine Haare in mein Gesicht fallen, damit mein Gegenüber es nicht sah. Eine Aktion, die den Lehrer noch mehr verunsicherte.
„Darf ich dich umarmen, Rona?" Anstatt etwas dazu zu sagen, fiel ich dem Lehrer einfach um den Hals.
„Das ist ein ziemlich eindeutiges ja." Die Arme des Lehrers schlangen sich um mich.
„Es tut mir leid, dass ich gemein war."
„Ist schon in Ordnung, Kleine. Niemand ist dir deshalb böse."
Ich hörte, wie eine Tasse auf den Esstisch abgestellt wurde. Vorsichtig löste ich mich wieder von dem Professor. Marlon setzte sich gerade wieder auf einen der Stühle.
„Ich wollte jetzt eigentlich nicht diesen Moment stören."
„Hast du nicht." Ich löste mich vorsichtig wieder von dem Lehrer. Stattdessen griff ich nach meinem Kakao. Unsicher spielte ich mit dem Henkel. Ich hatte keine Ahnung, wie es jetzt weitergehen sollte. Verunsichert sah ich zwischen den beiden Männern hin und her. Schließlich räusperte sich Lupin, welcher vorher noch hoffnungsvoll zu Marlon herübergesehen hatte. Doch dieser schien nicht gewillt zu sein noch weiter zwischen uns zu vermitteln.
„Rona, was mich noch interessieren würde, weißt du, wer den Brief geschrieben hat, der für deinen Abgang aus Hogwarts geführt hat?" Dieses Mal glitt mein Blick zu meinem Babysitter. Dieser schenkte mir ein aufmunterndes Lächeln. Seine linke Hand wanderte auf meine Schulter. Automatisch griff ich danach. Die andere verschwand wieder in Antiopes Fell, welche noch immer schwanzwedelnd neben mir saß.
„Ja, weiß ich." Das war es wohl jetzt mit unserem Neuanfang.
„Und wer war es?" Ich sah auf meine Kette herab.
„Ares." Ich schluckte schwer. Jetzt würde er mit Sicherheit wieder losschreien. Mich anbrüllen und mir den Kopf abreißen.
„Ares? Du hast dich selbst von der Schule befördert?" Ich schluckte schwer. Vorsichtig nickte ich, während ich mich an Marlons Hand festklammerte. Der Lehrer sprang auf und fing an, im Raum auf und ab zu rennen. Ich sah verunsichert zu Marlon. Dieser beobachtete allerdings lieber Lupin. Als Nächstes glitt mein Blick zu Antiope. Der kleine Welpe sah mich aus seinen viel zu kleinen Augen an. Mit seinem treuen Hundeblick. Ob sie wohl bei mir bleiben würde, wenn Lupin hier sauer rausstürmen würde? Der Lehrer blieb wieder stehen. Sein Blick glitt wieder zu mir und Marlon.
„Also hast du dich selbst aus Hogwarts herausbefördert." Ich nickte leicht.
„Ja, habe ich wohl." Der Lehrer atmete einmal tief durch, bevor er weitersprach. Wahrscheinlich hatte er große Lust gerade laut loszuschreien.
„Warum hast du das getan?" Ich sah beschämt zu Boden.
„Ich habe mich geschämt und Panik bekommen. Also bin ich weggelaufen. Es tut mir leid. Ich habe es am nächsten Morgen schon bereut, den Brief abgeschickt zu haben. Ich weiß es war falsch. Ich hätte es auf gar keinen Fall tun dürfen. Bitte seien sie jetzt nicht sauer. Ich mache es auch nie wieder. Ich weiß, es war falsch. Ich weiß, ich –"
„Ist in Ordnung, Rona. Ist schon gut. Willst du mir sagen, wofür du dich geschämt hast und was dich in Panik versetzt hast?" Ich schluckte schwer. Mein Blick glitt verunsichert wieder zu Marlon. Dieser schenkte mir ein aufmunterndes Lächeln. Ich sollte endlich die Karten auf den Tisch legen. Alles auspacken, was die ganze Zeit in meinem Kopf herumschwirrte. Auch wenn es gegen all meine Instinkte ging.
Ich sah noch einmal zu dem anderen Waisenkind hinter mir. Ich wollte mich auf seinem Schoß in Sicherheit bringen. Mich dort zusammenkuscheln und nie wieder aufstehen. Marlon sah mich kurz an, bevor er zu mir heran rutschte und mir einen Arm um die Schulter legte.
Ich schluckte schwer. Es war Zeit, über meinen eigenen Schatten zu springen. Lupin hatte sich zusammengerissen und mich nicht angeschrien. Noch nicht. Jetzt musste ich es ebenfalls tun.
„Ich – der Patronuszauber, den werde ich nicht hinkriegen. Den werde ich niemals ausführen." Der Lehrer setzte sich wieder auf den Stuhl mir gegenüber.
„Weil du nicht weißt, welche Erinnerung du nutzen solltst?" Ich nickte leicht.
„Rona, viele der mächtigsten Zauberer der Welt schaffen es nicht, einen Patronus heraufzubeschwören. Es ist nicht schlimm, wenn du selbst es nicht schafft."
„Doch. Ich bin die Kriegsnymphe. Es sollte keinen Zauber geben, den ich nicht kann."
„Du kannst einen Patronus heraufbeschwören. Du hast es schon zweimal getan. Im Zug und auf dem Quidditchfeld. Du wirst es wieder schaffen. Da bin ich mir sicher. Aber erst wenn du bereit dafür bist. Du brauchst keine Angst vor diesem Zauber haben, nur weil du in ihn mal ein wenig Arbeit hereinstecken musst. In Ordnung?" Mir wurde ein freundliches Lächeln geschenkt. Ich nickte schnell, weshalb der Lehrer fortfuhr.
„Willst du mir vielleicht noch irgendetwas sagen? Zum Beispiel, warum du die Hausaufgaben nicht machen willst." Mein Blick glitt wieder zu Marlon. Dieser strich mir beruhigend über die Schulter.
„Funktionaler Analphabetismus. Ich kann weder richtig lesen noch schreiben. Also nur sehr begrenzt." Der Lehrer starrte mich an, als würden meine Worte keinen richtigen Sinn ergeben. Taten sie für ihn wahrscheinlich auch nicht. Welche Dreizehnjährige konnte nicht lesen? Also außer mir.
„Du kannst nicht richtig lesen und schreiben?" Der Blick des Lehrers glitt verunsichert von mir zu Marlon und wieder zurück.
„Nicht so richtig."
„Und wir haben es nicht gemerkt. Bei den zwölf Göttern, wie konnte uns das nur entgehen?" Lupin fing wieder an im Raum auf und ab zu rennen.
„Es ist nicht unbedingt normal, dass eine Dreizehnjährige zu dumm ist, um zu lesen und zu schreiben." Der Lehrer wirbelte zu mir herum.
„Rona, du bist vieles aber nicht dumm."
„Ich kann weder lesen noch schreiben."
„Und trotzdem gehörst du sicherlich nicht zu den dummen Menschen dieser Welt. Die zwei Weisesten der Menschen, Sokrates und Christus, schrieben keine Zeile. Also mache dich selbst nicht so fertig. Ok? Wenn du das willst, werde ich dir sehr gerne helfen, das aufzuholen. Und dass du unter diesen Umständen keine Hausaufgaben machst, ist logisch und überhaupt nicht schlimm." Ich wurde eindringlich angesehen. Langsam nickte ich.
„Darf ich dich umarmen?", kam es von mir ziemlich schüchtern.
„Natürlich. Komm her."
Genüsslich kaute ich auf meinem Frühstück herum. Gab es etwas Leckeres auf dieser Welt als Berliner? Wahrscheinlich nicht. Ich stopfte mir die Reste davon in den Mund, bevor ich mir ein paar der Quarkbällchen klaute. Na gut, die waren auch wirklich lecker. Und das Käsecroissant, welches ich als erstes verputzt hatte, mochte ich auch schon sehr gerne.
„Vergiss nicht, beim Essen zu atmen, Patricia." Frédéric sah mich belustigt an, während ich rot anlief. Ob ich mein Essverhalten aus dem Kinderheim irgendwann mal ablegen würde? Solange ich hier noch hunger hatte, gab es auch noch leckeres Essen. Meistens kauften Frédéric und Marlon eher zu viel als zu wenig ein, sodass ich mir auch noch zwischenzeitlich einen Snack genehmigen konnte.
„T'schuldigung." Ich legte meine Quarkbällchen auf dem Teller ab. In einer richtigen Familie aß man in Ruhe miteinander und wollte nicht möglichst schnell fertig werden, um noch einen Nachschlag zu kriegen, bevor die anderen alles wegaßen. Ich merkte, wie sich Marlons Arm mal wieder um meine Schulter legte. Mir wurde vorsichtig ein Kuss auf die Stirn gedrückt. Ich drehte mich leicht zu meinem Babysitter. Ein aufmunterndes Lächeln umspielte seine Lippen. Es war alles in Ordnung.
„Patricia, wie soll es denn jetzt weitergehen? Willst du zurück nach Hogwarts, mit Marlon nach Belize oder doch mit nach Frankreich?" Nun starrten mich Frédéric und Lupin neugierig an. Ich hingegen sah wieder zu Marlon herüber. Dieser frühstückte seelenruhig weiter.
Ich schluckte schwer. Es war klar, dass ich irgendwann diese Entscheidung treffen musste. Doch eigentlich hatte ich gehofft, sie würde noch später aufkommen. Ich hatte keine Ahnung, ob ich nun lieber bei Marlon bleiben sollte oder nicht.
Ich hatte ihn sehr lieb. Daher wollte ich schon bleiben. Es machte auch riesen Spaß, mit ihm durch England zu fahren. Egal, ob wir nun nach Belize gingen oder nach Frankreich, es wäre mit Sicherheit eine sehr schöne Zeit. Doch gleichzeitig vermisste ich Jamie und Adina. Ich wollte Antiope auf gar keinen Fall erneut zurücklassen. In Hogwarts war Sirius, den ich gerne richtig kennenlernen wollte. Wenn ich nicht gerade mit Fieber auf einem Sofa lag und nur einen Bruchteil des Tages mitbekam. Und dann war in Hogwarts natürlich noch meine leibliche Familie, bei der es alle wichtig fanden, dass ich sie kennenlernte. Offensichtlich war es ihnen auch sehr wichtig mich dort zu haben. Ich merkte, wie sich mal wieder eine Träne aus meinem Augenwinkel löste. In letzter Zeit weinte ich wirklich viel.
„Welpe, ist in Ordnung. Komm her." Marlon zog mich auf seinen Schoß.
„Es ist in Ordnung, dass du zurück nach Hogwarts willst, hörst du? Das habe ich dir doch schon extra gestern versprochen. Ich komme dich so oft besuchen, wie du willst", flüsterte mir Marlon ins Ohr.
„Willst du nicht nach Hogsmeade ziehen?"
„Welpe, ich bin ein Muggel. In einem Zaubererdorf passe ich wahrscheinlich nicht wirklich herein. Aber ich kann jederzeit, zu dir herüber flohen. Schicke mir einen Brief und sobald ich ihn habe, komme ich zu dir. Und wenn dir das nicht reicht, ich gebe dir Flohpulver für internationale Reisen. Dann kannst du nach Frankreich kommen, wann immer du willst." Ich drückte mich noch etwas näher an dem Mann. Mir wurde liebevoll über die Haare gestrichen.
„Patricia, wollen wir gleich zusammen mit den Hunden raus? Dann können wir noch einmal in Ruhe miteinander reden." Ich nickte leicht.
„Dann machen wir das. Hast du noch hunger?" Ich schüttelte den Kopf.
„Dann geh dich anziehen. Sobald du fertig bist, gehen wir."
„Du musst dich auch noch umziehen", nuschelte ich leise.
„Aber danach gehen wir."
Ich hatte mich mit Antiope und Teddy auf ein Sessel gequetscht. Die beiden Tiere hatten sich an mich gekuschelt. Während der kleine Hund auf einen Oberschenkel lag, brauchte der andere Hund fast mehr Platz als ich. Er begrub mein anderes Bein eigentlich ganz unter sich.
„Rona? Oder soll ich dich jetzt auch Patricia nennen? Das machen schließlich Marlon und Frédéric die meiste Zeit." Ich drehte mich etwas, sodass ich Remus sehen konnte, welcher bis vor ein paar Sekunden noch dem Franzosen geholfen hatte.
„Ist mir eigentlich egal."
„Ok, darüber wollte ich auch gar nicht mit dir reden." Der Lehrer setzte sich auf den Couchtisch, sodass er mir genau gegenüber saß.
„Habe ich was falsch gemacht?" Entsetztes Kopfschütteln war die erste Reaktion.
„Nein, natürlich nicht. Alles ist gut. Ich will nur, dass du weißt, es ist egal, ob du nun nach Hogwarts zurückgehst oder nicht. Wir wollen alle, dass es dir gut geht. Auch wenn du nicht wieder zur Schule kommen willst, heißt es noch lange nicht, dass wir gar keinen Kontakt mehr haben werden. Du kannst uns jederzeit in Texas besuchen kommen. Wann immer du willst. Unabhängig von deiner Rückkehr nach Hogwarts." Mir wurde ein Zettel hingehalten.
„Das hier ist die Adresse. Damit du uns auch finden kannst."
„Danke", nuschelte ich verlegen.
„Und wenn du willst, bleibt auch Antiope bei dir. Auch unabhängig von deiner Rückkehr von Hogwarts." Ich sah auf das riesige, braune Fellknäuel neben mir. Mit den viel zu großen Schlappohren war sie in mein Leben und direkte in mein Herz gestolpert. Ich strich dem Hund liebevoll über den Kopf.
„Professor Lupin –"
„Du kannst mich gerne Remus nennen. Beim Vornamen. Wir sind nicht in der Schule und ich sitze vor allem nicht als dein Lehrer vor dir."
„Remus, ich will eigentlich nach Hogwarts zurückkommen, aber –" Ich brach ab.
„Du fühlst dich bei Marlon sehr wohl, nicht wahr? Und in Hogwarts fällt es dir sehr schwer, Fuß zu fassen."
„Ich will Marlon nicht alleine lassen."
„Wird er denn alleine sein, wenn du wieder zur Schule gehst?"
„Er hat gestern zu mir gesagt, er will nach Frankreich fahren, wenn ich nach Hogwarts gehe. Zu Frédéric und seiner Familie."
„Dann wird er nicht alleine sein." Mir wurde aufmunternd zugelächelt.
„Remus, denkst du wirklich, ich kann meinen Schulabschluss machen?"
„Patricia, es gibt genau einen Zauber, bei dem du jemals Probleme haben wirst. Genau einen. Und das ist der Patronuszauber. Den brauchst du nicht einmal für deine UTZ. Und lernen wirst du auch diesen irgendwann." Ich schluckte schwer.
„Dann brauche ich aber passende Erinnerungen."
„Die du schon hast. Sonst hättest du noch nie einen Patronus heraufbeschworen. Und es werden noch viele Erinnerungen dazukommen. Nur weil deine Vergangenheit nicht so gelaufen ist, wie du es geplant hast, bedeutet es nicht, dass deine Zukunft nicht besser werden kann, als du es dir jemals vorstellen könntest."
„Spielen wir wieder Schach, wenn ich in Hogwarts bin?"
„Natürlich machen wir das. Du schuldest mir noch immer eine Revanche."
„Ich werde dich erneut schlagen."
„Wie oft muss ich verlieren, bevor ich mir Verstärkung suchen darf?"
„So oft bis du deine Niederlage eingestehst und um Hilfe bittest." Der Lehrer fing an, breit zu grinsen.
„Die Niederlage habe ich mir schon lange eingestanden."
Antiope sprang bellend um Marlon und mich herum. Bärchen hingegen trapste friedlich neben uns beiden her.
„Marlon, ist es für dich wirklich in Ordnung, wenn ich wieder nach Hogwarts gehe?" Ich sah ängstlich zu dem Mann neben mir.
„Natürlich ist es das, Welpe. Außerdem solltest du für niemanden auf etwas verzichten, was du wirklich willst. Ansonsten wirst du es dieser Person dein ganzes Leben lang unterbewusst vorwerfen."
„Aber ich will dich nicht alleine lassen." Marlon blieb stehen.
„Patricia Rona Primrose Black, du lässt mich nicht alleine. Du brauchst dir deshalb überhaupt keine Vorwürfe zu machen. Ich fand die paar Tage mit dir wunderschön. Ich freue mich sehr darauf, wenn du in den Sommerferien zu mir kommst. Genauso würde ich mich freuen, wenn du bei mir bleibst. Aber ich freue mich auch, wenn du nach Hogwarts gehst, einen Schulabschluss machst, dort einen netten Zauberer kennenlernst und einfach glücklich wirst. Wie gesagt, ich komme dich ganz oft besuchen. Wann immer du willst. Morgen kommt eine Eule mit Flohpulver. Ich werde dafür sorgen, dass Dumbledore dich jederzeit nach Hogsmeade lässt, damit wir uns dort treffen können."
„Und ich darf wirklich immer zu dir kommen?"
„Ganz egal, was du tust, welchen Mist du baust oder welche Entscheidung du auch triffst, nicht alles muss mir gefallen, aber ich bin dein Onkel und du kannst mit allem zu mir kommen und ich werde immer da sein, wenn du mich brauchst. Hörst du, mein kleiner Welpe? Du kannst jeder Zeit nach Hause kommen. Du kannst jeder Zeit zu mir kommen. Jetzt komm her und lass dich noch einmal ordentlich durchknuddeln. Solange bis du mit einem breiten Lächeln vor mir sitzt."
Nervös spielte ich mit meinem Rucksackträger. Es war so weit. Remus und ich mussten wieder nach Hogsmeade apparieren und von dort aus nach Hogwarts laufen. Frédéric und Marlon würden mit dem Auto wieder nach Frankreich fahren.
„Ihr schreibt mir, wenn wir in Frankreich sind, ja?"
„Natürlich werden wir das", meinte Marlon amüsiert.
„Und ihr kommt mich besuchen?"
„Ja, auch das werden wir machen", wurde mir von dem Ex-Verlobten meiner Vorgängerin versichert.
„Und du bringst dich nicht in Gefahr", meinte ich dieses Mal nur an Marlon gewandt.
„Niemals wieder. Jetzt haue schon endlich ab." Ich wurde bestimmt in Richtung Remus geschoben, welcher geduldig auf mich wartete.
„Ich werde euch vermissen."
„Wir dich auch." Ich holte noch einmal tief Luft. Es war wirklich Zeit, endlich zu gehen. Zögerlich ergriff ich Remus Hand. Dann drehte ich mich noch einmal zu den beiden Männern um, welche die letzten Tage auf mich aufgepasst haben. Sie wanken uns noch einmal zum Abschied.
„Bereit zum Apparieren?"
„Ja, bin ich." Und im nächsten Moment hatte ich das Gefühl, durch einen Schlauch gepresst zu werden.
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