Kapitel 36
Marlons P.o.V.:
Liebevoll strich ich Patricia über dem Kopf. Das schlafende Mädchen hatte sich an mich gekuschelt. Ihr Kopf lag auf meiner Schulter. Meine linke Hand hatte ich noch immer um ihre gelegt, meine rechte war mittlerweile von ihren Schultern zu ihrem Kopf gewandert. Ich würde sie richtig vermissen, wenn sie sich dazu entscheiden sollte, wieder zurück nach Hogwarts zu gehen.
Nebenan im Wohnzimmer hörte man zwei leise Stimmen. Ich runzelte die Stirn. Sie waren zu leise, als dass ich sie verstehen konnte oder die Stimmen irgendjemand wirklich zuordnen konnte. Er ein leises Murmeln im Hintergrund. Doch die Anzahl verwunderte mich. Eigentlich sollte nur Frédéric hier sein. Mein Blick glitt zum Wecker. Acht Uhr morgens. Remus hatten wir gebeten, zum Mittagessen herzukommen.
Vorsichtig löste ich mich von der Kriegsnymphe. Sie grummelte leise und rollte sich im Bett zusammen. Bärchen, welcher auf dem Fußboden lag, sah mir neugierig beim aufstehen zu. Dann glitt der Blick des kleinen Hundes erwartungsvoll zu seiner Besitzerin, die noch immer friedlich schlief. Die letzten Tage hatte mein Aufstehen immer bedeutet, Patricia war auch wach und wir würden mit ihm einen Spaziergang machen. Und bei der Gelegenheit irgendwo frühstück auftreiben.
„Komm, kleiner Teddy. Lassen wir den kleinen Welpen noch ein wenig schlafen und gucken, was Frédéric so früh morgens treibt. Und mit wem."
Überrascht sah ich zur zweiten Person, die am Frühstückstisch mit meinem Bruder saß und ein wenig nach Nervenzusammenbruch aussah. Neben ihm auf dem Boden lag ein großer, brauner Fellberg, welchen ich bei näheren hinsehen als Antiope identifizierte. Der Hundewelpe sah kurz auf, als ich herauskam, interessierte sich aber nicht wirklich weiter für mich.
„Remus, hast du verlernt, die Uhr zu lesen, oder geht meine falsch?" Ich schloss leise die Tür hinter mir. Rona sollte wirklich nicht von unserem Gespräch wach werden.
„Marlon, halte einfach die Klappe. Ist doch verständlich, dass Remus sich so schnell, wie es ging, von Patricias Wohlbefinden überzeugen will." Ich wurde streng angesehen. Leise seufzend wandte ich mich an den jungen Mann. Wahrscheinlich würde ich ebenfalls sofort losrennen, um zu sehen, wie es dem kleinen Welpen ging, wenn ich über längere Zeit nicht gewusst hatte, wo sie war.
„Ro, schläft noch." Der Mann sackte wieder ein wenig auf seinem Stuhl zusammen. Er wirkte so, als würde wieder die Last der Welt darauf liegen. Frédéric legte den Arm um seine Schulter.
„Hey, mach dir keine Sorge. Sie wollte dich sehen. Du musst dir keine Sorgen machen."
„Solange du nichts Blödes sagst."
„Marlon!"
„Stimmt doch. Die Kleine zu vertreiben ist einfach." Der Lehrer stöhnte leise. Meine Worte waren eindeutig nicht gerade aufbauend für ihn. Das war allerdings auch nicht mein Ziel gewesen. Er hatte es schon einmal nicht geschafft, ihr vertrauen zu gewinnen, sondern ihr ordentlich Angst eingejagt. Nicht dass er wirklich daran schuld war. Die Kleine war nun einmal nicht so einfach von sich zu überzeugen, wie es bei vielen anderen der Fall war. Sie wartete darauf, dass Remus sie wieder fallen ließ, und ging nicht mit rosaroter Brille auf die neue Familie zu. Mit einem Kaffee setzte ich mich zu meinem Bruder und unserem Besuch an den Tisch.
„Noch mehr aufbauende Worte für mich?" Remus sah wieder auf. Bisher hatte er niedergeschlagen die Tischplatte angestarrt.
„Mit Aufbauen war ich eigentlich durch." Ich nahm ein Schluck von meinem warmen Getränk. Als Nächstes sah ich zu meinem Bruder herüber, welcher mich mit einem leichten Kopfschütteln bedachte. Ich verdrehte leicht die Augen.
„Wir haben wohl noch keine Frühstücksbrötchen, richtig?", fragte ich.
„Ich hatte noch keine Zeit dafür, welche zu holen."
„Wie wäre es, wenn du jetzt welche holst." Und mich mit unserem verfrühten Besucher mal unter vier Augen sprechen lässt, fügte ich noch in Gedanken hinzu. Ich wurde misstrauisch betrachtet. Frédéric schien Angst zu haben, ich würde Remus bald in den Wahnsinn treiben. Doch ich hatte es nicht vor.
Dem Welpen war es sehr wichtig, noch einmal einen Schritt auf den Lehrer zu zutun und dass es dieses Mal nicht in einem großen Crash endete. Auch wenn sie es selber vielleicht noch nicht verstanden hatte. Ich würde alles dafür tun, dass Patricia es schaffen würde, irgendwie eine Beziehung zu ihrer Familie aufzubauen. Es musste keine perfekte Familienidylle werden, doch wenn sie sich in Hogwarts gut mit ihnen verstand und das Nachsitzen nicht mehr als Qual ansah, war es schon einmal ein sehr großer Schritt in die richtige Richtung. Mein Bruder und ich starrten uns noch weiter gegenseitig an. Schließlich seufzte er leise.
„Remus, willst du mit uns frühstücken?"
„Ich kriege nichts runter", murmelte unserer Besucher, welcher immer mal wieder zur Schlafzimmertür sah.
„Dann bringe ich dir etwas mit, damit du uns nicht verhungerst, wenn du wieder etwas herunter kriegst." Mir wurde noch einmal ein strenger Blick zugeworfen, den ich erfolgreich ignorierte.
„Denk dran Käsecroissants, Quarkbällchen und Berliner mitzubringen."
„Ja, ich denke an den Zuckerschock für Patricia und dich. Wo ist der Autoschlüssel?"
„Im Schlafzimmer. Ich hole ihn schon." Ich stand wieder von meinem Platz auf. Antiope beobachtete neugierig meine Bewegung. Sobald klar war, wohin ich wollte, sprang sie auf.
Kaum hatte ich die Tür einen Spalt breit geöffnet, rannte der Hundewelpe in den Raum. Mit einem großen Satz sprang der Hund auf das Doppelbett. Dabei trat er beim Aufkommen auf die langen Schlappohren. Sie verlor das Gleichgewicht, rollte über das Bett und blieb schließlich kurz vor dem schlafenden Mädchen liegen.
„Weck Patricia nicht auf." Der braune Welpe kuschelte sich glücklich an die blacksche Tochter. Im Schlaf schlang sie ihre Arme um das Tier. Rona wirkte wirklich zufrieden mit der jetzigen Situation.
Remus starrte abwesend die Wohnungstür an, durch die Frédéric vor wenigen Minuten verschwunden war. Zwischen dem Lehrer und mir herrschte seitdem Schweigen. Ich hatte keine Ahnung, wie ich dieses Gespräch anfangen sollte und auch unser Besuch, schien nicht wirklich zu wissen, was er nun sagen wollte. Wahrscheinlich hatte er auch ein wenig Angst vor dem, was jetzt kommen würde.
„Remus, weißt du, was die erste Lektion meiner Mutter für mich war?" Ich drehte meine Kaffeetasse in der Hand.
„Nein, Marlon, diese Story hast du mir noch nicht erzählt. Aber ehrlich gesagt, würde ich jetzt lieber über Rona sprechen." Der Blick des Lehrers glitt wieder zur Schlafzimmertür.
„Ich wollte damals wissen, warum sie immer so nett zu mir ist. Sie hat sich zu mir gesetzt und meinte: Du kannst dir sieben einfache Dinge merken, wie du Menschen durchschauen kannst. Wenn eine Person über alles lacht, sogar über dumme Dinge, dann ist sie einsam. Wenn eine Person viel schläft, ist sie traurig. Wenn eine Person sehr schnell und wenig redet, bewahrt sie viele Geheimnisse. Wenn eine Person nicht weinen kann, ist sie schwach. Wenn eine Person nicht richtig isst, ist sie angespannt. Wenn jemand viel weint, auch über kleine Dinge, dann ist sie sehr lieb und hat ein großes Herz. Wenn eine Person wegen Kleinigkeiten sauer wird, dann braucht sie sehr viel liebe."
„Willst du mir damit sagen, dass Rona sehr viel Liebe braucht?"
„Und dass du angespannt bist." Der Mann mir gegenüber verdrehte leicht die Augen.
„Marlon, ich habe versucht, zu ihr nett zu sein. Wir haben es alle versucht. Es bringt nur leider nichts. Jedes Mal wenn ich dachte, wir machen einen Schritt aufeinander zu, haben wir gleich darauf zehn Schritte zurückgemacht." Der Lehrer fing an, sich die Haare zu raufen. Er wirkte ziemlich verzweifelt. Ich seufzte leise.
„Remus, ich weiß, sie hat es euch nicht einfach gemacht. Glaube mir, sie macht es niemanden wirklich einfach. Hast du dir mal ihre Akte angesehen?"
„Ja, habe ich irgendwann. Wollte ich eigentlich nicht, aber nachdem ich mit ihr nicht weitergekommen bin, habe ich es getan. Ich weiß, dass sie, seit sie sieben Jahre alt ist, überall rausfliegt. Sie haut ständig ab und bleibt nirgendwo über längere Zeit. Außer bei ihrer ersten Familie. Da hat sie schließlich bis zu ihrem siebten Lebensjahr durchgehalten." Ich nickte leicht. Er hatte die Akte über Rona Maria Smith gelesen, nicht die Vollständige über Patricia. Ich stand wieder von meinem Platz auf. Die Akte lag zum Glück momentan nicht im Auto, sondern hier in der Wohnung. Ansonsten wäre sie jetzt mit Frédéric auf dem Weg zur Bäckerei.
Ich legte die Akte über Patricia, die über Natasha und die über den Mord an ihren Eltern auf den Tisch vor Remus.
„Das hier ist die richtige Akte. Nicht das gefälschte Ding, das vom Zeugenschutzprogramm überall als ihre Richtige ausgegeben wird. Und die Akte von Natasha Cruz. Deborahs und Michaels Tochter."
„Lebt sie noch, Marlon?"
„Sie ist seit November 1986 verschollen, aber wir sind uns sicher, sie lebt." Remus wirkte ziemlich erleichtert aufgrund dieser Nachricht. Der Lehrer zog langsam die Akten zu sich heran und schlug sie auf. Seinem Blick nach zu urteilen bereute er es gleich wieder. Ganz oben lagen die Fotos von dem Haus der Howarth drinnen. Der tote Hund, die blutigen Fußspuren, die Leichen der PIRA Anhänger, das Innere des Hauses mit den Leichen der Howarth.
„Warum sind solche Bilder in dieser Akte?"
„Willst du die kurze Zusammenfassung?"
„Die Akte ist mal eben dreimal so dick, wie die, die wir in Hogwarts liegen haben. Es wäre hilfreich." Ich zog die Akte leicht zu mir heran und begann darin herumzublättern.
„Erstmal vergiss alles, was in eurer Akte für vor ihrem siebten Lebensjahr steht. Ab dem achten Februar 1988 steht da die Wahrheit drin, der Rest ist komplett gelogen." Ich erreichte die richtige Seite. Auch hier war ein Gebäude zu sehen. Ein anderes zerstörtes Wohnhaus.
„Nach dem Zauber tauchten Patricia und Natasha wieder vor der Kirche St. Samuel auf. Die liegt in Nordirland. Ein schiefgegangener Zauber von Carolin. Eigentlich sollten sie bei Samuel landen. Da sie aber vor der Kirche gefunden wurden, hat man versucht ihre Eltern ausfindig zu machen. Allerdings haben die Angaben von den beiden nicht gereicht. Was auch nicht verwunderlich ist. Die beiden waren schließlich ungefähr ein und zwei Jahre alt. Mehr als die Namen und eine ziemlich merkwürdige Geschichte über ihren Vater, der ein Hund ist, apparieren und Explosionen kam nicht heraus. Das Ganze dann noch in der Ausdrucksweise der damaligen Patricia. Ich weiß, sie hat schon sehr schnell sprechen gelernt, aber so super konnte sie das alles nicht beschreiben. Man hat natürlich nach Leuten in der näheren Umgebung gesucht. Ohne Erfolg, wie du dir sicherlich schon gedacht hast. Daraufhin folgten mehrere Pflegefamilie und Kinderheime, bis schließlich das hier geschah." Ich schob ihm das Foto hin.
„Das ist vom 28. Februar 1985. Sagt dir, der Anschlag auf Newry durch PIRA etwas?"
„Stand in allen Muggelzeitungen. Die hatten ein Polizeirevier bombardiert, nicht wahr? Dabei gab es einige Verletzte und Tote."
„Und die Wohnstraße hier wurde auch getroffen." Ich tippte auf das Foto.
„In der wohnten die damaligen Pflegeeltern von Patricia und Natasha. Sie waren damals Zeugen, weshalb sie ihn hier kennenlernten." Ich legte die Akte von Jayden Howarth auf den Tisch, sodass Remus nun diese sehen konnte. Man konnte ein Bild von ihm in Polizeiuniform sehen. Würde dem Lehrer wahrscheinlich nicht so sehr aufs Gemüt schlagen, wie wenn ich noch einmal die Bilder von nach dem PIRAs Anschlag auf die Familie zeigte.
„Patricia hatte ein Foto von ihm dabei. Als sie ins Zeugenschutzprogramm gekommen ist, lagen zwei Fotos in meinem Klassenzimmer. Ihre Schultasche war kurz vorher umgefallen. Dabei müssen sie auch rausgerutscht sein. Ich habe sie erst gefunden, als sie schon weg war." Der Lehrer zog die zwei Bilder heraus. Auf dem einen sah man die kleine glückliche Familie Howarth. Mutter, Vater und die beiden Töchter. Auf dem anderen sah man nur die beiden Mädchen.
„Jayden Howarth. Er war Polizist und Teil einer Spezialeinheit, die Verbrechen aufklären sollte, welche durch PIRA begangen wurden. Er führte die Befragungen nach dem Anschlag durch. So lernte er Natasha und Patricia kennen, welche danach eigentlich wieder in ein neues Kinderheim kommen sollten. Caitlin Howarth, die Frau auf dem Foto, und er nahmen die beiden damals auf. Sie blieben bis zum November 1986 bei ihnen. Damit waren sie die Pflegefamilie, bei der Patricia bisher die meiste Zeit verbracht hat. Sie hat sie sehr gerne gehabt. Jedenfalls nennt sie die beiden bis heute Mama und Papa. Zurecht eigentlich." Mein Blick glitt zu der blonden Frau und dem braunhaarigen Mann. Sie hatten sich trotz all der Schwierigkeiten, welche die beiden Mädchen mit Sicherheit gemacht haben, in deren Herzen geschlichen und dort einen ganz besonderen Platz eingenommen.
„Warum wohnte Patricia ab 1986 wieder woanders?" Ich zog belustigt eine Augenbraue hoch. Der Lehrer konnte es sich doch mit Sicherheit denken. Er kannte schließlich schon die Fotos, auf welchem das Ehepaar Howarth erschossen am Boden lag. Er hatte wohl kaum, die blutigen Fußabdrücke übersehen, die eindeutig von einem Kind stammen mussten.
„PIRA kam. Sie erschossen die Eltern und den Familienhund. Die beiden Mädchen wollten sie entführen. Natasha schnappten sie, bei Patricia aktivierten sich die Nymphenkräfte und – du hast gesehen, was vor dem Haus los war."
„Sie hat zwei Männer ermordet."
„Es war Notwehr, Remus. Sie haben sie angegriffen, sie hat sich zu Wehr gesetzt. Sie hatte Panik und mit ihrer Magie die zwei Männer getötet, damit sie sich nicht auch noch kriegen. Danach ist sie dem Lieferwagen gefolgt, um Natasha zu befreien. Natürlich ohne Erfolg." Ich sah erneut zur Schlafzimmertür. Patricia würde es wahrscheinlich nicht so toll finden, wenn ich Remus jetzt einmal ihr ganzes Leben vor dem Lehrer ausbreitete.
„Wo lebte sie danach?" Der Besuch starte noch immer entsetzt auf die Bilder.
„Sie würde sagen, sie wohnte bei Ares. Es ist allerdings ihre nette Umschreibung für ein Leben auf der Straße. Der Olymp war immer ihr Rückzugsort. Im Winter hat er sie davor bewahrt zu erfrieren, wenn sie keinen warmen Schlafplatz gefunden hat, im Sommer war es der Schutz vor der Hitze. Dort hat sie gelernt, ihre Kräfte zu kontrollieren, was ihr dabei geholfen hat, auf der Straße zu bestehen. 1987 haben sie die Kleine dann auf einer Landstraße aufgegriffen. Man hat sie als sie identifiziert, weshalb sie in das erste Zeugenschutzprogramm kam. Aus Patricia Primrose wurde Rona Maria Smith und der Mist mit neuen Heimen und Pflegefamilien ging los. Immer mal wieder ist sie dann auch abgehauen."
„Wenigstens war ich nicht der Einzige, der sie in die Flucht geschlagen hat."
„Nein, das haben schon viele vor dir geschafft. Ansonsten wäre sie nie in Hogwarts gelandet." Der Lehrer dachte kurz nach.
„Jamie hätte Kira trotzdem mit ihr verwechselt."
„Und lieber Hades einen Besuch abgestattet, als sie am Ende zu verraten. Remus, im Waisenhaus gibt es andere Regeln. Hast du ihn gefragt, wer den Brief geschrieben hat?"
„Klar, er hat nur rumgenuschelt und irgendwelche Dinge vor sich hingefaselt, wer es alles sein könnte. Als ihn gefragt habe, ob es Rona war, gab es ein ziemlich klares Nein." Ich sah überrascht auf. Das hörte sich sehr danach an, dass der Zweitklässler von dem funktionalen Analphabetismus wusste. Oder es wenigstens ahnte.
„Du siehst überrascht aus, Marlon. War es die Kleine? Hat sie den Brief geschrieben?" Ich schüttelte den Kopf.
„Nein, sie hat nicht den Brief geschrieben. Das kann ich dir mit hundertprozentiger Sicherheit sagen."
„Also weißt du, wer es war." Ich nickte leicht.
„Sie hat mir gestern erzählt, was passiert ist. Und wenn du dich nicht blöd anstellst, wird sie es dir ebenfalls erzählen." Der Lehrer fing wieder an, sich die Haare zu raufen. Seine Nerven schlitterten wirklich auf Grundeis. Schließlich sah unser Besucher wieder zu mir herüber. Ich seufzte leise. Es war wirklich Zeit für aufmunternde Worte von mir aus. Eigentlich schon seitdem ich die Schlafzimmertür das erste Mal geöffnet hatte.
„Weißt du, Remus, die ganze Kunst des Redens besteht darin, zu wissen, was man nicht sagen darf. Patricia ist nicht Kira –"
„Glaube mir, dass weiß ich, Marlon." Ich seufzte leise.
„Remus, ich meinte damit nicht, dass du sie mit Kira verwechselst oder sie zu Kira machen willst. Was ich dir sagen will. Kira und auch Marianne, beide wurden in einer sehr liebevollen Familie groß. Sie wissen genau, egal was sie auch machen, ihr werdet hinter ihnen stehen. Aber Rona, sie hat keine Ahnung. Sie hat ein Jahr bei liebevollen Eltern verbracht. Ansonsten wurde sie von links nach rechts geschoben. Ständig woanders hin. Sie hat furchtbare Angst davor, dass ihr sie irgendwann wieder weggebt."
„Das würden wir nie –"
„Remus, ich weiß. Mir ist klar, dass ihr sie nicht morgen wieder im Heim abliefert, weil sie anstrengend geworden ist, und ihr wird es auch langsam klar. Deshalb wollte sie mit dir reden. Sie fasst langsam vertrauen in euch. Aber trotzdem könnt ihr mit Patricia nicht so umgehen, wie mit euren anderen Kindern. Sie hat noch sehr viel zu lernen. Vor allem was Familie bedeutet. Und was es bedeutet, geliebt zu werden. Sie versteht nicht, dass man, ich liebe dich, auf sehr viele verschiedene Arten sagen kann. Wenn du Angst um sie hast, sie bittest sich nicht in Gefahr zu bringen oder Ähnliches, sie wird es nicht verstehen. Nicht als eine Art, ich liebe dich. Sie wird glauben, du zweifelst an ihr, Remus. Durch Ares hat sie gelernt, dass ihre größte Stärke, ihre Fähigkeit zu kämpfen ist. Sie hat von ihm das Selbstbewusstsein bekommen, dass sie glauben lässt, es gebe kein Kampf, den sie nicht überstehen könnte."
„Ganz am Anfang unseres Trainings hieß es, Maélys verließe sich zu sehr auf ihre Fähigkeiten, kann sie aber nicht kontrollieren. Marlon, in Hogwarts, kurz nachdem Patricia erfahren hat, wer ihr Vater ist, sie hatte keine Kontrolle über ihre Kräfte. Eigentlich hatten ihre Kräfte sogar die Kontrolle über sie." Ich nickte leicht. Während unserer Autofahrt hierher hatte mir das Mädchen von dem Vorfall erzählt.
„Sie überlässt ihren Kräften das Steuer, wenn sie Angst kriegt. Es ist nicht so unkontrolliert, wie es scheint. Natürlich wäre es besser, wenn sie es gar nicht tut. Allerdings ist es kein Problem, was ich gerade als dringend ansehe. Viel mehr macht es mir angst, dass sie Angst vor ihren Kräften hat, Remus. Sie hat Angst davor, ihren Fluch auszulösen, und was sie dann tut."
„Du hast sie wirklich gerne, nicht wahr?"
„Natürlich. Sie ist mein kleiner Welpe."
„So hat Sirius sie immer genannt. Sein kleiner Welpe und sein kleines Kätzchen." Ein trauriges Lächeln schlich sich auf Remus Gesicht. Ich biss mir auf die Unterlippe. Meine nächsten Worte würde ich mit Sicherheit bereuen.
„Hast du schon einmal darüber nachgedacht, dass er unschuldig sein könnte." Ein leises tiefes Seufzen kam von Remus.
„Natürlich habe ich das. Er war einer meiner besten Freunde. Wir haben es alle nicht wirklich glauben können. Aber die Beweise sprechen nun einmal gegen ihn. Können wir das Thema wechseln?" Ich hatte mir Remus Reaktion schlimmer vorgestellt. Ich hatte eher geglaubt, er würde anfangen zu schreien.
„Tut mir leid, dass ich mit diesem Thema angefangen habe." Aus dem Augenwinkel sah ich, wie die Tür zum Schlafzimmer geöffnet wurde. Rona sah etwas verunsichert zu uns herüber. In der linken Hand konnte ich das Silber ihres Messers im Licht glitzern sehen, während ihre Rechte liebevoll über Antiopes Kopf Strich.
„Welpe, du bist wach. Hast du gut geschlafen?" Das Mädchen nickte leicht.
„Hab ich." Ihr Blick glitt zwischen Remus und mir hin und her. Ich streckte meine Hand nach dem jungen Mädchen aus. In ihrem Blick konnte ich erkennen, wie sehr sie mit dieser Situation überfordert war. Etwas verunsichert kam sie zu mir herüber. Ich zog sie auf meinen Schoß. Sie wirkte ziemlich erleichtert. Ich strich ihr über die Schultern, weshalb sie sich ein wenig entspannte. Remus musterte Patricia. An seinen Blick konnte ich erkennen, wie schwer es ihm fiel, dies mit anzusehen. Er war eifersüchtig auf die gute Beziehung zwischen Patricia und mir. Ich konnte ihn irgendwie verstehen. Er versuchte seit mehreren Monaten eine Beziehung zu dem Mädchen aufzubauen. Bei mir war sie ein paar Tage lang und sie kam bereitwillig auf meinen Schoß.
„Hallo, Rona."
„Hallo", kam es ziemlich kleinlaut von meinem Schoß aus.
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