Kapitel 21

Ich warf immer wieder den Ball für Antiope und Bärchen, welche ihm glücklich bellend nachrannten, während ich mal wieder in einem Buch zeichnete. Wie an eigentlich jeden Morgen war Adina in den See abgetaucht. Jetzt, wo ich wieder zurück in Hogwarts war, nahm ich mir auch wieder die Zeit, um morgens hier herumzusitzen.
Meine Instinkte sprangen an. Jemand wollte mich angreifen, was in neunundneunzig Prozent der Fälle auf Susanne schließen ließ. Jedenfalls konnte ich mir nicht vorstellen, jetzt schon jemanden so sehr auf die Füße getreten zu sein, dass meine Rückkehr alleine eine Ermordung begründete. Allerdings war ich als offizieller Teil der Kriegsnymphenfamilie vielleicht auch eine größere Gefahr, im Vergleich mit letzten Jahr, wo ich nur ein unbekanntes Waisenmädchen war.
Es dauerte noch zwei Sekunden, dann war die Gefahr nahe genug dran, dass ich gegen sie antreten konnte. Ich packte Sue am Arm und wollte sie mit einem gezielten Wurf in den See befördern. Dies blockte sie ab, weshalb ein kurzes Gerangel entstand, bei dem am Ende Sue zu Boden ging. Ich stürzte mich auf sie und fixierte sie dort.
„Einen wunderschönen guten Morgen, Patricia!", flötete die Gryffindor gut gelaunt.
„Morgen, Sue." Ich ließ von Marlons Nichte ab, um auch noch Arienne und Roux einen guten Morgen zu wünschen. Die beiden Mädchen waren mit Susanne hierher gekommen.
„Morgen, ihr beiden." Ich schenkte ihnen ein freundliches Lächeln, weshalb sich Ari neben mich fallen ließ und mir einmal durch die Haare strich.
„Hast du gut geschlafen oder hat dich Parkinson genervt?", wurde ich gefragt.
„Sie hält momentan die Klappe", berichtete ich glücklich. Da Parkinson und ich uns momentan demonstrativ ignorierten, herrschte tatsächlich frieden
„Sehr gut und du Sue, gucke nicht so muffelig, weil wir dich nicht darin unterstützt haben, Patricia anzugreifen. Sie braucht noch ein wenig Zeit, bevor wir sie überraschend angreifen. Noch ein bisschen Schonfrist für meine neue kleine Schwester. Ihr hattet anfangs auch eine."
„Sie kriegt keine zwei Jahre!", protestierte sofort Susanne.
„Nicht zwei Jahre, aber noch ein wenig. Bis sie gelernt hat, sich bei einem vorhersehbaren Angriff zu wehren. Sie macht doch große Fortschritte. Nächste Woche fangen wir an, sie hinterrücks zu überfallen." Mir wurde leicht in die Seite gestupst.
„Ihr könnt mich auch jetzt schon hinterrücks angreifen. Sue freut sich immer, dass ihr zusammen stärker als ich seid, also könnt ihr mich jetzt öfter angreifen, damit ich öfter verliere. Oder ich lerne früher, wie man mit mehren Gegnern umgeht, was Sue stolz machen wird."
„Schon alleine für diesen Satz bin ich stolz auf dich. Es zeigt, ich bin eine tolle Antheia und ich werde dich zu einer mindestens genauso tollen Nymphe wie Otrere machen. Wenn wir beide gestorben sind, probieren wir aus, ob es geklappt hat! Dann trittst du im Totenreich gegen Otrere an." Der Gedanke, dass ich eines Tages gegen die erste Kriegsnymphe antreten würde, brachte Susannes Augen zum Glänzen. Hoffentlich würde sie nicht irgendwann ungeduldig werden, weil ich zu lange lebte und sich damit der Kampf zu sehr nach hinten schob. Ob sie wohl versuchen würde, mich umzubringen, um ihr Ziel zu erreichen? Aber so weit würde sie sehr wahrscheinlich dann doch nicht gehen.
„Susanne, in letzter Zeit redest du mir etwas zu oft über den Tod. Willst du uns über irgendwelche Probleme in deinem Leben reden?" Arienne sah belustigt zu ihr herüber.
„Ich bin Realist, das ist mein Problem. Wollen wir uns jetzt mit den echten Problemen dieser Welt befassen? Ein Todesser läuft wahrscheinlich in Hogwarts rum? Also wann hängen wir Karkaroff aus dem Fenster und fragen ihn, ob er es ist?"
„Wenn wir wieder ins finster Mittelalter durch eine Zeitreise geschickt werden, solange halten wir uns an unseren eigentlichen Plan. Patricia, du wolltest doch mit Snape reden."
„Den alten Schniefelus ein wenig ausquetschen, meinst du wohl", machte Sue meinen Vater nach. Ich biss mir auf die Unterlippe. Sirius, ihn vermisste ich doch sehr, genauso wie ich es bei Marlon tat. Ich freute mich jetzt schon darauf, die beiden bald wieder zu sehen, auch wenn ich nicht über Nacht bei ihnen bleiben würde. Zwar gaben sich Ari und Blaise große Mühe, die Kuscheleinheiten zu ersetzen, doch es war ein Unterschied, ob ich mit Sirius und Marlon kuschelte oder ob es Ari und Blaise waren. Außerdem lag nachts nur Antiope bei mir im Bett, weshalb es irgendwie leer war. Man gewöhnte sich doch schnell daran, jemanden zum Knuddeln und Reden zu haben.
„Ich werde Freitag mit ihm reden, während ich meinen Privatunterricht habe. Das ist am wenigstens auffällig. Dann frage ich ihn zu Karkaroff und Crouch aus. Sind euch noch andere verdächtige Personen aufgefallen?" Ich sah neugierig in der Runde herum, doch sie schüttelten allesamt den Kopf. Das hörte sich noch nicht sehr vielversprechend an. Hoffentlich würde mir dieses Mal nicht die Person, welche die Nymphen und vor allem Harry bedrohte, durch die Lappen gehen.
„Bisher leider nicht, aber wir halten weiterhin unsere Augen auf. Wir werden den Gefährder bestimmt bald finden und dann können wir nach Hause. Zurück zu Sirius und Marlon", versuchte mich Roux aufzumuntern. Ich nickte leicht, um zu signalisieren, dass ich verstanden hatte, doch ich glaubte nicht ganz daran. Bei Pettigrew war schließlich am Ende alles schief gelaufen.
„Das wird alles, Patricia. Du musst dir keine Sorgen machen, dieses Mal hast du ein Team hinter dir stehen, welches dafür ausgebildet wurde Todesser zu jagen und nicht von welchen großgezogen wurde. Außerdem hast du dich als Kriegsnymphe weiter entwickelt. Ares hat dir alles beigebracht, was er konnte, jetzt brauchst du halt einfach mehrere Leute, die auf dich eindreschen und eine richtige Familie. Für Letzteres hast du die beiden." Sue zeigte auf ihr Schwester und ihre Großcousine, welche beide belustigt den Kopf schüttelten.
„Zum Glück wissen wir alle es besser. Unsere Kriegsnymphe ist auch für dich Familie." Roux boxte ihrer älteren Schwester leicht in die Seite, weshalb diese gespielt beleidigt grummelte.
„Selbst wenn wir es schaffen, Harry vor dem Todesser zu beschützen, die Aufgaben muss er alleine bewältigen. Momentan hat er noch keine Ahnung, was die nächste Aufgabe ist. Glaubt ihr, er schafft es, das Rätsel zu lösen? Es ist doch ziemlich kompliziert."
„Kompliziert? Ich weiß nicht, ob jemand anderes als dein Zwilling weiß, wie sich Wassermenschen über Wasser anhören und deshalb auf die Idee kommt, das Ei unter Wasser zu öffnen", warf Susanne ein. Ich kratzte mich am Hinterkopf. Ich war mir ziemlich sicher, nicht einmal ich würde die Stimmen als die von Wassermenschen erkennen und niemand anderes hatte so viel Tiernymphenblut in sich wie ich. Also abgesehen von meinem Zwilling.
„Du solltest es Harry vielleicht sagen, dass es sich um Wassermenschen bei dem Rätsel handelt und dass er das Ei unter Wasser halten soll", schlug mir Roux vor.
„Ich habe ihn gefragt, ob er meine Hilfe haben will, aber er meinte, er bräuchte sie nicht. Ich will mich ihm nicht aufdrängen. Wenn er nicht weiterkommt, wird er bestimmt kommen. Ansonsten kann ich es ihm noch immer stecken oder Kira sagt es ihm. Ich glaube, meinem Zwilling glaubt Harry eher. Letztes Jahr hat er mir nicht geglaubt, dass er nicht gegen Slytherin spielen wird."
„Dieses Mal glaubt er dir bestimmt." Die Jüngste von uns Mädchen tätschelte aufmunternd meine Schulter.

Ich sah dabei zu, wie sich mein Zaubertrank immer weiter verfärbte, bis er schließlich die gewünschte Farbe erreichte. Adina und Susanne, welche die Plätze auf meiner linken und rechten Seite für sich beanspruch hatten, waren mehr oder weniger ebenfalls mit ihren Zaubertränken beschäftigt. Während die Wassernymphe sich viel Mühe dabei gab, einen guten Zaubertrank abzuliefern, war Sue nur halbherzig dabei. Sie vermasselte den Trank zwar nicht, doch wirklich Mühe gab sie sich auch nicht. Mit einer Hand rührte sie, auf der anderen balancierte sie eine Feder.
„Und freust du dich schon darauf, gleich noch weitere zwei Stunden in einem stickigen Kerker zu sein?", fragte sie mich gut gelaunt. Fürs Tränkebrauen hatte sie definitiv nicht Geduld.
„Ich lebe hier in einem stickigen Kerker, mir macht es daher nichts aus", murmelte ich zurück, während ich zu Snape sah, welcher gerade mal wieder Harry kritisierte. Heute war ein schlechter Tag, um Mist in seinem Unterricht zu bauen, schließlich wollte ich Informationen aus ihm rausquetschen, sobald der Klassenraum leer war.
„Du hättest dich letztes Jahr nicht zu kleinen Todessern ins Haus einteilen lassen sollen. Im Turm kriegt man jedes Gewitter mit, ganz nach deinem Geschmack." In diesem Moment fiel von hinten ein Schatten auf Sue und mich.
„Ms Allaire, langweile ich sie?", wurde Marlons Nichte mit schnarrender Stimme gefragt. Ich zog automatisch den Kopf ein. Genau, was ich nicht wollte, war eingetreten. Der Professor hatte nun uns beide auf den Kicker.
„Nein, sie machen sehr interessanten Unterricht, Professor. Das Köcheln vom Trank langweilt mich. Es ist doch sehr langwierig."
„Sie werden sich Geduld aneignen müssen, Ms Allaire", wurde ihr bestimmt mitgeteilt.
„Das werde ich, Professor."
„Ich rate ihnen, es sich bis zu unserer nächsten Stunde anzueignen. Fangen sie jetzt schon einmal an zu üben. Falls sie es nicht schaffen, können sie sehr gerne Nachhilfe kriegen." Das hörte sich sehr nach Nachsitzen an. Bei den zwölf Göttern, Sue hatte jetzt schon fast Nachsitzen, dabei waren wir noch keine Woche auf dieser Schule.
Der Lehrer lief nach vorne zum Pult, wo er sich erneut zur Klasse umdrehte. Er ließ seinen Blick kurz über die Schüler schweifen, bevor dieser schließlich erneut an Marlons Nichte hängen blieb.
„Fünf Punkte Abzug für Gryffindor aufgrund des vorlauten Verhaltens von Ms Allaire", wurde verkündet, weshalb die entsprechenden Schüler aufstöhnten.

Ich sah dabei zu, wie die anderen Schüler den Raum verließen. Als Letztes gingen Susanne und Adina durch die Tür. Das Mädchen aus der Kriegsnymphenfamilie gab mir ein kurzes Handzeichen, dass ich mir Snape vorknöpfen sollte. Die Wassernymphe schenkte mir nur ein aufmunterndes Lächeln.
Mein Blick glitt zu Professor Snape, welcher noch immer am Pult stand und darauf achtete, dass auch wirklich alle Schüler gingen. Kaum war die Tür hinter Sue und Adina zu, glitt sein Blick zu mir. Ich wurde kurz gemustert, bevor der Lehrer mit der Hand auf den forderen Tisch genau gegenüber von seinem zeigte. Ich kam der stillen Aufforderung nach, setzte mich allerdings nicht auf den Stuhl, sondern auf den Tisch.
„Professor Snape, ich muss mit ihnen über etwas reden."
„Professor Dumbledore hat schon erwähnt, sie könnten kommen. Ich kenne den Grund für ihre Rückkehr und den Aufenthalt von ihren drei Cousinen."
„Ich nenne sie nicht Cousinen. Arienne will meine große Schwester sein, Susanne meine Antheia und Roux – ich denke, Roux ist einfach Roux." Der Lehrer nickte verstehend.
„Sie fühlen sich bei ihrer neuen Familie anscheinend wohl", stellte er fest. Ich nickte leicht. Das tat ich definitiv.
„Jemand hat Harrys Namen in den Feuerkelch geworfen. Waren sie das?" Ich beobachtete den Lehrer mit Adleraugen, welcher nicht einmal mit der Wimper zuckte. Sein Gesicht zeigte keine einzige Reaktion.
„Nein, Ms Smith. Ich will Potter nichts antun." Ich wartete ein wenig darauf, dass die Alarmglocken in meinem Kopf angingen, doch es passierte nichts. Sie blieben still. Snape wollte Harry nichts tun, wie ich auch schon bei dem Gespräch mit meiner Familie beteuert hatte.
„Und was ist mit Karkaroff? Er war doch früher ein Todesser, richtig?" Der Lehrer zögerte kurz, bevor er langsam nickte. Neugierig betrachtete ich meinen Professor für Zaubertränke, welcher langsam aufstand. Er gab mir mit einer Hand das Zeichen, ich sollte ihm folgen. Ich zog fragend eine Augenbraue hoch. Wegzulaufen war keine Antwort auf meine Frage.
„Sie sollen das Schreiben und Lesen üben", stellte der Lehrer fest. Ich nickte leicht. Das war der eigentliche Sinn dieser extra Lernsitzung.
„Sie werden eine Inventarliste anfertigen", wurde mir mitgeteilt. Danach würde ich zumindest wissen, wie man sämtliche Zutaten schrieb. Es schien daher eigentlich ziemlich logisch zu sein.
„Beantworten sie dabei meine Fragen?" Der Lehrer nickte leicht, weshalb ich von meinem Platz auf stand. Dann würde ich wohl jetzt eine Inventarliste schreiben.

Ich schrieb die nächste Zutat auf, welche mir von Professor Snape genannt hatte. Es dauerte noch kurz, dann wurde mir auch eine Menge gesagt, weshalb ich auch noch diese notierte. Dann sah ich erneut zu dem Lehrer, welcher weiter die Zutaten herum schob.
„Wann erzählen sie mir von Karkaroff?", drängelte ich. Geduld musste wohl nicht nur Sue lernen, sondern auch ich. Gerade wenn es um Informationen ging, war ich viel zu neugierig und dadurch auch viel zu ungeduldig.
„Nun Ms Smith, viele Todesser sind damals der Strafverfolgung entkommen, wie sie mit Sicherheit wissen. Viele behaupteten unter dem Imperius-Fluch gestanden zu haben, andere gaben für ihre Freiheit die Namen anderer Todesser an die Strafverfolgungsbehörden verraten."
„So wie sie. Sie haben auch andere Todesser verraten."
„Nein, Ms Smith. Ich habe die Seiten gewechselt, bevor es zu einer Anklage kam. Die meisten wurden erst zu Verrätern, als die Alternative Askaban war."
„Warum wurden sie zum Verräter?"
„Das geht sie nichts an." Ich sah enttäuscht auf meine Liste. Dabei wäre diese Information doch wirklich sehr interessant gewesen. Ob ich ihn wohl irgendwann herausbekommen würde?
„Karkaroff, er hat alle Verraten, die er kannte, um nie wieder zurück nach Askaban zu müssen."
„Er war dort?", fragte ich verunsichert. Karkaroff wirkte anders als Sirius nicht so, als hätte er Zeit in diesem sogenannten Gefängnis verbracht. Wenn er allerdings nach sehr kurzer Zeit herausgekommen war, weil er Namen anderer Todesser verraten hatte, werden die Dementoren wohl nicht so schlimme Folgen angerichtet haben, wie es bei Sirius der Fall gewesen war.
„Nicht lange, daher ist er nicht so entstellt, wie es ihr Vater durch die zwölf Jahre dort ist."
„Ich nenne ihn Sirius." Ein ziemlich zufriedenes Lächeln schlich sich auf das Gesicht des Lehrers. Das gönnte er ihm jetzt. Sirius heißgeliebter Welpe nannte ihm nach einem Halbenjahr noch immer nicht Vater, Papa oder Dad.
„Nun, er war nur wenige Tage dort, dann wurde er durch seinen Verrat freigelassen. Karkaroff ist wie ein Fähnchen im Wind, immer nur auf seinen eigenen Vorteil aus." Also war er charakterlich Pettigrew sehr ähnlich. Dann konnte es gut sein, dass der Schulleiter von Durmstrang auf die gleiche Art und Weise wie Pettigrew die Gunst des dunklen Lords zurückkehren wollte? War vielleicht sogar der Animagus wieder hier, um seinen Job zu beenden?
„Denken sie, Karkaroff will durch den Mord an Harry seine Gunst bei Voldemort zurückgewinnen?"
„Nein, er ist ein Feigling. Ein Mord unter Dumbledores Aufsicht geht definitiv zu weit für ihn. Mal davon abgesehen, es gibt noch nicht genug Beweise für die Rückkehr des dunklen Lords. Es wäre noch zu früh, seine sichere Stellung als Schulleiter aufzugeben. Vor allem weil er wahrscheinlich nichts tun kann, um die Gunst der anderen Todesser zurückzuerlangen. Bei der erstbesten Möglichkeit werden sie versuchen, ihn loszuwerden. Dreizehn Jahre Askaban verzeiht man niemanden so einfach. Wenn er klug ist, bringt er nicht das Zaubereiministerium wieder gegen sich auf, sondern flüchtet nur vor den Todessern."
„Werden sie flüchten, wenn er zurückkehrt?" Erneut hielt der Lehrer in der Bewegung inne. Er schien tatsächlich kurz über meine Frage nachdenken zu müssen, doch dann schüttelte er leicht den Kopf.
„Nein, werde ich nicht", gab er zu, sah allerdings wesentlich bleicher aus als sonst. Seine schwarzen Augen glitzerten eigenartig. Ich brauchte ein paar Sekunden, um zu verstehen, was es war. Er hatte Angst, vermutlich weil er dann wieder als Spion für Dumbledore arbeiten sollte.

Gedankenverloren lief ich in Richtung Gemeinschaftsraum. Entgegen meiner Erwartung hatte mich niemand von Snape abgeholt. Eigentlich hatte ich erwartet, dass wenigstens Susanne vor der Tür ungeduldig auf und ab lief. Andererseits hatte Snape nicht einmal eine ungefähre Zeitangabe gegeben, wann wir fertig sein würden. Irgendetwas zwischen zehn Minuten und mir würde noch eine halbe Stunde fürs Abendessen bleiben, hatte er mir nur gesagt. Den ganzen Tag vor dem Klassenzimmer für Zaubertränke zu sitzen, war allerdings doch eine zu große Aufgabe, um ihre Geduld zu trainieren.
Ich kam am Gemeinschaftsraum an. Zum Abendessen hatte ich noch zwanzig Minuten Zeit, daher wollte ich noch meine Schulsachen wegbringen und gucken, ob ich einen meiner Freunde fand. Am liebsten Adina, denn diese hatte nach dem Unterricht Antiope mitgenommen, um mit ihr, Bärchen und Jamie raus zu gehen.
Der Gemeinschaftsraum war wie immer um diese Uhrzeit voll besetzt. Viele machten noch die Hausaufgaben in kleinen Gruppen. Auch Draco saß mit seinen Schlägertypen und den Mädchen aus meinem Zimmer, ausgenommen seine Schwester, hier herum. Er hatte sich den Platz genau vor dem Kamin breitgemacht und genoss es, mal wieder im Mittelpunkt der anderen zu stehen. Neben ihm stand mal wieder die Pappkiste, in der die Anstecker lagen, die Malfoy überall in der Schule verteilt hatte.
„Black, schon vom Nachsitzen zurück?", rief mir Parkinson durch den halben Raum zu. „Schon traurig, dass du nur zurückkehren durftest, wenn du für die Fehltritte aus dem letzten Schuljahr brav weiterhin nachsitzt." Ich verdrehte die Augen. Nachsitzen konnte man meinen Aufenthalt bei Professor McGonagall und Snape wirklich nicht mehr nennen.
Die Lehrerin für Verwandlung hatte mich mit einem Haufen Ingwerkeksen und wirklich leckeren Tee versorgt. Danach hatte sie mir mit wirklich viel Geduld dabei geholfen einen Aufsatz für Kräuterkunde und Zauberkunst zu schreiben, nur um danach noch etwas mit mir in der neuen Verwandlung Heute zu lesen. Dabei erzählte sie mir auch, dass sie einige der Artikel vorher schon Korrektur gelesen hatte.
Auch das Schreiben der Liste heute bei Snape und unser Gespräch über Karkaroff hatte wohl wenig mit Nachsitzen zu tun.
„Jetzt lass doch mal Primrose in Ruhe, Parkinson. Ihr Leben geht dich einfach nichts an", ging Blaise dazwischen. „Was hast du noch vor, Prim?"
„Meine Schulsachen wegbringen, meinen Hund suchen und dann Essen gehen."
„Soll ich dir dabei helfen, deinen Hund aufzuspüren?", bot mir der dunkelhäutige Slytherin an. Ich nickte leicht.
„Warum nicht? Ich komme gleich wieder."
„Bringe deinen Winterumhang mit! Sie wollten raus", rief mir noch Blaise nach.
Ich machte mich auf den Weg in Richtung Schlafsaal, wo ich eben meine Schultasche auf mein Bett beförderte. Dann schnappte ich mir noch meinen Winterumhang, nur um dann zurück in den Gemeinschaftsraum zu gehen. Dort saß noch immer Blaise bei den anderen. Ich lief zu ihm herüber.
„Wir können los. Kommst du?" Der Slytherin stand von dem Sofa auf. Er nahm seinen Umhang von der Sofalehne, wo er bisher gelegen hatte. Mir wurde ein Arm um die Schulter gelegt, dann wurde ich in Richtung Ausgang geschoben.
„Willst du dir noch einen Anstecker mitnehmen, Rona?", fragte mich Draco. Er hielt mir das Paket vor die Nase, welches schon ziemlich leer war. Gerade einmal drei Anstecker lagen noch darin. Ich nahm sie heraus und schmiss sie ins das lodernde Feuer.
„Ups, das tut mir jetzt nicht leid."
„Muss es auch nicht, ich habe noch ein Paket." Ich sah wütend zu Draco herüber. Das würde ich auch noch in Flammen aufgehen lassen.

Adina und Jamie waren nicht schwer zu finden. Sie waren mal wieder am See, dem Lieblingsort der Wassernymphe. Die beiden Hunde tobten miteinander, während die beiden Menschen zusammen am Ufer saßen und miteinander quatschten. Nein, eigentlich redete mal wieder Adina, während mein bester Freund ihr geduldig zuhörte und immer mal wieder zwei Sätze sagte. Die gemeinsamen Sommerferien hatten sie wohl noch etwas näher zusammengeschweißt.
„Wir sollten die beiden nicht stören." Blaise wollte mich wieder in Richtung Schloss schieben.
„Warum sollten wir sie nicht stören?" Auch wenn die beiden sich während der Sommerferien wirklich angefreundet hatten und nicht mehr nur mir zu liebe, sprach doch nichts dagegen zu ihnen zu gehen? Oder hatten sie jetzt eine enge Freundschaft, bei der sie sich Dinge erzählten, die ich nicht wissen sollte? War das jetzt der Moment, in dem die beiden langsam merkten, dass ich nur Ballast für sie war?
„Jetzt gucke nicht so grummelig, Primrose. Ich glaube, die beiden haben sich gerne."
„Das hoffe ich doch. Sie sind schließlich befreundet. Aber bestimmt nicht mehr lange, wenn sie weiterhin Luna ärgert. Das ist nicht nett." Ich schüttelte den Kopf bei dem Gedanken, was meine beste Freundin immer in Bezug auf die Ravenclaw abließ. Klar, Jamies Klassenkameradin war ein wenig eigen, aber das waren wir alle. Man musste die Verrücktheit einfach akzeptieren und sich im Stillen über Lenkpflaumen-Ohrringe wundern.
„Sie ärgert Luna, weil sie sie als Konkurrentin sieht", wurde mir erklärt.
„Und warum ärgert sie mich dann nicht? Ich bin auch mit Jamie befreundet. Warum sieht sie mich nicht als Konkurrentin? Zu mir ist sie nett. Oder bevorzugt sie mich wieder aufgrund meiner Abstammung?" Der Slytherin neben mir lachte leise auf.
„Nein, nicht deshalb, Primrose. Es ist nur – Sie weiß, dass du Jamie eher als eine Art Bruder siehst. Für euch gibt es jeweils einen Platz, aber bei Luna hat sie wohl Angst, dass sie den gleichen Platz an Jamies Seite will."
„In den Sommerferien war ich bei meiner leiblichen Familie und – Kira nennt Sirius einfach Dad. Aber wenn er ihr Vater ist, kann er meiner nicht mehr werden, deshalb war ich traurig. Aber er meinte, man kann viel Menschen auf die gleiche Weise lieb haben. Also warum kann Jamie nicht Adina und Luna gleich lieb haben?"
„Irgendwann wirst du es verstehen. Wenn dein Analyseblick auch erkennt, wenn eine Person, die andere mag." Mir wurde ein Kuss auf die Wange gedrückt.
„Ich erkenne, dass Jamie und Adina sich mögen", beschwerte ich mich. Langsam bekam ich ein Gespür für Freundschaften.

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