Die Entstehung der Nymphen - Zeus
Draußen peitschte der Regen gegen die Fenster des Schlosses. Immer mal wieder zogen Blitze über den Himmel begleitet von lautem Donner. Das ganze Spektakel beobachtete ein Mann, ungefähr Mitte dreißig. Er war nicht wirklich auffällig. Wenn man ihn auf der Straße traf, würde man sein Gesicht normalerweise schnell wieder vergessen. Das Auffälligste waren wohl seine braunen, lockigen, schulterlangen Haare, keine übliche Frisur in der heutigen Zeit. Auch seine Kleidung würde wohl in Erinnerung bleiben. Hochwertige Lederbekleidung, alles von Kobolden gearbeitet.
Hinter dem Mann räusperte sich jemand, weshalb er sich langsam von dem Fenster wegdrehte.
„Zeus, ich störe dich wirklich sehr gerne dabei, wie du aus dem Fenster starrst und deinem Werk zusiehst", rief der junge Kriegsgott hinter ihm, welcher lautlos und unbemerkt in der Raum gekommen war.
„Ares, ich hatte dein Eintreffen erst heute Abend erwartet", stellte der Gewittergott überrascht fest. Mit den bestehenden Fortbewegungsmitteln auf der Erde dauerte es doch seine Zeit, um zwischen den Schlössern der Götter hin und her zu reisen. Es gab einen Grund, warum sie sich immer im Olymp trafen, wenn sie sich mal alle sehen wollten. Es ging einfach wesentlich schneller.
„Ich habe ein schnelles Pferd genommen", entgegnete Ares gut gelaunt, während dieser seine nassen Haare ausschüttelte, als wäre er ein Hund.
„Du hast Blake genommen? Der legt sich wieder mit meiner ganzen Herde an." Der Gewittergott konnte wirklich darauf verzichten, dass seine Pferde mal wieder durchdrehten, weil Ares immer meinte mit dem Granianer kommen zu müssen.
„Deshalb habe ich ihn auch nicht zu ihnen bringen lassen. Er galoppiert ein wenig durch das Dorf", erklärte der Kriegsgott breit grinsend. Er wusste doch, dass sich sein schwarzer Granianer nicht mit den Tieren hier verstand und dort immer alles durcheinanderbrachte, daher hatte er eine Kollision einfach gleich verhindert.
„Wenn dein verrückter Granianer ein Dorf verwüstet, ist es nicht besser. Beim letztes Mal hat er mit seinen Flügeln den Markt abgeräumt", rief Zeus aufgebracht. Er malte sich schon aus, wie Blake auf den Markt die Stände umschmiss, die Blumen aus den Vorgärten fraß oder Ähnliches anstellte. Im schlimmsten Fall würde er irgendjemand dort beißen.
„Blake ist sehr nett, wenn man ihn nicht einsperrt. Er mag weder Zäune noch Ställe. Deshalb lebt er bei mir im Schlosshof", stellte Ares klar. Solange man Blake einfach laufen ließ, war er ein sehr freundliches und wohl erzogenes Tier. Nur mit Zäunen hatte er seine Probleme, auch wenn er einfach darüber hinwegfliegen konnte.
„Und wie viele Hauselfen müssen deinem Pferd Nachräumen?", wollte Zeus wissen. Er war noch immer nicht davon überzeugt, dass man Blake einfach laufen lassen konnte.
„Gar keine. Dort macht er keine Unordnung. Blake ist ein sehr ordentlicher Granianer. Aber ich bin dich nicht besuchen gekommen, damit du mir einen Vortrag über meine Tiere hältst." Genauer gesagt, war er für gar keinen Vortrag gekommen. Auch wenn Ares nicht geglaubt hatte, er könne Zeus besuchen ohne einen Vortrag von ihm zu hören, hatte er gehofft, es würde nicht schon bei der Auswahl seines Pferdes beginnen.
„Warum kommst du mich besuchen, Ares?", fragte Zeus, um weiteren Diskussionen aus dem Weg zu gehen.
„Ich glaube, Hades versucht, die Friedenswächter unter seine Kontrolle zu bringen", gestand der Kriegsgott ziemlich kleinlaut. Im ersten Moment schien der Gewittergott ihm sagen zu wollen, er solle nicht herumspinnen und solche Anschuldigungen gefälligst unterlassen, doch dann nickte er nur verstehend und schien lieber erst einmal die Erklärung abwarten zu wollen.
Zeus lief unruhig auf und ab. Nachdem Ares erzählt hatte, was Otrere und er herausgefunden hatten, war er tief in Gedanken versunken. Der Kriegsgott saß noch immer an dem langen Tisch, auf dem er die Beweise für seinen Verdacht gegenüber Hades ausgebreitet hatte.
„Zeus, ich werde Hades damit konfrontieren. Bei der nächsten Sitzung im Olymp", stellte der junge Gott schließlich fest. Er sah zu dem Älteren, in der Hoffnung, dass er ihm seine Unterstützung aussprach. Denn für diese war er hier. Damit Zeus ihm beim nächsten Treffen den Rücken stärkte.
„Das wirst du unterlassen, Ares! Du wirst ihm nicht vor dem gesamten Olymp beschuldigen", rief der Gewittergott entsetzt. Die Vorgehensweise des Jüngeren hielt er mal wieder für zu überstürzt.
„Du willst es mir verbieten, Zeus? Ich bin nicht dein Untergebener!" Der Kriegsgott sah wütend zu dem anderen Gott herüber. Er war es gewöhnt, dass der Ältere ihn wie einen kleinen Jungen behandelte, doch jetzt, wo er ausnahmsweise mal wohl überlegt handelte, hatte er eigentlich auf Zuspruch gehofft.
„Wie immer bist du unvernünftig und dickköpfig!", entgegnete Zeus wütend.
„Ich habe reichlich darüber nachgedacht. Willst du mir etwas sagen, all die Dinge, die ich dir vorgelegt habe, reichen dir nicht aus, um Hades zu rede zu stellen? Ich habe ein Haufen Indizien, die gegen ihn sprechen. Dann kann ich wohl erwarten, Rede und Antwort zu bekommen", bemerkte der Kriegsgott spitz.
„Ja, Ares, das kannst du. Es spricht nichts dagegen mit ihm zu sprechen. Aber nicht vor dem ganzen Olymp! Du weißt, wie jähzornig er ist!" Ja, das wusste der Kriegsgott. Gerade in letzter Zeit hatte Hades immer wieder bewiesen, dass er es war.
„Ich werde ihn bitten, uns beide hier zu treffen. Ich wollte mich eh noch mit ihm unterhalten. In letzter Zeit äußert er immer wieder Dinge, die mir doch ein wenig Sorgen bereiten", schlug Zeus vor. Hades nur in kleiner Gruppe mit Ares Vermutung zu konfrontieren war wohl eine wesentlich bessere Idee, als es vor den versammelten Göttern zu machen.
„Zum Beispiel, dass er keine Frauen mehr bei den Friedenswächtern will?", wollte Ares wissen.
„Eher, dass er meint, wir sollten wieder mehr Macht über unsere Königreiche haben. Seiner Meinung nach werden die Menschen zu selbstbestimmt, was zu den ganzen Problemen führt", gestand Zeus. Es gefiel ihm gar nicht, dass Hades gegen die Eigenständigkeit der Menschen war. Eigentlich empfand es der Gewittergott als etwas sehr Gutes.
„Seit wann äußert er denn solche Kommentare?", fragte Ares besorgt. Gegenüber ihn hatte Hades so etwas noch nicht geäußert, was auch nicht überraschend war. Schließlich hatten die beiden in letzter Zeit kaum Kontakt gehabt.
„Seitdem Tyche gestorben ist. Er gibt den Menschen die Schuld an ihrem Tod."
„Ich glaube, es lag eher an ihrem Charakter. Sie war eine richtige kleine launische Zicke. Ganz wie ihr Daddy."
„Sie wurde von einem Menschen ermordet, Ares!", rief Zeus entsetzt über die Aussagen des jungen Gottes. Egal, wie schrecklich nun der Charakter der Halbgöttin gewesen ist, es würde niemals den Mord an ihr rechtfertigen.
„Weil sie einen schrecklichen Charakter hatte. Ich muss es wissen, schließlich waren wir drei Monate zusammen."
Der Donnergott verdrehte genervt die Augen. Ihm passt es gar nicht, dass der Kriegsgott solche Dinge von sich gab. Es würde den Konflikt mit Hades mit Sicherheit nicht guttun, wenn Ares auch noch so schlecht über die verstorbene Tochter redete. Dabei war die Beziehung von Hades und Ares momentan eh schon angekratzt, aufgrund der Trennung von Tyche und dem jungen Gott.
„Ares, solche Dinge solltest du wirklich nicht gegenüber Hades äußern. Er hatte seine Tochter sehr gerne. Versuche, ausnahmsweise mal ein wenig diplomatisch vorzugehen, damit wir eine Lösung für all die Probleme finden können."
„Für all die Probleme? Er mischt sich in meine Angelegenheiten ein! Nimmt sich das Recht raus, meine Friedenswächter zu unterwandern! Es gibt nur eine Lösung, dass er auf der Stelle damit aufhört!", brüllte der Kriegsgott wütend los. Für ihn waren es nicht irgendwelche kleine Probleme, die er gerade mit Hades hatte. Der andere Gott mischte sich in das wichtigste ein, seinem Herrschaftsgebiet. Das war für ihn Hochverrat.
„Ares, wenn du ihm nur Vorwürfe machst, bringt es uns nicht weiter. Du wirst Kompromisse machen müssen", versuchte Zeus den anderen Gott wieder zu beruhigen.
„Wenn er plötzlich nach Lust und Laune mit Blitzen um sich schmeißen würde, dann wärst du auch sehr sauer! Dann würdest du auch keine Kompromisse machen wollen! Er ist vollkommen außer Kontrolle!"
„Wir reden mit ihm. Er will dich wahrscheinlich nur ärgern, also rege dich bitte ab."
„Hoffen wir es, denn wenn er uns nicht nur ärgern will, dann kann er mit den Friedenswächtern unter seiner Kontrolle ziemlich viel anstellen."
„Hat er bisher aber nicht", warf Zeus ein. Für ganz so gefährlich hielt er Hades dann doch nicht.
„Er hat eine Anwärterin fast umbringen lassen, weil sie zu viele Fragen gestellt hat! Jakrey flickt sie noch immer wieder zusammen. Glaube mir, wenn er sich nicht ab jetzt von meinen Friedenswächtern und meinem Land fernhält, dann werde ich ihn vernichten!", verkündete der Kriegsgott wütend.
„Ares, du kannst Hades nicht töten! Also lasse den Quatsch. Du fängst keinen Krieg mit ihm an. Das würde nur die Menschen verletzen", erinnerte Zeus den Jüngeren an die Realität. Kein Gott konnte einen anderen töten, was gerade doch sehr beruhigend war.
„Ich lasse nicht zu, dass er sich in meine Arbeit einmischt! Ich habe es satt, dass ihr alle mich wie ein kleines Kind behandelt."
„Dann benehme dich nicht immer wie eines!"
Ares trommelte ungeduldig auf die Tischplatte. Hades sollte hier bald eintreffen, weshalb die Wut des Kriegsgottes über die Einmischung in seine Armee nur noch einmal neu hochgekommen war. Ihm unterlag die Ausbildung der neuen Friedenswächter. Dabei hatte weder Hades noch sonst ein anderer der Götter sich einzumischen.
Die Tür wurde geöffnet, weshalb der Gott der Unterwelt zum Vorschein kam. Er war ein großer, schwarzhaariger Mann. Sein Mund, welcher mit einem Ziegenbart umrandet war, hatte er zu einer grimmigen Grimasse verzogen. Bei seinen dunklen Augen konnte man Pupille und Iris nicht wirklich auseinanderhalten, weshalb sie ziemlich leblos wirkten.
„Warum habt ihr mich hierherbestellt? Ich habe zu tun", kam es ziemlich arrogant von dem gerade ankommenden Gott. Er sah genervt zu Ares herüber, welcher wütend aufgesprungen war, bevor er zu Zeus sah und diesen einmal zur Begrüßung zunickte.
„Das habe ich auch Hades. Und dank dir muss ich mich jetzt erstmal um Sexismusproblem in meiner Armee kümmern!", fauchte der Kriegsgott, weshalb Zeus leise seufzte. Der Gewittergott hatte wirklich gehofft, seine Ansprache hätte den Jüngeren dazu gebracht, einen diplomatischeren Weg einzuschlagen.
„Dank mir? Vielleicht sollten wir nicht einem unreifen Teenager die Ausbildung der Friedenswächter überlassen!", giftete Hades zurück. Zeus griff sich an die Stirn. Zwei Sekunden und die beiden Götter gingen sich schon an die Kehle.
„Unreifer Teenager? Ich bin der Gott des Krieges, Hades! Wenn jemand dazu fähig ist, Friedenswächter auszubilden, dann bin ich es! Und es wäre wesentlich weniger Arbeit, wenn du nicht meinen Ausbildern eintrichtern würdest, Frauen würden nicht in die Armee gehören! Deinetwegen wurde eine junge Frau fast umgebracht!", schrie Ares wütend. Er hatte seine Hände zu Fäusten geballt. Seine Finger bohrten sich in seine Handfläche. Hades mischte sich in seinen Machtbereich ein und alles, was ihm dazu einfiel, war es, den Kriegsgott zu beleidigen?
„Und das interessiert dich jetzt weil? Willst du damit deine neue Freundin beeindrucken? Offensichtlich hat es ihr mit dir nicht so gut gefallen. Mir hat ein Vögelchen gezwitschert, sie wäre nach eurer gemeinsamen Nacht einfach abgehauen. Und deinen Blake hat sie auch noch geklaut. Aber ich habe ihn draußen gesehen, also ist er wohl, anders als sie, wieder zurückgekommen", zischte Hades.
„Es reicht jetzt!" Zeus warf einen Blitz genau zwischen die beiden, weshalb die Aufmerksamkeit der beiden Götter nun auf ihm lag.
„So kommen wir nicht weiter. Hades, Ares hat bei der Untersuchung des Sexismusproblems bei der Armee feststellen müssen, dass dieses wahrscheinlich einen Ursprung in deinem Land hat. Je mehr Ausbilder ein Lager aus deinem Land haben, desto größer ist auch das Problem", erklärte der Gott von Blitz und Donner ruhig.
„Und jetzt soll ich eine Untersuchung anordnen? Hättet ihr mir das nicht einfach über die Sterne schicken können? Die Zentauren hätten mir das alles wesentlich schneller mitteilen können", grummelte Hades missgelaunt. Ihm passte es gar nicht, dass er von Zeus herzitiert worden war, doch er hatte auch keine Möglichkeit gehabt nein zu sagen. Schließlich hatte der Gewittergott die anderen Götter hinter sich stehen.
„Die Untersuchung kannst du dir sparen! Ich weiß, wo das Problem liegt!" Das scheinheilige Getue von Hades brachte den Kriegsgott sofort wieder zum Kochen. Der Gott der Unterwelt sollte es sofort unterlassen, sich einzumischen.
„Ares, bitte, jetzt reg dich nicht wieder auf. Die Ausbilder kommen nicht nur aus deinem Land, Hades, wir mussten leider auch feststellen, sie hatten dort hohe Positionen inne. Also hatten sie auch alle Kontakt zu dir. Jetzt glaubt Ares, dass du dich eventuell in seinen Machtbereich einmischst. Willst du etwas dazu sagen?"
„Er hat recht. Ich halte nichts von Frauen bei den Friedenswächtern und ich konnte durchaus andere von meiner Meinung überzeugen", stellte Hades nüchtern fest. Für ihn schien diese Meinung wirklich komplett normal und auch vollkommen in Ordnung zu sein.
„Du hältst nichts von Frauen bei den Friedenswächtern, Hades? Das hast du nicht zu entscheiden! Das Geschlecht ist mir genauso egal wie die Spezies! Solange ich die Gewalt über die Armee habe, wird es weiterhin Frauen dort geben!", fing der Kriegsgott sofort wieder an zu toben.
„Aber du hast die Gewalt nicht mehr, Ares! Du hast alles an die Menschen abgegeben und die fallen dir jetzt in den Rücken! Du bist der Gott des Krieges, aber anstelle dich mal wirklich so zu benehmen, feierst du eine Woche im Jahr, lässt dich ständig von Frauen ablenken oder ziehst in eine Schlacht! Du benimmst dich wie ein Kind! Wir hätten dir niemals so viel Macht überlassen sollen! So wie wir den Göttinnen nicht so viel Macht überlassen haben."
„Hades!", rief der Gewittergott entsetzt.
„Jetzt tue doch nicht so, Zeus. Artemis lässt Blumen wachsen, Hera kann keinen Streit ab, Aphrodite fängt an zu heulen, sobald sie ein glückliches Pärchen sieht, Athene malt den ganzen Tag oder hübscht sich auf, Hestia ist die typische Hausfrau und was Dementer so macht, versteht bis heute niemand. Du bist doch nur nicht meiner Meinung, weil dann Hera vielleicht sauer werden würde. Wer wärmt dir dann nachts das Bett? Oder willst du dir dann auch wie Ares immer mal wieder Betthäschen zulegen?" Ares zog sein Schwert heraus. Jetzt reichte es ihm. Der Sexismus von Hades war eine Sache, doch sich jetzt auch noch wirklich gegen die Göttinnen zu stellen, ging eindeutig einen Schritt zu weit.
„Verschwinde Hades, bevor ich mich vergesse!", zischte Ares wütend.
„Keine Sorge. Das hatte ich jetzt eh vor! Wenn du den Sexismus aus deiner Armee haben willst, dann überlass nicht immer alles den Menschen! Dann wirst du wohl jetzt mal endlich deinen Job machen müssen! Du sollst die Armee leiten und nicht immer auf einem Schlachtfeld spielen! Zeus ist da meiner Meinung!" Mit diesen Worten und wehenden Umhang drehte sich der Gott der Unterwelt wieder um. Hinter ihm fielen die Flügeltüren mit einem lauten Knall ins Schloss.
„Du stimmst ihm zu, dass ich nicht mehr mit in den Krieg ziehen soll?", fuhr Ares den Gewittergott an. Dieser seufzte leise. Eigentlich hatte er auch dieses Thema wesentlich diplomatischer klären wollen.
„Du hast die Tendenz viel Zeit damit zu verbringen in Schlachten zu kämpfen oder mit irgendeiner neuen Freundin zu verbringen und gibst dabei gerne mal sehr viele deiner Aufgaben an andere ab. Du solltest vielleicht überlegen, ob du die Aufgaben an manchen stellen etwas besser delegieren kannst."
„Die sind gut verteilt, wie sie sind. Ich habe sie doch nicht an irgendjemanden abgegeben. Du hast auch Hilfe." Ares verschränkte wütend die Arme. Bei den anderen Göttern mischte sich Zeus auch nicht ein, wie diese ihr Land regierten.
„Ich gebe aber nur weniger wichtige Aufgaben aus der Hand." Der Kriegsgott knurrte wütend.
„Ja, Zeus, du bist perfekt!" Der blonde Mann wandte sich ebenfalls ab. Er konnte es nicht mehr hören, was er immer alles falsch machte.
„Ares, so meinte ich das nicht. Würdest du mir bitte zuhören!"
„Nein, denn das tut ihr bei mir auch nicht. Ich bin genauso ein Gott wie ihr anderen auch. Und trotzdem bevormundest du mich wie ein kleines Kind! Das machst du bei Hermes auch nicht. Also mische dich nicht bei mir ein!" Mit diesen Worten verließ Ares ebenfalls den Raum.
Somit blieb Zeus alleine zurück. Er rieb sich erneut die Stirn, als hätte er Kopfschmerzen. Eigentlich hatte er sehr gehofft, das Ganze würde weniger im Chaos und wesentlich friedlicher enden. Doch nun war es komplett ausgeartet. Der Gewittergott hatte nicht damit gerechnet, dass Hades so gegen die anderen Göttinnen schießen würde.
Ihm war klar gewesen, dass der Gott der Unterwelt sauer auf Ares war. Er nahm dem Kriegsgott die Trennung von seiner heißgeliebten Tochter ziemlich übel. Zwar hatten alle damit gerechnet, dass die Beziehung nicht mit dem Tod von Tyche enden würde, doch nach der Meinung von Hades hätte seine Tochter den anderen Gott abschießen müssen, nicht anders herum. Doch den Hass auf die Göttinnen konnte er nun wirklich gar nicht nachzuvollziehen.
Der Gewittergott rieb sich ein weiteres Mal über die Stirn, bevor er sich den Unterlagen von Ares zuwandte, welche noch immer auf den Tisch verteilt lagen. Der junge Kriegsgott hatte sie liegen lassen, als er wütend herausgestürmt war. Zeus sollte sie ihm wirklich dringend nachschicken. Die meisten der Dinge sahen ziemlich wichtig aus, nicht nur für die Untersuchung gegen Hades. Sogar ein paar Akten von Anwärtern lagen dabei.
Neugierig zog sich der Gewittergott die Akten näher heran. Bei Ares Beweisführung gegen Hades hatte der Kriegsgott diese nicht benutzt. Daher musste es einen anderen Grund dafür geben, dass die Unterlagen mitgebracht worden waren.
Zeus zog sich einen Stuhl zurück, um die Akten in Ruhe zu studieren. Die meisten waren von Frauen, nur eine von einem Mann, welcher sich bei Ares am Schloss beworben hatte. Ebenfalls auffällig war, die Anwärter hatten sich dieses Jahr in Ares Königreich beworben, ein paar wenige auch einige Jahre vorher. Nur eine Frau namens Otrere fiel aus der Reihe. Sie hatte sich letztes Jahr in Poseidonskönigreich beworben.
Der Gewittergott schlug die Akte der jungen Frau auf. Anstelle des üblichen Personalbogens mit den wichtigsten Daten über die junge Frau lag ein Umschlag darin. Projekt Amazonen stand auf diesem drauf. Zeus drehte diese um, weshalb er bemerkte, dass dieser nicht zugeklebt worden war.
Zeus wollte gerade die Dokumente aus dem Umschlag ziehen, als es an der Tür zu dem Raum klopfte. Der Mann sah von den Unterlagen auf. Ob Ares wohl zurückgekommen ist, um die Sachen abzuholen? Für eine Aussprache wäre der Kriegsgott mit Sicherheit nicht zurückgekommen. Momentan war er noch zu grummelig dafür. Wenn er allerdings zurück war, würde Zeus die Möglichkeit nutzen, um noch einmal in Ruhe mit ihm zu reden.
„Herein", rief der Gewittergott. Die Tür ging auf, doch anstelle von Ares erschien eine Frau, ungefähr Mitte dreißig, den Raum. Ihre langen braunen, eigentlich welligen Haare, hingen ihr nass und zerzaust über die Schulter. Auch das Diadem auf ihrem Kopf saß ein wenig schief. Ihre grau-blauen Augen huschten ziemlich gehetzt durch den Raum.
„Zeus, mein Liebster!", rief die Frau und kam auf ihn zugeeilt. Im laufen zog sie ihren Mantel aus, weshalb ihr trockenes Kleid darunter zum Vorschein kam. Nur am Nacken war es nass geworden. Während des Ritts hierher, musste der Frau die Kapuze des Mantels vom Kopf gerutscht sein, weshalb Regenwasser ihr Haar durchnässt hatte und in ihren Nacken geflossen war.
„Hera, Liebste. Habe ich unsere Verabredung vergessen?", fragte Zeus überrascht von dem Anblick seiner Lebensgefährtin. Diese schüttelte leicht den Kopf, weshalb sich auf dem Gesicht des Gewittergottes noch tiefere Falten bildeten.
„Nein, hast du nicht. Ich bin hierhergekommen, weil etwas Schlimmes vorgefallen ist. Deshalb muss ich mit euch beiden Reden. Ares, jetzt komm schon herein." Der blonde Gott wurde an einer Hand wieder in den Raum gezogen. Dabei sah er ziemlich missmutig aus. Wie sich schon Zeus gedacht hatte, war der andere Gott nicht scharf auf eine Versöhnung.
„Bitte, setzt euch beide hin. Es ist wirklich wichtig." Der Gewittergott nickte leicht. Er zog seiner Ehefrau einen Stuhl zurecht, wartete, dass sie sich setzte, bevor er sich ebenfalls hinsetzte. Ares blieb noch kurz stehen, bevor er sich mit einem tiefen Seufzen ebenfalls setzte. Dabei musterte er die auf den Tisch ausgebreiteten Akten.
„Willst du mich jetzt als Kriegsgott ablösen, Zeus?", fragte der Blonde wütend, während er anfing, die Akten zusammenzuräumen. Schließlich blieb sein Blick an der Aufgeschlagenen von Otrere hängen.
„Gib mir den Umschlag wieder, Zeus! Auf der Stelle!" Ares sprang von seinem Platz auf, weshalb der Stuhl klappernd zu Boden fiel. Der Gewittergott konnte sich nicht daran erinnern, den anderen Gott jemals so aufgebracht gesehen zu haben. Nicht einmal als Hades die Göttinnen und den Kriegsgott selbst beleidigt hatte, war er so wütend geworden. Was auch immer in diesem Umschlag war – nein, was Projekt Amazonen war – es musste unglaublich wichtig für ihn sein.
„Jungs, eure Streitigkeit werden wir gleich lösen. Zeus gib ihm einfach seinen Umschlag, damit ich euch endlich sagen kann, warum ich hier bin", befahl Hera entnervt. Das Letzte, was sie gerade gebrauchen konnten, war Streit unter den dreizehn Göttern. Sie hatten wahrlich andere Probleme.
Der Gewittergott seufzte leise. Er wusste doch, wie sehr es seiner Ehefrau missfiel, wenn irgendwo Streit herrschte. Sie war nicht grundlos die Göttin des Friedens. Daher schob er den Briefumschlag, welcher unter ein paar andere Akten gerutscht war, zu Ares herüber.
„Gut, wo wir dies geklärt haben, ist es an der Zeit euch den Grund für meinen Besuch mitzuteilen: Es gab einen Angriff auf eine Grafenfamilie im Reich von Artemis." Die Friedensgöttin sah mit Tränen in den Augen zwischen den beiden Göttern hin und her. Anders als die Friedensgöttin erwartet hatte, wirkte Ares Miene aufgrund der Nachricht versteinert, während Zeus sich erneut über die Stirn rieb, als hätte er Kopfschmerzen.
„Waren es Aufständische?", fragte schließlich der Gewittergott zutiefst besorgt. Auch wenn die meisten Menschen sehr zufrieden mit ihrem Leben auf der Erde waren, gab es dazwischen leider auch immer wieder schwarze Schafe. Manche versuchten, auf diesen Weg selbst an mehr Macht oder Land zu kommen, andere wollten ihren Forderungen gegen das System auf diesen Weg mehr Nachdruck verleihen. Ein Anschlag auf eine Grafenfamilie sprach sehr dafür, dass irgendjemand gegen das System vorgehen wollte. Meistens reichten sehr kleine Korrekturen an diesem, um solche Probleme wieder in den Griff zu kriegen.
Hera allerdings schüttelte leicht den Kopf, während sich ihre Augen vor Entsetzen weiteten. Egal, warum die Grafenfamilie gestorben ist, es war tausend Mal schlimmer, als nur Aufständische, die gegen die Monarchie oder Teile daraus vorgehen wollten.
„Es waren Friedenswächter. Sie haben die Familie grundlos angegriffen. Als Hilfe für die Familie eintraf, waren sie schon alle Tod. Die Tochter und eine der Angestellten werden noch vermisst. Ares, wie konnte es passieren, dass Friedenswächter eine unschuldige Familie angreifen? Und jetzt komme mir nicht damit, dass sie vielleicht nicht unschuldig waren. Das waren sie."
Der Blick des Kriegsgottes glitt zu dem Gewittergott. Die nächsten Worte könnten Zeus wirklich wütend machen, wahrscheinlich sogar mehr als das.
„Hades hat die Friedenswächter unterwandert. Er hat einigen Ausbildern eingetrichtert, dass Frauen nicht in die Armee gehören, weshalb sie reihenweise abgelehnt wurden. Vor einigen Tagen haben einige Friedenswächter versucht eine Anwärterin zu ermorden, die nach ihrer Ablehnung zu viele Fragen gestellt hat. Wenn die Grafenfamilie ebenfalls zu viele Fragen gestellt hat, glaube ich kaum, dass die Friedenswächter bei ihnen zimperlicher sind. Ich werde Acheron bitten, der Sache nach zu gehen", gestand Ares, während er wütend die Akten aufeinanderstapelte.
„Warum sollte Hades die Friedenswächter zu so etwas anstiften? Ich weiß, ihr habt seit deiner Trennung von Tyche ein angespanntes Verhältnis, aber deshalb die Friedenswächter so zu manipulieren – wie kommst du darauf, dass es von Hades ausgeht?" Der Blick des Kriegsgottes glitt zu Zeus, welcher sich mal wieder über die Stirn rieb, als hätte er Kopfschmerzen. Jetzt wo Ares ihn direkt ansah, hielt er allerdings in der Bewegung inne. Sie sahen sich kurz gegenseitig an, bevor der Gewittergott nachgab.
„Die Ausbilder, welche die Frauen ablehnen, waren vorher alle bei Hades postiert. Sie hatten so hohe Posten, dass sie ihn kannten. Deshalb bat ich ihn her, damit wir das zu dritt klären können. Er war hier, Liebste, kurz bevor du gekommen bist, hat es nicht einmal bestritten", gestand Zeus seiner Ehefrau, welche deshalb noch verwirrter wirkte.
„Aber warum sollte er so etwas tun? Wir verlieren damit die Hälfte unserer Gesetzeshüter." Hera sah verwirrt zwischen Ares und Zeus hin und her. Während sich der Gewittergott wieder über die Stirn rieb, wurde er von dem Kriegsgott angestarrt. Doch dieses Mal erhob er nicht das Wort, um auch noch diese Erklärung nachzuschieben. Dabei hatte der Jüngste der drei Götter eigentlich gewollt, dass er genau diese über die Lippen brachte.
„Hades findet, ich kümmere mich nicht vernünftig um die Friedenswächter. Und Zeus – da du seiner Meinung bist, überlasse ich dir sehr gerne die volle Herrschaft über die Friedenswächter hier. Das Gleiche gilt auch für dich Hera: Wenn du ebenfalls die Meinung von Zeus und Hades vertrittst, werde ich mich gerne auch bei dir zurückziehen. Ich glaube, damit ist alles gesagt."
Der Kriegsgott stand von seinem Platz auf, dieses Mal mit den Unterlagen unterm Arm. Hera sah vorwurfsvoll zu dem Gewittergott. Sie war der Meinung, wenn ihr Ehemann irgendetwas in die Richtung gesagt hatte, war es allerhöchste Zeit, sich endlich zu entschuldigen.
„Ares, jetzt sei nicht kindisch. So meinte ich das nicht", rief Zeus, als der jüngste Gott schon auf dem Weg zur Tür war.
„Dafür warst du aber sehr deutlich. Hera, es war mir eine Freude, dich zu sehen. Wir sehen uns beim nächsten Treffen im Olymp." Die Tür fiel hinter Ares ins Schloss, weshalb die Friedensgöttin ihren Ehemann vorwurfsvoll ansah.
„Was genau hast du zu ihm gesagt, Zeus? Ich weiß, ihr streitet öfter Mal, aber so – er war sehr traurig deshalb. Ihr müsst das jetzt klären."
„Ich habe nur das ausgesprochen, was wir alle denken. Er lässt sich von seinen Freundinnen ständig ablenken und überträgt seine Aufgaben an Leute, die er kaum kennt. Nur deshalb konnte Hades überhaupt Friedenswächter so manipulieren. Das heißt aber noch lange nicht, dass ich ihm seine Aufgaben entziehen will. Er ist trotz allem ein sehr guter Kriegsgott." Zeus rieb sich erneut über die Stirn. Zwar hatte er gewusst, dass der jüngste Gott sehr allergisch auf Ratschläge reagierte, doch es war noch nie so ausgeartet, dass ihm Angeboten wurde, die Aufgaben selbst zu übernehmen.
„Dann sag ihm das, Liebster. Er zweifelt gerade bestimmt an sich selbst." Hera sah flehend zu ihrem Ehemann. So gerne würde sie einfach selbst Ares nachlaufen, um ihm zu sagen, er wäre gut, so wie er nun einmal ist, doch sie hatte nie daran gezweifelt. Nur ihr Ehemann oder Hades konnten das Ganze wieder in Ordnung bringen. Niemand sonst.
„Er will meine Hilfe nicht, Hera. Wenn ich etwas sage, meint er immer, ich behandel ihn wie ein Kind." Der Gewittergott sah hilfesuchend zu seiner Lebensgefährtin. Sie hatte immer ein wesentlich besseres Händchen, was den Umgang mit Ares anging. Jedenfalls hatte der Kriegsgott ihr noch nie vorgeworfen, sie würde ihn wie ein Kind behandeln.
„Du behandelst ihn immer, als wäre er unser Sohn. Jetzt, wo er mal einen Vater gebrauchen könnte, ist es ein sehr schlechter Zeitpunkt, damit aufzuhören. Halte ihn auf. Sag ihm, er ist ein guter Kriegsgott und soll es auch bleiben. Und sag ihm, dass er nicht der perfekte Gott sein muss. Ja, er verliert durch Frauen gerne mal seine Aufgaben aus dem Blick, aber so ist unser Ares nun einmal. Und momentan hat er trotz Freundin doch alles im Blick."
„Woher weißt du, dass er eine neue Freundin hat?" Zeus sah Hera mit großem Augen an. Meistens erfuhr der Gewittergott als erstes, was gerade im Leben des Jüngeren vor sich ging.
„Sein Blick, er hat eines der Bilder in den Akten so angesehen, wie er immer die Bilder von seinen Freundinnen ansieht. Jetzt lenke nicht ab und geh dich entschuldigen."
Zeus holte Ares erst ein, als dieser schon lange den Innenhof erreicht hatte. Er war gerade dabei die Akten in einen Pferderucksack zu verstauen, während ein wunderschönes, schwarzes geflügeltes Pferd neben ihm stand und ihn beobachtete. Gerade wirkte es sehr friedlich, doch der Gewittergott wusste es besser. Blake konnte auch ganz anders drauf sein.
„Ares, können wir bitte noch einmal in Ruhe reden?", rief Zeus ihm zu, in der Hoffnung, der andere Gott würde aufhören zu packen. Es geschah allerdings nicht. Noch immer wurden die Akten in die Taschen gepackt, jetzt schien der Kriegsgott es allerdings eiliger zu haben.
„Es tut mir leid, dass ich den Eindruck erweckt habe, ich halte dich für einen schlechten Kriegsgott. Das bist du nicht. Ganz und gar nicht. Ich will nicht, selbst die Friedenswächter hier verwalten. Ich glaube, ich wäre darin wesentlich schlechter, als du es bist. Auch wenn du es nicht perfekt machst." Ein leises Grummeln war von dem blonden jungen Mann zu hören, welcher aber wenigstens aufgehört hatte, die Akten zu verstauen.
„Bis auf den letzten Satz war es eine gute Entschuldigung", gab schließlich Ares kleinlaut zu und drehte sich um, sodass Zeus sein Gesicht sehen konnte. Kaum hatte er das gemacht, tat es dem Gewittergott nur noch mehr leid, dass er so hart mit dem Blonden ins Gericht gegangen war.
Der Kriegsgott wirkte wirklich ziemlich niedergeschlagen aufgrund der Worte der beiden anderen Götter. Das übliche spitzbübische Lächeln war von seinem Gesicht verschwunden und auch das immer etwas amüsierte Glänzen in seinen Augen war Traurigkeit gewichen.
„Lass Hades ein paar Jahrhunderte muffeln, dann kriegt er sich schon wieder ein. Hera meint, du wärst mit einer der Frauen, deren Akten du dabei hast, zusammen. Stimmt das?", versuchte Zeus ein besseres Thema anzuschlagen.
„Du brauchst gar nicht so zu tun, als würdest du es in irgendeiner Weise gut finden. Ich weiß, du bist gegen meine Beziehungen. So wie du gegen alles bist, was ich tue."
„Du hast die Tendenz, dich von deinen Freundinnen ablenken zu lassen. Aber bei deiner Aktuellen scheint es nicht so zu sein. Jedenfalls hast du trotzdem, das Problem mit Hades entdeckt. Daher bin ich nicht gegen sie. Willst du vielleicht doch noch einmal mit reinkommen, damit wir unser Gespräch fortsetzen können? Du wirst die Akten schließlich nicht grundlos mitgebracht haben." Zeus sah auffordernd zum Kriegsgott, welcher leise seufzte. Er kraulte Blake noch einmal kurz hinter den Ohren. Der Granianer gab dabei ein belustigtes Wiehern von sich. Er hatte schon erkannt, dass sein Besitzer dem anderen Gott mal wieder verfallen war.
„Du trägst die Akten rein", meinte Ares und hielt dem Älteren die Gepäcktaschen hin. Dieser nahm sie ohne Murren an sich. Jetzt über das Tragen zu streiten, würde Zeus nicht wagen. Zwar hatte er wenig Lust darauf, jetzt als Packesel genutzt zu werden, doch dafür würde er keinen neuen Streit mit Ares anfangen.
„Es tut mir leid, Blake. Du wirst doch noch ein wenig hier im Regen stehen müssen. Wenn du Lust hast, darfst du bestimmt auch gerne in den Stall gehen. Ärgere nur nicht dort die anderen Tiere oder versuche, sie zu befreien. Sie mögen ihre Boxen und Zeus wird wieder grummelig, wenn du seine Herde verrückt machst."
Ares streichelte noch kurz seinen Granianer, bevor er mit Zeus in Richtung des Schlosses ging. Blake sah kurz zum Stall herüber, ging dann aber nicht dorthin. Auf einen Stall hatte er definitiv keine Lust. Da wurde er lieber nass.
Hera saß noch immer an dem Tisch, auf dem Ares seine Akten bei dem ersten Gespräch ausgebreitet hatte. Auf ihrem Gesicht erschien ein breites zufriedenes Grinsen, als sie ihren Ehemann mit dem jungen Kriegsgott hereinkommen ließ.
„Wie ich sehe, habt ihr euch wieder versöhnt", stellte sie zufrieden fest.
„Wir haben Frieden geschlossen. Ob wir uns versöhnen, überlege ich mir, nachdem ich euch gesagt habe, warum ich die Akten mitgebracht habe", murmelte Ares, welcher mittlerweile wieder die ganzen Unterlagen herausholte. Zeus half ihm dabei.
„Also gehst du davon aus, mir wird es nicht gefallen", stellte der Gewittergott fest. Der Kriegsgott nickte leicht. Er ging zu hundert Prozent davon aus, dem Älteren würde nicht gefallen, was Projekt Amazonen war – oder besser gesagt, wer es aufbaute.
„Da Hades die Friedenswächter unter seiner Kontrolle hat, vertraue ich ihnen nicht mehr. Ich habe zwar schon Gegenmaßnahmen eingeleitet, aber – bis das Problem gelöst ist, können wir ihnen nicht trauen. Daher habe ich mir eine Alternative zu den Friedenswächtern überlegt, Projekt Amazonen."
Ares schlug die Akte von Otrere auf, in der wieder der Umschlag lag, auf dem Projekt Amazonen stand. Dieses Mal öffnete er diesen allerdings und holte eine Liste mit Namen heraus.
„Ich habe beschlossen, eine zweite Armee aufzubauen, eine in der Hades keinen Einfluss hat. Auch das Aufbauen dieser wird mit Sicherheit einige Zeit in Anspruch nehmen, doch wird schneller gehen, als Hades den Einfluss bei den Friedenswächtern zu nehmen. Ich habe eine Liste erstellt, mit den Frauen, die wahrscheinlich aufgrund von Hades Einfluss nicht genommen wurden."
Der Kriegsgott breitete die Zettel auf dem Tisch aus, sodass Zeus und Hera die wirklich lange Liste lesen konnten. Ein paar der ersten Namen waren mittlerweile durchgestrichen worden, andere abgehakt.
„Die Frauen auf der Liste werden schon abgearbeitet. Die Abgehakten werden an Projekt Amazonen teilnehmen, die anderen leider nicht. Die Frauen, welche erst dieses Jahr abgelehnt worden sind, konnten wir fast alle anwerben, die, die es schon vor längerer Zeit versucht haben, haben fast alle ein anderes Leben begonnen, welches sie nicht aufgeben wollten. Trotzdem haben wir damit schon einige Kämpferinnen gewonnen."
Dieses Mal griff der Jüngste der drei Götter nach der Akte von Otrere. Jetzt war wohl der Zeitpunkt gekommen, Zeus zu gestehen, dass er seine Freundin losgeschickt hatte, um seine Armee zusammenzustellen. Seine Freundin, die er gerade mal eine sehr kurze Zeit kannte.
„Das hier ist Otrere", stellte er die junge Frau vor.
„Deine neue Freundin, nicht wahr?", fragte Hera mit einem breiten Grinsen im Gesicht.
„Ja, meine neue Freundin. Außerdem hat sie die Leitung von Projekt Amazonen übernommen. Sie reist momentan mit Antheia –" Ares zog die Akte der anderen jungen Frau aus dem Stapel. „– durch die dreizehn Königreiche, um die Liste abzuarbeiten."
Antheia war eine Frau aus einem Dorf ganz in der Nähe von Ares Schloss. Daher war sie auch dieses Jahr dort bei der Auswahl gewesen, aufgrund ihres Geschlechtes allerdings abgelehnt worden. Dabei war sie eine wirklich gute Kämpferin. Die Ausbilder hatten allerdings in die Bewertung der Blondine hereingeschrieben, dass sie der Meinung waren, sie konnte die mangelnde Magie nicht durch ihre Kampfkunst ausgleichen. Ares sah das allerdings ganz anders. Mit ihrem Schild und Speer hatte die Muggel-Frau jeder magisch begabten Person etwas entgegenzusetzen.
Als Otrere gleich in ihrem ersten Brief berichtet hatte, dass die junge Frau gerne in Ares zweiter Armee kämpfen wollte, war der Kriegsgott sehr glücklich darüber gewesen. Er hätte es sehr bedauert, wenn die junge Frau aufgrund der Ablehnung ihren Berufswunsch aufgegeben hätte. Noch glücklicher war er allerdings gewesen, als ihm seine Freundin gestand, dass sie sich so gut verstanden hatten, dass Antheia tatsächlich mit ihr weitergereist war.
„Du hast deiner neuen Freundin die Leitung von einem Projekt gegeben, welches nur gebraucht wird, weil es Hades geschafft hat, deine Friedenswächter zu infiltrieren? Das hat er nur geschafft, weil du keine Augen darauf hattest, was in den ganzen Lagern los ist! Jetzt machst du genau den Fehler erneut und überlässt Projekt Amazonen einer Fremden! Hättest du es nicht wenigstens Acheron überlassen können?", rief Zeus aufgebracht.
Wie kam der Kriegsgott nur auf den Gedanken, es wäre eine gute Idee, Otrere in irgendeiner Form in das Projekt zu involvieren? Als einfache Kriegerin, die sich wie jeder andere hocharbeiten musste, war es in Ordnung, doch ihr einfach die Leitung zu geben – da waren wohl mal wieder die Hormone von Ares mit ihm durchgegangen.
Hoffentlich würde sich nicht noch die Gutgläubigkeit des Kriegsgottes rächen. Nach der Trennung der beiden konnte Otrere schließlich eine Menge Schaden anrichten, indem sie auch noch die Mitglieder von Projekt Amazonen gegen die Götter aufbrachte. Dadurch, dass Otrere die Frauen allesamt selbst rekrutierte, hatte sie eine viel intimere Verbindung zu ihnen, als es Ares hatte.
„Ich habe die Entscheidung nicht leichtsinnig getroffen, Zeus. Tue nicht so, als würde ich nicht darüber nachdenken, wen ich welche Aufgabe gebe und schiebe mir nicht die Schuld zu, weil sich die Friedenswächter gegen uns stellen! Ich kann nicht jeden Wächter selbst ausbilden! Die Ausbilder wähle ich nach euren Empfehlungen aus!", fauchte Ares wütend.
Es gab schon einen Grund, warum die meisten Ausbilder einst einen hohen Rang hatten. Zum einen mussten sie natürlich einfach viel Erfahrung haben, die sie an die neue Generation weitergeben wollten, doch gleichzeitig kannten sie auch die Götter, in dessen Reichen sie dienten. Somit kamen sie auch einfach besser an Empfehlungen von ihnen.
Wenn man danach ging, musste der Kriegsgott allerdings schon zugeben, dass Otrere eine ziemliche Karriere hingelegt hatte. Dadurch, dass sie die Frauen für Projekt Amazonen anwarb, würde sie die inoffizielle Anführerin von ihnen werden. Das war ihm klar gewesen, als er sie losschickte.
„Jungs, bitte streitet euch nicht. Das bringt doch nichts. Ares, warum hast du Otrere losgeschickt?", unterbrach Hera einfach den Streit zwischen den beiden männlichen Göttern.
„Otrere wurde im letzten Jahr aufgrund ihres Geschlechtes in Poseidons Königreich abgelehnt", fing der Kriegsgott an zu erklären. „Ich dachte, Frauen, die aufgrund ihres Geschlechtes abgelehnt wurden, reagieren besser darauf, wenn eine andere Frau, die das gleiche Schicksal erleidet hat, versucht sie für das Projekt Amazonen zu begeistern. Außerdem traue ich es ihr zu, dass sie es schafft, Leute bei Hades abzuwerben, ohne dass er es merkt. Sie hat es geschafft, sich in diesem Jahr als Junge bei mir am Schloss zu bewerben. Sie hat alle Papiere so gut gefälscht, dass es niemand gemerkt hat. Also ich schon, aber meine Ausbilder nicht."
„Und dass sie so gut Papiere fälschen kann, bringt dich dazu, ihr zu vertrauen?", fragte Zeus ziemlich skeptisch.
„Ich vertraue ihr, weil sie all meine Fragen wahrheitsgemäß beantwortet hat. Sie ist ein guter Mensch. Nachdem sie und die meisten anderen Frauen abgelehnt worden waren, hatte sie den Verdacht, dass irgendetwas nicht stimmt. Deshalb versuchte sie es als Mann am Schloss. Wäre sie genommen worden, hätte es ihren Verdacht bestätigt und sie hätte es mir gemeldet."
Der Gewittergott grummelte leise. Ihm gefiel es noch immer nicht, dass Otrere losgeschickt worden war, doch das Argument, eine Frau zu schicken, war durchaus sehr sinnvoll.
„Es muss dir nicht gefallen, Zeus. Das ist meine Entscheidung, mit der hast du jetzt zu leben. Nur damit wir uns nicht morgen darüber streiten, die Anwärterin, die fast ermordet worden wäre, ist Otreres jüngere Schwester. Sie hilft mir dabei, die Liste der Anwärterinnen zu verwalten, welche ehemaligen Friedenswächter wir als Ausbilder noch anfragen oder für uns gewinnen konnten, welche Dinge wir brauchen, um mein altes Schloss für Projekt Amazonen bereit zu machen und und und. Also ja, sie ist auch sehr in die Vorbereitungen involviert und kann uns perfekt verraten. Aber ich vertraue ihnen beiden!" Der Kriegsgott sah wütend zu dem Gewittergott, welcher leicht den Kopf schüttelte.
„Und sobald die erste Generation ausgebildet ist, wirst du deine heißgeliebte Otrere als Anführerin auserkoren und ihr die Leitung übergeben! Und in fünf Jahren trennt ihr euch! Was dann?", rief Zeus aufgebracht, weshalb Hera leise stöhnte. Die beiden vertrugen sich beim besten Willen nicht.
„Ich habe nicht vor, ihr die Leitung zu übergeben. Die Ausbilder, die ich erwählt habe – einen von ihnen hätte ich gerne als Anführer, wenn einer von ihnen in den aktiven Dienst zurückkehren will. Sie haben die meiste Erfahrung in Kampfsituationen und auch schon welche als Anführer von kleineren Gruppen. Falls niemand von ihnen zurückkehren will, werde ich diejenige von den Mitgliedern des Projektes Amazonen wählen, die am meisten Führungsqualitäten aufweist. Wenn dies Otrere ist, wird sie es, ansonsten eine andere der Anwärterinnen. Egal, wer es wird, ich werde am Anfang sehr viel Zeit in die Ausbildung der Angehörigen von Projekt Amazonen investieren, weil wir eine ziemlich unerfahrene Armee erhalten werden."
„Deine Otrere sollte schon rausfallen, weil ihr zusammen seid, Ares! Wenn ihr euch trennt, kann sie die Armee gegen dich verwenden. Schon dadurch, dass du sie losgeschickt hast, hat sie viel zu viel Einfluss! Und jetzt behaupte nicht, ihr würdet euch nicht irgendwann trennen! Ihr werdet euch irgendwann trennen, weil sie nun einmal ein Mensch ist und du ein Gott, und dann können wir nur hoffen, dass sich nicht die zweite Armee gegen uns wendet!"
„Ich weiß selber, dass es passieren wird! Lass mich die Beziehung wenigstens so lange genießen, wie ich sie habe! Es tut mir leid, dass ich mich nicht wie du in eine Göttin verliebt habe! Ich würde auch viel lieber mit Artemis für immer und ewig glücklich sein. Oder mit Athene, Hestia, Aphrodite oder Dementer. Von mir aus kann ich auch gerne deinen ewigen Groll auf mich ziehen und mit Hera zusammenkommen, aber leider liebe ich nun einmal keine von ihnen. Nichts für ungut, Hera. Ich muss wie alle anderen von uns damit klarkommen, mich zu verlieben und dann dabei zuzusehen, wie diese Person älter wird und wegstirbt!
Jetzt entschuldigt mich, ich soll schließlich die Armee am Laufen halten. Das mache ich jetzt. Wir sehen uns im Olymp." Der Kriegsgott sprang von seinem Stuhl auf, welcher klappernd auf den Boden fiel und verließ fluchtartig den Raum.
Die beiden zurückgebliebenen Götter sahen sich ziemlich überfordert gegenseitig an. Schließlich seufzte Zeus leise, stand selber auf und stellte den Stuhl wieder vernünftig hin. Als Nächstes glitt sein Blick zu Hera, welche noch immer saß.
„Bleibst du noch ein wenig, Liebste?", fragte er schließlich.
„Ja, tue ich. Du weißt, dass du nicht so streng zu ihm sein solltest, richtig? Er mag dieses Mädchen nun einmal." Hera sah besorgt zu ihrem Mann. Das väterliche Verhältnis zwischen ihm und Ares führte immer wieder zu Spannungen, was nicht gut für den Frieden im Olymp war. Vor allem jetzt, wo es jetzt anscheinend Probleme mit Hades gab, sollten die anderen wenigstens zusammenhalten. Jeder für sich würde nicht klarkommen.
„Ares Frauengeschichten bringen uns so oft Probleme, Hera. Wir können froh sein, dass er es wenigstens bisher geschafft hat, keine halbgöttlichen Kinder zu zeugen. Die würden uns noch die ganze Erde mit ihrem Temperament unter den Füßen wegsprengen." Zeus rieb sich über die Stirn, als hätte er Kopfschmerzen. Warum nur verstand der Kriegsgott nicht, dass er nur auf ihn aufpassen wollte?
„Ares wäre ein guter Vater für sie und wer auch immer die Mutter wäre, sie wäre mit Sicherheit auch eine gute Mutter. Mache dir nicht immer so viele Sorgen über Ares impulsive Entscheidungen. Er kann die Situationen eigentlich immer sehr gut einschätzen. Er wird sich dieses Mal bestimmt nicht irren."
„Und was wenn doch, Hera? Können wir das Risiko eingehen, dass er sich irrt?" Zeus ließ sich wieder auf seinen Stuhl fallen. So ungern er es auch zugab, in diesem Fall war Ares Entscheidung viel zu gefährlich, um den Dingen ihren Lauf zu lassen.
„Wie willst du dir sicher sein, dass in der neuen Gruppe Friedenswächter keine Verräter dabei sind, Zeus? Das können wir einfach nicht. Verliere nicht das Vertrauen in Ares und die Welt. Er ist ein guter Junge. Schreibe ihm, dass es dir leidtut, und du seine neue Freundin sehr gerne kennenlernen würdest. Und wenn sie hier ist, behandelst du sie nicht wie eine Schwerverbrecherin. Vielleicht kriegt sie deine bombenlegenden Enkelkinder." Die Göttin des Friedens stand von ihrem Stuhl auf.
„Glücklicherweise wären es nicht meine Enkelkinder, Hera. Wir haben keine Kinder, was auch besser ist. Noch ein paar mehr Götter auf dieser Erde könnten wir wirklich nicht gebrauchen." Jetzt gab es aus Sicht des Gewittergottes manchmal schon zu viele Götter mit zu vielen Meinungen auf der Erde.
„Ich weiß, Zeus. Aber vielleicht brauchen wir mal wieder ein halbgöttliches Kind. Bis auf Tyche waren sie alle gute Kinder und haben diese Welt vorangebracht. Ares Kinder könnten auch einfach Helden werden. Du machst dir einfach immer viel zu viele Sorgen, Liebster. Würden wir altern, würden sich bei dir bald Sorgenfalten bilden. Entspanne dich besser. Hast du heute noch Termine oder können wir diesen Tag einfach mal gemeinsam verbringen?" Hera begann ihrem Ehemann beruhigend über den Rücken zu streicheln. Er machte sich mal wieder viel zu viele Gedanken.
„Ich habe heute Abend noch eine Besprechung mit meinem Rat. Bis dahin habe ich Zeit für dich. Und danach habe ich auch wieder Zeit. Hättest du gesagt, dass du kommst, hätte ich sie verschoben", gestand Zeus. Eigentlich hätte er sich sehr gerne mehr Zeit für seine Ehefrau genommen, wo sie die meiste Zeit des Jahres getrennt voneinander zwei verschiedene Reiche regierten.
„Ich habe nicht geahnt, dass es in Artemis Reich ein solch grauenvolles Massaker geben würde. Es war daher sehr spontan. Mache dir also keine Vorwürfe, weil du Termine hast. Beim nächsten Mal haben wir wieder mehr Zeit füreinander", versuchte Hera ihren Ehemann zu trösten. Auch wenn die beiden den Vorteil hatten, dass das Alter niemals zwischen ihnen stehen würde, durch ihre zwei verschiedenen Königreiche mit ihren anfallenden Aufgaben wurde die Beziehung auch oft erschwert.
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