Kapitel 26

Fasziniert beobachtete ich die Frau, welche begeistert in meinem Kleiderschrank herumwühlte. Ich dachte schon immer, Adina hätte viel Spaß daran mich anzukleiden, doch Prudence Cunningham schien in dieser Aufgabe ganz aufzugehen. Als hätte sie ihr lebenslang darauf gewartet, endlich eine Tochter zu haben, die sie jeden Morgen einkleiden konnte. Und diese hier würde sich wahrscheinlich, nicht sobald dagegen wehren. Jedenfalls hatte ich nicht vor mich in meinen üblichen Outfits in der Schule zu zeigen.
Mitten im Schuljahr zu wechseln war schon immer schwer genug. Es war wesentlich einfacher, wenn ich wenigstens vom Aussehen her in der Masse unterging. Charakterlich würde es wohl ziemlich schwer werden.
„Wie wäre es mit der hier?" Eine von meinen Schuluniformen wurde herausgezogen. Es wäre natürlich wesentlich einfacher gewesen, wenn es an dieser Schule eine geben würde. Nein, eine schicke Privatschule brauchte die Auswahlmöglichkeiten zwischen verschiedenen Röcken, drei Paar Schuhen und bei den Kniestrümpfen und Schmuck hatten wir sogar freie Auswahl. Genauso wie bei den Taschen. Eine viel zu große Auswahlmöglichkeit meiner Meinung nach.
Ich hatte mir noch nie Gedanken darüber gemacht, wie ich mich hübsch anziehen konnte. Bisher war ich immer froh gewesen, wenn die Klamotten halbwegs gepasst haben. Ob sie farblich zusammenpassten, styltechnisch oder ähnliches, war mir immer egal gewesen. Bevor ich Adina kennengelernt hatte, haben solche Worte gar nicht zu meinem Wortschatz gehört.
„Warum nicht?" Der dunkelblaue Rock und die weiße Bluse, welche man als einzige nicht austauschen konnte, wurden für morgen rausgelegt. Dazu kam auch gleich noch eine hautfarbene Strumpfhose. Als nächsten Schritt wurde sich den Kniestrümpfen zugewandt.
Bis mein Outfit für den nächsten Tag zusammengestellt war, dauerte es fast eine Stunde. Ich hatte brav auf einen Sessel in meinen begehbaren Kleiderschrank gesessen, mein Notizbuch auf dem Schoss mit dem ich mir die Zeit vertrieb. Immer mal wieder nickte ich oder gab einen Kommentar zu irgendwelchen Kleidungsstücken ab, doch wirklich etwas mit dieser Aktion hier anfangen konnte ich nicht.
Aber das lag sehr wahrscheinlich auch daran, dass ich mich in meiner jetzigen Kleidung komplett verkleidet vorkam. Wie eine Barbiepuppe, die man immer so anzog, wie es einen gerade passte. Mal trug ich das hübsche Designerkleidchen, eine Stunde später die Ballettkleidung und wieder ein paar Stunden später ein Designernachthemd. Hauptsache die Kleidung war teuer.

Ich schreckte aus dem Schlaf hoch. Es dauerte ein paar Sekunden, bis ich realisierte, wo ich überhaupt war. Nicht mehr in meinem Himmelbett in Hogwarts, sondern in dem Bett bei den Cunninghams.
Vorsichtig tastete ich nach meinen Wecker auf dem Nachtisch. Sobald ich ihn gefunden hatte, zog ich ihn zu mir. Mit meiner freien Hand beschwor ich wieder eine meiner Lichtkugeln herauf. Ich musste erst in zwei Stunden aufstehen. Doch jetzt war ich wach und ich hatte auch nicht mehr das Gefühl einschlafen zu können. Ich hatte doch ein wenig Panik vor der neuen Schule.
Ich kannte es schon, das Heim und damit auch die Schule zu wechseln, doch es war immer eine ähnliche Situation. Ärmliche Viertel, schlechte Schulen, die entweder nur von Waisenkindern oder auch von Kindern aus ärmlichen Familien besucht wurden. Doch die groben Regeln hatten immer gezählt. Mit einer großen Klappe kam man weiter, notfalls schlug man auch mal zu. Am besten einfach immer mit dem Kopf einmal durch die Wand, dann hatte man in den Pausen seine Ruhe.
Doch diese Taktik ist schon in Hogwarts schiefgegangen. Dabei gingen dort Kinder aus allen gesellschaftlichen Schichten hin. Daher glaubte ich kaum, auf der neuen Schule würde mir der Einstieg wirklich leichter fallen. In dieser komplett fremden Welt.

Leise schlich ich mich die Treppe herunter. Schließlich wollte ich niemand anderes in diesem Haus wecken. Obwohl ich wahrscheinlich die Treppe runterfallen konnte, ohne dass es jemand hörte. Alles lag so weit auseinander, da schien es eigentlich unmöglich, dass die Schallwellen soweit getragen wurden.
Ich kam am unteren Treppenabsatz an. Leise lief ich weiter in Richtung Küche. In der letzten Woche hatte ich sie noch nie betreten. Eine ziemlich komische Situation. War es nicht das Normalste der Welt die Küche im eigenen Haus zu betreten? Dort zu kochen, zu backen oder sich auch einfach nur ein Glas Wasser zu holen?
Doch gleich am ersten Tag hatte sich Henry Cunningham um eine Haushälterin gekümmert, die das Betreten des Raums tagsüber überflüssig machte. Sie sorgte dafür, dass immer etwas zu trinken auf dem Esstisch stand, das Essen gekocht wurde und um alles andere, was mit Haushalt zu tun hatte.
Doch jetzt um mittlerweile halb sechs morgens würde sie wohl noch schlafen, weshalb ich meine Lust auf Frühstück wohl doch durch meine eigenen Fähigkeiten stillen musste. Nichts, dass es mich wirklich störte. Ich fand es eher gruselig, immer mit Ms Cunningham angesprochen zu werden und alles zu bekommen, worauf ich jetzt gerade Lust hatte. Wieder ein wenig auf meinen eigenen Beinen zu stehen, war doch die schönere Alternative dazu.

Ich stellte den Herd wieder aus. Der Duft von frischen Pfannkuchen stieg mir in die Nase, weshalb mir schon das Wasser in dem Mund zusammenlief. Vorsichtig fischte ich mein Frühstück aus der Pfanne und legte es stattdessen auf einen Teller. Jetzt brauchte ich nur noch einen leckeren Belag für mein Essen.
Neugierig öffnete ich den Kühlschrank. Ein Glas Erdbeermarmelade, welche ich schon die letzten Morgene gegessen hatte, stach mir sofort ins Auge. Glücklich griff ich nach ihr. Ich liebte den Geschmack von Erdbeeren. Auch eine Flasche mit frischem Orangensaft, fischte ich aus dem Kühlschrank. Als Nächstes ging ich auf die Suche nach Gläsern und Besteck.
Ich hörte Schritte im Esszimmer. Ich unterbrach meine Suche nach dem Besteck. Stattdessen lief ich zur Tür, um zu sehen, wer von den anderen Bewohnern mittlerweile wach geworden war.
Kaum hatte ich den Türrahmen erreicht, erblickte ich Nymphedora Tonks. Sie sah mich ziemlich verwundert an.
„Du bist schon wach, Charlie." Ich gab ein zustimmendes Geräusch von mir. Was sollte ich auch ansonsten dazu sagen?
„Hier riecht es gut." Die Aurorin sog die Luft ein. „Es riecht nach Pfannkuchen. Hast du gekocht oder ist Mrs Simons jetzt schon da?"
„Ich habe mir welche gemacht. Es ist auch noch ein wenig Teig da. Ich kann dir auch noch welche machen. Wenn du willst." Die Aurorin nickte begeistert.
Ich schob auch noch den zweiten Pfannkuchen auf einen Teller herüber. Nymphedora stand schon mit dem Glas Erdbeermarmelade bereit, um sich gleich ihr Frühstück fertig zu machen. Währenddessen setzte ich mich auf die Arbeitsplatte, rollte meinen Pfannkuchen zusammen und biss dann herein.
„Willst du dir kein Besteck holen?" Ich schüttelte den Kopf. Nein, wollte ich eigentlich nicht. Zum einen musste es gespült werden, zum anderen genoss ich es, für ein paar Minuten mich mal nicht wie die kleine Prinzessin benehmen zu müssen. Einfach mit den Fingern zu essen war manchmal auch sehr angenehm. Und irgendwie auch gemütlicher.
Nymphedora sah kurz die verschiedenen Utensilien an, die wir wohl alle von Hand spülen mussten. Schließlich kam sie wohl zu dem Schluss, es war besser, wenn sie nicht noch mehr zu dem Stapel stellen musste. Sie rollte ebenfalls ihren Pfannkuchen auf und begann diesen zu essen.

Ich hatte meinen zweiten Pfannkuchen halb aufgegessen und dachte gerade über einen dritten für mich nach, als man jemand die Treppe herunterrennen hörte.
„Charlotte! Charlotte! Bist du hier unten irgendwo?"
„Wir sind in der Küche, Mrs Cunningham!", rief die Frau neben mir. Die Schritte kamen näher. Dann streckte die Frau den Kopf in den Raum. Im ersten Moment schien sie komplett erleichtert, doch als sie realisierte, was gerade hier passierte, wirkte sie komplett entrüstet.
„Wir haben Besteck", erklärte meine Adoptivmutter spitz.
„Dann müssten wir aber gleich das Besteck auch noch spülen", erklärte ich unsere Aktion. Eine Aussage, die allerdings nicht zu dem gewünschten Effekt führte. Eigentlich hatte ich gehofft, sie würde uns zustimmen. Schließlich hatte sie genauso wenig Lust zu spülen, wie wir beiden es hatten. Ansonsten würde sie diese Aufgabe nicht an Mrs Simons abgeben.
„Für die Hausarbeit haben wir eine Haushälterin." Die Besteckschublade wurde geöffnet. Nymphedora und mir wurde jeweils ein Messer und eine Gabel hingehalten. Unzufrieden sah ich das Besteck an.
„Jetzt sind meine Finger sowieso dreckig." Ich biss erneut von meinem Pfannkuchen ab, was mir einen ziemlich bösen Blick einbrachte. Ich sollte das eindeutig unterlassen. Nymphedora aß einfach mit Besteck weiter.
„Charlotte, wir leben hier nicht im Ghetto. Bitte nutze das Besteck. Wer hat hier gekocht?"
„Ich. Wenn du Lust..."
„Du hast nichts am Herd zu suchen, Charlotte. Wasch dir die Hände, setz dich mit deinem Frühstück vernünftig an den Tisch." Ich starrte traurig mein Essen an. Irgendwie hatte ich es mir ganz anders vorgestellt, das Ganze zu essen. Eigentlich hatte ich gehofft, wenn ich schon so früh wach war, konnte ich heute Morgen wenigstens nach meiner Laune frühstücken. Ohne mich an all die Regeln halten zu müssen.
Doch anscheinend war meine Charlotte freie Zeit jetzt vorbei und der wirklich anstrengende Part meines Lebens ging los und damit auch gleich die Schule, was bedeutete, auch wenn ich mir die letzten paar Tage alles gefallen lassen habe, nach einer Woche in der Hölle würden mich die Cunninghams verfluchen. Das war auch der Grund gewesen, warum ich mir die letzten paar Tage all die Dinge habe gefallen lassen. Ein wenig gute Laune Bonus vorher herauszuschlagen, kam mir nicht ganz falsch vor. Und ich sollte ihn jetzt wohl am besten nicht schon vor dem ersten Schultag verspielen.
Also legte ich mein Essen auf den Teller, die Hände wurden gewaschen und dann ging ich auch brav ins Esszimmer. Auch wenn ich wirklich keine Lust auf diesen protzigen Raum hatte. Die große Küche war mir wesentlich lieber.

Das Auto hielt auf dem Parkplatz. Ich beobachtete durch das Fenster, wie aus anderen Autos Schüler ströme. Wahrscheinlich war jeder einzige Wagen hier schon mehr Wert als ein durchschnittliches Einfamilienhaus und dabei sind die Schuluniformen, Schuhe, Schultaschen und Schmuck noch nicht eingerechnet. Wahrscheinlich konnte man von den ganzen Wertgegenständen, die sich momentan auf diesem Parkplatz ein ganzes Dritte-Welt-Land ernähren.
„Bereit für deinen ersten Schultag, Charlotte?" Konnte man dafür am Ende wirklich bereit sein? Schließlich lief ich in einen erneuten Untergang herein. Die Cunninghams würden meine Hausaufgabenverweigerung sehr wahrscheinlich als absolute Schande für ihre Familie ansehen. In ihre perfekte, heile Welt passte ich mit meinem funktionalen Analphabetismus definitiv nicht herein.
„Ich habe es schon mehrmals überstanden, also werde ich es wohl auch heute überstehen." Meine Adoptiveltern, die auf den vorderen Sitzen saßen, sahen sich kurz verunsichert an. Ich wusste genau, sie hofften, ich würde wesentlich mehr machen, als diesen Tag nur zu überstehen.
Stattdessen sollte ich ein paar reiche Freundinnen finden, einen guten Eindruck bei den Lehrern hinterlassen und nach dem Unterricht beim Ballettunterricht mich nicht so anstellen, als hätte ich erst vor einer Woche mit dem Tanzen angefangen, auch wenn das die Wahrheit gewesen wäre. Eine Woche Ballettintensivunterricht beim Privatlehrer hatten aus mir eine kleine Primaballerina machen sollen. Wie viel Erfolg wir dabei hatten, würde sich wohl heute Nachmittag zeigen.
Mit meinen Adoptiveltern betrat ich die Schule. Ich spürte sofort die Blicke der anderen Schüler auf uns. Ein paar von ihnen waren ungefähr in meinem Alter, andere waren wesentlich älter und wieder andere waren wohl gerade erst eingeschult worden. Also waren in dieser Schule wohl alle von der Primary School bis zu den A-Levels vertreten.
„Und was sagst du? Wirst du dich hier wohlfühlen?" Meine Adoptivmutter sah mich mit glänzenden Augen an. Sie schien wirklich froh darüber, zu sein, endlich eine Tochter in die Schule bringen zu können. Auch wenn es mir lieber gewesen wäre, den ersten Schultag ganz alleine anzutreten. Welche Dreizehnjährige wurde noch von den Eltern zur Schule gefahren?
Außerdem wusste ich nie, was ich auf die Fragen von meinen neuen Eltern antworten sollte. In einer Schule würde ich mich wohl niemals wirklich wohl fühlen.
„Die Architektur ist sehr hübsch. Ich vermute, es ist Jugendstil. Also stammt das Gebäude aus der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert. Man erkennt es an der Symmetrie des Gebäudes und den Verzierungen über den Eingang. Auch hier in den Fluren sieht man noch die floralen Muster an der Decke. Sie haben das Gebäude wirklich gut erhalten." Die beiden Erwachsenen neben mir sahen mich ziemlich verwirrt an. Offensichtlich hatten sie nicht damit gerechnet, ich würde mich auf diese Dinge im Thema Schule beziehen. Doch was sollte ich denn sonst hierzu sagen?
Ich kannte meine Mitschüler noch nicht, doch ich vermutete, sie gingen sehr in Richtung der anderen Slytherins. Und zwar nicht unbedingt die Art von Adina Malfoy, die sehr reflektiert mit ihren Charakterschwächen umging. Auch wenn es leider nicht dazu geführt hatte, dass sie all diese abgelegt hatte. Bei mir allerdings auch nicht, also wollte ich es ihr nicht übel nehmen. Sie behandelte Jay Jay nicht mehr von oben herab, daher wollte ich mich bei ihr nicht beschweren.
Doch ich bezweifelte wirklich, dass ich hier nochmal jemand finden würde, der ein Haufen Geld besaß und mich mit meiner wirklich ruppigen, unfreundlichen Art mochte. Und nicht nur diese Fassade, die ich aufrechterhalten sollte, um die Cunninghams zufrieden zu stellen. Diese würde wahrscheinlich in einen der nächsten Tage sowieso fallen. Vermutlich spätestens, wenn ich das erste Mal einen mir unbekannten Text oder Hausaufgaben vorlesen sollte.
„Woher weißt du so viel über Architektur?" Mein Adoptivvater sah mich misstrauisch von der Seite an.
Als ich sechs Jahre alt war, sind meine Eltern, also eigentlich waren sie nur meine Pflegeeltern, mit mir und meiner Schwester, also eigentlich nur meine Pflegeschwester, zu einem Gebäude aus dem Jugendstil gefahren. Wir haben dort eine Führung gemacht. Ich habe es mir einfach nur gemerkt." So wie ich mir nun einmal eigentlich alles merke, was ich jemals mitbekommen habe.
Mein Adoptivvater gab ein zustimmendes, aber auch ein wenig unzufriedenes Geräusch von sich. Offensichtlich gefiel es ihm gar nicht, dass ich andere Pflegeeltern als meine Eltern bezeichnete und irgendein anderes Waisenmädchen als meine Schwester.

Neugierig betrachtete ich die verschiedenen Fotos an den Wänden des Direktorats. Wie auch bei Dumbledore hingen ehemalige Schulleiter dort. Doch ganz anders als in Hogwarts bewegten sie sich nicht. Ich wurde nicht streng oder misstrauisch gemustert, niemand gab irgendwelche Ratschläge. Auch hingen sie wesentlich ordentlicher in reih und Glied nach ihren Dienstjahren sortiert. Auffällig war, es hingen durchgängig nur Männer an der Wand. Alle in schicken Anzügen und ordentlich frisiert.
Im Hintergrund redeten meine aktuellen Adoptiveltern mit dem aktuellen Schulleiter. Ich lauschte mit einem halben Ohr, doch eigentlich fand ich das Büro und was es alles über den Mann hinter dem Schreibtisch aussagte viel interessanter.
Er schien sehr viel wert auf Ordnung zu legen. Jeder einzige Stift lag akkurat an einem Platz. Perfekt angespitzt und der Füller, welcher auf dem Tisch lag, war sehr wahrscheinlich vollkommen gefüllt. Wenn ich mich als Unruhestifterin herausstellte, würde ich mit Sicherheit sehr schnell von dieser Schule fliegen.
„Sir, wurde dieses Gebäude extra für die Schule gebaut?", unterbrach ich das Gespräch der drei Erwachsenen. Der erste Schulleiter hatte genau in dem Zeitraum, in dem der Jugendstil so weit verbreitet war, seine Amtszeit gehabt. Anstelle eine Antwort zu bekommen, wurde ich ziemlich missbilligend angesehen. Ich hätte wirklich nicht anfangen sollen zu reden. Meine Neugierde wurde hier wohl ziemlich missbilligt.
„Bitte, entschuldigen sie unsere Tochter, Mr. Knowles. Sie ist manchmal ziemlich vorlaut. Gerade, wenn sie ein wenig neugierig ist."
„Nun, ich denke, Neugierde ist eigentlich eine sehr gute Eigenschaft. Noch besser, wenn sie mit Manieren verbunden ist, junge Dame." Ich wurde ziemlich missbilligend angesehen. Offensichtlich hatte ich jetzt schon Unordnung in das Leben des Schulleiters gebracht. Jemand, der nicht wusste, wann er Reden durfte oder nicht, war wirklich nicht passend für diese Schule. Wahrscheinlich würde meine Akte in den passenden Schrank mit Unruhestiftern gelegt werden, sobald wir dieses Büro verlassen haben.
„Ich arbeite daran, Sir."
„Nun, ich will mal nicht so sein. Sie haben Recht. Dieses Gebäude wurde extra für unsere Institution erbaut. Wie sind sie darauf gekommen?"
„Die Architektur passt zu den Jahreszahlen unter den Fotos. Sie wurde im Jugendstil erbaut, also wahrscheinlich zur Wende zwischen dem 19. und 20. Jahrhundert. Der erste Schulleiter wurde 1899 eingesetzt. Also zur Zeit in dem der Jugendstil erbaut wurde. War eine logische Schlussfolgerung." Der Schulleiter wandte sich wieder an meine Eltern.
„Sie haben anscheinend eine wirklich intelligente Tochter, Mr. und Mrs. Cunningham." Ich verdrehte die Augen. Und das konnte man mir natürlich nicht ins Gesicht sagen, sondern nur an meine Adoptiveltern gewandt. Aber ich war diejenige mit schlechten Manieren.
Gelangweilt wippte ich mit meinen Füßen auf und ab. Dieser ganze Papierkram zog sich hin wie Kaugummi. Vor allem, weil alle zwei Sekunden darüber geredet wurde, welche Sicherheitsvorkehrungen für mich von Nöten waren.
Offensichtlich hatten die Lehrer nicht nur eine exzellente pädagogische Ausbildung, sondern waren auch in verschiedenen Kampfkünsten ausgebildet worden. Dazu kamen noch verschiedene Sicherheitsleute, die überall in der Schule herumliefen. Getarnt als Hausmeister, Küchenhilfe oder auch mal ganz offensichtlich. Die ganz wichtigen Kinder wurden doch tatsächlich mit Bodyguard hier abgeliefert. Den lief der ganze Tag eine große Schrankwand hinterher.
„Nun, Miss Cunningham, ich denke, für sie wird es gleich Zeit für ihre Führung durch die Schule. Diese werden zwei Klassenkameradinnen übernehmen. Eleanor Haynes-" Den funkelnden Augen meiner Adoptiveltern nach zu urteilen ein Mädchen aus sehr guten Hause, welches ich mir unbedingt als Freundin schnappen sollte. Wahrscheinlich war sie eines der Kinder, die nur in Begleitung eines Bodyguards irgendwohin durften.
„-und Jocabed Xóchitl Armenta Valencia." Auf den Stirnen meiner Eltern legten sich misstrauische Falten.
„Der zweite Name hört sich sehr spanisch an."
„Mexikanisch. Miss Armenta Valencia kommt ursprünglich aus Mexiko. Sie ist hier als Stipendiatin."
„Natürlich, eine Stipendiatin. Ich habe mich schon gewundert, dass ich nie etwas von ihrer Familie gehört habe." Mein Adoptivvater ließ mir einen Blick zukommen, der nur eins Bedeuten konnte. Kein Umgang für dich. Dabei war ich vor zwei Wochen offiziell noch selber Stipendiatin gewesen. Verstehe einer mal die Logik der Reichen.

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