Kapitel 9
Unruhig spielte ich mit meinen Fingern, während ich darauf wartete, dass Sirius endlich in sein ehemaliges Elternhaus apparierte. Heute durfte ich das erste Mal mit, vielleicht auch nur damit ich nicht auf die Idee kam, weiter darüber zu planen, wie ich am besten als Doppelagent anfangen konnte. Er war schon halb am Durchdrehen, weil Marlon uns für heute Abend bei seiner Familie angemeldet hatte, um genau dieses Thema zu besprechen.
„Bist du bereit, kleiner Welpe?", wurde ich schließlich von Sirius gefragt. Ich nickte sofort. An mir war das Apparieren schließlich nie gescheitert sondern an dem Flüchtigen. Brauchte er immer so lange, um sich dazu zu überwinden, herüber zu apparieren, oder lag es daran, dass er mich eigentlich nicht mit herübernehmen wollte?
„Na dann wollen wir mal", murmelte mein Vater. Im nächsten Moment hatte ich das Gefühl durch einen engen Gummischlauch gezwängt zu werden. Es dauerte nur wenige Sekunden, doch trotzdem war es einfach furchtbar unangenehm. Apparieren würde definitiv niemals zu meinen Lieblingstransportmöglichkeiten gehören.
Als wir wieder auf dem Boden aufkamen, standen wir nicht mehr an der Appariergrenze von Kiras Schloss. Stattdessen sah man um uns herum eine etwas heruntergekommene Londoner Gegend. Überall stank es bestialisch nach faulenden Abfällen. Die Farbe blätterte von den Häusern und den hölzernen Fensterrahmen. Auch den Lattenzäunen und den dazugehörigen Toren sah man an, dass sie schon ziemlich alt sein mussten. Teilweise waren sie sogar kaputt und ich wusste genau, das war schon wesentlich länger so.
Nicht weit von hier entfernt wohnte eine Pflegefamilie, in der ich gewohnt hatte, bevor ich bei Jamie im Waisenhaus gelandet war. Es war eigentlich eine ganz nette Familie gewesen. Morgens hatte unsere Pflegemutter uns immer Frühstück gemacht und unsere Lunchpakete für den Nachmittag hingestellt. Wenn wir am späten Nachmittag schulfrei hatte, durften wir immer noch ein Stündchen auf dem Spielplatz, welcher auf unserem Schulweg lag, spielen, bevor wir dann nach Hause mussten, um Hausaufgaben zu machen. Unser Pflegevater war immer mehr im Hintergrund. Er war immer schon arbeiten gewesen, wenn wir morgens aufgestanden waren, weshalb wir ihn eigentlich nur zum Abendessen gesehen hatten. Bei der Gelegenheit las er meistens Zeitung und gab sehr bissige Kommentare über das aktuelle Tagesgeschehen ab.
Mich behalten wollte die Familie trotzdem nicht. Ich mit meiner Magie war ihnen eindeutig zu kompliziert. Um den Vollmond herum hatte ich immer fast täglich Probleme in der Schule, an diesem einen Tag in der Woche hat man mich nicht ins Bett gekriegt. Dazu noch meine nicht gemachten Hausaufgaben und andere magischen Vorfälle.
Also wurde ich in das Heim gebracht, in dem ich Jay Jay kennengelernt hatte und er noch immer wohnte. Danach hatte es sich getan mit nachmittäglichen Besuchen auf dem Spielplatz und auch diese heruntergekommene Straße hatte ich lange Zeit nicht mehr gesehen. Doch jetzt standen wir wieder hier, genau vor dem Grimmauldplatz Nummer zwölf, dem unsichtbaren Haus, welches nur ich als Kind sehen konnte. Jetzt wusste ich auch warum. Mich wunderte es schon, dass die Blacks in einer Muggelgegend wohnten, da war es nicht überraschend, dass Zauber das Haus vor Muggelaugen schützten.
Doch irgendwie war es skurril, wie oft ich an dem Haus meiner Großeltern vorbeigelaufen war, ohne dass ich es je bemerkt hatte. Hatten sie wohl damals noch gelebt? Hatte Mrs Black aus dem Fenster geguckt, wenn ich mal wieder neugierig ihr Haus betrachtet habe? Hatte sie mich vielleicht sogar erkannt? Vermutlich hatte sie zwar keine Bilder von Kira zugeschickt bekommen, doch eine Ähnlichkeit zwischen mir und ihrem Sohn gab es trotzdem. Und so viele magisch begabte Mädchen im Alter der Töchter ihres Sohnes liefen nun einmal nicht durch England. Vielleicht hatte sie abends mit ihrem Mann zu Abend gegessen und über das komische Mädchen geredet, welches ihr zu Hause sehen konnte.
Oder waren damals beide schon Tod gewesen? Ich hatte im Grimmauldplatz nie Licht gesehen, als ich hier gewohnt hatte. Es gab damals keine Bewohner und kein Lebenszeichen in diesem Haus. Das war immer die zweite Sache gewesen, die mich irgendwie zu diesem Haus gezogen hatte. Durch Magie vor Muggelaugen geschützt und dann auch noch scheinbar verlassen. Mehr als einmal hatte ich mit den Gedanken gespielt, mich dort zu verstecken, anstelle nach Hause zu gehen und mich dem Ärger meiner Pflegeeltern auszusetzen.
Doch jetzt war das Haus definitiv nicht mehr verlassen. Anders als die anderen Häuser in dieser schäbigen Wohngegend wurde die Nummer zwölf nun wieder auf Vordermann gebracht. Also so weit das ohne eine professionelle Grundsanierung des Hauses ging. Nach den Erzählungen meines Vaters war der kostengünstigste und schnellste Weg zu einem schönen zu Hause wohl der Abriss von Grimmauldplatz zwölf und ein neues Erbauen eines Hauses.
„Das hier ist mein Elternhaus", murrte Sirius neben mir, welcher mich dabei beobachtete, wie ich sein ehemaliges Zuhause aufs genauste musterte.
„Ich habe mal hier ganz in der Nähe gewohnt. Mein Schulweg führt hier vorbei", erzählte ich, was meinem Vater ein leises Grummeln entlockte. Dass ich hier eine Zeit lang mal um die Ecke gewohnt hatte, gehörte wohl nicht zu den Dingen, die ihn glücklich stimmten.
„Wir sollten mal rein gehen. Sei bitte leise in der Eingangshalle", murmelte Sirius. Er zog seinen Zauberstab heraus, mit welchem er vorsichtig gegen die ramponierte Tür pochte. Nun waren viele laute, metallische Klickgeräusche und das Rasseln einer Kette zu hören, bis schließlich die Tür knarrend aufschwang. Sofort kam uns feuchte, muffiger Geruch entgegen, welcher dazu riet, dieses Haus endlich mal wieder ordentlich zu Lüften. Vielleicht sollten wir einfach die Haustür offen stehen lassen. Mittlerweile hatte Dumbledore schließlich das Haus mit Hilfe des Fidelius-Zaubers auch vor neugierigen Zauberern geschützt. Angst vor einem Dieb mussten wir also wirklich nicht haben.
Leise betrat ich die Eingangshalle, dicht gefolgt von Sirius. Kaum hatte ich meinen Fuß über die Schwelle gesetzt, hörte man ein leises Zwischen, dann entflammten auch schon die altmodischen Gaslaternen entlang der Wand und spendeten Licht in der Eingangshalle. Das war auch ganz gut so, denn im nächsten Moment Schloss Sirius auch schon die Tür hinter uns. Ohne die Lampen hätten wir jetzt in vollkommener Dunkelheit gestanden. Doch dank des Lichtes konnte ich jetzt die Inneneinrichtung der Eingangshalle sehen oder besser gesagt, was noch von dieser übrig war. An den Wänden schälten sich die Tapeten schon von der Wand. An manchen Stellen wurde sie nur noch von den schiefen, altersgeschwärzten Porträts – sehr wahrscheinlich zeigten sie irgendwelche meiner Vorfahren – gehalten. Auch der verschlossene Teppich hatte schon mal wesentlich bessere Zeiten gesehen. Jedenfalls hoffte ich, dass zu Sirius Kindheit hier das Haus wenigstens noch nicht ganz so verfallen war.
Mindestens genauso auffällig wie der schlechte Zustand des Raumes war auch die schwarzmagische Gesinnung der ehemaligen Bewohner. Sowohl die Kronleuchter als auch der Kandelaber, welcher auf einem sehr wackelig wirkenden Tisch in der Nähe stand, waren in der Gestalt von Schlangen gefertigt worden. Weiter hinten, ganz in der Nähe von mottenzerfressenen Vorhängen und einer Treppe, die nach oben führte, konnte ich einen Regenschirmständer aus einem abgetreten Trollbein erkennen. Als ich weiter in den Flur hineinlief, kamen auch noch Schrumpfköpfe in Sicht, welche eindeutig allesamt mal zu Hauselfen gehört hatten.
„Die anderen warten unten in der Küche auf uns. Durch die Tür dort", flüsterte mir Sirius zu. Gemeinsam schlichen wir schon fast durch die Halle, bis zu der besagten Tür, durch welche wir hindurchschlüpften. Erst als sie hinter uns zu war, wagte ich es, wieder normal zu laufen. Auch der Flüchtige wirkte jetzt wieder viel entspannter.
Zusammen liefen wir die Treppe herunter und noch durch eine weitere Tür, dann standen wir schon in der Küche. Sie war eigentlich ein ziemlich kalt wirkendes Gewölbe mit rauen Steinwänden. Als einzige Lichtquellen dienten momentan ein großes Feuer am Ende des Raumes und eine kleine, tragbare Laterne, welche auf dem großen Esstisch stand, weshalb alles in ein flackerndes Licht getaucht wurde. Um den Küchentisch herum standen einige Stühle, welche größtenteils von Mitgliedern der Weasley-Familie besetzt waren. Tatsächlich schien sich die gesamte Familie bis auf Percy hier versammelt zu haben. Das hieß dann wohl auch, wenn Charlie Weasley morgen noch hier war, würde er wohl mit Elaina und Azura ein weiteres Mal aufeinandertreffen. Ob die Drachen-Diskussion wohl wieder aufflammen würde?
Neben der Groß-Familie waren allerdings auch ein paar weitere Personen anwesend. Hermine blätterte in einem Buch über Putzzauber. Krummbein lag auf dem Stuhl neben ihr, von wo aus der Kater den Küchenboden beobachtete. Vermutlich suchte er nach einer Maus, die sicherlich in diesem Haus zu finden waren. Auch mit am Tisch saß Nymphadora Tonks, welche die anderen mit ihren Metamorphmaguskräften belustigte.
„Das verschollene Schwesterlein!", kam es zeitgleich von Fred und George. Sie sprangen synchron auf, dann verschwanden sie mit einem lauten Knall, nur um rechts und links neben mir aufzutauchen.
„Wie steht es um das Zwillingsband von dir und Kira?", wurde ich von Fred gefragt, welcher mich zielsicher zum Tisch schob. Ich sah hilfesuchend zu Sirius, welcher allerdings nicht so wirkte, als wolle er mir gerade helfen. Stattdessen lief er zu Nymphadora herüber, um diese mit einer kurzen, etwas unbeholfenen Umarmung zu begrüßen. So ganz schien weder er noch die Aurorin zu wissen, wie sie nun genau miteinander umgehen sollten. Zwar hatten sie beim gemeinsamen Putzen schon viel Zeit zum Reden gehabt, doch anscheinend war es noch lange nicht genug gewesen.
„Wird niemals existieren", beantwortete ich die Frage von den Weasley-Zwillingen, während ich weiterhin meinem Vater und Nymphadora beobachtete.
„Das werden wir noch sehen", wurde mir großspurig verkündet, was mir ein leises Seufzen entlockte. Hoffentlich würden nicht noch mehr verrückte Aktionen folgen wie zum Beispiel die Beschwörung der Zwillingsgeister.
„Wie war denn deine Reise?", fragte mich in diesem Moment Hermine, welche ihr Buch wieder zuschlug. Wirklich etwas mit dem Inhalt konnte sie sowieso nicht anfangen, schließlich durfte sie das Haus gar nicht sauber zaubern.
„Gesellig, informativ und wegweisend", stellte ich fest, was die Muggelstämmige mit einem überforderten Nicken zur Kenntnis nahmen. „Die kanadische Königsfamilie ist sehr nett und hat einen hübschen Garten. Man kann dort Sterne sehen", fügte ich daher noch hinzu.
„Also hat dir der Urlaub gefallen, obwohl er so gesellig war?", fragte die Gryffindor nach.
„Ja, ich denke, im Gesamtbild hat es mir in Kanda gefallen. Arienne war dort sehr fröhlich, sie hat dort mit einer Angestellten geflirtet. Das habe ich sogar ohne Hilfe gemerkt", stellte ich äußerst zufrieden fest.
„Hast du seit eurer Rückkehr schon Harry getroffen? Ihr wolltet doch Eis essen gehen", wollte die Muggelstämmige von mir wissen.
„Wir gehen morgen Nachmittag Eis essen. Ich kann dich mitnehmen, Hermine. Auf das Motorrad passt noch eine weitere Person. Zum Ordenstreffen kommen wir auch rechtzeitig wieder."
„Wofür? Wir dürfen doch eh nicht teilnehmen. Nur für Volljährige Zauberer, die nicht mehr zur Schule gehen. Wir dürfen bei den Treffen nicht dabei sein. Bei den letzten beiden durften wir oben in dem einzig anderen sauberen Zimmern sitzen", grummelte Ron, welcher ziemlich missmutig zu seiner Mutter herübersah.
Ich sah empört zu Sirius. Mein Vater glaubte ja wohl kaum, dass er mich ebenfalls mich brav oben in das Zimmer setzen würde, während hier unten interessante Dinge besprochen wurden. Das kam gar nicht in Frage. Und ich fürchte Arienne, Susanne und Roux hätten zu dem Thema auch eine sehr deutliche Meinung, die sicherlich nichts mit einem braven Abgang zu tun hatte.
„Es ist Dumbledores Orden und auch seine Regeln. Ich gehe aber nicht davon aus, dass er dich ausschließen wird, Welpe", beruhigte mich mein Vater. Ich gab ein leises Grummeln von mir. Wenn der Schulleiter mich als Doppelagent haben wollte, wovon schließlich alle ausgingen, sollte er es ja nicht wagen, mich vom Orden auszuschließen. Selbst wenn nicht sollte er sich die Mühe sparen, schließlich würden wir bei der Kriegsnymphenfamilie sowieso alles erfahren.
„Sie ist erst fünfzehn und damit viel zu jung für den Orden!", protestierte Mrs. Weasley sofort.
„Ich war auch schon mit dreizehn zu jung, um einen Massenmörder zu suchen, habe es aber trotzdem gemacht, und letztes Jahr war ich zu jung, um auf Harry aufzupassen, und habe es gemacht. Dieses Jahr bin ich zu jung für den Orden und werde trotzdem beitreten. Sogar Remus hat eingesehen, dass er mit dem Argument nicht weiterkommt. Er ist jetzt dazu übergangen, mich daran zu erinnern, dass ich mich mal wieder mit Blaise treffen könnte. Roux unterstützt ihn dabei tatkräftig", wank ich ab.
Die Leier mit meinem Alter konnte ich wirklich nicht mehr hören. Ich war die Kriegsnymphe. Die war ich mit sieben, mit dreizehn, jetzt auch und in zwei Jahren wäre ich sie auch noch. Das Gleiche galt wohl für meine drei Freundinnen. Sie alle waren als Teil dieser Familie, waren mit Messern und Schwertern in der Hand aufgewachsen. Sie hatten schon Mörder, Vampire und Trolle gejagt. Jetzt würden sie damit wohl kaum aufhören.
„Sie sind keine Kinder mehr, Molly. Keiner von ihnen und schon gar nicht Tric. Ich kann sie nicht zu Hause einsperren, um sie aus dem Krieg herauszuhalten. Sie würde mir nur die Tür aufsprengen. Jetzt gerade braucht sie ihre Familie als sicherer Hafen."
„Und wir haben kein zu Hause", stellte ich fest. Ein trauriges Lächeln schlich sich auf das Gesicht meines Vaters, mit welchem er zu mir herüberkam, seine Arme um mich legte und mir ein Kuss auf die Wange drückte.
„Dein Zimmer in Frankreich genügt vollkommen, Welpe. Dort habe ich auch die größte Hoffnung, dass wir dich festhalten könnte.."
„Dir würde niemand helfen. Marlons Familie ist für meinen Einsatz in diesem Krieg", stellte ich zufrieden fest. Sie nahmen mich ganz so, wie ich nun einmal war. Ohne das ständige Anmerken meines zu jungen Alters.
„Sie werden dich unterstützen, da hast du recht. Und ich dich auch. Versprochen."
„Aber nur unter grummeligen Protest", stellte ich fest.
„Sehr sehr grummeligen Protest. Jetzt lass uns mal mit dem Putzen anfangen. Ich bin mir sehr sicher, Bill, Charlie, Fred, George und Ron sind froh, wenn sie nicht die restlichen Ferien in einem Zimmer schlafen müssen."
„Und wenn hier mal wieder durchgelüftet wird. Es müffelt in diesem Haus."
Putzen war auch in einem schwarzmagisch Haus nicht wirklich interessanter als in irgendeinem normalen Muggelhaus oder einem Kinderheim. Nur die Tiere, die sich in diesem Haus niedergelassen hatten, waren wesentlich interessanter als alle, die ich sonstigen verlassen und halb zerfallenen Häusern getroffen hatte. Mein neuster Freund war ein Jarvey, welchen ich sehr zum Ärger von Mrs. Weasley in einen Korb ein neues Nest gebaut hatte. Der Korb hatte aber wenigstens einen Gitterdeckel, sodass das etwas frettchenartige Wesen nicht abhauen konnte. Dafür schimpfte es jetzt umso lauter über uns, während wir versuchten, das Bad zu reinigen.
In diesem Moment klingelte es. Ich zuckte zusammen. Mit Besuch hatte ich wirklich nicht gerechnet. Im nächsten Moment ging unten auch schon lautes Geschrei los.
„Schlammblüter! Missgeburten! Schmutzige Halbblüter! Blutsverräter!", ertönte es nun von unten, während der Jarvey es wiederholte. Automatisch zog ich ein Messer heraus, während ich mich langsam in Richtung Badezimmertür bewegte.
„Das ist nur Mrs. Blacks Porträt", wurde mir von Hermine mitgeteilt, welche seelenruhig weiter putzte. Draußen hörte man irgendjemand die Treppe herunter stürmen.
„Was für eine Mrs. Black?", fragte ich unsicher nach.
„Dein Großmütterchen Black. Sie –" Der Rest von Freds Antwort bekam ich nicht mehr mit, da ich schon die Treppe herunter stürmte. Ein wenig neugierig auf die leibliche Mutter von Sirius war ich ja schon. Na gut, ich war wirklich furchtbar neugierig, wer meinen Vater aufgezogen hatte.
Als ich die Treppe nach unten lief, sah ich auf den ersten Blick, dass die mottenzerfressenen Samtvorhänge offen waren. Sirius und Mr. Weasley, welche eigentlich dabei waren zusammen mit Fred, George, Charlie und Bill ein anderes Zimmer zu reinigen, versuchten sie wieder zu schließen. Dahinter war ein lebensgroßes Porträt versteckt gewesen. Die ziemlich wirklichkeitsgetreue und abstoßende Frau darauf gab die fürchterlichen Beschimpfungen von sich, während sie dabei sabberte und die Augen verdrehte.
„Ich mag das Grandmonster nicht", stellte ich fest, als ich neben meinem Vater ankam, welcher deshalb ein sichtlich amüsiertes aber auch ziemlich angespanntes Lächen sehen ließ, während er weiter versuchte, die Vorhänge wieder zuzumachen
„Du!", kreischte in diesem Moment die Frau los und fixierte mich mit ihrem Blick. „Ausgeburt einer Missgeburt und der Schande meines Fleisches! Wenigstens deinen Zwilling hat es erwischt! In tausend Stücke wurde sie gerissen! Ein viel zu gnädiger Tod für den kleinen Mutanten!", kreischte die Frau.
„Grandmonster, ich bin nicht Tod. Ich bin dem gnädigen Tod entronnen, es gibt also noch die Chance, dass ich einen Grausameren sterbe", erklärte ich gut gelaunt, was das Bild tatsächlich für zwei Sekunden die Sprache verschlug, nur damit kurz darauf eine neue Schimpftirade losging, bei welcher sie nur noch wütender mit ihren Klauenhänden fuchtelte.
„Red nicht so mit meiner Tochter, du elende alte Sabberhexe!", fuhr Sirius seine Mutter an. „Sei gefälligst still!"
Die Worte hätte er sich wirklich sparen können. Mrs. Black schrie nur noch lauter, schimpfte noch ein wenig mehr über Sirius, mich und den Abschaum, welcher das Haus ihrer Väter besudelte. Von oben kamen Bill und Charlie heruntergestürmt, um Sirius und Mr. Weasley dabei zu helfen, endlich dieser Vorhänge zu schließen. Es dauerte noch fast eine ganze Minute, bis sie es zu viert endlich schafften und die Beschimpfungen von meiner leiblichen Großmutter verstummten.
„Alles in Ordnung bei dir, mein kleiner Welpe?", wurde ich vorsichtig von meinem Vater gefragt. Ohne eine Antwort abzuwarten, wurde ich auch schon in eine Umarmung gezogen. „Du bist wunderbar, genauso wie es deine Mutter gewesen ist und du wirst definitiv keinen grausamen sondern einen –"
„Sehr sehr langweiligen Tod sterben. Ich weiß. Noch langweiliger als erfrieren", beendete ich den Satz meines Vater. Der Flüchtige nickte zufrieden und drückte mir einen Kuss auf die Nasenspitze, bevor er in Richtung Haustür sah, welche gerade von Mr. Weasley mit gezückten Zauberstab geöffnet wurde. Auch seine beiden ältesten Söhne sahen ziemlich misstrauisch und kampfbereit zu der Tür. Offensichtlich erwarteten wir keine weitere Person, die uns dabei helfen sollte, dieses Haus wieder bewohnbar zu machen.
Langsam – es fühlte sich ein wenig wie Zeitlupe an – wurde die Haustür geöffnet. Zum Vorschein kam ein gut gelaunter Professor Dumbledore und Professor McGonagall, welche ein wenig ungeduldig wirkte. Beide hatten Tüten in der Hand und den leckeren Duft daraus zu urteilen, hatten die Hauselfen in Hogwarts für uns gekocht.
„Essen", stellte ich glücklich fest, während mir das Wasser im Mund zusammenlief.
„Das heißt, guten Tag, Welpe", korrigierte mich automatisch mein Vater. Gleichzeitig sah er allerdings unsicher zu seiner ehemaligen Hauslehrerin herüber, auf deren strengen Gesicht sich ein kleines Lächeln geschlichen hatte. Und dann ging alles ganz schnell. Ich wurde endgültig losgelassen, stattdessen lief der Flüchtigen zu seiner ehemaligen Hauslehrerin und zog sie in eine Umarmung. Sehr zu meiner Überraschung, schien das Professor McGonagall als normal zu empfinden. Sie drückte Sirius einmal, bevor sie ihn etwas wegschob, um ihn genau zu mustern.
Dumbledore begrüßte kurz die Weasleys, bevor er sich an mich wandte.
„Guten Tag, Ms Black."
„Guten Tag, Professor. Kann ich Beschwerde gegen die Ordensregeln bei ihnen einlegen? Alle sagen mir, ich müsste volljährig und mit der Schule fertig sein, um eintreten zu dürfen. Ich will aber nicht noch drei Jahre warten. Werde ich auch nicht", grummelte ich.
„Wie wäre es, wenn wir diese Angelegenheit unten besprechen, bei einer schönen Tasse heißen Tee", kam der Vorschlag von Dumbledore. Ich sah kurz zu den anderen. Die Weasleys waren auf dem Weg nach oben, vermutlich um Bescheid zu sagen, wer mit Essen gekommen war, und mein Vater war noch immer ganz in sein Gespräch mit McGonagall vertieft.
„Na gut", meinte ich achselzuckend. Da unten würde zumindest nicht das Grandmonster von unserem Gespräch wach werden.
Mittlerweile stand eine Teekanne mit Wasser auf dem Herd, welche vor sich hin köchelte. Dumbledore saß auf einem Stuhl am Tisch und bedachte mich mit seinem üblichen durchdringenden Blick. Eigentlich war ich mir sehr sicher, der Schulleiter versuchte mal wieder, heimlich meine Gedanken zu lesen. Ich stand bei der Kanne, von wo aus ich zurück starrte. Ich gab mir Mühe, genauso durchdringend zu schauen, doch ich war mir sicher, ich tat es nicht.
„Nun, ihre Bitte in den Orden eintreten zu dürfen", fing schließlich der Schulleiter von Hogwarts unser Gespräch an. „Es wird sie nicht überraschen, dass ich durchaus gewillt bin, sie dabei zu haben. Mir ist durchaus bewusst, sie haben Fähigkeiten, die den meisten Ordensmitgliedern weit überlegen sind."
„Wahrscheinlich sogar allen Ordensmitgliedern", stellte ich trocken fest.
„Meinen noch nicht, aber ich denke, das wird sich im Laufe der nächsten Jahre noch ändern. Doch das steht nicht zur Debatte. Abgesehen von allen anderen Ordensmitgliedern haben sie nämlich noch einen zweiten Vorteil, den kein anderes Mitglied hat. Ihre Verbindung zum dunklen Lord.
Ich weiß, ihnen missfällt es, auf Ähnlichkeiten mit ihm angesprochen zu werden, doch wie ich schon einmal erwähnte, haben sie eine ähnliche Kindheit gehabt. Beide im Heim aufgewachsen, beide Hin und Her geschoben. Nie irgendwo wirklich angekommen. Und daran hat sich bis heute nichts geändert. Sie sind nie bei den Allaires wirklich eingezogen, nie bei ihrer leiblichen Familie.
In Hogwarts haben sie bis heute nicht wirklich Fuß gefasst. Die anderen Schüler sehen in ihnen nur die Tochter eines Massenmörders. Eine gefährliche Person, mit sehr viel magischer Kraft. Ihre Verbindung zu den reinblütigen Familien ist sehr stark. Wie ich gehört habe, haben sie angefangen, mit Mr Zabini auszugehen. Ihr Disput mit Ms Malfoy hat die Verbindung natürlich geschwächt, aber Streitigkeiten kann man aus der Welt schaffen."
„Snape hat ihnen mittlerweile bestätigt, dass der dunkle Lord mich auf seine Seite ziehen will. Irgendwann werden wir uns noch einmal gegenüber stehen, dann wird er mich fragen, ob ich einer seiner Marionetten werden will und sie wollen, dass ich ja sage."
„Es wird sie freuen, zu erfahren, dass der dunkle Lord verstanden hat, dass er sie niemals als kleine Marionette für sich gewinnen kann. Er wird ihnen eine entsprechend hohe Position anbieten. Seine Art rechte, frei agierende Hand. Sie kriegen die Mittel, ihre eigenen Feinde zu töten und die seine gleich mit. Niemals wieder wird jemand sie hänseln, weil sie von Mr Black abstammen. Er wird ihnen versprechen PIRA auszulöschen und ihre Schwester nach Hause zu holen."
„Er weiß von Natashas Verschwinden?", fragte ich überrascht. Damit hatte ich jetzt doch nicht gerechnet.
„Ich habe Severus darum gebeten, diese Information weiterzugeben", gab der Schulleiter ungerührt zu. „Und natürlich auch, dass wir keine Spur haben. Ich bin eine große Enttäuschung für sie. Nun ich weiß, ich verlange viel von ihnen. Daher erwarte ich jetzt keine Antwort."
„Sie können sie trotzdem schon kriegen. Ihre Frage kam nicht wirklich überraschend für mich. Ich werde ja sagen. Mit Sirius, Marlon und Remus habe ich auch schon darüber geredet. Marlons Familie wird es heute Abend erfahren. Vielleicht hat er es ihnen auch schon gesagt, er ist gerade dort. Alle anderen will ich dort heraus halten. Sie sind untrainiert und ich will nicht, dass jemand ihre Gedanken liest und es so herausfindet", stellte ich klar.
„Ich denke, es ist eine gute Idee, ihre zukünftige Position für uns zu behalten. Aufgrund dieser wäre ich allerdings dankbar, wenn sie sich damit einverstanden erklären würden, nicht beim Ordenstreffen anwesend zu sein. Man wird sie immer auf dem laufenden halten, aber ihr Ausschluss –"
„ – macht es nur realistischer, wenn ich am Ende die Seite wechsel. Sehe ich ein. Ich bin ein braves Kind, setze mich grummelnd zu den anderen und lasse mir von anderen einen Lagebericht geben. Dann bleiben Hermine und ich morgen eben länger bei Harry."
Der Teekessel fing an zu pfeifen, weshalb ich ihm vom Herd nahm. Mit einem kurzen Blick zu den entsprechenden Sachen ließ ich sowohl Teetassen als auch ein Stövchen für die Kanne auf den Tisch fliegen. Die Kanne kam aufs Stövchen, damit der Tee noch ziehen konnte, dann setzte ich mich gegenüber von Dumbledore auf einen Stuhl.
„Ich hätte aber eine Bitte an sie. Sie müssen aufpassen, dass Marlon und Sirius während meiner Abwesenheit keine Dummheiten machen. Am Ende des Krieges wird Sirius freigesprochen sein. Dann soll er seine neugewonnene Freiheit noch genießen können und nicht als unschuldig Verfolgter gestorben sein."
„Ich werde mein bestes geben. Und ich wäre ihnen sehr dankbar, wenn sie die Dinge nicht an die anderen weitergeben würden", erklärte mir der Schulleiter von Hogwarts, während ich mich um das warme Getränk kümmerte. „Mrs Weasley wünscht, dass ihre Kinder nichts erfahren, und ich halte es für besser, wenn Mr Potter fürs erste auch noch im Unklaren ist. Jedenfalls solange bis er nicht mehr bei seiner Tante und seinem Onkel ist."
„Ich kann ihn morgen auch gerne mit hierhinbringen. Ich verstehe nicht, warum er bei seinen Verwandten sicherer sein sollte, als in diesem Haus."
„Aufgrund von alter Magie, Ms Black. Sehr alter Magie."
„Was für alter Magie?"
In diesem Moment hörte man, wie oben die Tür geöffnet wurde. Die leisen Stimmen von Ron und Ginny waren zu hören. Es knallte, dann standen schon wieder Fred und George neben mir.
„Ihr müsst nicht überall hinapparieren", kam es sofort tadelnd von Mrs Weasley, welche hinter ihren beiden jüngsten Kindern die Treppe herunterkam.
„Aber wir können und dürfen", erklärte Fred stolz. „Und, verschollenes Schwesterlein, dürfen wir jetzt in den Orden?"
„Um euch geht es bei diesen Verhandlungen nicht", gab ich trocken zu.
„Du brichst uns das Herz. Willst du uns denn nicht dabei haben?", wurde ich gespielt entsetzt gefragt.
„Ich bin Egoist und verhandel nur über meine Position", stellte ich fest. „Das Gespräch setzen wir dann wohl ein anderes Mal fort", fügte ich noch an den Schulleiter gewandt zu.
„Gewiss doch, Ms Black", erklärte dieser vergnügt, während er sich seinen Tee eingoss.
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