Kapitel 21
Bei den zwölf Göttern, hatte ich das Frühstück in Hogwarts vermisst. So viel Auswahl und ich konnte mich durch alles durchfuttern. Gerade jetzt, wo ich mal wieder einen hohen Energieverbrauch hatte, konnte ich auch von all den leckeren Dingen essen, ganz ohne dass mir schlecht wurde. Joghurt mit frischen Erdbeeren, Pancakes mit Honig und gerade machte ich mich über wirklich leckere Apfeltartelettes her, von denen ich auch noch ein paar für zwischen den Unterrichtsstunden einpacken würde. Das Geburtstagsgeschenk der Hauselfen, eine von innen vergrößerte Butterbrotsdose mit zwei Innenfächern war wirklich eine sehr gute Idee gewesen. Die eine Seite für mein Futter, die andere Seite war meistens mit ein paar Kleinigkeiten für mein Haustier bestückt. Ich hatte wirklich die Angewohnheit sie ein wenig zu sehr zu verwöhnen.
„Black", hörte ich in diesem Moment die leise, schnarrende Stimme von Snape hinter mir.
„Professor Snape", stellte ich unnötigerweise fest, bevor ich mich mit meinem Essen zu ihm umdrehte.
„Ihr Stundenplan." Mir wurde ein Blatt Papier hingehalten.
„Danke. Haben sie am Lehrertisch auch welche von den Apfeltartelettes? Wenn ja sollten sie unbedingt eine essen, bevor sie zu ihrer ersten Stunde aufbrechen. Die sind wirklich hervorragend. Wenn nein, sollten sie eine von hier mitnehmen."
„Oder ich konfisziere ihre Butterbrotdose. Übergeben sie sich in meinem Unterricht in ihren Kessel, wird das Konsequenzen haben."
„Wie zum Beispiel ein T", schlug ich mit unschuldiger Mine vor.
„Gewiss, zusätzlich zu dem Nachsitzen bis an ihr Lebensende", wurde mir mitgeteilt.
„Bei ihnen?", fragte ich hoffnungsvoll. Vielleicht meinte er es ja nicht als Drohung, sondern suchte nur eine Ausrede um öfter mit mir über unser Doppelagentenleben zu plaudern.
„Bei Filch", kam die kühle Antwort.
„Den mag ich nicht. Ich teile meinen Vorrat, bevor mir schlecht wird", versicherte ich den Lehrer, welcher kurz nickte, bevor er sich an den nächsten Schüler wandte. Blaise, welcher neben mir saß und mal wieder einen Arm um meine Schulter gelegt hatte.
„Ihr Stundenplan, Mr Zabini." Meinem Freund wurde ebenfalls ein Blatt hingehalten, auf welchem seine Schulstunden eingetragen worden waren. Auch die anderen aus meiner Gruppe bekamen ihre Stundenpläne.
„Wir haben zuerst eine Freistunde!", freute sich Adina wie ein Honigkuchenpferd. Vermutlich würde sich das allerdings schnell ändern, wenn sie erfuhr, wofür ich unsere Freistunde nutzen wollte. Solange wir noch keine Hausaufgaben hatten, die uns auf Trab hielten, sollten wir möglichst viel Zeit damit verbringen, sie auf ihre Aufgabe als Doppelagentin vorzubereiten. Und das hieß auch, wir würden die beiden morgendlichen Freistunden dafür nutzen, ihre Kampffähigkeit auszubessern.
„Das heißt, wir haben Zeit für uns, Adina", stellte ich bestimmt fest. Ich warf meiner Klassenkameradin einen vielsagenden Blick zu.
Die Wassernymphe sah mich kurz misstrauisch an, bevor sie leise seufzte und schließlich nickte. Sie würde sich wieder von mir wieder auf die Matte schmeißen lassen. Immer und immer wieder. Bis ich irgendwann zufrieden mit ihrer Leistung war. Die Frage war nur, ob ich es irgendwann sein würde oder ob der Perfektionismus auch mit mir durchgehen würde. Gerade beim Kämpfen hatte ich an andere oft einen zu hohen Anspruch, was wohl auch daran lag, dass es mir so leicht viel. Aus diesem Grund wunderte es mich doch, wie lange Adina für Sachen brauchte, die mir mit dem Erwachen meiner Magie einfach zugefallen waren.
„Das heißt, wir sehen uns dann zu Zaubertränke", stellte mein Freund fest. Ich nickte. Ja, genau das hieß es.
„Ich setze mich neben dich", versprach ich ihm. „Und du kriegst noch einen Kuss." Ich drückte Blaise einen kurzen auf den Mund, was ihm ein schiefes Lächeln entlockte.
„Ich habe dich lieb, meine kleine Rose", wurde mir mitgeteilt, während ich meine Vorräte für den heutigen Vormittag in meiner Schultasche verstaute.
„Ich dich auch."
„Soll ich Bärchen und Antiope nehmen? Dein Wuschelhund freut sich doch bestimmt, wenn ich mit ihm und dem süßen Teddybären Franklin besuchen gehe."
„Der Niffler ist mal wieder bei Jamie. Als er sich zu Loony gesetzt hat, ist er aus seiner Tasche geklettert, um für ihn ein Messer zu klauen", grummelte Adina, wie eigentlich immer, wenn es um die Freundschaft der beiden Ravenclaws ging. Wann würde sie wohl endlich akzeptieren, dass ihr Freund die etwas seltsame und verrückte Blondine auch gerne hatte?
„Eure Hunde nehme ich trotzdem. Wenn Jamie will, werde ich auch Franklin zurück zum Stall bringen. Professor Raue-Pritsche sieht es bestimmt strenger als Hagrid, wenn ihr Unterrichtsmaterial einfach durch die Schule läuft. Obwohl ich nicht weiß, ob sie mit ihren Schülern Niffler durchnehmen würde."
„Niffler sind wirklich ungefährliche Geschöpfe. Die kann man wirklich gut im Unterricht durchnehmen", stellte ich klar. Auch wenn der Wildhüter wirklich kein Ass in seinem Job war und ich eigentlich ganz froh war, nun wieder eine Lehrerin zu haben, deren Ziel auch das bestehen der ZAGs war und nicht das durchnehmen von möglichst gefährlich eingestuften Wesen war. Auch wenn die Einstufung teilweise wirklich sinnlos war.
„Ari, kannst du eigentlich Adina und mich begleiten?", fragte ich an meine große Schwester gewandt, welche friedlich in ihrem Tagespropheten las. Neben ihrem Teller lagen auch noch die französische Tageszeitung und ihr Stundenplan.
„Ich habe Kräuterkunde, chiot. Wir sehen uns zum Mittagessen. Geh am besten Sue und Roux fragen, ob sie auch eine Freistunde haben. Sie müssten mittlerweile auch ihre Stundenpläne haben", wurde mir empfohlen.
Ich stand von meinem Platz auf. Mit einem kurzen Blick zu Adina stand auch sie auf. Sie hielt Bärchen meinen Freund hin, welcher den in einer Mini-Hogwartsuniform gekleideten Hund liebevoll auf seinem Schoß passierte.
„Passe auf, dass Franklin nicht die Knöpfe klaut", wurde noch eine Mahnung ausgesprochen, bevor mir die Wassernymphe folgte.
Weit kamen Adina und ich. Wir waren gerade an dem halben Haustisch von Slytherin abgelaufen, als wir an der Gruppe Erstklässler vorbeiliefen.
„Madam Vertrauensschüler" quetschte einer von ihnen heraus und sah ihm nächsten Moment auch schon ängstlich und unterwürfig zu Boden. Ich sah fragend zu ihm, doch bekam keine weiteren Informationen, was der Erstklässler nun von mir wollte.
„Soll ich jetzt Gedanken lesen?", fragte ich ungeduldig.
„Nein, Madam. Tut mir leid. Wir – ähm – der Weg zu unseren Räumen. Könnten sie uns helfen?", wurde ich vollkommen verängstigt gefragt.
Adina sah mich mit einem strengen Blick an. Sie war wohl der Meinung, auch das gehörte zu meiner Aufgabe als Vertrauensschülerin. Bei den zwölf Göttern, ich wusste doch, das Amt hätte besser jemand anderes kriegen sollen. So ganz durchblickte ich es immer noch nicht.
„Stundenplan her, Pergament und Federn raus", wies ich die Erstklässler an, welche ganz eilig den Anweisungen folgten. So falsch konnte mein bisheriges Vorgehen also nicht sein.
Ich begann die Wegbeschreibung herunter zu rattern, während die Elfjährigen so schnell wie sie konnten, mitschrieben. Keiner von ihnen sprach oder unterbrach mich, nur das leise Kratzen ihrer Federn war zu hören.
„Hört nicht auf die Weasley-Zwillinge. Ihr erkennt sie an den roten Haaren und Sommersprossen. Sie sind immer zu zweit unterwegs und können nicht unabhängig voneinander denken. Nehmt auf gar keinen Fall Süßigkeiten von ihnen an.
Auch auf den Poltergeist Peeves solltet ihr niemals hören. Mehr Anweisungen habe ich für euch nicht."
Ich sah zu Adina, welcher leicht den Kopf schüttelte.
„Du hörst dich wie Professor Snape an", wurde mir von der Wassernymphe mitgeteilt.
Ich biss mir auf die Unterlippe. Auch wenn ich persönlich sehr gut mit der Art des Lehrers klar kam, zugegebenermaßen ich gehörte auch zu seinen Lieblingen und musste deshalb nie die negativen Seiten seines Lehrstils am eigenen Leib miterleben. Bei seiner psychologischen Kriegsführung im Klassenzimmer war ich immer nur Zuschauer. Vielleicht sollte ich doch noch einmal mit Yasmine reden, und sie fragen, wie sie kleine Erstklässler unter Kontrolle hielt.
„Da vorne sind deine Cousinen." Adina zeigte auf die beiden Mädchen, welche mittlerweile nicht mehr am Gryffindortisch saßen. Stattdessen standen sie am Eingangsportal und sahen amüsiert in unsere Richtung.
„Lässt du die Kleinen mal wieder nach deiner Pfeife tanzen? Dein Auftritt mit dem Megafon war richtig gut. Ich sagte doch, wir machen aus dir noch eine richtige Anführerin", verkündete Sue sichtlich zufrieden.
„Adina findet, ich klinge wie Snape", murmelte ich etwas kleinlaut.
„Snape ist auch ein Anführer. Er weiß genau, wie er die Klasse unter Kontrolle bringt. Kurze klare Anweisungen, die befolgt werden. Darüber hinaus würde ich dir aber weniger psychologische Kriegsführung und mehr Kuschelkurs empfehlen", wurde mir mitgeteilt.
Ich gab ein leises Brummen von mir. Auch wenn ich diese Anweisung wirklich gerne befolgen würde, war ich mir nicht so sicher, ob ich das auch wirklich konnte. Wie ging man mit Erstklässlern auf Kuschelkurs, wenn man ihm nicht gerade kurze klare Anweisungen zu bellte? Doch das war wohl ein Thema für eine spätere Lektion.
„Adina und ich haben jetzt eine Freistunde. Ari nicht. Sie hat Kräuterkunde bei Professor Sprout. Habt ihr Unterricht?", fragte ich neugierig nach.
„Ich habe Zauberkunst. Ich freue mich schon auf Professor Flittwick", erzählte Roux glücklich.
„Ich habe keinen Unterricht", stellte Sue äußerst zufrieden fest. Automatisch fing ich an zu lächeln. Dann konnten wir zusammen Adina unterrichten. Auch wenn ich nicht wusste, ob es für die Wassernymphe ein Vorteil war, wenn Sue als geborene Perfektionistin mit mir versuchte, ihr etwas beizubringen. Beim Kampftraining waren wir schließlich beide nicht die Geduldigsten.
„Sue, du hast Geschichte der Zauberei", tadelte Roux sofort ihre ältere Schwester, welche allerdings nur desinteressiert abwinkte.
„Nein, hat sie nicht. Sie hat nicht gelogen, als sie meinte, sie hätte kein Unterricht", stellte ich fest. Die Alarmglocken in meinem Kopf waren nicht angesprungen, ansonsten hätten wir beide jetzt auch ein Problem. Umbridges Rede hatte für die nächsten zehn Jahre mein Bedarf an Lügen gedeckt.
„Ich habe Geschichte der Zauberei. Das ist aber kein richtiger Unterricht, sondern nur eine Möglichkeit länger zu schlafen. Für euch werde ich diese Möglichkeit ausschlagen."
Also mit anderen Worten, sie würde schwänzen, um mit uns trainieren zu können.
Ich machte mich am Schloss von meinem kleinen Rückzugsort zu schaffen. Ich war wirklich dankbar dafür, dass Dumbledore ihn nicht wieder abgebaut hatte, als ich beschloss, Hogwarts zu verlassen. Auch wenn ich in meinem letzten Jahr wesentlich weniger Zeit hier versteckt verbracht hatte, hatte ich mich doch gerne mal hierhin zurückgezogen. Und gerade in diesem Jahr war es natürlich praktisch, dass wir hier in Ruhe miteinander trainieren konnten. Auch wenn der Raum ein wenig zu klein für ein Training mit fünf Personen war.
Sehr zu meiner Überraschung musste ich die Tür nicht erst aufschließen. Sie war tatsächlich schon längst offen. Automatisch gab ich Sue mit einer Handbewegung ein Zeichen, sie solle auf Adina aufpassen. Mir gefiel es ganz und gar nicht, wenn jemand ohne meine Erlaubnis dieses Zimmer betrat. Vielleicht sollte ich mal endlich die Sicherheitsmaßnahmen erhöhen, damit man mit einem einfachen Alohomora nicht mehr hereinkam.
Ich öffnete blitzschnell die Tür. Mit meiner freien Hand formte ich wieder einen Zauber, welchen ich gleich auf den Eindringling abfeuern würde, wenn mir dieser nicht passte.
Auf meiner Trainingsmatte saß Professor Dumbledore im Schneidersitz. Mit seinem langen, weißen Rauschebart und dem bunten Umhang erinnerte er mich ein wenig an einen Prediger einer ziemlich durchgeknallten Sekte. Keiner der bösen Art, eher eine Sekte, bei der man sich fragte, was die Mitglieder und auch der Führer für Drogen eingeschmissen hatten, damit sie diese Theorien für realistisch hielten.
„Guten Tag, Ms Black. Ich hatte gehofft, sie für ein Gespräch unter vier Augen begeistern zu können", teilte mir der Schulleiter mit.
Ich sah ihn überrascht an. Jetzt wollte er ein Gespräch unter vier Augen? Seitdem ich ihm gesagt hatte, ich wolle Doppelagent werden, hatten wir nur noch ein ganz kurzes, bei dem ich ihm bat, auf meine beiden Väter zu achten. Da im nächsten Moment allerdings auch schon die Weasley-Zwillinge hereingeplatzt waren, gab es keine weiteren Informationen mehr für mich.
Danach war ich dem Schulleiter gar nicht mehr im Hauptquartier begegnet. Wenn ich kam, war er immer nicht da. Selbst wenn er noch fünf Minuten vorher dagewesen war. Ich hatte sehr den Verdacht gehabt, er würde mir aus dem Weg gehen, was ich wieder darauf geschoben hatte, dass er allen anderen eine angeblich sehr schlechte Beziehung zwischen uns vorgaukeln wollte.
Immer mal wieder bekam ich eine kurze Nachricht von Dumbledore durch Marlon mitgeteilt. Meistens war es nur etwas in die Richtung, ich solle mich gedulden, bei passender Gelegenheit würde Dumbledore ein Treffen arrangieren, bei dem wir alles klären könnten. Dass dieser Zeitpunkt nach meiner Ankunft Hogwarts war, hätte ich allerdings nicht gedacht.
Mein Blick glitt kurz zu Adina und Sue. Konnte ich die beiden wohl alleine lassen oder würde dann die ziemlich wackelige Freundschaft zwischen den beiden Fünfzehnjährigen wieder zerstört werden. Allerdings waren sie auch keine kleinen Kinder mehr. Sie waren fast erwachsen, da sollten sie wohl in der Lage sein, zwei Stunden miteinander zu trainieren, ohne sich gegenseitig den Kopf abzureißen.
„Ihr beide kommt wohl ohne mich klar. Seid nett zueinander und, Sue, sei nicht so perfektionistisch", wies ich die beiden an. Dann wandte ich mich zu Dumbledore, welcher mittlerweile aufgestanden war. Er nickte freundlich den beiden Frauen zu und wandte sich schon zum Gehen, blieb dann aber doch noch einmal stehen.
„Ich hätte schwören können, die Gryffindors des fünften Jahrganges hätten in zehn Minuten bei Professor Binns Geschichte. Nun, ich muss mich wohl irren, ansonsten wären sie schließlich dort, nicht wahr, Ms Allaire?", meinte er an Susanne gewandt, bevor er friedlich pfeifend den Raum verließ.
Die Perfektionistin zuckte nur ziemlich desinteressiert mit den Schultern. Ihr war es wohl ziemlich egal, dass der Schulleiter sie beim Schwänzen erwischt hatte. Wenn man seine Reaktion bedachte – obwohl eher die ausgebliebene Reaktion – war das Verhalten allerdings auch verständlich.
Ungeduldig wippte ich auf meinen Füßen hin und her, während ich darauf wartet, dass die sich selbst nach oben windende Wendeltreppe endlich am Büro des Schulleiters ankam. Hoffentlich würde mir Dumbledore nun endlich alle Informationen geben, die ich haben wollte. Zum Beispiel was für alte Magie Harry bei seinen Verwandten beschützen sollte.
Endlich kam die Wendeltreppe oben an. Professor Dumbledore öffnete die Tür, weshalb ich Professor Snape sehen konnte, welcher auf einem Stuhl vor dem Schreibtisch des Schulleiters saß und dort offensichtlich wartete.
„Setzen sie sich bitte, Ms Black." Der Schulleiter zeigte auf den noch freien Platz vor seinem Schreibtisch, während er sich hinter das Pult setzte. Brav kam ich der Aufforderung nach und ließ mich auf den leeren Sitzplatz fallen. Als Nächstes angelte ich mir auch schon ein Bonbon aus dem Glas auf Dumbledores Schreibtisch. Wie gut, dass der Schulleiter immer Süßigkeiten für seine Schüler übrig hatte.
„Wie ich sehe, läuft ihre Mission, die Freundschaft mit den beiden Malfoys wieder aufzubauen, sehr gut", stellte der Schulleiter fest, weshalb ich etwas unsicher anfing zu lächeln. Genau die Malfoy-Mission, die sich ohne Wissen von Dumbledore etwas verändert hatte.
„Ihr Onkel hat mir schon von Ms Malfoys Entscheidung berichtet. Und auch von Ms Junkers", stellte der Schulleiter fest.
„Das hat er mir gar nicht gesagt", stellte ich überrascht fest. Zwar waren wir uns einig gewesen, Dumbledore sollte es erfahren, trotzdem hätte ich gerne die Information gehabt, dass er es jetzt auch wusste. Wahrscheinlich hatte es Marlon allerdings nicht als furchtbar relevant angesehen, dass er dem Schulleiter nun von Adinas und Jessicas Entscheidung erzählt hatte, und es war einfach bei den ganzen Erzählungen vom Ordenstreffen untergegangen. An der Kommunikation mussten wir wirklich noch einmal arbeiten. Stille Post Spielen war wirklich ineffizient.
„Was für eine Entscheidung?", kam es misstrauisch vom Lehrer für Zaubertränke. Der Schulleiter sah kurz zu mir herüber, doch ich machte keine Anstalten, selbst von den zwei weiteren Doppelagenten zu erzählen.
„Nun, Ms Malfoy und Ms Junker haben beschlossen, sie werden Ms Black bei ihrer Mission unterstützen", stellte der Schulleiter fest.
„Sie wollen noch zwei weitere Mädchen einschleusen?", rief Snape aufgebracht.
„Ich bedenke nicht, sie davon abzuhalten", gab der Schulleiter seelenruhig zu.
„Ms Malfoy, ist nur eine fünfzehnjährige Schülerin", zischte der Lehrer für Zaubertränke. „Sie sollten sie schützen und nicht in diesem Krieg wie einen Bauern opfern! Und das Gleiche gilt auch für Ms Black!"
Automatisch verschränkte ich meine Arme. Mir war klar gewesen, dass Snape nicht begeistert sein würde, wenn er davor erfuhr. Bei den zwölf Göttern, ich wartete noch auf eine Standpauke von ihm, weil ich mich dafür entschieden hatte, Doppelagentin zu werden. Dass es nun noch eine weitere Schülerin und eine für ihn Unbekannte gab, die sich auf das Leben eingelassen hatte, passte ihm natürlich nicht.
Ich wusste bis heute nicht, ob es mir wirklich passte. Auch wenn Adina deshalb jetzt trainiert wurde, widersprach es doch irgendwie meinem Instinkt. Das Gleiche galt auch für Judy und Jessica.
„Adina will bei ihrer Familie bleiben. Ich habe ihr einen anderen Ausweg gezeigt, sie hat es abgelehnt. Sie liebt ihre Eltern und Draco, obwohl ihr Vater ein Todesser ist und sie damals entführt hat", verteidigte ich die Entscheidung der Wassernymphe.
Der Schulleiter nickte mir zufrieden zu.
„Als ich an Ms Black mit meiner Bitte herangetreten bin, hatte sie sich schon entschieden, Severus. Und ich habe sie auch nicht gebeten, anderen Nymphen ebenfalls anzuwerben."
„Damit hat Professor Dumbledore recht", pflichtete ich dem Schulleiter bei. „Ich habe mir im Sommer viele Gedanken darüber gemacht, wie wir den dunklen Lord aufhalten können und ich bin zu dem Schluss gekommen, mich ihm anzuschließen, ist der einzige Weg. Und nach reiflicher Überlegung habe ich entschlossen, auch ein paar der anderen in meinen Plan einzuweihen. Ich habe aber niemanden dazu überredet. Ansonsten hätte ich es auch Marlons maman machen lassen. Oder Ari und Azura. Die hätten aber mehr Nymphen für das Doppelagentenleben begeistern können. Sie müssen sich keine Sorgen um uns machen, Professor Snape. Die Götter haben uns für diesen Kampf erschaffen. Es ist unser Schicksal.
Mich würde viel mehr interessieren, warum Harry brav bei Onkel und Tante bleiben sollte, während wir ihn auch bei mir im Schloss in den Tresor sperren könnten. Vor allem verstehe ich nicht, warum sie ihn in Unwissenheit lassen. Durch Aufklärung kann wirklich viele Dinge verhindern. Ungewollte Schwangerschaften, flüchtende Harrys ..."
„Es ist besser, wenn Harry nicht alles weiß, Ms Black. Ich befürchte, Voldemort wird die Verbindung ausnutzen, sobald sie ihm klar wird. Er wird versuchen, gewaltsam in Harrys Geist einzudringen und seine Gedanken zu manipulieren. Aus diesem Grund werde ich mich auch weiterhin von ihm fernhalten."
„Sie sollten Harry beibringen, seinen Geist zu verschließen, wenn sie davor Angst haben und ihn danach aufklären", stellte ich fest.
„Das würde ihm nur unnötige Sorgen bereiten", entgegnete der Schulleiter.
„Am Ende ist es ihre Entscheidung. Harry gehört nicht zu meinem Aufgabenbereich. Aber wenn er als Zombie mit unserem übergeschnappten Lord im Kopf herumläuft, dann habe ich es ihnen gesagt. Und wenn er sauer wird, weil sie ihn wegstoßen auch. Insgesamt wenn der Plan schief läuft, ich habe es ihnen gesagt."
Auch wenn es mir gar nicht gefiel, dass Harry seinen Kopf nicht verschließen sollte, konnte ich mich schließlich nicht um alles kümmern. Ich betreute gerade die Ausbildung von drei Nymphen in Hogwarts, so wie ich Adina einschätzte, würde sie bald mit der Bitte kommen, Jamie einzuweihen, weshalb er auch noch ausgebildet werden müsste und die Beziehung zwischen mir und den Gryffindors musste ich auch noch elegant zum Einsturz bringen. Da konnte ich nicht auch noch Harry Okklumentik beibringen, vor allem weil ich selbst nicht wirklich gut in Legilimentik war. Im Gedankenlesen hatte mir Ares gerade einmal zwei Stunden erteilt. Vielleicht sollte ich den Erstklässlern beim nächsten Mal doch als Übung in den Kopf gucken, wenn sie nicht mit der Sprache herausrückten. Oder widersprach das dem Kuschelkurs?
„Wenn sich die Vermutung bestätigt und die Verbindung zwischen Harry und ihm wirklich so intensiv ist, wie ich befürchtete, wird Professor Snape ihm Okklumentik beibringen. Machen sie sich darüber keine Sorgen. Sie sollten jetzt aufbrechen, ihr Unterricht beginnt bald. Ich werde sie bald wieder zu mir bitten."
Der Zaubertranklehrer nickte kurz zur Bestätigung, sagte allerdings kein Wort mehr. Ich hatte allerdings auch nicht das Gefühl, er hätte mehr Mitspracherecht bei den Okklumentik-Lehrstunden als bei der Auswahl von Doppelagenten.
„Aber ich weiß noch immer nichts von der alten Magie, die Harry beschützt. Ich lasse mich nicht mit Halbwissen –"
„Ich werde ihnen alles erzählen, Ms Black. Bei unserem nächsten Treffen. Und dieses Mal lasse ich sie nicht so lange darauf warten."
Ich schnaubte missgelaunt. Dass ich überhaupt warten sollte, passte mir gar nicht. Von mir aus würde ich gerne Zaubertränke sausen lassen, um endlich die ganze Wahrheit über Harry zu erfahren. Allerdings wirkte Dumbledore gerade nicht so, als würde er auch bei mir darüber hinwegsehen, wenn ich den Unterricht schwänzte, daher musste ich wohl hin.
Lachend liefen wir in Richtung des Raumes für Verteidigung gegen die dunkle Künste. Auch wenn ich wusste, dass die wieder neu aufgeblühte Freundschaft zu einigen hier – vor allem zu meiner frischgewaschenen Socke – auf ziemlich wackeligen und falschen Beinen stand, ich mochte die Illusion und ein Teil von mir, freute sich darauf, dass ich die letzten drei Jahre meines Lebens in ihr leben durfte.
„Patricia, ich habe übrigens deinen Namen als Bewerber auf die Liste gesetzt. Samstag nach dem Frühstück wirst du unsere neue Treiberin", erzählte gerade Draco zufrieden.
„Das sehen wir dann Samstag", stellte ich klar. Noch hatte ich nicht beschlossen, am Ende auch in die Mannschaft einzutreten. Ohne Zweifel, das Talent dafür hatte ich, doch hatte ich auch den Teamgeist dafür? Ich meine, ich konnte wesentlich besser als noch in meinem ersten Schuljahr hier mit anderen zusammenarbeiten, doch reichte das? Und noch viel wichtiger, wollte das Team es dieses Mal wirklich mit mir versuchen oder musste Draco sie wieder überreden?
„Du wirst aufgenommen."
„Weil dein Vater die anderen mit Feuerblitzen bestechen wird, damit sie über meinen Charakter hinwegsehen?", fragte ich skeptisch.
„Wenn es notwendig ist, ja. Eigentlich dachte ich allerdings, ich muss eher dich mit einem Feuerblitz bestechen, damit du nicht wieder nein sagst", wurde mir breit grinsend mitgeteilt.
„Ich fürchte, ich bin nicht durch materielle Dinge bestechlich. Marlon kauft mir alles, was ich will."
„Kekse von Professor McGonagall funktionieren sehr gut. Sie verrät aber nicht, woher sie die hat, weshalb man ihr immer wieder eine Dose davon abschwatzen muss. Gar nicht mal einfach", gestand Blaise und drückte mit einen Kuss auf die Schläfe.
„Ich kriege immer mal wieder von ihr eine Dose geschenkt, seitdem Remus mich nicht mehr mit ihnen füttert", erzählte ich glücklich. „Eigentlich unnötig, weil sie mich auch fleißig beim Nachsitzen damit füttert. Sie korrigiert Aufsätze, ich schreibe welche, damit sie noch mehr Arbeit hat, und dabei gibt es Ingwerkekse und Tee."
„Bei dir hört sich Nachsitzen wie ein netter Nachmittag an", murmelte Draco etwas verstimmt.
Ich zuckte mit den Schultern. Das lag wohl daran, dass mein Nachsitzen auch schon lange nicht mehr das klassische war. Es ging nicht mehr darum, mich zu bestrafen, ich sollte mein Rückstand beim Lesen und Schreiben aufholen, was ich laut Professor McGonagall mittlerweile eigentlich auch fast geschafft hatte. Bis zu meinen ZAGs würde ich den Stand einer normalen Fünfzehnjährigen haben und sie somit auch problemlos meistern können.
Wir kamen am Klassenraum an. Professor Umbridge saß schon an ihrem Lehrerpult und beobachtete uns Schüler beim Hereinkommen. Sofort stellten sich wieder meine Nackenhaare auf, während ich misstrauisch zu ihr herübersah. Sie hatte noch immer diese blöde, flauschige, rosa Strickjacke von gestern Abend an. Auf ihren Kopf war noch immer diese große Fliege gebunden, weshalb die Lehrerin noch mehr wie eine übergroße Kröte wirkte, über deren Kopf ein wirklich dummes Insekt saß.
Wir liefen zu ein paar freien Plätzen herüber. Wie immer folgte mir Antiope auf Schritt und Tritt, um sich gleich unter meinem Pult zusammenzurollen.
Die Kröte ließ wieder dieses gekünstelte >Chrm, Chrm< hören, bevor sie sprach: „Keine Haustiere in meinem Klassenraum."
„Aber Antiope und Bärchen sind immer mit im Klassenraum. Sie stören nie", stellte ich verwirrt fest.
„Ich dulde keine Haustiere in meinem Klassenraum", wiederholte die Lehrerin, weshalb ich traurig zu meinem Wuschelhund sah. Ich mochte es, wenn sie als Fußwärmer unter meinem Tisch lag.
„Antiope warte bitte vor der Tür mit Bärchen. Ich mache euch noch Futter fertig. Und ihr kriegt Spielzeug. Für die nächste Stunde geben wir euch zu einem Hundesitter. Ari, Roux oder Jamie werden euch bestimmt gerne nehmen. Oh, Ari hat schon frei. Vielleicht kann sie euch nehmen. Sie ist in der Bibliothek. Hier hast du mein Rucksack, mein Armband, oh und ich gebe dir noch eine Botschaft –"
Sue hielt mir ein zusammengerolltes Stück Pergament vor die Nase. Die Botschaft für meine große Schwester.
„Also ihr habt Essen, Spielzeug, mein Armband und die Botschaft. Passt auf den Weg aufeinander auf, nehmt keine Snacks von Unbekannten oder den Weasley-Zwillingen und seid in der Bibliothek leise." Ich tätschelte meinen Hund noch einmal über den Kopf, bevor ich zu Adina sah, welche Bärchen aus ihrer Schultasche zog. Der kleine Hund in Hogwartsuniform strich ihr noch einmal wie eine Katze um die Beine, dann trapsten die beiden Hunde in Richtung Ausgang. Ich sah ihnen wehmütig nach.
Blaise legte mir eine Hand tröstend auf die Schulter, bevor er eine kleine Schachtel aus der Hosentasche zog und mir hinhielt. Ohrenstöpsel, damit ich Umbridges Lügen nicht hören musste.
„Danke", flüsterte ich ihm zu, um die Lehrerin nicht weiter aufzuregen. Ich ließ die Packung in meiner Rocktasche verschwinden, doch die neue Lehrerin sah einfach wieder dabei zu, wie die Schüler den Raum betraten. Kaum waren alle drinnen, ließ sie mit einem einfachen Zauber die Tür zufallen.
„Nun, einen guten Tag!", sagte sie, als sich alle gesetzt hatten.
„Guten Tag", grüßten einige murmelnd zurück.
Ich allerdings sah mal wieder etwas angewidert nach vorne. Die Floskel >Guten Tag< gehörte wirklich zu den Dingen, wo mein Lügendetektor gerne einen leisen Mucks von sich gab. Viele meinten sie nicht wirklich ernst, doch auch hier schrillten meine Alarmglocken wieder ungewöhnlich laut. Diese Frau wünschte uns einen richtig beschissenen Tag. Das oder meine Sinne waren aufgrund meiner stärkeren Magie noch mehr geschärft als früher. Vielleicht reagierte ich ja einfach nur etwas über, weil mir ihre kleinen Notlügen nun wie riesige, bösartige Lügen vorkamen.
„Tss, tss", machte Professor Umbridge. „Das reicht aber nicht, oder? Ich möchte doch bitten, dass Sie >guten Tag, Professor Umbridge< antworten. Noch einmal, bitte. Guten Tag, Klasse!"
„Guten Tag, Professor Umbridge", antworten dieses Mal alle im Chor.
„Schon besser", kam es ekelhaft zuckersüß von Umbridge. „Das war nicht allzu schwer, nicht wahr? Zauberstäbe weg und Federn raus, bitte."
Und jetzt viel es mir wie Schuppen von den Augen. Ich kannte diese Stimme. Ich kannte sie, weil ich sie schon auf der Verlobungsfeier von Blaises Mutter und zukünftigen Stiefvater gehört hatte. Diese blöde Kuh wollte Harry, Dumbledore und mich von der Schule ekeln. Kein Wunder, dass sie mir so furchtbar unsympathisch war.
Dass sie jetzt auch noch Verteidigung gegen die dunklen Künste ohne Zauberstäbe unterrichten wollte, machte es nicht wirklich besser. Das war zwar nicht überraschend, trotzdem war damit jetzt besiegelt, dass ich sie nicht leiden konnte.
„Ms Black, warum haben sie noch keine Feder in der Hand?", wurde ich zuckersüß gefragt. Etwas unsicher griff ich nach meiner Schreibfeder. Umbridge wandte sich an die Tafel, wo sie bestimmt mit ihrem ziemlich kurzen Zauberstab gegen klopfte. Sofort erschienen ein paar neue Wörter drauf:
Verteidigung gegen die dunklen Künste
Eine Rückkehr zu den Grundprinzipien
„Nun denn, Ihr Unterricht in diesem Fach war doch einigermaßen unstet und bruchstückhaft, nicht wahr?", stellte Professor Umbridge fest und wandte sich mit ordentlich gefalteten Händen wieder uns Schülern zu. „Der ständige Wechsel der Lehrer, von denen einige offenbar keinem vom Ministerium anerkannten Lehrplan gefolgt sind, hat leider dazu geführt, dass Sie weit unter dem Niveau sind, das wir in Ihrem ZAG-Jahr erwarten würden.
Sie werden sich jedoch freuen, zu erfahren, dass diese Probleme nun behoben werden sollen. Wir werden in diesem Jahr einen sorgfältig strukturierten, theoriezentrierten, vom Ministerium anerkannten Kurs durchführen. Schreiben Sie bitte Folgendes ab."
Erneut klopfte sie gegen die Tafel. Die bisherigen Wörter verschwanden und dafür waren nun neue zu lesen:
Ziele des Kurses
1. Verständnis der Grundprinzipien defensiver Magie.
2. Erkennen von Situationen, in denen defensive Magie auf rechtlicher Grundlage eingesetzt werden kann.
3. Den Gebrauch defensiver Magie in einen Zusammenhang mit praktischem Nutzen stellen.
Um mich herum schrieben fast alle die Wörter ab. Etwas verwirrt sah ich zu Blaise herüber, welcher tatsächlich ebenfalls alles aufschrieb. Aber warum, die Ziele des Kurses waren wirklich – sie waren einfach offensichtlich. Es kam mir so vor, als würde jemand einer Gruppe Muggelstämmiger erklären wollen, was denn nun Verteidigung war.
Ich sah zu Susanne, welche nur leicht mit den Schultern zuckte, bevor sie weiter Strichmännchen auf ihr Pergament kritzelte.
„Ms Black, warum schreiben sie nicht von der Tafel ab?", wurde ich nun spitz gefragt.
„Weil ich mir nie Notizen mache, Professor. Ich merke mir einfach alles."
„Natürlich, sie merken sich einfach alles. Andere Lehrer sind vielleicht nachsichtiger mit ihnen, Ms Black, weil sie bis vor zwei Jahren weder schreiben noch lesen konnten, doch in meinem Unterricht haben sie mitzuhalten. Wenn sie nicht mithalten können, sind sie in meinem Kurs falsch", wurde ich angezischt.
Ich ballte meine Hände zu Fäusten, während um mich herum die Leute anfingen zu flüstern. Umbridge hatte gerade eines meiner bestgehüteten Geheimnisse herausposaunt, hatte Parkinson neuen Stoff gegeben, um unsere Fehde auf eine ganz neue Stufe zu bringen. Ich weiß, Adina wollte mir beibringen, wie man nett zu so einer Person war, aber jetzt gerade war mir eher danach, ihr meine Schreibfeder ins Auge zu rammen.
„Ms Black, ich rate ihnen, jetzt sofort die Ziele abzuschreiben. Bevor sie das nicht getan haben, werde ich nicht die nächste Aufgabe bekannt geben und der Rest wird Hausaufgabe."
Oh, jetzt wollte diese blöde Kuh mich also durch Kollektivstrafen unter Druck setzen. Die wollte Kleinkrieg, den konnte sie haben!
Ich schnipste kurz mit den Fingern, weshalb alles, was heute auf der Tafel gestanden hatte, auf meinem Blatt stand. Und bei meinen Klassenkameraden gleich auch.
„Aber ich bin fertig. Sind wir alle", meinte ich und bemühte mich um einen süßen, engelhaften Ton. Die Frau kam bedrohlich langsam auf mich zu.
„Keine Magie in meinem Klassenraum! Wo ist ihr Zauberstab?"
„Den hat mein Hund, Professor. Er war in meiner Tasche."
„Lügen sie mich nicht an!"
„Haben die anderen Lehrer es nicht gesagt?", fragte ich gespielt überrascht. „Ich lüge nicht. Niemals. Sie dürfen mich gerne durchsuchen."
Die Lehrerin funkelte mich kurz wütend an, dann begann sie tatsächlich nach meinen Zauberstab zu suchen. Erst in meinen Unterlagen auf den Tisch, dann sollte ich aufstehen und sie tastete mich ab. Als sie bei mir keinen Erfolg hatte, begann sie auch noch bei Sue, bei welcher sie allerdings auch nur den der französischen Schülerin fand.
„Haben alle ein Exemplar der Theorie magischer Verteidigung von Wilbert Slinkhard?", fragte Professor Umbridge, als sie sich endlich mit der nutzlosen Durchsuchung fertig war.
Ein dumpfes zustimmendes Murmeln war zu hören.
„Ich glaube, das versuchen wir noch mal", sagte Professor Umbridge. „Wenn ich Ihnen eine Frage stelle, möchte ich, dass Sie mit >Ja, Professor Umbridge< oder >Nein, Professor Umbridge< antworten. Also: Haben alle ein Exemplar der Theorie magischer Verteidigung von Wilbert Slinkhard?"
„Ja, Professor Umbridge", schallte es nun durch die Klasse.
„Gut. Nun schlagen Sie bitte Seite fünf auf und lesen Sie >Kapitel eins, Allgemeinheiten für Anfänger< ich möchte keine Unterhaltungen hören."
Die wirklich unsympathische Lehrerin lief wieder zu ihrem Pult, hinter welchem sie sich niederließ und beobachtete uns alle mit wässrigen Krötenaugen. Ich schlug brav mein Lehrbuch, welches ich glücklicherweise nicht mehr in meiner Schultasche hatte, auf.
Gelangweilt begann ich auf die Seiten des Buches zu starren. Für die nächste Stunde sollte ich mich wirklich besser vorbereiten. Die Kopfhörer meines Walkmans konnte ich mir zum Beispiel durch die Ärmel fädeln, damit ich Musik hören konnte. Das Lesen des Schinkens konnte ich mir wohl sparen. Außer wir bekamen als Hausaufgabe auf, eine Zusammenfassung zu den Kapiteln zu schreiben.
Ich sah mich neugierig in der Klasse um. Die meisten Leute sahen noch immer schweigend auf ihre Bücher. Hermine allerdings hatte ihre Hand gehoben. Dabei starrte sie unverwandt Umbridge an. Diese gab sich allerdings sehr große Mühe, woanders hinzusehen.
Mehrere Minuten hielt Hermine ihren Arm oben. Immer mehr Schüler hörten auf zu lesen und sahen zu ihr. Schließlich waren es so viele, dass sich unsere Lehrerin wohl doch dazu gezwungen fühlte, die Muggelstämmige zu beachten.
„Wollten Sie eine Frage zu dem Kapitel stellen, meine Liebe?", wurde Hermine in einem Ton gefragt, welcher allen wohl weismachen sollte, sie wurde eben erst bemerkt.
„Nein, nicht zu dem Kapitel", gestand die Muggelstämmige.
„Nun, wir lesen es gerade", wurde ihr mit einem falschen Lächeln mitgeteilt.
Ich verdrehte die Augen aufgrund der Formulierung. „Wir" taten gar nichts. Die Lehrerin sah uns zu, während wir ihr blödes langweiliges Lehrbuch durchlesen sollten.
„Wenn Sie andere Auskünfte wünschen, können wir das am Ende des Unterrichts erledigen", schlug die Lehrerin zuckersüß vor.
„Ich möchte eine Auskunft über Ihre Kursziele", erklärte Hermine.
Professor Umbridge hob überrascht die Augenbrauen.
„Und Ihr Name ist?"
„Hermine Granger."
„Nun, Miss Granger, ich denke, die Kursziele sind vollkommen klar, wenn Sie sie sorgfältig durchlesen", sagte Professor Umbridge mit ausgesucht liebenswürdiger Stimme.
„Nun, mir nicht", erklärte Hermine geradeheraus. „Da steht nichts davon, wie man defensive Zauber einsetzt."
Eine kurze Stille trat ein. Viele der Schüler sahen noch einmal zu der Tafel, lasen sich stirnrunzelnd die drei Kursziele durch und schienen tatsächlich erst jetzt die fehlende Anwendung zu bemerken. So viel zum Thema Abschreiben. Es war wirklich eine extrem nutzlose Erfindung.
„Defensive Zauber einsetzt?", wiederholte die Lehrerin mit einem kurzen Lachen, welches die Frage wohl ins lächerliche ziehen wollte. Allerdings klang es ziemlich wackelig. Sie war nervös.
„Nun aber, ich kann mir nicht vorstellen, dass in meinem Klassenzimmer eine Situation eintreten könnte, die es erforderte, dass Sie einen defensiven Zauber einsetzen, Miss Granger. Sie erwarten doch nicht ernsthaft, im Unterricht angegriffen zu werden?"
Vielleicht nicht im Unterricht, aber auf den Fluren sah das wirklich anders aus. Wenn jemand mich kurz vor Vollmond mit meinem funktionalen Analphabetismus ärgern wollte, garantierte ich mit meinen gewachsenen Kräften wirklich für nichts.
„Wir brauchen keine Magie?", fragte nun auch Ron laut.
„Die Schüler und Schülerinnen heben die Hand, wenn sie in meinem Unterricht zu sprechen wünschen, Mr. -?"
„Weasley", kam es von dem Rothaarigen, brav mit in die Luft gestreckter Hand.
Die Lehrerin wandte sich mit einem noch breiteren Lächeln von ihm ab. Weasleys waren wohl nicht hoch genug im Kurs, damit sie auf ihre Fragen eine Antwort bekamen. Dafür hoben nun auch Harry und Hermine wieder ihre Hände. Die Professorin starrte einen Moment den Gryffindor an, bevor sie sich schließlich an die Muggelstämmige wandte.
„Ja, Miss Granger? Sie wollten etwas anderes fragen?", wurde die Gryffindor etwas ungeduldig gefragt.
„Ja", beantwortete Hermine diese wirklich offensichtliche Frage. „Der springende Punkt bei Verteidigung gegen die dunklen Künste ist doch sicher, dass wir Zauber zu unserer Verteidigung üben?"
„Sind Sie eine vom Ministerium geschulte Ausbildungsexpertin, Miss Granger?", fragte Professor Umbridge mit ihrer auf gesetzt liebenswürdigen Stimme.
„Nein, aber -"
„Nun, dann fürchte ich, Sie sind nicht qualifiziert zu entscheiden, was der >springende Punkt< eines Unterrichts ist. Zauberer, die viel älter und klüger sind als Sie, haben unser neues Studienprogramm ausgearbeitet. Sie werden auf sichere, risikofreie Weise etwas über defensive Zauber lernen -"
Wieso hatte ich nur die leise Ahnung, dass Umbridge ihre Intelligenz überschätzte, wenn sie meinte, man solle Verteidigung gegen die dunklen Künste auf eine sichere und risikofreie weise lernen? Ich meine, selbst wenn man wirklich davon überzeugt war, der dunkle Lord sei nicht wiedergekehrt, musste man doch trotzdem der Tatsache ins Auge sehen, dass in den letzten siebzig Jahren zwei dunkle Zauberer gewütet hatten. Die Möglichkeit eines dritten Bösewichts konnte man wirklich nicht von der Hand weisen.
„Was nützt denn das?", fragte Harry laut. „Wenn wir angegriffen werden, wird das nicht -"
„Melden, Mr. Potter!", flötete Professor Umbridge.
Sofort hob Harry seine Hand. Erneut drehte sich die Lehrerin allerdings sofort von ihm weg, was allerdings nichts brachte. Es meldeten sich noch einige weitere Gryffindors.
„Und Ihr Name ist?", fragte die Professorin an einen von ihnen gewandt.
„Dean Thomas."
„Nun, Mr. Thomas?"
„Also, es ist doch, wie Harry gesagt hat, nicht?", sagte Dean. „Wenn wir angegriffen werden, wird das nicht risikofrei sein."
„Ich wiederhole", erwiderte Professor Umbridge und lächelte Dean auf ziemlich entnervte Weise an, „erwarten Sie, dass Sie während des Unterrichts angegriffen werden?"
„Nein, aber -"
Umbridge ließ ihn nicht weiter zu Wort kommen.
„Ich möchte die Art und Weise, wie diese Schule bislang geführt wurde, nicht kritisieren", sagte sie und ließ das falscheste Lächeln aufblitzen, welches ich je gesehen hatte, „aber Sie wurden in diesem Fach einigen sehr unverantwortlichen Zauberern ausgesetzt, wirklich sehr unverantwortlich - ganz zu schweigen", sie lachte kurz und gehässig auf, „von äußerst gefährlichen Halbblütern."
„Wenn Sie Professor Lupin meinen", legte Dean sehr zu meiner Überraschung zornig los, „er war der Beste, den wir je -"
„Melden, Mr. Thomas! Wie ich schon sagte - es wurden Ihnen Zauber vorgeführt, die kompliziert, für Ihre Altersgruppe ungeeignet und potenziell tödlich sind. Man hat Sie in Angst versetzt und glauben gemacht, dass Sie praktisch jeden Tag schwarzmagischen Angriffen ausgesetzt sein könnten -"
„Nein, das ist nicht wahr", rief Hermine rein, „wir haben nur -"
„Ihre Hand ist nicht oben, Miss Granger!"
Hermine hob die Hand. Professor Umbridge wandte sich von ihr ab.
„Meines Wissens hat mein Vorgänger rechtswidrige Flüche nicht nur vor Ihnen, sondern auch noch an Ihnen ausgeführt."
Weshalb nun viele der Schüler hier sich wenigstens halbwegs gegen einen Imperius-Fluch wehren konnten. Beim letzten Krieg gegen Voldemort hätte das wirklich geholfen, wenn nicht ständig Leute durch diesen unterworfen worden wären.
„Naja, es hat sich ja rausgestellt, dass er wahnsinnig war, oder?", verteidigte Dean den Lehrer. „Und trotzdem haben wir 'ne Menge gelernt."
„Ihre Hand ist nicht oben, Mr. Thomas!", trillerte Professor Umbridge, als würde diese Anmerkung wirklich etwas bringen. „Nun, es ist die Auffassung des Ministeriums, dass ein theoretisches Wissen mehr als Ausreichend ist, um Sie durch die Prüfungen zu bringen, und das ist es schließlich, worum es in der Schule geht. Und Ihr Name ist?", fügte sie mit starrem Blick auf Parvati hinzu, deren Hand eben hochgeschossen war.
„Parvati Patil, und gibt es nicht einen praktischen Teil in unseren ZAG - Prüfungen in Verteidigung gegen die dunklen Künste? Sollen wir nicht zeigen, dass wir tatsächlich die Gegenflüche beherrschen und alles?"
„Wenn Sie die Theorie fleißig genug studiert haben, gibt es keinen Grund, warum Sie nicht in der Lage sein sollten, Zauber unter sorgfältig überwachten Prüfungsbedingungen auszuführen", antwortete Umbridge abweisend.
Erneut schrillten die Alarmglocken in meinem Kopf, weshalb ich wieder die Hände auf meine Ohren presste. Leider wurden sie dadurch natürlich nicht stiller.
„Ohne dass wir je zuvor geübt haben?", entgegnete Parvati zurecht ungläubig.
„Wollen Sie damit sagen, dass wir erst bei den Prüfungen richtig zaubern Dürfen?"
„Ich wiederhole, wenn Sie die Theorie fleißig genug studiert haben -", log Umbridge schon wieder und aktivierte damit meinen Lügendetektor. Also wirklich, wie konnte das Ministerium uns bitte eine Lehrerin mit einem Lehrplan schicken, von dem sie überzeugt war, er würde uns nicht durch die Prüfung bringen?
In diesem Moment hörte ich das leise Lachen von Sue hinter mir. Vermutlich machte sie sich zurecht keine Sorge um ihre Prüfung, weshalb sie dieses wirklich sinnlose Gespräch wohl mit etwas zu viel Humor sah.
Doch um ehrlich zu sein, ein Teil von mir wollte auch einfach aufgrund dieser skurrilen Situation loslachen. Diese Frau stand ernsthaft vor uns und wollte uns weismachen, wir würden ohne Unterricht durch die Prüfungen kommen.
Umbridge warf meiner Cousine einen kurzen säuerlichen Blick zu, entschied allerdings, dass sie die Perfektionistin lieber nicht darauf ansprach. Das war vermutlich auch besser so. Vermutlich würde Sue sich mit ihrer Antwort heute noch nachsitzen einfangen und Umbridge hätte sich einmal vor der ganzen Klasse blamiert.
„Und was wird uns die Theorie in der wirklichen Welt nützen?", fragte Harry, ganz ordentlich mit der Faust in der Luft.
Professor Umbridge sah wieder zu ihm.
„Wir sind hier in der Schule, Mr. Potter, nicht in der wirklichen Welt", erklärte Sie sanft, weshalb Sue nur noch lauter lachte und auch ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen. Nun war es offiziell, die Schule war nur ein Paralleluniversum und hatte rein gar nichts mit der eigentlichen Welt zu tun. Warum interessierte sich dann die wirkliche Welt so sehr für die Vorgänge in der unwirklichen?
„Demnach sollen wir gar nicht darauf vorbereitet sein, was uns dort draußen erwartet?"
„Dort draußen erwartet Sie nichts, Mr. Potter."
„Oh, doch Professor Umbridge", warf nun Sue noch immer lachend aber mit erhobener Hand ein. „Vampire, Trolle, blutrünstige Werwölfe am Vollmond, Grindelohs in Seen ... Den anderen fällt bestimmt noch mehr ein, Remus hat sie bei diesem Thema sehr fleißig unterrichtet."
„Ms Allaire, nicht jede Familie ist so verantwortungslos wie ihre und empfindet es als die richtige Entscheidung, ihre Kinder an Orten mit solchen Kreaturen zu bringen oder sie gar als Freund der Familie zum Essen einzuladen. Es gibt ausgebildete Experten, um solche Kreaturen unschädlich zu machen", wurde meiner Cousine zuckersüß erklärt, was sie aber nur noch mehr zum Lachen brachte.
„Sie haben gute Argumente. Falls ich mal in einem See auf einen Grindeloh treffe, der mich gerade ertränken will, werde ich ihm nicht die Hand brechen, sondern auf ihre Experten warten", versprach die Perfektionistin.
„Und wenn sollen wir rufen, wenn wir Lord Voldemort begegnen?", fragte Harry nun in gespielt nachdenklichen Ton.
Ron keuchte erschrocken auf, Lavender Brown stieß einen spitzen Schrei aus und Neville Longbottom rutschte tatsächlich seitlich vom Stuhl. Die Slytherins um mich herum blieben allerdings erstaunlicherweise alle unberührt sitzen und verfolgten weiterhin amüsiert das Gespräch. Da sollte noch einmal jemand sagen, die Gryffindors seien die Mutigen, wenn sie schon alleine bei einem Namen so reagierten.
Umbridge hingegen blieb völlig unberührt. Sie zuckte nicht einmal mit der Wimper. Stattdessen trat auf ihr Gesicht der Ausdruck grimmiger Genugtuung. Damit hatte ihr Harry jetzt in die Karten gespielt.
„Zehn Punkte Abzug für Gryffindor, Mr. Potter."
Die ganze Klasse starrte regungslos und stumm entweder Umbridge oder Harry an. Na gut, die ganze Klasse bis auf Sue, welche noch immer vergnügt kicherte.
„Ms Allaire, seien sie still! Dieses Thema ist nicht zum Lachen", wurde meine Cousine angefahren. Diese wirkte allerdings nicht wirklich beeindruckt davon. Sie gab sich zwar große Mühe, sich wieder einzukriegen, doch so ganz wollte es ihr nicht gelingen. Manchmal hatte sie wirklich einen komischen Humor.
„Nun, lassen Sie mich einige Dinge klar und deutlich sagen." Professor Umbridge stand auf und beugte sich, die kleinen Wurstfinger auf dem Pult gespreizt, zur Klasse vor. „Man hat Ihnen gesagt, dass ein gewisser schwarzer Magier von den Toten zurückgekehrt sei -"
„Er war nicht tot", warf Harry zornig ein, „aber ja, er ist zurückgekehrt!"
„Mr.-Potter-Sie-haben-Ihrem-Haus-schon-zehn-Punkte-Abzug-eingebracht-nun-machen-Sie-die-Sache-für-sich-nicht-noch-schlimmer", rief Professor Umbridge, ohne Luft zu holen und ohne ihn anzusehen. „Wie ich eben sagte, man hat Ihnen mitgeteilt, dass ein gewisser schwarzer Magier erneut sein Unwesen treibe. Das ist eine Lüge."
Dieses Mal blieb der Lügendetektor in meinem Kopf ruhig. Sie glaubte also wirklich, der dunkle Lord sei nicht zurückgekehrt. Sie war wirklich so verblendet von ihrem Vertrauen in das Ministerium, dass sie die Anzeichen wirklich übersah.
„Das ist KEINE Lüge!", entgegnete Harry. „Ich hab ihn gesehen, ich hab mit ihm gekämpft! Genauso wie Susanne und Patricia!"
„Nachsitzen, Mr. Potter!", verkündete Professor Umbridge triumphierend. „Morgen Nachmittag. Fünf Uhr. In meinem Büro. Ich wiederhole, das ist eine Lüge. Das Zaubereiministerium versichert Ihnen, dass Sie nicht durch irgendeinen Schwarzen Magier gefährdet sind. Wenn Sie sich dennoch Sorgen machen, dann kommen Sie unbedingt außerhalb der Unterrichtszeit zu mir. Wenn jemand Sie mit Flunkereien über wiedergeborene schwarze Magier in Unruhe versetzt, möchte ich davon hören. Ich bin hier, um zu helfen. Ich will nur Ihr Bestes. Und würden Sie nun bitte mit Ihrer Lektüre fortfahren. Seite fünf, >Allgemeinheiten für Anfänger<."
Professor Umbridge setzte sich wieder hin. Harry allerdings stand auf. Alle starrten ihn an. Hermine fing an, an seinem Ärmel zu zupfen, vermutlich um ihn wieder zu beruhigen. Es half allerdings nicht. Der Junge riss sich einfach wieder los.
„Nun, Ihnen zufolge ist Cedric Diggory also ganz von allein tot umgefallen, ja?", fragte er mit bebender Stimme.
Die ganze Klasse schien gleichzeitig nach Luft zu schnappen. Die meisten blickten begierig von Harry zu Professor Umbridge, die aufgesehen hatte und ihn ohne die Spur eines falschen Lächelns anstarrte. Die Schüler hier waren richtige Klatschtanten.
„Cedric Diggorys Tod war ein tragischer Unfall", antwortete die Lehrerin kalt.
Erneut sprangen meine Sinne an. >Lüge, Lüge, Lüge!<, schrillte es in meinem Kopf. Also glaubte die Frau selbst nicht, dass es nur ein Unfall war. Wem sie wohl die Schuld an dem Toten gab? Harry? Mir? Jemand anderen aus meiner Familie?
„Lügen sie uns nicht an, Professor. Sie wissen doch selbst, es war kein Unfall. Was glauben sie, ist wirklich in der Nacht damals geschehen? Wen halten sie für den Mörder?", platzte es aus mir heraus, bevor ich mich davon abhalten konnte. Blöde Neugierde. Ich konnte Adina förmlich hinter mir die Augen verdrehen hören. Nett und freundlich bei solchen Wortgefechten zusehen, war halt wirklich nicht meins.
„Voldemort hat ihn getötet und Sie wissen das", rief Harry zitternd.
Professor Umbridge sah uns beide völlig ausdruckslos an. Neugierig wartete ich auf ihre Reaktion. Was würde gleich geschehen? Würde sie anfangen zu schreien? Uns verfluchen? Uns wortlos herauswerfen?
„Nachsitzen, für sie beide. Und kommen sie beide her", wurde uns wieder mit dieser unangenehm süßlichen und überraschend ruhigen Stimme mitgeteilt.
Harry stieß seinen Stuhl beiseite und marschierte mit hocherhobenen Haupt nach vorne zu Umbridge und auch ich machte mich auf den Weg. Kaum waren wir vorne angekommen, wurden zwei kleine rosa Pergamentrollen aus der Handtasche gezogen. Sie wurden nacheinander glatt gestrichen und beschrieben. Für wen die Zettel wohl waren? Und warum befriedigte mich der Gedanke so sehr, die Lehrerin richtig gegen mich aufgebracht zu haben? Vermutlich weil ein Kleinkrieg zwischen uns wesentlich näher nach meinem Geschmack war, als Adinas Methode mit nett Lächeln und still sein.
Nach fast fünf Minuten, in denen ich irgendwann angefangen hatte, vor Langeweile friedlich vor mich hin zu summen, wurden beide Pergamente wieder zusammengerollt und mit dem viel zu kurzen Zauberstab berührt. Ein Siegel erschien, vermutlich damit weder Harry noch ich die Nachrichten öffneten.
„Bringen Sie dies zu ihren jeweiligen Hauslehrern, meine Lieben", wurden wir von Professor Umbridge angewiesen.
„Schon so verzweifelt, Professor? Nach nicht einmal einer Doppelstunde? Wie wollen sie dieses Jahr überstehen?", fragte ich zuckersüß nach, während ich meine Pergamentrolle an mich nahm.
„Wir reden noch einmal nach dem Nachsitzen", teilte mir der Lehrerin mit einem ziemlich teuflischen Unterton mit. Oh ja, das würden wir.
Ich drehte mich zum Gehen. Dabei ließ ich noch einmal meine Finger schnippen, weshalb die Tafel sich aus ihrer Halterung löste und mit einem lauten Krachen auf den Boden fiel. Wichtige Dinge würde die Lehrerin eh nicht an die Tafel schreiben. Auf dem Weg zur Tür konnte ich nicht widerstehen, bei Sue einzuschlagen, welche mir auffordernd ihre Hand hingehalten hatte. Zeit, mal wieder meine wilde Seite auszupacken. Das würde die Weasleys freuen.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top