Kapitel 46

Lachend drehte ich mich in meinem Kleid vor dem Spiegel. Der pinke Stoff meines Kleides und der violette Tüll, welcher am Rock über diesem pinken Stoff war, flogen ein Stück nach oben. Nichts, was mich wirklich störte. Sogar genau das Gegenteil war der Fall. Ich mochte solche Tüllkleider, gerade weil sie so schön flogen. Maélys kam aus dem Bad heraus. Auch sie trug ein Kleid, genauso wie alle anderen auch.
„Also können wir runter?" Mary sprang aufgeregt auf und ab. Sie war ziemlich aufgedreht.
„Also von mir aus schon." Maélys sah uns andere fragend an, doch niemand wollte ihrer Aussage widersprechen. Wir waren fertig für den zweiten Teil des Abends. Lilys beste Freundin öffnete die Tür und begann die Treppe herunter zu hüpfen. Lachend sahen wir ihr dabei zu. So gut gelaunt, hatten wir sie schon lange nicht mehr gesehen.

Ich hatte mich bei Sirius untergehakt. Bubble sprang aufgeregt um uns herum, während wir zu einem leeren Klassenraum im Erdgeschoss gingen, wo unser Abschlussball stattfinden würde. Erst war die Überlegung gewesen die große Halle zu nutzen, doch für unseren Jahrgang alleine war diese viel zu groß. Da war der nicht gerade kleine Klassenraum die bessere Lösung.
Bei Lily und James hatte sich mittlerweile die Nervosität breitgemacht. Sie würden später auf dem Abschlussball eine Rede halten müssen. Während James Hand immer mal wieder Richtung seiner Haare wanderten, die dank Marlene ausnahmsweise nicht in alle Richtung abstanden, war Lily ganz damit beschäftigt nochmal die ganze Veranstaltung durchzugehen.
Meine beste Freundin hatte es übernommen, den Schulsprecher davon abzuhalten seine Frisur zu zerstören. Sobald sich seine Hand in Richtung der Haare bewegte, schlug sie diese wieder weg.
Wir waren fast an unserem Ziel angekommen, da unterbrach meine Katze ihr Herumlaufen. Stattdessen hob sie den Kopf und schien aufmerksam zu lauschen. Dann rannte sie plötzlich los. Allerdings nicht in Richtung unseres Zieles, sondern zu den Treppen, die in das Untergeschoss des Schlosses führten.
„Bubble! Bleib hier!" Das Tier drehte sich noch einmal zu uns um. Sie mauzte einmal kurz, setzte ihren Weg allerdings weiter fort.
„Bubble!" Dieses Mal reagierte meine Katze gar nicht. Etwas verwundert sah ich ihr dabei zu, wie sie die Treppe nach unten kletterte. Seit wann rannte der kleine Angsthase davon? Normalerweise blieb sie immer an meiner Seite oder schloss sich wenigstens einen anderen Gryffindor aus meinem Jahrgang oder Jean an. Was hatte sie jetzt also dazu geführt, dass sie einfach wegrannte? Kurzentschlossen setzte ich mich ebenfalls in Bewegung.
„Geht schon mal vor. Ich komme gleich nach."
„Carolin, jetzt lauf du doch nicht nach. Bubble kommt schon wieder." Dorcas schüttelte den Kopf. Ich ignorierte den Kommentar des brünetten Mädchens und folgte weiterhin meiner Katze, die am Fuße der Treppe auf mich wartete. Offensichtlich hatte sie gehofft, ich würde ihr folgen.
Sobald ich auf der Höhe des Kätzchens war, lief sie weiter. Ich versuchte zu verstehen, wohin sie eigentlich lief. Weder Richtung den Klassenzimmer für Zaubertränke, noch Richtung den Gemeinschaftsraum der Hufflepuffs oder Slytherins und auch die Küche schien nicht ihr Ziel zu sein. Nein, sie lief in Richtung einen vollkommen leerstehenden Teil des Schlosses. Doch trotzdem schien sie genau zu wissen, wohin sie wollte.

Wir liefen nicht lange von der Treppe weg, da kamen wir auch schon am Ziel meiner Katze an. In einer Nische verborgen saß jemand. Wer es genau war, konnte man nicht erkennen. Dafür war es hier viel zu dunkel. Der schwarze Umhang gab auch nicht eine wirkliche Auskunft, doch der Größe nach zu urteilen, handelte es sich um einen Jungen aus den oberen Jahrgängen. Den Kopf hatte diese Person an die Wand gelehnt, während er die gegenüberliegende Wand anstarrte. Meine Katze sprang, ohne zu zögern, auf diese Person drauf, weshalb er sein Kopf doch mal bewegte. Eine schwarze Strähne viel ihm ins Gesicht.
„Hallo, Bubble." Ich zuckte leicht zusammen. Diese Stimme würde ich wahrscheinlich unter tausenden wiedererkennen.
„Regulus?" Unter anderen Umständen hätte ich jetzt meinen Zauberstab herausgezogen, um Licht zu machen, doch ich hatte ihn dummerweise im Schlafsaal gelassen. Eine dumme Entscheidung, wie ich gerade feststellen musste. Der Kopf des jüngeren Blacks drehte sich zu mir.
„Carolin Sanders." Anders als ich hatte der Junge einen Stab dabei. Diesen hatte er gerade aus seinen Umhang gezogen. Automatisch spannten sich sämtliche meiner Muskeln an, um einen möglichen Angriff ausweichen zu können. Ich würde mich wehren. Egal was passieren würde, ich würde mich gegen den Jungen zu Wehr setzen. Das konnte ich auch ohne einen Zauberstab.
„Lumos." Eine Lichtkugel erschien an der Spitze des Zauberstabes, sodass ich das Gesicht des Slytherins sehen konnte. Regulus Black war ungewöhnlich blass. Seine Augen wirkten ein wenig angeschwollen, als hätte er geweint. Verunsichert sah ich den Jungen an. Ich hatte nicht damit gerechnet, ihm heute über den Weg zu laufen. Vor allem wenn es ihm nicht so gut ging.
„Was machst du hier?" Ich wurde misstrauisch angesehen.
„Bubble ist hier hergelaufen. Ich wollte sie nur wiederholen."
„Du solltest hoch. Der Ball fängt gleich an, den willst du doch nicht verpassen, oder?" Nein, eigentlich freute ich mich ziemlich auf diesen. Doch Sirius kleinen Bruder wollte ich auch nicht einfach hier sitzen lassen.
„Ist denn mit dir alles in Ordnung?", fragte ich vorsichtig.
„Klar, was soll sein?"
„Keine Ahnung. Du siehst einfach unglücklich aus." Der Slytherins seufzte leise.
„Es ist nichts, wobei du mir helfen könntest. Jetzt geh schon."
„Sicher, dass du nicht darüber reden willst?" Der Junge lachte bitter.
„Du willst auch wirklich jedem helfen, Carolin, oder? Egal wie jemand dich behandelt, du bist nett zu ihm."
„Natürlich will ich jedem helfen. Nur weil sich jemand wie ein Arsch benimmt, heißt es noch lange nicht, dass er in Wahrheit kein guter Mensch ist."
„Man kann nicht jedem helfen."
„Aber ich kann es versuchen." Der junge Black drückte mir noch immer kopfschüttelnd meine Katze in die Hand.
„Du solltest dir ganz dringend ein neues Lebensmotto zulegen. Ansonsten wirst du in diesem Krieg nicht lange am Leben bleiben, Sanders. Es gibt genug Menschen, da kommt jede Hilfe zu spät. Die haben keinen guten Kern mehr, haben vielleicht auch nie einen besessen." Ich schüttelte den Kopf.
„Niemand kommt auf die Welt und ist einfach böse. Ein kleines bisschen Gut ist jeder Mensch, aber genauso ist auch der ewige Gute manchmal böse. Egal wie sich jemand gibt, heißt es noch lange nicht, dass er nicht auch seine guten und netten Seiten hat. Außerdem sind Menschen, die man nett behandelt, meistens auch nett zu einem. Du hast auch aufgehört, auf mir rumzuhacken, solange deine Freunde nicht dabei sind." Der Junge schüttelte ungläubig den Kopf.
„Würdest du nicht auf der falschen Seite stehen, hätte ich dich wahrscheinlich sogar gerne." Regulus stand auf und wandte sich zum Gehen.
„Ich habe dich gerne, obwohl du auf der falschen Seite stehst. Wie gesagt, falls du noch einen Sinneswandel hast, Sirius und meine Tür steht immer offen", rief ich ihm nach.
„Sirius und deine?" Ich merkte, wie ich rot anlief. Ein Wunder, dass mein Freund und ich das Zusammenziehen aus der Gerüchteküche halten konnte.
„Ja, Sirius und meine, wir ziehen zusammen." Ein trauriges Lächeln bildete sich auf dem Gesicht des Jungen.
„Es freut mich, dass Sirius dich an seiner Seite hat. Leb wohl, Carolin." Ich schluckte schwer.
„Ich hoffe, wir sehen uns nochmal wieder, Regulus."
„Ehrlich gesagt, hoffe ich, dass dies nicht passiert. Ich will meinem Bruder nur ungern wehtun."
„Wie meinst du das?" Der junge Slytherin zog den Ärmel seines Umhangs hoch, sodass ich seinen linken Unterarm sehen konnte. Mir blieb die Luft weg, als ich sah, was dort prangte.
„Man kann nun mal nicht jeden retten. Unser nächstes Zusammentreffen wird nicht so friedlich verlaufen." Mit diesen Worten verschwand er im Gang. Das Licht seines Zauberstabes erlosch wieder. Bubble auf meinem Arm mauzte traurig, während ich wie erstarrt in der Dunkelheit stehen blieb. Die Worte, die ich ihm am liebsten hinterhergerufen hätte, kamen leider nicht aus meinem Mund heraus: „Aber ich kann es versuchen!"

Aus dem Klassenraum drang laute Musik. Anscheinend hatte ich die Rede von James und Lily verpasst. Eigentlich schade, doch jetzt in diesem Moment war ich viel zu durcheinander, um es wirklich zu bedauern. Oder irgendetwas anderes. Regulus war wirklich zum Todesser geworden, dabei hatte ich in den letzten Monaten wirklich das Gefühl gehabt, er würde seine Ansichten über die Todesser und Muggel noch einmal überdenken. Als hätte er Zweifel daran, der ihm vorgegebene Weg sei der richtige. Doch offensichtlich hatte ich mich geirrt. Sirius würde am Boden zerstört sein, wenn er von dem Entschluss seines kleinen Bruders hören würde. Ich würde ihm den ganzen Abend vermiesen, wenn ich es ihm jetzt erzählte, doch auf der anderen Seite, wollte ich in diesem Thema nur sehr ungern etwas verschweigen. Schließlich wusste ich, wie ich wichtig ihm sein kleiner Bruder war.
Verunsichert sah ich zur Tür. Würde ich nicht zum Ball gehen, würde sich mein Freund Sorgen machen. Die machte er sich wahrscheinlich eh schon, doch ich wollte wirklich nicht, dass er mich suchen kam. Doch wenn ich zu ihm ging, würde er sofort merken, dass etwas nicht in Ordnung war und erst Ruhe geben, wenn ich ihm alles erzählt hatte. Der Abend wäre so oder so ruiniert.
Ich sah zu meiner Katze, die sich auf meinem Arm gekuschelt hatte. Doch auch sie war nicht die Lösung meiner Probleme. Ich seufzte leise. Zumindest konnte ich versuchen, meinem Freund den Abend nicht zu ruinieren und es versuchen bis zum Ende des Balls zu verschweigen.
Ich betrat den Klassenraum. Die Tanzfläche war schon gut gefüllt. Also so gut, wie man sie nun einmal mit einem Jahrgang und den Dates aus den unteren Jahrgängen füllen konnte. Zwischen den tanzenden Pärchen erkannte ich Alice und Frank, die glücklich aneinander gekuschelt dort tanzten. Auch Professor Dumbledore entdeckte ich auf der Tanzfläche. Er tanzte mit der Professorin für Astronomie. Ich glaube, sie hieß Sinistra, jedenfalls wenn ich mich richtig erinnerte.
Mein Blick glitt weiter durch dem Raum. Lily und Mary unterhielten sich gerade mit Professor Flitwick. Maélys stand auf der anderen Seite des Raumes und war mit Professor Allaire in eine Diskussion verwickelt. Nach den Blicken der Umstehenden zu urteilen, war diese Diskussion nicht durchgehend auf Englisch, sondern beinhaltete immer mal wieder französische Abschnitte.
Ich suchte weiter den Raum ab. Marlene und Dorcas quatschten mit Natasha Million. Irgendwo musste sich doch auch mein Freund herumtreiben oder wenigstens einer der Rumtreiber, die mir sagen konnte, wo der Treiber sich aufhielt. Doch keiner der Jungen war irgendwo zu sehen. Hoffentlich waren sie noch nicht losgelaufen, um mich zu suchen. Ich steuerte auf Lily und Mary zu. Wenn jemand etwas über den Aufenthaltsort der Rumtreiber wusste, dann wohl am ehesten die Freundinnen von Remus und James.
„Ms Sanders, schön dass sie ihre Katze wiedergefunden haben." Professor Flitwick, welcher mich von den drei redenden Personen als erster sah, lächelte mir zu.
„Du kommst ja doch noch zurück!" Lily drehte sich grinsend zu mir um.
„Bubble war wohl eine sehr ungezogene Katze und ist nicht so schnell wiedergekommen. Der rebellische Teenager kommt bei ihr langsam durch." Mary sah belustigt zu dem getigerten Tier auf meinem Arm, welches sich an mich drückte.
„Nein, meine Bubble rebelliert nicht gegen mich. Wir lieben uns, nicht wahr, Tiger?" Mir wurde einmal über die Wange geleckt.
„Eine sehr eindeutige Zustimmung." Der Lehrer schien die ganze Szene zu belustigen.
„Wo haben sich eigentlich die Jungs verkrochen?" Mary und Lily sahen sich kurz an, bevor beide lauthals anfingen zu lachen und auch der Lehrer für Zauberkunst fing an zu glucksen.
„Was ist an meiner Frage so lustig?"
„Mr Black war vor wenigen Minuten hier und hat gefragt, ob sie schon wieder zurück wären."
„Keine Sorgen, er wollte noch ein bisschen warten, bevor er dich suchen geht. Er rennt hier also noch wie ein kopfloses Huhn herum." Ich setzte meine Katze auf den Boden.
„Bubble, kannst du bitte Sirius Bescheid sagen, dass wir wieder zurück sind? Ansonsten geht er gleich los, um uns zu suchen." Das Kätzchen mauzte kurz, bevor sie losrannte.
„Das Spürkätzchen ist mal wieder im Einsatz", kommentierte Lily immer noch lachend.
„Nun, Ms Sanders, wir haben gerade darüber gesprochen, was Ms Evans und Ms Macdonald nach ihrem Abschluss vorhaben. Wissen sie schon, was sie machen wollen?" Ich wandte mich wieder Flitwick zu.
„Ich würde gerne eine Ausbildung zur Heilerin anfangen."
„Im Moment ein dringend benötigter Beruf. So wie Pomona und Horace, ich meine natürlich Professor Sprout und Professor Slughorn, von ihren Fähigkeiten in Kräuterkunde und Zaubertränke geschwärmt haben, sollte es nicht scheitern."
„Ich hoffe es." Der Lehrer tätschelte mir vorsichtig den Arm.
„Machen sie sich keine Sorgen, Ms Sanders. Sie werden schon etwas finden."
„Und wenn du nichts findest, werde ich dich durchfüttern." Ich zuckte erschrocken zusammen, als sich Sirius Arme von hinten um mich legten.
„Hey, Stallbursche."
„Hey, Prinzessin. Dein Kätzchen ist wieder da."
„Ich weiß, ich bin mit ihr hierhin zurückgekommen."
„Und ich dachte, ich komme mit wichtigen neuen Informationen." Mein Freund seufzte leise. Liebevoll tätschelte ich seinen Kopf.
„Tut mir leid, kommst du nicht."
„Ach ja, werde ich wohl mit leben müssen."
„Was wollen sie denn nach ihrem Schulabschluss machen, Mr Black?"
„Ich werde Auror." Der Lehrer nickte, während sich ein wenig Besorgnis in seinem Blick breitmachte.
„Ich wünsche ihnen viel Glück, Mr Black."
„Was war eigentlich mit Bubble los?" Sirius sah zur Katze, die friedlich auf meinem Arm saß. Ich schluckte schwer. Dieses Thema hatte ich doch vermeiden wollen.
„Sie hat wahrscheinlich irgendwas Interessantes entdeckt, was sie sich angucken wollte." Der Junge legte seinen Kopf schief, wie immer, wenn er das Gefühl hatte, ich erzählte ihm etwas Wichtiges nicht.
„Und du musstest sie eine halbe Stunde lang verfolgen?" Ich biss mir auf die Unterlippe. Ich wusste genau, ich sollte ihm von Regulus erzählen. Jetzt und nicht erst nach diesem Abend. Er hatte ein Recht darauf, es zu erfahren, schließlich ging es um seinen kleinen Bruder, der sich nun einmal für die Todesser entschieden hatte. Sirius musste es wissen, bevor er sich als Auror bewarb. Schließlich war die Wahrscheinlichkeit groß, dass er eines Tages die Aufgabe hatte, seinen eigenen kleinen Bruder festzunehmen.
„Können wir das später in Ruhe klären? Wir sollten unseren letzten Abend in Hogwarts genießen." Der Junge verschränkte seine Arme.
„Immer wenn du irgendwas auf später verschieben willst, ist irgendwas schlimm daran." Ich seufzte. Offensichtlich hatte er nicht vor noch bis später zu warten.
„Können wir dann wenigstens irgendwohin gehen, wo wir unter uns sind? Es muss nicht unser ganzer Jahrgang davon wissen." Der Junge nickte langsam.

Langsam liefen wir am Ufer des Sees entlang. Die Tentakel des Kraken planschten ein wenig im Wasser, weshalb dieses umher spritzte. Die Sonne ging langsam unter und tauchte die ganze Szene ins Abendrot. Wären Sirius und ich aus einem anderen Grund hier unterwegs, ich würde es sehr genießen, ein letztes Mal den See in diesem Licht zu sehen.
„Warum ist Bubble wirklich weggelaufen?" Die Stimme meines Freundes durchbrach die Stille, welche vorher zwischen uns geherrscht hatte. Ich schluckte schwer.
„Sie ist zu Regulus gerannt." Der Blick meines Freundes glitt zu der Katze, die mal wieder um uns herumsprang.
„Warum sollte sie zu ihm rennen, Carolin?", presste der Junge zwischen den Zähnen hervor.
„Weil es ihm nicht gut ging und sie ihn trösten wollte." Der Junge schüttelte ungläubig den Kopf.
„Bubble, man tröstet keine Slytherins. Das geht nur schlecht aus." Der Minitiger mauzte beschämt.
„Sirius, nur weil jemand in Slytherin ist –"
„Ist er nicht böse? Carolin, es kann gut sein, dass es auch gute Slytherins gibt. Ich bin mir da sogar ziemlich sicher, aber es ändert nichts an der Tatsache, die meisten Todesser kommen aus Slytherin. Wir können uns leider nicht den Luxus erlauben und erstmal allen vertrauen. Jeder ist erstmal böse und ein Feind, vor allem die Slytherin, und mit absoluter Sicherheit mein Bruder, also renne nicht andauernd zu ihm hin!" Er sah mich wütend von der Seite her an. Ich merkte, wie in mir ebenfalls die Wut aufstieg.
„Du weißt gar nicht, was für ein Glück du hast, ständig auf Menschen zu treffen, die nicht nach deinem Lebensmotto leben und alle nach irgendwelchen Vorurteilen beurteilen. Ansonsten würdest du nämlich immer noch bei deinen Eltern leben und es würde dir genauso wie Regulus gehen!" Mein Freund blieb wie angewurzelt stehen. Sämtliche Farbe war aus seinem Gesicht gewichen. Sofort bereute ich meine Worte wieder.
„Wie meinst du das?" Ich biss mir auf die Unterlippe.
„Carolin, wie hast du das gerade gemeint?"
„Würden wir alle nach deinem Lebensmotto leben, hätten sich die Jungs niemals mit dir angefreundet. James wäre niemals dein bester Freund geworden –"
„Der Teil ist mir klar. Es geht um den zweiten Teil. Die Sache mit Regulus." Ich schluckte schwer. Jetzt gab es kein Zurück mehr.
„Er hat das dunkle Mal, Sirius. Du hattest Recht. Er ist ein Todesser." Mein Freund drehte den Kopf von mir Weg. Obwohl er es offensichtlich verhindern wollte, sah ich trotzdem, wie sich eine Träne aus dem Augenwinkel des Jungen löste und langsam seine Wange herunterfloss. Vorsichtig nahm ich den Treiber in den Arm.
„Er liebt dich trotzdem. Ich glaube auch nicht, dass er wirklich glücklich mit dieser Entwicklung ist." Sirius schob mich von sich weg.
„Er soll nicht glücklich darüber sein, ein Todesser zu sein? Glaube mir eins, Carolin, er ist glücklich. Wahrscheinlich war er noch nie glücklicher. Sein Lebenstraum ist in Erfüllung gegangen. Meine Eltern sind mit Sicherheit superstolz auf ihn. Wenigstens einer ihrer Söhne ist geworden, wie sie wollten. Wenigstens einer bringt Muggel, Muggelstämmige, Halbblüter und Blutsverräter um."
„Du weißt doch gar nicht, ob er wirklich ein Mörder ist."
„Es ist mir egal. Er ist ein Todesser. Wenn er noch kein Mörder ist, wird er eben noch einer. Ich will nichts mehr mit ihm zu tun haben. Nie wieder. Das nächste Mal, wenn ich ihn sehe, werde ich eigenhändig dafür sorgen, dass er in Askaban landet und dort verrottet." Ich zog eine Augenbraue hoch. An dieser Aussage zweifelte ich doch. Solange Regulus seinem Bruder auch nur eine winzige Hoffnung gab, er würde sich ändern, würde der ältere Black immer wieder nach dieser greifen. Auch wenn er sich jetzt gerade einredete, er würde es nicht tun.
„Sirius, die Welt unterteilt sich nicht nur in Gut und Böse. Jeder hat seine bösen und guten Seiten. Jeder trifft mal falsche Entscheidungen. Ja, Regulus ist ein Todesser, aber er hatte mehrmals die Chance mir etwas anzutun. Ich habe heute nicht mal einen Zauberstab dabei, trotzdem hat er nicht mal die Anstalt gemacht mir etwas anzutun. Er hätte mir auch nicht sagen müssen, dass er ein Todesser ist. Er wird noch auf die Idee kommen, dass der Weg von Lord Voldemort der falsche Weg ist. Da bin ich mir absolut sicher. Tief im inneren weiß er, dass er eigentlich auf der falschen Seite steht. Gib ihm die Chance, das noch zu erkennen."
„Er hatte die Chance. Siebzehn Jahre lang hatte er die Möglichkeit sich beide Seiten anzusehen und nun hat er sich entschieden." Mein Freund starrte traurig auf den See hinaus. Dieses Mal widersprach ich Sirius nicht. Es hatte eh keinen Sinn, mit ihm zu diskutieren, solange er so drauf war. Jetzt musste er sich erstmal wieder ein wenig beruhigen. Dann konnte ich nochmal versuchen, mit ihm über den jüngeren Black zu reden. Ich merkte, wie mein Freund nach meiner Hand tastete. Vorsichtig ergriff ich die seine.

Ich wusste nicht, wie lange wir am Rand des Sees standen und wortlos der Sonne dabei zusahen, wie sie alles ins dunkle tauchte. Der Kraken hörte irgendwann auf im Wasser zu spielen. Seine Tentakel verschwanden in den Tiefen. Sie tauchten auch nicht wieder auf. Wahrscheinlich wollte das riesige Tier nun ein wenig schlafen. Bubble hatte es sich auf den Füßen des Gryffindors gemütlich gemacht, nachdem sie vergeblich versucht hatte auf seinen Arm zu kommen, um ihn zu trösten.
Erst als hinter uns leise Schritte zu hören waren, bewegte ich mich wieder. Vorsichtig drehte ich mich um. Jemand kam in der Dunkelheit auf uns zu, allerdings konnte ich nicht erkennen, wer es war. Automatisch glitt meine Hand in die Richtung meines Zauberstabs. Allerdings fiel mir schnell auf, dass er fehlte. Ich hatte ihn nicht dabei. Bei den zwölf Göttern, ich würde nie wieder ohne Zauberstab irgendwohin gehen. Wenn man ihn einmal nicht dabei hatte, brauchte man ihn plötzlich.
Vorsichtig griff ich nach dem von Sirius. Wenigstens hatte mein Freund seinen dabei, auch wenn er gerade wahrscheinlich keinen Zauberspruch zu Stande bringen würde. Er war vollkommen in Gedanken versunken, weshalb er immer noch nicht gemerkt hatte, dass sich eine Person nährte. Professor Allaire würde ihn dafür wahrscheinlich köpfen wollen.
Die Gestalt kam nun aus dem Schatten des Baumes getreten. Der Mond erhellte nun das Gesicht genug, um die Person zu erkennen. Professor McGonagall kam auf uns zu. Erleichtert ließ ich Sirius Zauberstab wieder los, während die Lehrerin zu uns trat. Ihr Blick glitt zu meinem Freund, dessen Augen durch die Tränen noch gerötet und angeschwollen waren. Mitleid war in ihrem Blick zu erkennen.
„Ist alles in Ordnung, Mr Black?" Mein Freund zuckte leicht zusammen. Verwirrt glitt sein Blick zu der Professorin für Verwandlung, dann nickte er schnell.
„Ja, es ist alles in Ordnung." Der Lehrerin zog skeptisch eine Augenbraue hoch. Sie wusste genau, dass Sirius gerade log. Allerdings war es auch wesentlich schwerer, seine Lüge zu übersehen als diese zu sehen.
„Sie werden gesucht. Ihre Freunde machen sich Sorgen." Dankbarkeit blitzte in den Augen meines Freundes auf. Die Lehrerin schien keine Lust darauf zu haben, noch weiter nachzuhaken, um den Grund für Sirius tränenverschmiertes Gesicht zu erfahren. Ich sah fragend zu meinem Freund. Er musste wissen, ob er Lust dazu hatte wieder herein zugehen oder ob er lieber noch ein bisschen hierbleiben wollte.
„Wir kommen, Professor." Sirius drehte sich langsam um, ohne irgendjemand ins Gesicht zu sehen. Bubble, welche noch immer auf seinen Füßen gelegen hatte, mauzte laut und empört auf. Nachdem sie sich kurz von dem Schreck auf Grund ihres Runterschmisses erholt hatte, sprang sie neben Sirius wieder hoch, damit er sie hochhob, doch dieser nahm es mal wieder nicht wahr. Stattdessen kümmerte sich unsere Lehrerin um die Katze. Sie nahm diese auf ihren Arm und kraulte sie hinter den Ohren, während wir zurück zum Schloss liefen.

„Ich komme gleich nach." Sirius ließ Professor McGonagall und mich stehen. Er lief in Richtung der Toiletten. Bubble löste sich von der Verwandlungslehrerin und lief dem Jungen mauzend nach. Das Kätzchen blieb allerdings vor der Tür stehen. Sie schien dort auf den Jungen warten zu wollen.
„Nun, ich denke mal, sie haben sich nicht mit Mr Black gestritten." Ich schüttelte entsetzt den Kopf.
„Nein, Professor, wie kommen sie darauf?"
„Er ist selten so drauf. Da seine Freunde gute Laune haben, sind sie auf jeden Fall nicht aneinandergeraten. Sie auch nicht, demnach hat es etwas mit seinem jüngeren Bruder zu tun." Die Lehrerin musterte mich von der Seite.
„Jetzt gucken sie doch nicht so überrascht. Mr Black hat sieben Schuljahre als mein Schüler absolviert und als seine Hauslehrerin hatte ich ein wenig mehr Kontakt mit ihm als die anderen Lehrer. Außerdem verbrachte er viele Ferien hier in der Schule. In dieser Zeit hat man doch noch einmal etwas mehr Kontakt zu den wenigen Schülern, die noch in Hogwarts sind. Er kam öfter zum Kekse essen vorbei." Die berühmten Ingwerkekse von Professor McGonagall.
„Regulus ist der Grund für Sirius Zustand." Die Lehrerin lächelte traurig.
„Es setzte ihn schon immer sehr zu, dass die Freundschaft zwischen seinem Bruder und ihm in die Brüche gegangen ist. Er hat diese Tatsache auch schon immer verleugnet. In diesem Punkt hat er sich nicht geändert." Wahrscheinlich würde er es so schnell auch nicht zugeben. Ich hoffte nur, eines Tages würde er es lernen.
„Es tut ihm gut, sie an seiner Seite zu haben, Ms Sanders." Ich merkte, wie ich automatisch anfing zu lächeln.

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