Kapitel 46

Zweieinhalb Wochen hielt nun schon der Frieden zwischen Pansy und mir an. Es fühlte sich tatsächlich besser als gedacht an. Vielleicht lag das aber auch daran, dass ich jetzt wirklich mehr Verständnis für meine mopsgesichtige Klassenkameradin hatte.
Es war wirklich sehr angenehm, morgens nicht mehr einen bösen Blick abzukriegen, sondern ein freundliches „Guten Morgen". Wenn ich nach dem morgendlichen Spaziergang mit Adina wiederkam, beeilte sich Parkinson jetzt ein wenig, falls sie noch das Bad blockierte, anstelle noch ein wenig mehr zu trödeln, und bei den Mahlzeiten konnten wir doch tatsächlich als Gruppe über die Lehrer reden.
Auch jetzt saßen wir als Gruppe zusammen beim Abendessen. Die Mädchen aus meinem Schlafsaal redeten mit Roux über irgendeinen Artikel in der letzten Ausgabe der Hexenwoche, während ich mal wieder zeichnete. Nicht nur Pansy schien froh zu sein, dass die Freundschaft zu Adina gerade wieder auflebte, auch die Wassernymphe schien es sehr zu genießen, wieder mit jemanden über den neusten Tratsch der Zaubererwelt reden zu können.
Als ich Pansy vorgeschlagen hatte, das Kriegsbeil zwischen uns zu begraben, hatte ich ehrlich gesagt nicht damit gerechnet, dass es so gut klappen würde. Natürlich war ich davon ausgegangen, wie würden uns nicht mehr an zicken, aber ich hatte gleichzeitig mit etwas in Richtung von unterkühlter Höflichkeit gerechnet. Doch jetzt war es gar nicht einmal unterkühlt, sondern wir gingen echt gut miteinander um. Distanziert ja, aber trotzdem sehr freundlich.
Draußen vor der große Halle war ein lauter Knall dicht gefolgt von dem Schrei einer Frau zu hören. Ich sah alarmiert auf, während die meisten anderen Leute eher neugierig in Richtung der großen Flügeltüren sahen. Da diese allerdings geschlossen waren, konnten sie so nichts sehen.
Auch die Lehrer wirkten ziemlich alarmiert. McGonagall blickte zuerst zu dem leeren Platz von Dumbledore, dann stand sie auf. Mit großen Schritten durchquerte sie die große Halle.
Ich machte es ihr gleich. Auch wenn ich nicht glaubte, dass wirklich eine Gefahr vor der Tür lauerte, wollte ich nichts riskieren. Wenn dort ein Feind stand, würde ich mit ihm kurzen Prozess machen, lange bevor eine Nymphe oder Harry erreichen könnte. Vermutlich auch, bevor irgendein anderer Schüler verletzt worden wäre.
McGonagall öffnete die große Flügeltür, weshalb man nun die Szene in der Eingangshalle sah.
Professor Trelawney stand dort. Ihr Haar sträubte sich, ihre Brille saß schief, so dass ein Auge stärker vergrößert war als das andere; ihre unzähligen Schals und Tücher flatterten ihr kunterbunt von der Schulter, und man hatte den Eindruck, sie würde aus den Nähten gehen. In einer Hand hielt sie ihren Zauberstab, in der anderen eine leere Sherryflasche, während sie Professor Umbridge anstarrte, welche gerade gebieterisch die Treppe herunterlief.
Neben der Wahrsagelehrerin lagen zwei große Koffer. Einer war umgestülpt und sah ganz danach aus, als wäre er hinter ihr die Treppe hinuntergeworfen worden.
Jetzt, wo klar war, dass nichts Gefährliches gerade passierte, strömten auch die anderen Schüler aus der Halle, um eine möglichst gute Sicht auf die Szene zu haben. Adina und die anderen Slytherin-Mädchen schoben sich zu mir nach vorne durch.
„Nein!", kreischte die unbekannte Frau. „NEIN! Das kann doch nicht wahr sein ... ich kann nicht ... ich weigere mich, dies hinzunehmen!"
„Sie haben nicht erkannt, dass dies geschehen würde?", fragte Umbridge mit ihrer hohen, mädchenhaften Stimme, die grausam und amüsiert klang. „Zwar sind Sie nicht einmal imstande, das Wetter von morgen vorherzusagen, aber Sie müssen doch wenigstens erkannt haben, dass Ihre jämmerliche Leistung während meiner Inspektionen und das Ausbleiben jeglicher Verbesserung es unvermeidlich machen würden, dass man Sie entlässt!"
Wer wohl der Ersatz werden würde? Ob Dumbledore wohl schnell genug einen Ersatzlehrer anschleppen konnte. Vielleicht sollte ich Jessica oder Cecilia fragen, ob sie nicht kommen wollten.
„Das - k-können Sie nicht tun!", heulte Professor Trelawney, während hinter ihren gewaltigen Brillengläsern ihre Tränen übers Gesicht hervorströmten. „Sie k-können mich nicht entlassen! Ich b-bin seit sechzehn Jahren hier! H-Hogwarts ist mein zuhause!"
„Es war ihr Zuhause", erwiderte Umbridge. Ihr Krötengesicht wurde vor Vergnügen noch ein wenig breiter, als sie sah wie die gefeuerte Lehrerin, auf ihren Koffern haltlos schluchzend niedersank. „Bis vor einer Stunde, als der Zaubereiminister Ihre Entlassungsorder gegenzeichnete. Nun entfernen Sie sich freundlicherweise aus dieser Halle. Sie sind eine Zumutung für uns."
Dann sollte Umbridge gleich mitgehen. Wenn hier jemand eine Zumutung war, dann sie.
Trelawney kam der Aufforderung nicht nach. Sie blieb auf ihren Koffer sitzen, schauderte, stöhnte und wurde von ihren Weinkrämpfen geschüttelt, während sie sich selbst Hin und Her wiegte. Umbridge beobachtete das ganze mit hämischen Vergnügen. Was für eine blöde Kröte diese Frau doch war.
Rechts von mir war ein unterdrücktes Schluchzen zu hören. Als ich dorthin sah, erblickte ich Lavender Brown und Parvati Patil. Beide Mädchen hatten ihre Arme umeinander geschlungen und weinten leise. Musste man das verstehen? Trelawney war doch nur eine Lehrerin und was ich gehört hatte, nicht einmal eine sonderlich gute.
„Jetzt sieh nicht so verstört zu Brown und Patil. Die beiden glauben doch wirklich, Trelawney könnte wahrsagen", flüsterte mir Adina zu.
„Oh, sie kann es", widersprach ich. „Nur nicht auf Kommando. Entweder kriegen wir ihre wahren Visionen alle nicht mit, weil sie immer in ihrem Turm hockt, oder – und das halte ich für wahrscheinlicher – sie hat nur sehr selten eine richtige Vision."
„Und das weißt du weil –"
„Weil ich eine richtige Vision von ihr kenne. Eine gute Lehrerin wird sie deshalb nicht und so heulen muss definitiv auch nicht."
In diesem Moment löste sich Professor McGonagall aus der Menge. Sie marschierte geradewegs auf Professor Trelawney zu und klopfte dieser energisch auf den Rücken, während sie ein großes Taschenbuch aus ihrem Umhang zog.
„Hier, nehmen Sie, Sibyll ... beruhigen Sie sich ... putzen Sie sich damit die Nase ... so schlimm, wie Sie glauben, steht es nicht ... Sie werden Hogwarts nicht verlassen müssen ..."
Damit könnte die stellvertretende Schulleiterin sogar recht haben. Umbridge besaß die Autorität, Lehrer zu entlassen und Neue einzustellen, wenn Dumbledore keinen Geeigneten fand. Das Hausrecht für diese Schule besaß sie allerdings nicht.
„Ach, tatsächlich, Professor McGonagall?", fragte Umbridge mit tödlicher Stimme und trat ein paar Schritte vor. „Und mit wessen Autorität behaupten Sie dies ...?"
„Mit der meinen", hörte man in diesem Moment auch schon die tiefe Stimme von Dumbledore. Wie immer kam er in genau dem richtigen Augenblick, um den Tag zu retten.
Die eichenen Portaltüren standen nun weit offen. Schüler, die sich davor positioniert hatten, um besser die Szene zwischen Umbridge und Trelawney beobachten zu können, sprangen eilig bei Seite. Was der Schulleiter wohl draußen gemacht hatte? Bei dem dichten Nebel war er sicherlich nicht spazieren gewesen. Ob er wohl schon ein Bewerbungsgespräch geführt hatte?
Der Schulleiter ließ die Tür hinter sich weit offen. Ein eindeutiges Zeichen, dass dort noch etwas kam. Ich versuchte, etwas zu erspähen, während er auf die noch immer zitternde und tränenverschmierte Trelawney zulief, doch leider war nichts zu erkennen. Dafür war der Nebel zu dicht.
„Mit der Ihren, Professor Dumbledore?", sagte Umbridge mit einem besonders unangenehmen leisen Lachen. „Ich fürchte, Sie verkennen die Lage. Ich habe hier –", sie zog eine Pergamentrolle aus ihrem Umhang – „eine Entlassungsorder, die von mir und dem Zaubereiminister unterzeichnet ist. Gemäß dem Ausbildungserlass Nummer dreiundzwanzig hat die Großinquisitorin von Hogwarts die Befugnis, jeden Lehrer zu kontrollieren, auf Bewährung zu setzen und zu entlassen, der ihr – und das heißt mir – nicht den Leistungsanforderungen des Zaubereiministeriums zu entsprechen scheint. Ich bin zu dem Urteil gekommen, dass Professor Trelawney nicht den Erwartungen entspricht. Ich habe sie entlassen."
Jetzt sah ich neugierig zu Dumbledore. Ob er wohl auch schon längst die Lücke in Umbridges Plan gefunden hatte, Trelawney von dem Schulgelände zu verweisen? Dem noch immer breiten Lächeln auf seinem Gesicht nach zu urteilen, war er es.
„Sie haben natürlich vollkommen Recht, Professor Umbridge. Als Großinquisitorin haben Sie durchaus die Befugnis, meine Lehrer zu entlassen. Sie haben allerdings nicht die Autorität, sie des Schlosses zu verweisen. Ich fürchte", fuhr er mit einer höflichen kleinen Verbeugung fort, „dass die Macht hierzu immer noch beim Schulleiter liegt, und es ist mein Wunsch, dass Professor Trelawney weiterhin auf Hogwarts leben möge."
Professor Trelawney stieß ein kurzes, wildes Lachen und einen kaum zu überhörenden Hickser aus.
„Nein - nein, ich g-gehe, Dumbledore! Ich w-werde Hogwarts verlassen und mein Glück anderswo s-suchen –"
„Nein", sagte Dumbledore scharf. „Es ist mein Wunsch, dass Sie bleiben, Sibyll."
Er wandte sich an Professor McGonagall.
„Dürfte ich Sie bitten, Sibyll wieder nach oben zu geleiten, Professor McGonagall?"
„Natürlich", rief McGonagall. „Stehen Sie auf, Sibyll ..."
Professor Sprout eilte sofort aus der Menge und nahm Professor Trelawneys anderen Arm. Gemeinsam führten die beiden Professorinnen die Wahrsagerin an Umbridge vorbei und die Marmortreppe hoch. Professor Flitwick lief hurtig hinter ihnen her, den Zauberstab vor sich ausgestreckt. Er quiekte: „Locomotor Koffer!", und Professor Trelawneys Gepäck hob sich in die Luft und folgte ihr die Treppe hoch, Professor Flitwick hinterher.
Professor Umbridge stand stocksteif da und starrte Dumbledore an, der immer noch wohlwollend lächelte.
„Und was", sagte sie in einem Flüsterton, der in der ganzen Eingangshalle zu vernehmen war, „machen Sie mit ihr, wenn ich einen neuen Wahrsagelehrer ernenne, der ihre Räumlichkeiten benötigt?"
Ich sah neugierig zur Tür. Dumbledore hatte immer alles in Hogwarts im Blick. Er hatte sicherlich auch schon vorher geahnt, dass Trelawney gefeuert werden würde. Das war schließlich nur eine Frage der Zeit gewesen. Ob dort wohl wirklich ein neuer Lehrer für uns im Nebel stand?
„Oh, das wird kein Problem sein", sagte Dumbledore freundlich. „Wissen Sie, ich habe bereits einen neuen Wahrsagelehrer gefunden, und er wird Räumlichkeiten im Erdgeschoss vorziehen."
Ich wusste es. Doch warum würde der Lehrer Räumlichkeiten im Erdgeschoss vorziehen? Hatte er ein Holzbein wie Moody? Oder saß er wie Samuel im Rollstuhl? War vielleicht einer von beiden hier? Aber sie kamen mir beide nicht wie Wahrsager vor.
„Gefunden –?", fragte Umbridge schrill, die sich wohl gar nicht darüber freute. „Sie haben einen gefunden? Darf ich Sie daran erinnern, Dumbledore, dass gemäß Ausbildungserlass Nummer zweiundzwanzig –"
„– das Ministerium das Recht hat, einen geeigneten Kandidaten zu ernennen, falls – und nur falls – der Schulleiter nicht in der Lage ist, einen zu finden", erklärte Dumbledore. „Und glücklicherweise kann ich behaupten, dass ich in diesem Falle
Erfolg hatte. Darf ich Sie einander vorstellen?"
Er wandte sich dem offenen Portal zu, durch das noch immer der nächtliche Nebel herein waberte. Hufgetrappel war zu hören. Ein erschrockenes Murmeln ging durch die Halle, und wer der Tür am nächsten stand, zog sich überstürzt noch weiter zurück, wobei manche in ihrer Hast, dem Neuankömmling den Weg frei zu machen, stolperten.
Aus dem Nebel kam ein Gesicht ein mir unbekanntes Gesicht: weißblondes Haar und verblüffend blaue Augen; Kopf und Oberkörper eines Mannes, der mit dem Pferdeleib eines Palominos verwachsen war.
Ein Zentaur. Einen besseren Wahrsagelehrer konnte man wohl kaum finden. Um das Fach zu wählen, war es wohl zu spät. Allerdings hatte ich bestimmt einen kleinen Bonus offen, weil ich Kiras Zwilling und Carolins Tochter war. Vielleicht brachte er mir ja so ein wenig etwas über die Deutung des Himmels bei. Ansonsten wusste Jessica sicherlich mindestens genauso viel darüber wie das andere Wesen.
„Dies ist Firenze", verkündete Dumbledore heiter der vom Donner gerührten Umbridge. „Ich denke, Sie werden ihn für geeignet halten."
Wenn nicht, konnte man der Frau wohl gar nicht mehr helfen.

Auch zwei Tage später war der neue Wahrsagelehrer noch Gesprächsthema Nummer eins. Egal, wo man hin hörte, die Leute redeten über den Zentaur und seine Unterrichtsmethoden, die wohl ziemlich anders als Trelawneys waren. Die meisten Leute fanden sie besser, was die Laune der ehemaligen Professorin bestimmt nicht besserte. Angeblich saß sie momentan in ihrem Turm und heulte sich noch immer die Augen aus. Dabei fand ich Dumbledores Angebot, sie dürfe bleiben, schon sehr gnädig.
Kira berichtete mir am nächsten Tag ganz begeistert, der neue Klassenraum für Wahrsagen sähe aus wie eine Lichtung des verbotenen Waldes, was meine Neugierde noch ein wenig mehr befeuerte. Allerdings hatte ich nach einer Nacht, darüber schlafen, beschlossen, nicht zu Firenze zu gehen. Es war ein wenig arrogant zu erwarten, dass so hochkomplexe Wesen mich aufgrund der Tiernymphengene automatisch genauso gerne hätten wie ein streunender Hund oder eine kleine Maus.
Nein, der Lehrer würde sich genauso wie ein normaler Mensch eine eigene Meinung über mich bilden. Beziehungsweise keine, schließlich war ich nicht in seinem Unterricht. Damit hätten wir sehr wahrscheinlich niemals Kontakt. Zum Glück hatte ich ja Sophia, die mein Wissen in diesem Bereich erweitern konnte. Auch wenn ich mir sehr sicher war, niemals die Sterne so gut wie ein Zentaur lesen zu können.
In diesem Moment war die Schulglocke zu hören, die das Ende der letzten Stunde des heutigen Tages verkündete. Das hieß auch, das Abendessen, wo ich gerade hinwollte, ging los.
Die Tür zum Wahrsageklassenraum wurde geöffnet. Die Schüler strömten heraus und tuschelten über die vergangene Stunde. Ich verlangsamte meine Schritte, um einen Blick auf die Waldlichtung zu ergattern. Wirklich viel konnte ich allerdings nicht sehen. Erst versperrten mir die Schüler den Blick, dann kam Firenze heraus.
„Ms Black", wurde ich freundlich begrüßt, weshalb ich im ersten Moment den Lehrer überrascht ansah. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass er meinen Namen kannte. Allerdings war es nur logisch, schließlich gab es nur eine Zwillingsschwester von Kira auf der Welt.
„Professor", erwiderte ich in einem ebenso freundlichen Ton und wollte eigentlich schon weiterlaufen, doch der Lehrer hielt mich auf.
„Auf ein Wort?", wurde ich gefragt.
„Sind sie sich da sicher? Laut Ausbildungserlass Nr. 26 dürfen sie mit Schülern nur über Unterrichtsstoff sprechen", stellte ich fest, lief aber schon mal mit Antiope im Schlepptau in Richtung des Klassenzimmers. Aus der Nähe konnte ich vielleicht einen Blick in den Raum werfen, auch wenn der Lehrer gleich zurückruderte.
„Es geht um meinen Unterricht", wurde mir höflich mitgeteilt.
Auch wenn ich mir sehr sicher war, was der Lehrer wollte, es würde sicherlich nichts mit dem Unterricht zu tun haben, den ich nicht gewählt hatte. Allerdings wollte ich mich auch nicht beschweren. Wenn ich die Chance hatte, mit dem Zentaur zu reden, würde ich mich über falsche angebliche Gründe nicht beschweren.
Also folgte ich jetzt noch neugieriger als vorher dem Lehrer ins Klassenzimmer und schloss hinter mir die Tür. Neugierig sah ich mich hier um. So wie Kira schon angekündigt hatte, war der Raum in eine Waldlichtung verwandelt worden. Der Boden war mit federndem Moos bedeckt. Überall wuchsen Bäume, dessen belaubten Zweige, die Fenster und die Decke weitestgehend verdeckten. Die schräg einfallenden Lichtstrahlen tauchten den Raum in ein grün gesprenkeltes Licht. Nicht einmal Stühle oder Tische gab es, sondern nur ein paar Felsbrocken, die man als Rückenlehne oder Sitzplatz nutzen konnte. An manchen Stellen sah man noch Reste von verbrannten Kräutern.
Ich machte es mir auf einen der Felsen im Schneidersitze gemütlich, während Antiope anfing, aufgeregt im Raum herumzuschnüffeln, so wie sie es normalerweise im echten verbotenen Wald machte. Anscheinend hoffte sie, hier irgendwelche anderen Tiere zu finden.
„Worüber wollen sie mit mir reden, Professor?", fragte ich neugierig nach.
„Ihre Schwester erzählte mir, sie interessieren sich für Wahrsagerei", wurde mir mitgeteilt. „Sie haben sich wohl in den Sommerferien mit den Prophezeiungen von Mopsos Noble beschäftigt."
Kira erzählte fremden Leuten wirklich mehr, als ihr guttat.
„Kannten sie ihn?", hakte ich weiter nach.
„Er war der Wahrsagelehrer vor Professor Trelawney. Ein sehr fähiger, der Wissen weit über die normalen menschlichen Kenntnisse besaß. Er kam regelmäßig bei uns Zentaur vorbei, damit wir ihn von unseren Beobachtungen des Himmels berichten konnten."
„Selbst die Sterne beobachten konnte er wohl nicht", stellte ich amüsiert fest.
„Er war blind."
Da war ich wohl mitten in ein Fettnäpfchen getreten.
„Wollen sie mir noch etwas über die Prophezeiung von ihm erzählen?", versuchte ich das Gespräch wieder in bessere Bahnen zu lenken.
„Nein, haben sie sich schon mal mit dem Sternenhimmel befasst?"
„In Astronomie. Bis letzte Sommerferien kannte ich noch niemanden, den ich für kompetent genug halten würde, mir etwas darüber beizubringen, wie man die wahren Botschaften ließt. Es ist keine menschliche Fähigkeit, sondern die den Zentauren."
Soweit ich wussten konnten es nicht einmal Apollon oder Jessica. Die Sterne konnten von Zentauren wie Briefe gelesen werden und auch genauso beeinflussen. Beziehungsweise, sie konnten es mal zu Zeiten der Götter. Jetzt war nur noch die Fähigkeit geblieben von Sternen zu lesen.
„Was ihr Wissen über magische Fähigkeiten angeht, scheinen sie ihrer Mutter und ihrer Schwester in nichts nachzustehen, Ms Black."
„Kannten sie auch meine Mutter?", hakte ich weiter nach.
„Nein, ich hatte nie die Ehre. Ihren Vater durfte ich einst kennenlernen. Vor dem Verrat an ihrer Mutter."
Ganz automatisch sah ich in den Himmel. Ob damals wohl die Sterne auch vor dem Verräter in dem Leben meiner Eltern gewarnt hatten? Hätten die Zentaur es verhindern können, hätten sie meine Mutter gewarnt? Hatte die Regel der Wesen, nicht in den Lauf der Zeit einzugreifen, dazu geführt, dass ich als Waise aufgewachsen war?
„Warnten die Sterne damals vor einem Verräter in ihrem Leben?", fragte ich mit überraschend brüchiger Stimme nach.
„Ja, Ms Black, seit ihrem sechsten Schuljahr."
Ich schluckte schwer. Schon in ihrem sechsten Schuljahr warnten die Sterne davor, dass es einen Verräter in der Nähe meiner Mutter gab? Schon so viele Jahre bevor meine Mutter gestorben war? Hatten sie etwa auch schon den Verrat von Pettigrew in Bezug auf die Familie meiner Mutter gesehen? All die Toten und das nur, weil die Zentauren dem Schicksal ihren Lauf lassen wollen?
Allerdings wollte ich nicht genau das Gleiche machen? Mein Schicksal einfach annehmen, anstelle mich dagegen zu wehren, dagegen zu kämpfen? Ich empfing den Tod mit offenen Armen, weil eine Prophezeiung mir als Gegenleistung die Rückkehr von Carolin und Maélys versprach. Also konnte ich eigentlich nicht den Zentauren vorwerfen, dass sie ähnlich mit dem Schicksal umgingen.
„Sagen die Sterne etwas Neues oder war das alles, was sie mir über die Sterne beibringen wollten?"
„Sie sprechen schon seit Ende des letzten Krieges davon, dass wir gerade nur eine kurze Stille erleben, bevor ein neuer beginnt. Mars, der Schlachtenbringer, leuchtet hell über uns und lässt ahnen, dass der Kampf bald wieder ausbrechen wird. Wie bald, das können Zentauren versuchen weiszusagen, indem sie gewisse Kräuter und Blätter verbrennen, Flamme und Rauch beobachten ..."
„Es sind wahrscheinlich nur noch wenige Wochen, vielleicht auch noch ein paar Monate, nicht wahr?"
„Ja, Ms Black, in diesem Sommer. Die Sterne verraten allerdings noch mehr. Sie sprechen von einer Prüfung für sie, Ms Black. Eine, die am Ende über Leben und Tod entscheiden wird."
Bisher fehlte es in meinem Leben aber auch wirklich an Drama. Jetzt erklärten mir auch noch die verdammten Sterne, dass meine Entscheidungen am Ende dazu führen würden, dass wir entweder alle drauf gingen oder Voldemort wortwörtlich einen Kopf kürzer wäre.
„Warum sagen sie mir das? Ich dachte, die Zentauren mischen sich nicht in den Lauf der Dinge ein", hakte ich weiter nach.
„Meine Herde hat mich verbannt, Ms Black. Sie betrachten es als Verrat an unserer Gattung, dass ich mich bereit erklärt habe, für Professor Dumbledore zu arbeiten. Das gibt mir die Gelegenheit, auch die anderen Gepflogenheiten meiner Herde zu überdenken. Uns wurde einst von einem von uns sehr respektieren Menschen gesagt, wir hätten die Pflicht, die Nymphen zu beschützen. Ich denke, er hat Recht, und ich denke auch, wir sollten diese Aufgabe auch dann wahrnehmen, wenn es den Verlauf der Zukunft ändern könnte."
„Das respektiere ich, Professor. Vielen Dank, für die Warnung."
In diesem Moment hörte man es an der Tür klopfen. Ein Teil von mir wollte hinter den Steinen in Deckung gehen, weil ich mir ziemlich sicher war, dieses Gespräch wäre nicht erlaubt. Vermutlich suchte Umbridge nur nach einem Grund, um den Zentaur wieder loszuwerden. Zum einen, um die Stelle endlich mit einem Verbündeten zu besetzen, zum anderen aber auch, weil ich mir ziemlich sicher war, sie hatte nichts für diese Wesen über. So wie leider viel zu viele Zauberer.
„Herein", rief Firenze in Richtung Tür, weshalb sie geöffnet wurde. Ich sah neugierig dorthin, allerdings war nicht Umbridge die Person, die mit einem vergnügten Lächeln den Raum betrat.
Dumbledore kam in den Raum spaziert. Er wirkte min seinem bunten Umhang irgendwie ziemlich fehl am Platz auf der Waldlichtung. Seine selbstbewusste Art, bis zu meinem Stein zu laufen, machte es allerdings wieder wett.
„Dumbledore", stellte Firenze unnötigerweise fest.
„Ich sehe, ich bin nicht der Einzige, der mit Ms Black ein kleines Pläuschchen halten will."
„Sie haben aber größere Auswahl bei den Themen. Der Ausbildungserlass Nummer sechsundzwanzig gilt dem Wortlaut nach nicht für Schulleiter."
„Welch ein wunderbares Privileg. Firenze, darf ich mir die junge Dame ausleihen?" Der Zentaur gab mit einem leichten Nicken seine Zustimmung, weshalb Dumbledore mir die Tür aufhielt. „Wie ich höre, beschäftigen sie sich in letzter Zeit des öfteren mit der Hexenwoche. Haben sie schon den Artikel über die Hochzeit von Myron Wagtail gelesen?"
Ich musste grinsen. Auch wenn es angenehm war, nicht schweigend an einen ruhigen Ort zu schleichen, mich wunderte es doch ein wenig, dass er keinen Wert mehr auf absolute Geheimhaltung legte. Auch wenn momentan Abendessen war, es hieß noch lange nicht, dass wir nicht gleich zwei Nachzüglern über den Weg laufen könnten.
„Nein, aber ich lese die Hexenwoche auch nicht", berichtete ich. „Sie wird nur bei mir im Schlafsaal viel gelesen und jetzt, wo Pansy und ich Frieden geschlossen haben, erzählt mir Adina nicht nur manchmal vom Inhalt, sondern ich werde sehr oft und ausführlich informiert. Auch über den Artikel. Mögliche Brautkleider wurden schon aufs genauste diskutiert."
„Das hört sich so an, als hätten sie ein paar neue Freunde gefunden, Ms Black. Ich hoffe, sie haben trotzdem noch Zeit für ein Tässchen Tee mit ihrem alten Direktor. Nach dem Abendessen. Natürlich ohne, dass andere Leute dies mitbekommen. Und sie sollten über meine übliche Frage nachdenken."
Die Frage, ob ich mir noch immer Sicher war, dass ich unseren Plan durchziehen wollte. Noch konnte ich einen Rückzieher machen, auch wenn ich es nicht vorhatte. Ich hatte meinen Platz gewählt und ich war bereit, den Preis dafür zu zahlen. Was zählte schon ein verkorkstes Leben für die Welt und zwölf eigentlich schon verlorene Seelen?

Dumbledore besaß wirklich guten Tee und die Kekse, die er dazu servierte, waren auch sehr lecker. Allerdings kamen sie nicht an die Ingwerkekse von Professor McGonagall heran. Vielleicht sollte ich nach diesem Treffen noch kurze einen Abstecher zu der Verwandlungslehrerin machen, um sie zu fragen, ob ich eine neue Dose bekam.
Meine beigelegte Fehde mit Parkinson hatte leider einen großen Nachteil. Die Keksvorräte, die ich von Professor McGonagall bekam, hatten nun noch mehr Abnehmer gefunden.
„Wie ist ihre Entscheidung, Ms Black?", fragte mich Dumbledore freundlich, nachdem wir beide ein wenig an unseren Teetassen genippt hatten.
„Die gleiche wie auch schon die letzten Monate. Ich werde mich nicht umentscheiden, Professor. Sirius und Marlon konnten mich davon nicht abbringen, Parkinson dann nicht einmal annähernd."
„Mit dieser Antwort hatte ich gerechnet, Ms Black. Professor Snape hat in Harrys Erinnerungen einen weiteren Traum gefunden. Den würde ich ihnen gerne zeigen."
Dumbledore stellte seine Teetasse bei Seite und holte sein Denkarium heraus. Anders als sonst hielt er sich aber nicht seinen Zauberstab an die Schläfe, um eine eigene Erinnerung dort herauszuholen, sondern schüttete den silbrigen Inhalt einer Phiole dort herein. Wahrscheinlich Snapes Erinnerungen daran, was er in Harrys Kopf gesehen hatte.
Ich nahm noch einen weiteren Schluck von meinem Tee, bevor ich selbst die Tasse bei Seite stellte, um erneut in fremde Erinnerungen einzutauchen.
Dieses Mal standen Dumbledore und ich in einem düsteren Raum mit zugezogenen Vorhängen, der nur von einem Kerzenleuchter erhellt wurde. Rechts von uns saß Voldemort auf einem Sessel und umklammerte mit seinen Händen die Lehne. Noch immer wirkte er mehr wie ein wandelndes Skelett mit scharlachroten, leuchtenden Augen und den Nüstern einer Schlange als wie ein Mensch. Ein wenig gruselig.
Links von uns und damit vor dem Sessel, im Lichtkreis der Kerzen am Boden, kniete ein Mann in einem schwarzen Umhang.
„Wie es scheint, hat man mich schlecht beraten", sagte der dunkle Zauber zornentbrannt, mit hoher, kalter Stimme.
„Herr, ich flehe um Vergebung", krächzte der Mann am Boden. Sein Hinterkopf schimmerte im Kerzenlicht. Er schien zu zittern.
Trotzdem hielt sich mein Mitleid für ihn ziemlich in Grenzen. Er war selbst schuld, dass er sich in diese Situation manövriert hatte. Wäre er klüger gewesen und wäre nie den Todessern beigetreten, müsste er jetzt auch keine Angst vor Voldemort haben. Jedenfalls vermutlich.
„Dir mache ich keinen Vorwurf, Rookwood", erklärte der dunkle Zauberer mit kalter, grausamer Stimme.
Er löste seine Finger von der Lehne und ging um den Sessel herum, auf den Mann zu, der am Boden kauerte, bis er direkt über ihm in der Düsternis stand.
Ich beobachtete gebannt die Szene. Jetzt konnte ich das erste Mal wirklich erleben, wie der dunkle Zauberer mit seinen Untertanen umging. Daraus konnte man viel mehr über ihn lernen als aus Erzählungen.
„Du bist dir dessen sicher, was du mir berichtet hast, Rookwood?", fragte Voldemort.
„Ja, Euer Lordschaft, ja ... ich habe schließlich in der Abteilung ... gear... gearbeitet ..."
Ob ich wohl auch eure Lordschaft sein würde, wenn ich mich auf Voldemort Seite stellte? Oder euer Ladyschaft? Aber wollte ich als Lady betitelt werden? Früher war das schließlich nur halb so viel wert, wie euer Lordschaft und ich wollte nicht nur halb so viel wert sein, wie der böse, alte Voldy.
Allerdings wollte ich auch nicht wie Voldemort „Euer Lordschaft" sein. Ich wollte meinen eigenen Titel. Vielleicht weiterhin Majestät, aber dadurch könnte sich dann Voldemort angegriffen fühlen. Schließlich stellte ich mich damit über ihn.
Die Auswahl meines Titels würde wohl noch kompliziert werden.
Und sollte ich auch wieder einen anderen Namen annehmen? Ich nannte mich im dritten Schuljahr Rona, um meine Verbindung zu meiner Adoptiv- und den Abstand zu meiner leiblichen Familie zu verdeutlichen. Als ich wieder ein Teil meiner leiblichen wurde, mischte ich meine beiden Namen und wurde Patricia Rona Primrose Black. Vielleicht sollte ich für diesen Abschnitt der Reise auch einen neuen Namen wählen. Nur welchen?
„Avery hat mir erklärt, Bode sei imstande, sie wegzunehmen."
„Bode hätte sie niemals an sich nehmen können, Herr ... Bode muss das gewusst haben ... zweifellos ist das der Grund, warum er so verbissen gegen Malfoys Imperius-Fluch gekämpft hat ..."
Bode. Der verrückte Kerl, der von der Teufelsschlinge getötet worden war. Er hatte also wirklich unter dem Einfluss des Imperius-Fluches versucht, die Prophezeiung zu holen. Ich habe Recht gehabt.
„Steh auf, Rookwood", flüsterte Voldemort.
Der kniende Mann stürzte fast zu Boden, so hastig versuchte er zu gehorchen.
Er hatte ein pockennarbiges Gesicht, das Kerzenlicht ließ die Narben scharf hervortreten. Er stand ein wenig gebückt da, wie halb in einer Verbeugung, und warf verängstigte Blicke hoch zu dem Gesicht seines Meisters.
„Du hast gut daran getan, mir dies zu sagen", erklärte Voldemort. „Sehr gut ... wie es scheint, habe ich Monate auf fruchtlose Vorhaben vergeudet ... nun denn ... ab jetzt beginnen wir von neuem. Sei der Dankbarkeit Lord Voldemorts versichert, Rookwood ..."
„Eure Lordschaft ... ja, Eure Lordschaft", keuchte Rookwood mit vor Erleichterung heiserer Stimme.
„Ich werde deine Hilfe brauchen. Ich brauche alle Informationen, die du mir geben kannst."
„Natürlich, Euer Lordschaft, natürlich ... alles ..."
„Nun gut ... du kannst gehen. Schick Avery zu mir."
Rookwood trippelte zurück, verbeugte sich und verschwand durch eine Tür.
Ich hoffte kurz, wir würden auch noch miterleben, was Avery bevorstand. Voldemort war ganz offensichtlich nicht zufrieden mit seiner Arbeit. Es würde sicherlich nicht schön für ihn werden. Allerdings hielt meine Hoffnung nicht lange, denn im nächsten Moment packte mich Dumbledore schon am Arm und wir stiegen empor, zurück ins Büro.
„Was sagen sie dazu?", wurde ich freundlich gefragt, nachdem wir wieder beide auf den Bürostühlen saßen.
„Avery hat wohl jetzt ein Problem", stellte ich trocken fest. „Und Rookwood wird wohl einen Plan ausarbeiten, um die Prophezeiung zu kriegen, der auch funktioniert. Das heißt, bald wird sich Voldemort wohl auf ein anderes Ziel konzentrieren. Vielleicht kommt er ja bald endlich zu mir.
Die Frage ist nur, wie er an die Prophezeiung kommen will. Sie war durch Zauber geschützt, weshalb nur Personen, um die es ging, sie nehmen konnten. Also musste entweder er selbst da einbrechen oder er musste Harry dazu bringen, sie für ihn zu klauen. Also ich wüsste, wer von beiden meine Wahl wäre. Ich musste wohl Sue sagen, sie sollte den Gryffindor auf gar keinen Fall in die Mysteriumsabteilung lassen.


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