Kapitel 52

Irgendwie war es krank, wie viele Sorgen sich die Fünftklässler wegen ihrer ZAGs machten. Wann immer man auf welche traf, entweder hatten sie Bücher zum Lernen vor der Nase, fragten sich gegenseitig ab oder diskutierten, wie viel sie alle lernten. Normale Gespräche hörte man bei den Schülern meines Jahrganges eigentlich gar nicht mehr.
Auch die Lehrer schienen nur noch eines im Kopf zu haben: Unsere Abschlussprüfungen. Der Unterricht bestand nur noch aus Wiederholung von den wahrscheinlichsten ZAG-Themen und war auch dem entsprechend langweilig geworden. Es gab keine neuen Informationen mehr, die ich wie ein Schwamm aufsaugen konnte, keine neuen Zauber, die ich erlernen konnte. Stattdessen sah man nur den anderen Fünftklässler zu, wie sie daran verzweifelten, wenn sie mal eine Wiederholungsfrage nicht beantworten konnten. Man könnte meinen, sie würden schon jetzt gerade geprüft und nicht erst in ein paar Wochen.
Auch meine Freunde waren keine Ausnahme von diesem Wahnsinn. Wann immer wir nicht im Unterricht saßen, hatten sie ein Lehrbuch vor der Nase, fragten sich gegenseitig ab oder übten irgendwo heimlich Zauber, die in den ZAGs abgefragt werden könnten. Sogar Jamie ließ sich von dem Lernwahn anstecken, weshalb der Viertklässler ebenfalls kaum noch Zeit hatte. Nur die Mädchen aus der Kriegsnymphenfamilie schienen wenigstens etwas Ruhiger zu sein. Zwar lernten sie ebenfalls alle, doch lange nicht so viel wie meine anderen Klassenkameraden. Allerdings waren sie alle gut ausgebildete Kopfgeldjägerinnen, weshalb sie natürlich nicht wirklich auf irgendwelche ZAG- und UTZ-Ergebnisse angewiesen waren. Um Arienne zu zitieren, es ging eher darum, andere Optionen zu haben, als diese auch am Ende zu nutzen. Jedenfalls hatte Sue es immer so dargestellt, das konnte aber auch daran liegen, dass es für sie keine andere Option gab. Das hieß noch lange nicht, dass Ari oder Roux nicht doch etwas anderes tun würden. Bei beiden konnte ich es mir sehr gut vorstellen, dass sie irgendwann zumindest nicht mehr selbst loszogen.
Da meine Freunde nicht mehr wirklich Zeit hatten und auch mein Quidditch-Training nicht mehr stattfand, musste ich mir andere Beschäftigungsmöglichkeiten suchen. Zum einen machte ich es mir zur Aufgabe, den Markt an angeblich lernfördernden Substanze auszutrocknen, zum anderen hielt ich Professor Umbridge auf Trab. Mal testete ich ein paar der beschlagnahmten Sachen an ihr und an anderen Tagen verwüstete ich mit Peeves die Schule.
Als wir dann endlich die Termine für unsere Prüfungen bekamen, war ich ziemlich erleichtert. Auch wenn ich genau wusste, dass in wenigen Tagen die Prüfungen losgingen, hatte es sich ohne genaue Informationen irgendwie unwirklich angefühlt. Erst als Professor Flitwick die Termine an der Tafel erscheinen ließ, realisierte ich wirklich, dass es am Montag schon losgehen würde.
„Wie sie alle wissen, bestehen ihre Prüfungen aus zwei Teilen. Einem Theoretischen und einem Praktischen", wurde uns von dem Zauberkunstlehrer erklärt, während wir uns die Termine von der Tafel abschrieben. „Wie sie sehen haben sie morgens immer ihre Theorieprüfung, während sie nachmittags die praktische Prüfung haben. Ausnahme ist selbstverständlich die Praktische in Astronomie, diese wird nachts stattfinden.
Darüber hinaus will ich sie daran erinnern, dass die Prüfungsunterlagen mit Anti-Schummel-Zauber behaftet sind. Selbstantwortende Federn sind in der Prüfungshalle verboten, genau wie Erinnermichs, abnehmbare Spickmanschetten und selbstkorrigierende Tinte. Bedauerlicherweise gibt es in jedem Jahrgang mindestens einen Schüler oder eine Schülerin, die glauben, die Regeln der Zaubererprüfungsbehörde umgehen zu können.
Darüber hinaus soll ich ihnen von unserer neuen Schulleiterin –", Professor Flitwick sagte das Wort Schulleiterin so, als würde es ihn belustigen, „ausrichten, dass schummeln aufs strengste bestraft wird, weil Ihre Prüfungsergebnisse natürlich einen Eindruck von der neuen Leitung geben wird.
Ich will sie noch einmal alle daran erinnern, wie wichtig diese Prüfungen für ihre zukünftige Laufbahn sein wird. Bedenken sie dies."
Auch wenn der Lehrer für Zauberkunst in diesem Moment nicht sagte, wir sollten es bedenken, bevor wir alle unsere Prüfungen in den Sand setzten, um Umbridge zu ärgern, war jedem klar, dass er genau das meinte. Die meisten Schüler sahen sich kurz gegenseitig an, doch niemand schien bei seinem Sitznachbarn ein Zeichen dafür entdecken zu können, dass er es vorhatte. Da die Slytherins allerdings eh eher hinter Umbridge standen und die Ravenclaws tendenziell die Schüler waren, die am meisten Stress wegen den Prüfungen machten, war das auch nicht wirklich verwunderlich. Die Kandidaten für solche Aktionen waren definitiv eher die mutigen Gryffindors. Bei ihnen gab es durchaus Leute, denen ich zutraute, zu vergessen, dass sie die Prüfungen für ihre eigene Zukunft schrieben.
„Professor", fragte ein Ravenclaw nach einer Minute des Schweigens, „gibt es einen Termin, an dem unsere Ergebnisse bekannt gegeben werden?"
„Man wird Ihnen irgendwann im Juli eine Eule schicken", wurde uns versprochen.
„Erst so spät?", fragte der Junge entsetzt, weshalb ich die Augen verdrehte. Wir hatten die gesamten Sommerferien, in denen wir uns keine Gedanken über unsere Zukunft machen mussten. Das sollte man genießen, anstelle sich zu beschweren. Aber wahrscheinlich gehörte er zu den Leuten, die nicht abschalten konnten und sich jeden Tag die schlimmsten Horrorszenarien ausdachten, was bei den Prüfungen herausgekommen sein könnte.
Am Sonntagabend kamen dann die Prüfer. Ich war mit Antiope und Bärchen noch draußen am See, um der angespannten Stimmung beim Abendessen zu entkommen, als die kleine Gruppe altehrwürdig aussehender Hexen und Zauberer ankam. Umbridge führte sie in Richtung des Schlosses und wirkte sehr zu meiner Freude ziemlich nervös dabei. Dass einer kleinen gebückten Hexe, die ein so faltiges Gesicht hatte, dass es aussah, als wäre es mit Spinnweben überzogen, die Abneigung gegen die Lehrerin förmlich ins Gesicht geschrieben war, half vermutlich auch nicht dabei, dass sie sich wohler fühlte.
In diesem Moment kamen Antiope und Teddy mit dem Ball wieder. Das Spielzeug wurde mir auffordernd hingehalten, weshalb ich es entgegennahm und noch einmal warf. Die beiden Hunde rannten hinterher, weshalb ich wesentlich gemächlicher folgte. Da der Ball in der Nähe des Weges gelandet war, sahen nun auch die Prüfer zu uns herüber. Ich ignorierte sie allerdings geflissentlich. Ab morgen würde ich noch genug Zeit mit diesen Leuten in einen Raum verbringen müssen, da musste ich ihnen nicht jetzt schon meine Aufmerksamkeit schenken. Jetzt waren die beiden Tiere dran.
„Wie ich sehe, sind nicht alle Fünftklässler mit Lernen beschäftigt", stellte die Frau, welche Umbridge so offensichtlich nicht mochte fest. Der leicht säuerliche Blick der Schulleiterin glitt zu mir. Wir hätten also den Eindruck machen sollen, als hätten wir nichts anderes als Lernen im Kopf. Na ja, selbst Schuld, denn die Hunde brauchten nun einmal Bewegung. Wäre es ihr so wichtig gewesen, hätte sie für die zwei Wochen eben einen Hundesitter anstellen sollen.
„Ms Black hält sich für hochbegabt. Wir werden wohl morgen in den Prüfungen herausfinden, wie viel dran ist", antwortete Umbridge spitz.
Oh ja, das würden wir. Die Lehrerin würde blöd gucken, denn jetzt war ich mir sehr sicher, auf meinem Zeugnis würden nur Ohnegleichen am Ende stehen. Nur meine Schreibgeschwindigkeit konnte mir dabei in die Queere kommen, aber das würde ich schon packen. Notfalls würde ich den schriftlichen Teil bestimmt durch den Praktischen ausgleichen können.
„Ms Benett hatte schon einmal erwähnt, dass ihre Stieftochter ein fotografisches Gedächtnis hat. Und selbst wenn sie es nicht hätte, wären Lernpausen nur gesund. Ms Black, ihre Stiefmutter lässt ihnen ausrichten, dass sie ihnen viel Erfolg für ihre ZAG wünscht. Genießen sie ihren freien Abend", wurde mir von der unbekannten Prüferin geraten.
„Danke", brachte ich mangels einer besseren Antwort heraus. Ich wusste nicht wirklich, was ich mehr dazu sagen sollte. Ich meine, ich wusste bisher nur zwei Sachen von ihr: Sie war Prüferin und kannte offensichtlich Yasmine.
Mir wurde noch einmal höflich zugenickt, bevor die unbekannte Frau einfach weiter lief. Umbridge brauchte noch eine Sekunde, um alles zu verarbeiten, dann lief sie ihr schleunigst nach. Ich wandte mich einfach wieder den beiden Hunden zu. Im Laufe der nächsten zwei Wochen würde ich bestimmt wenigstens den Namen der Unbekannten herausfinden. Vermutlich würde es ausreichen, gleich Yasmine nach ihr zu fragen. So viele Prüferinnen hatte sie bestimmt nicht im Ministerium getroffen, mit ihnen über meine ZAG gesprochen und darum gebeten, mir viel Erfolg auszurichten.

Tatsächlich hatte Yasmine nur mit einer Griselda Marchbanks über mich geredet. Mit meiner gestillten Neugierde und gespitzten Feder stand ich daher am nächsten Morgen vor der großen Halle, während wir alle darauf warteten, endlich hereinzudürfen, um unsere erste Prüfung zu schreiben.
Tatsächlich mussten wir länger warten, als ich gedacht hätte. Mit jeder Minute, die wir untätig vor dem Raum standen, wurde ich doch ein wenig nervöser. Natürlich hatte ich das Wissen, um diese Prüfung problemlos zu bestehen, aber würde meine Fähigkeit zu schreiben ausreichen? Und wenn nicht, was würde dann geschehen? Wenn ich keine einzige Prüfung bestehen würde? Durfte ich dann meine ZAG wiederholen oder wäre damit meine Bildungskarriere vorbei? Aber warum beschäftigte es mich überhaupt? Ich würde eh nicht lang genug leben, um meinen Abschluss für einen Beruf zu nutzen. Wahrscheinlich würde ich nicht einmal meine UTZ machen.
Erst um halb zehn gingen die großen Flügeltüren auf und wir durften klassenweise eintreten. Die langen Haustische waren alle weggeräumt worden, stattdessen standen dort nun ein Haufen Einzeltische herum. Auf jedem lag schon umgedreht ein Pergament mit den Prüfungsfragen, Feder, Pergament zum Schreiben und ein Tintenfass.
Professor McGonagall stand vorne und sah uns Schülern beim Hereinkommen zu. Sie wartete, bis wir alle auf unseren Plätzen saßen. Erst als Ruhe eingekehrt war, erhob sie ihre Stimme: „Sie können anfangen", wurde uns verkündet. Das riesige Stundenglas, welches ganz vorne auf dem Schreibtisch neben Ersatzfedern, Tintenfässern und Pergamentrollen stand, wurde umgedreht.
Fast zeitgleich drehten alle Schüler die Prüfungsfragen um. Auch ich machte es ihnen nach, während ich mich schon dafür bereit machte, möglichst schnell mein ganzes Wissen aufzuschreiben.
a) Nennen Sie die Beschwörungsformel und b) beschreiben Sie die Zauberstabbewegung, die erforderlich ist, um Gegenstände fliegen zu lassen.
Ich atmete noch einmal tief durch, dann sank meine Feder auf das Pergament und ich begann zu schreiben.

„Das war doch machbar, findet ihr nicht auch?", fragte Adina, als wir zwei Stunden später gemeinsam die große Halle verließen.
„Ich habe schnell genug geschrieben", stellte ich zufrieden mit mir selbst fest. Ich hatte tatsächlich zu jeder einzelnen Frage etwas schreiben können. Ob es nun immer genug war oder nicht, würde sich wohl erst im Nachhinein herausstellen, doch ich hatte ein gutes Gefühl.
Dieses Gefühl blieb auch noch die nächsten Tage. Jede Prüfung hinterließ bei mir den Eindruck, ich könnte wirklich, meine ZAG mit Noten bestehen, die mir später die Tür zu einem anderen Beruf als die Kopfgeldjagd eröffneten. Einem Beruf, welcher mir auch Spaß machen würde.
Gleichzeitig freute ich mich darüber, dass mit jeder beendeten Prüfung die Zeit, in der meine Freunde nur mit Lernen beschäftigt waren, ein wenig kürzer wurde. Ich mochte es nicht, dass sie keine Zeit mehr für mich hatten. Daher fieberte ich dem Ende der Phase ziemlich entgegen. Gleichzeitig blieb ich allerdings auch die ganze Zeit ein wenig nervös, auch wenn ich nicht genau wusste, warum. Mein Kopf wusste zwar, dass mein Abschluss egal war, aber mein Herz schien es noch nicht richtig verstanden zu haben.

Auch als wir am Mittwoch der zweiten Prüfungswoche um elf oben im Astronomieturm ankamen, hatte ich noch immer ein gutes Gefühl, was die Ergebnisse meiner ZAG anging, während ich gleichzeitig ein wenig nervös den letzten Prüfungen entgegensah. Voller Tatendrang stellte ich mein Teleskop auf und wartete darauf, endlich die leere Sternenkarte beschriften zu dürfen.
Als wir dann endlich loslegen durften, war ich irgendwie erleichtert darüber. Eine weitere Prüfung, die ich gleich hinter mir haben würde.
Professor Marchbanks und ein weiteres Mitglied des Prüfungskomitees schlenderten zwischen uns Schülern umher. Sie sahen dabei zu, wie die Positionen der Sterne und Planeten in unseren Karten eintrugen. Es herrschte Ruhe, nur das Rascheln des Pergaments, das gelegentliche Quietschen eines Teleskops, das auf seinem Stativ neu eingestellt wurde, und das Kritzeln der vielen Federn waren zu hören. Eine halbe Stunde verging, dann eine Stunde; die kleinen Quadrate aus gespiegeltem goldenem Licht, die unten am Boden flackerten, verschwanden allmählich, da die Lichter in den Schlossfenstern gelöscht wurden.
Ich hatte gerade das Sternbild Orion vervollständigt und wollte mich dem nächsten zuwenden, als unter uns das Schlossportal geöffnet wurde. Das Licht erleuchtete nun die Steintreppe und ein wenig vom Rasen unter uns. Ein paar Schüler lugten neugierig nach unten, ich allerdings ließ mich nicht davon ablenken. Vielleicht wollte ein Pärchen noch nachts heimlich ein Spaziergang unternehmen und war dumm genug, das Portal zu öffnen, oder ein Lehrer wollte an die frische Luft.
Das Portal schwang wieder zu, weshalb das Licht unter uns wieder verschwand. Ich stellte mein Teleskop scharf, sodass ich nun die Venus beobachten konnte. Ich wandte mich zu meiner Karte, um den Planeten darauf einzutragen. Dabei sah ich die sechs Gestalten, welche sich über den Rasen bewegten. Also definitiv kein Liebespaar. Vielleicht eine Freundesgruppe, die sich in den verbotenen Wald schleichen wollte? Dazu passte auf jeden Fall die Richtung, in der sie gingen.
Die sechs Gestalten waren aufgrund der Dunkelheit kaum zu sehen. Nur ihr Haarschöpfe waren dank des Mondlichtes gut zu sehen. Ich kniff meine Augen zusammen. Der Gang der pummeligsten Person, dem Anführer der kleinen Gruppe, kannte ich. Umbridge, fiel es mir nach wenigen Sekunden wie Schuppen von den Augen. Was sie wohl um diese Uhrzeit mit fünf Leuten auf dem Gelände wollte?
Ich sah noch einmal zu meiner Karte herüber. Nein, das hier war mir gerade wichtiger, als Umbridges komisches Verhalten. Bis ich von hier unten ankam, wäre die Lehrerin eh schon über alle Berge. Mal davon abgesehen würde ich meine Prüfung nicht aufs Spiel setzen, nur weil die Schulleiterin zu komischen Zeiten mit fragwürdiger Begleitung herumlief.
Ich notierte die Position der Venus, dann wandte ich mich wieder meinen Teleskop zu. Ich stellte es neu ein, nur um mich wieder meiner Karte zuzuwenden. Während ich die nächste Position notierte, war von weiter weg ein Klopfen zu hören, welches in der nächtlichen Stille über die Schlossgründe hallte. Kurz darauf folgte auch noch ein gedämpftes Bellen von einem großen Hund, weshalb Antiope neugierig ihren Kopf hoch.
„Sie sind wohl zu Hagrid gegangen. Vielleicht wird er rausgeworfen", murmelte ich meinem Haustier zu, strich ihr einmal über den großen Kopf, bevor ich mich wieder meiner Prüfung zuwandte. Der nächste Stern wollte gefunden und eingetragen werden. Das war wichtiger als der Rauswurf eines weiteren Lehrers. Vor allem weil Hagrid nicht unbedingt zu den Besten gehörte, weshalb ich ihm wohl kaum nachtrauern würde.
Ich konnte noch die Position von zwei weiteren Sternen notieren, da hörte man von unten Gebrüll. Jetzt spähte ich doch zu der fernen Hütte herunter. Hagrid schien seine Entlassung nicht wirklich gut aufzunehmen oder ging es dabei um noch mehr? Umbridge würde wohl kaum mit fünf weiteren Leuten einen Lehrer entlassen. Das war irgendwie nicht verhältnismäßig. Aber was wollte sie dann dort?
Ein trockenes Hüsteln war zu hören. Ich sah in die Richtung und entdeckte, dass das Geräusch von dem anderen Prüfer stammte.
„Nun versuchen Sie sich doch zu konzentrieren, Jungs und Mädchen", wurde uns von ihm mitgeteilt.
Ich seufzte leise und wandte mich wieder meiner Arbeit zu. Nach der Prüfung würde ich meine Nase in diese Angelegenheit stecken, nicht jetzt.
„Hmm - noch zwanzig Minuten", stellte der Prüfer fest.
Das waren die magischen Worte, die dazu führten, dass sich jetzt alle wieder auf ihre Karten konzentrierten. Keine sah mehr vorsichtig über die Brüstung, um herauszufinden, was dort unten vor sich ging, sondern alle waren wieder mit ihren Karten beschäftigt. Anscheinend wollte niemand seine Astronomieprüfung verhauen, weil er lieber Hagrids Hütte beobachtete, in der Hoffnung, etwas interessantes mitzubekommen.
Ein lauter Knall war zu hören. Mehrere Leute schrien „Autsch!", als sie sich mit den Enden ihrer Teleskope ins Gesicht stachen, während sie hastig nachsehen wollten, was unten vor sich ging. Ich ließ ganz automatisch ein Messer in meine Hand gleiten, während ich nach unten starrte. Das war definitiv keine einfach Entlassung und so ganz wusste ich noch nicht, wie ich damit umgehen sollte.
Hagrids Tür war aufgegangen, und im Licht, das aus der Hütte flutete, war er Recht deutlich zu erkennen: eine massige Gestalt, die brüllte und mit den Fäusten fuchtelte. Er war umringt von sechs Personen, die, den dünnen Fäden roten Lichts nach zu schließen, die sie in seine Richtung warfen, alle versuchten, ihn mit einem Schockzauber zu belegen.
„Nein", schrie Hermine laut.
„Meine Liebe!", sagte Professor Tofty in empörtem Ton. „Dies ist eine Prüfung!"
Das schien aber niemanden mehr zu interessieren. Mittlerweile beschriftete niemand mehr seine Sternkarten. Stattdessen sahen alle herab zu der Szene, die uns vor Hagrids Hütte geboten wurde. Noch immer flogen rote Lichtstrahlen umher, doch sie schienen keine Wirkung auf den Halbriesen zu haben. Anscheinend hatte der Lehrer etwas von der Zähigkeit eines Riesen abbekommen. Noch immer stand er aufrecht und soweit man erkennen konnte, kämpfte er. Schreie und Rufe hallten über die Schlossgründe; ein Mann rief: „Sei vernünftig, Hagrid!"
Hagrid brüllte zurück: „Zum Teufel mit vernünftig, so einfach kriegst du mich nich, Dawlish!"
Ich runzelte die Stirn. Dawlish war ein Auror, also war das wohl eine Festnahme. Aber aus welchem Grund? Mir fiel beim besten Willen nichts ein. Zwar wusste ich, Umbridge verdächtigte den Lehrer, für die zweite Nifflerplage von vor ein paar Tagen in ihrem Büro verantwortlich zu sein, aber zum einen hatte Hagrid damals unterrichtet, also besaß er ein Alibi, und zum anderen würde das wohl kaum eine Festnahme begründet. Obwohl einer der Niffler hatte wohl versucht, sie zu beißen, vielleicht wollten sie daraus irgendetwas konzipieren.
Nun war auch der kleine Umriss von Fang zu erkennen, welcher ganz offensichtlich sein Herrchen verteidigen wollte. Er sprang immer wieder die Zauberer an, die ihn umringten und dann mit einem Schockzauber ruhig stellten.
Antiope neben mir knurrte leise. Sie sah so aus, als überlege sie, gleich vom Astronomieturm zu springen, um den beiden zu Hilfe zu eilen. Da sie den Sprung aber nicht überleben würde, tat sie es zum Glück nicht. Sie drehte sich auch nicht um, damit sie die Treppen nehmen konnte.
Ich begann ihr beruhigend über den Kopf zu streicheln. Das war eindeutig nicht unser Kampf. Wir sollten uns nicht einmischen. Jemand anderes konnte Hagrid helfen.
Nachdem Hagrids Hund zusammengebrochen war, heulte dieser vor Wut auf. Er hob den Täter eigenhändig vom Boden und warf ihn nieder. Der Mann flog ungefähr drei Meter durch die Luft und stand nicht wieder auf. Ich pfiff leise durch die Zähne. Das hatte gesessen. Von Hagrid würde ich definitiv als Todesserin etwas Abstand halten. Auch wenn ich ihn mit Sicherheit leicht töten konnte, war es mir lieber, ihm aus dem Weg zu gehen. Schließlich wollte ich eigentlich niemanden umbringen, jedenfalls nicht für den dunklen Lord. Den Halbriesen einfach K.O. zu schlagen war ganz offensichtlich nicht ganz so einfach.
„Seht mal!", kreischte in diesem Moment Parvati Patil, die sich über die Brüstung lehnte und hinunter zum Schloss deutete, wo das Portal sich noch einmal geöffnet hatte. Wieder strömte Licht auf den dunklen Rasen und ein einzelner langer schwarzer Schatten wellte sich nun über das Gras.
„Nein, also wirklich!", sagte der Prüfer besorgt. „Sie haben nur noch sechzehn Minuten!"
Aber niemand achtete auf ihn: Wir alle beobachteten die Person, die nun zu dem Kampf vor Hagrids Hütte eilte. Das war aber auch wirklich wesentlich spannender als die Astronomieprüfung.
„Wie können Sie es wagen!", rief die Gestalt – der Stimme verriet eindeutig Professor McGonagall – im Laufen. „Wie können Sie es wagen! Lassen Sie ihn in Ruhe! In Ruhe, sage ich! Mit welchem Recht greifen Sie ihn an? Er hat nichts getan, nichts, was rechtfertigen würde –"
Erneut schrien einige der Schüler auf. Die Gestalten um die Hütte hatten sich umgedreht und einfach vier Schockzauber auf die Professorin abgeschossen. Auf halbem Weg zwischen Hütte und Schloss wurde sie vollkommen unvorbereitet getroffen. Für einen kurzen Moment schien sie förmlich rot zu leichten, dann riss es sie glattweg von den Füßen. Sie viel hart auf den Rücken und blieb reglos liegen.
Der Griff um mein Messer wurde noch etwas fester, während sich meine Gedanken sich im Kreis drehten. Jemand musste sofort zu der Lehrerin, sehen, wie es ihr ging. Vier Schockzauber auf einmal waren schon gefährlich genug und die Lehrerin war auch nicht mehr die Jüngste. Ich musste dorthin, um ihr zu helfen. Ich könnte die sechs gegnerischen Zauber mit Sicherheit aufhalten. Sollten sie sich doch an einem vernünftigen Schutzschild die Zähne ausbeißen. Aber ich durfte nicht. So gerne ich auch Professor McGonagall helfen wollte, so wie sie es bei mir die letzten Jahre getan hatte, das hier war eine weitere Prüfung, um zu zeigen, dass ich nicht auf Dumbledores Seite stand. Als Teil der Todesser würde ich auch niemanden mehr retten können.
Also blieb ich regungslos stehen, starrte weiter auf die Szene unter mir, während die Wut in meinem Bauch kochte.
„Würgende Wasserspeier!", rief nun auch der Prüfer, welcher die Prüfung ebenfalls völlig vergessen zu haben schien. „Ohne jede Vorwarnung! Was für ein empörendes Verhalten!"
„FEIGLINGE!", brüllte Hagrid; seine Stimme war oben im Turm deutlich zu hören und im Schloss gingen mehrere Lichter wieder an. „VERDAMMTE FEIGLINGE! DA, NEHMT DAS – UND DAS –"
„O du meine –", keuchte Hermine.
Hagrid versetzte den Angreifern, die ihm am nächsten waren, zwei kräftige Schwinger; da sie augenblicklich zusammenbrachen, hatte er sie offenbar glatt ausgeknockt. Kurz bückte sich Hagrid und für einen kurzen Moment überlegte ich, ob er jetzt nicht doch getroffen worden war. Als er sich wieder aufrichtete, erkannte ich allerdings, dass er den geschockten Fang auf den Arm hatte.
„Pack ihn, pack ihn!", schrie Umbridge, doch ihr verbliebener Helfer schien überhaupt nicht erpicht darauf, in Reichweite von Hagrids Fäusten zu kommen. Tatsächlich wich er so schnell zurück, dass er über einen seiner bewusstlosen Mitstreiter stolperte und stürzte. Hagrid, der Fang immer noch um den Hals trug, hatte sich umgedreht und fing nun an zu rennen. Umbridge schickte ihm einen letzten Schockzauber nach, traf ihn aber nicht. Und Hagrid, der in Windeseile auf die fernen Schlosstore zu rannte, verschwand in der Dunkelheit. Die Festnahme war wohl nicht gelungen.
Eine lange Minute bebenden Schweigens trat ein, in der alle mit offenem Mund auf die Schlossgründe blickten. Dann meldete sich der unbekannte Prüfer mit schwacher Stimme zu Wort: „Ähm ... Sie haben noch fünf Minuten."
Ich wandte mich wieder meiner Karte zu. Noch immer mit der schrecklichen Wut im Bauch, weil Umbridge es gewagt hatte, Professor McGonagall so unfair aufzuhalten. Ich versuchte noch, die Karte zu Ende auszufüllen, doch es gelang mir nicht. Dafür war ich jetzt viel zu unkonzentriert.
„Wir kriegen wohl jetzt einen vernünftigen Lehrer für Verteidigung", stellte Draco zufrieden fest, als wir die Treppen nach unten liefen.
„Du willst es doch eh abwählen", murmelte Adina. Die Wassernymphe war ganz blass um die Nase und starrte vor sich ins leere. In ihren Augen war die pure Panik zu sehen. Woran sie wohl dachte? Hatte sie auch Angst um Professor McGonagall? Das konnte ich mir aber kaum vorstellen, schließlich stand sie ihr nicht wirklich nahe. Oder hatte sie Angst, irgendwann würde sie Hagrid sein und die Auroren würden sie festnehmen wollen. Schließlich hatte sie nicht die Haut eines Halbriesen, an welcher die Flüche einfach abprallten.
Mal wieder fragte ich mich, ob es eine gute Idee gewesen war, die Wassernymphe in das Doppelagentenleben mit hereinzuziehen. Ich liebte sie wirklich über alles, aber eigentlich war sie nicht hart genug für dieses Leben.
Doch solange wir noch in dieser Formation unterwegs waren, konnte ich meine beste Freundin wohl kaum auf ihre Probleme ansprechen. So konnte sie nicht offen sprechen. Gerade konnte ich sie aber auch schlecht von den anderen trennen. Es war Nachtruhe und offiziell mussten wir jetzt zurück zum Gemeinschaftsraum.
Ich sah zu Susanne herüber, die neben mir die Treppe herunter stiefelte und dabei ebenfalls besorgt zu Adina herübersah. Ich stupste meine Cousine leicht an, welche fragend zu mir sah. Wortlos teilte ich ihr wieder mit kurzen unauffälligen Handzeichen mit, dass ich mich schon um Adina kümmern würde, während sie herausfinden sollte, wie es der Verwandlungslehrerin ging. Ich bekam ein kurzes Nicken als Antwort.

Im Gemeinschaftsraum wollte erstmal niemand ins Bett gehen. Alle waren noch viel zu aufgedreht aufgrund der Ereignisse, rannten durch den Gemeinschaftsraum und berichteten jeden, was man beobachten konnte. Adina ließ sich wortlos auf ein Sofa fallen, zog ihre Beine an sich heran und blieb einfach so sitzen.
Ich war wirklich dankbar, dass in diesem Moment schon Arienne aus dem Gang zu den Mädchenschlafsälen kam. Sie entdeckte uns und steuerte zielstrebig auf Adina zu.
„War die Prüfung so schlimm?", fragte sie mitfühlend und tätschelte der Wassernymphe die Schulter.
„Nicht die Prüfung, aber die Festnahme von Hagrid", flüsterte ich ihr leise zu. „Umbridge kam mit fünf Auroren. Er konnte entkommen, aber Professor McGonagall haben sie gleichzeitig mit vier Schockzaubern getroffen. Susanne ist schon los, um herauszufinden, wie es ihr geht."
„Sicherlich nicht gut", stellte meine große Schwester fest und sah misstrauisch zu mir herüber.
„Ich weiß. Vier Schockzauber können tödlich sein", gab ich niedergeschlagen zu. Arienne schien aufgrund von meinem traurigen Tonfall einmal erleichtert aufzuatmen, bevor sie mir mit einer Hand über die Haare strich.
„Das wird schon alles wieder", wurde uns beiden versichert. „Passt nur gut aufeinander auf, wenn ihr weg seid."
Ich wusste genau, was sie mit weg sein meinte. Beim dunklen Lord sollten wir gut aufeinander acht geben. Wir sollten uns gegenseitig beschützen, uns gegenseitig den Rücken decken. Und sehr wahrscheinlich sollte Adina auch sehr genau darauf achten, ob ich Anzeichen meines Fluches zeigte. Ein Krieg war schließlich der perfekte Auslöser für ihn.


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