Kapitel 4
Sirius schloss die Haustür zum Haus der Potters auf.
„Der Abend war doch schön, oder?" Mein Freund sah mich verunsichert an.
„Es hat mir gefallen mal wieder raus zu kommen."
„Gut. Das ist echt gut. Und Alicja und Jared? Ich weiß, sie sind total durchgedreht und–"
„Sie sind nett." Der Junge schien ziemlich erleichtert. Im Flur ging eine Tür auf, hinter der James zum Vorschein kam.
„Da seid ihr ja!"
„Hallo, Krone", meinte Sirius grinsend.
„Warum stehen deine Haare nicht ab?", fragte ich anstelle einer Begrüßung.
„Sie sind nass. Ich war gerade Duschen."
„Dann hattest du jedenfalls keine Langeweile, was?" Wir folgten den Brillenträger ins Wohnzimmer.
„Nein, ich war bei euch zu Hause. Wir haben das Esszimmer gestrichen und schon einmal die Betten aufgebaut. Echt unauffällig, dass ihr alle Möbel verkleinert habt. Fällt bestimmt keinen auf, dass ihr so viele Möbel in das Auto gequetscht habt", meinte James an mich gewandt.
„Wir haben sie aus verschiedenen Läden. Das fällt schon niemanden auf." James ließ sich in einen Sessel fallen, während mein Freund und ich das Sofa in Beschlag nahmen.
„Ist ja auch egal. Also auf jeden Fall haben wir Betten aufgebaut."
„Dann kann ich morgen ja wieder in einem Bett schlafen." Ich hatte keine Lust, eine weitere Nacht auf einer Isomatte zu verbringen.
„Ja, kannst du. Diese Nacht auch. Oben ist ein Gästezimmer fertig. Das gleiche wie beim letzten Mal, nur dass du es dieses Mal für dich alleine hast."
„Aber du bleibst noch etwas hier unten bei uns, richtig?" Sirius sah mich mit einem Hundeblick an.
„Ich gehe mir gleich was anderes anziehen, aber dann komme ich wieder."
„Die Idee kann ich nur befürworten." „Ihr geht euch getrennt umziehen!", kam es von James. Wir sahen ihn beide mit einem „dein Ernst"-Blick an.
„Was denn? Samuel meinte, ich soll auf euch aufpassen."
„Du bist mein Bruder. Du solltest mich dabei unterstützen, wenn ich unanständige Sachen mit meiner Freundin machen will."
„Sirius!", rief ich empört.
„Ich habe ja nicht gesagt, dass ich mit dir schlafen will oder Ähnliches. Ich meine nur, dass er so ein Vorhaben eigentlich unterstützen sollte, wenn wir es irgendwann einmal vorhaben." Er sah ziemlich verzweifelt aus.
„Also wenn ihr es irgendwann einmal vorhabt, dann ist Carolin hoffentlich schon achtzig, damit Samuel es erlaubt." Sirius warf James ein Kissen ins Gesicht.
„Hey!", kam es vom Sessel.
„Ruhe auf den billigen Plätzen!"
„Hey, ich habe meinen Platz für mich alleine Großmaul."
„Bei meinem gab es das hübscheste Mädchen der Welt gratis dazu."
„Und warum ist Lily dann nicht bei dir?"
„Jungs!", unterbrach ich die beiden.
„Ja, Prinzessin?"
„Ist das euer Ernst?"
„Selbstverständlich."
„Dann gehe ich mir jetzt etwas anderes anziehen."
„Willst du ein neues T-Shirt von mir?"
„Ich habe doch eins."
„Aber du willst vielleicht ein neues."
„Willst du dein T-Shirt wieder haben?"
„Ja, ich vermisse es."
„Dann tausche ich es." Es roch eh schon lange nicht mehr nach Sirius, sondern einfach nur noch nach mir. Daher würde ich es mehr als gerne tauschen.
„Ich gehe mich jetzt umziehen", verkündete ich.
„Ich hole ein T-Shirt." Sirius sprang auf.
In Sirius T-Shirt und einer Jogginghose ging ich wieder runter. James und Sirius saßen beide wieder im Wohnzimmer. Sirius hatte seine Kleidung ebenfalls gegen eine Jogginghose und ein T-Shirt getauscht. Eine Chipstüte lag auf dem Tisch. Ich ließ mich wieder neben Sirius auf das Sofa fallen.
„Ich habe deine Prinzessin gefunden", meinte James grinsend und zwinkerte mir zu.
„Ich auch. Sie sitzt auf meinen Schoß."
„Tue ich gar nicht." Mein Freund zog mich auf sich.
„Doch, siehst du." Ich lachte leise.
„Ich sitze hier nicht freiwillig."
„Willst du zu James?"
„Ja." Der Junge fing an zu schmollen.
„Krone, willst du mir etwas sagen?"
„Ich bin scheinbar unwiderstehlich."
„Lass meine Prinzessin in Ruhe! Die gehört zu mir."
„Waren wir uns nicht einig, dass du der Stallbursche bist und ich ein Prinz heirate?"
„James ist kein Prinz!"
„Er besitzt zumindest ein Schloss."
„Ich wohne hier auch."
„Du wirst das Haus, aber nicht erben." Sirius biss sich auf die Lippe.
„Tut mir leid, das war fies." Ich kuschelte mich an den Jungen.
„Schon in Ordnung. Vergiss es."
„Wirklich?"
„Ja, alles in Ordnung."
„Gut." Erleichtert legte ich meinen Kopf auf Sirius Schulter, während der Junge mich noch etwas fester umklammerte. James sah uns amüsiert zu.
„Seid ihr fertig?"
„Ja, sind wir Krone."
„Sollen wir etwas Spielen?"
„Von mir aus gerne. Carolin?"
„Ich gucke nur zu."
„Müde?"
„Ein bisschen." Sirius drückte mir einen Kuss auf die Stirn.
„Dann bleib nicht mehr so lange hier, ja?" Ich nickte.
Ich stand in unserem Haus in der Karibik. Genauer gesagt, wieder in der zerstörten Eingangshalle. Unsicher sah ich mich um. Die Halle war komplett leer. Außer den zerstörten Möbeln zeugte nichts von einem Kampf.
„Carolin!", hörte ich die Stimme meiner Mutter hinter mir.
„Mama?" Ich drehte mich sofort um. Sie hatte eine schlimme Platzwunde am Kopf, aus der noch immer Blut floss und ihr linker Arm war schlimm verdreht. Sie schien sich kaum noch auf den Beinen halten zu können.
„Warum hast du nicht auf uns gehört? Dann wäre das alles nicht passiert." Dann brach sie endgültig zusammen. Sofort stürmte ich zu ihr hin. Ich suchte nach einem Puls, doch fand keinen mehr. Ich spürte, wie mir Tränen über die Wangen flossen.
„Hör auf zu heulen. Wärst du nicht gewesen, wäre das alles nicht passiert. Es ist deine Schuld!" Als ich aufsah, sah ich in Jeans wütendes Gesicht.
„Ich wollte nicht, dass das passiert."
„Warum hast du dann nicht auf sie gehört?", schrie mich die Elfjährige an.
„Carolin!" Ich wurde unsanft an den Schultern gepackt.
Ich fuhr aus dem Schlaf hoch. Sirius saß neben mir auf dem Bett. Seine Finger gruben sich in meine Schultern. Erleichtert ließ er mich los, als er merkte, dass ich wieder wach war.
„Alles in Ordnung mit dir?", fragte er besorgt.
„Ich habe nur schlecht geträumt."
„Du hast das halbe Haus zusammen geschrien", kam es von der Tür aus. Im Rahmen stand James. Seine Haare standen noch wilder als sonst ab und seine Brille hing ziemlich schief auf seiner Nase.
„Wie gesagt. Ich hatte einen Albtraum."
„Ich dachte, die hat nur Elaina."
„Hatte sie bisher auch nur." Sirius sah etwas unsicher zu James.
„Kannst du uns alleine lassen?"
„Ich bin im Bett." Der Brillenträger drehte sich um. Man hörte, wie er der Flur entlang ging und dann in das Nachbarzimmer verschwand. Sirius stand auf und schloss die Tür, bevor er sich wieder auf die Bettkante setzte.
„Willst du mir von dem Traum erzählen?" Ich schüttelte den Kopf. Er seufzte leise.
„Wenn du doch darüber reden willst, bin ich da, in Ordnung?" Ich nickte.
„Gut. Jetzt komm her." Er zog mich in seine Arme und fing an, über meinen Rücken zu streicheln.
„Sirius?"
„Ja?"
„Kannst du hierbleiben?"
„Klar kann ich das. Soll ich auch?"
„Ja, Trottel."
„Dann bleibe ich hier." Er ließ mich los und schob mich in die Mitte vom Bett. Dann ließ er sich neben mich fallen.
„Schlaf gut, Prinzessin."
„Du auch, Stallbursche." Ich kuschelte mich an seine Brust und schloss meine Augen.
„Carolin!" Elaina kam auf mich zu gerannt und umarmte meine beiden Beine. Höher kam sie schließlich nicht.
„Hallo, Elaina." Ich ging in die Knie und umarmte das Mädchen einmal richtig. Als ich das Mädchen losließ, sprang sofort ein orangenes Fellknäuel in meinen Arm. „Hallo Bubble." Ich drückte die Katze an mich, die sich glücklich an mich drückte und so tat, als hätten wir uns schon mehrere Jahre nicht mehr gesehen. Nachdem sich die Katze wieder beruhigt hatte, wandte ich mich an Jean, Marlene und Samuel, die wesentlich entspannter waren.
„Hey, ihr drei."
„Na konntest du mal durchschlafen?", fragte mein Großcousin.
„Nicht wirklich." Sofort verdunkelte sich der Blick des Neunzehnjährigen.
„Was habt ihr angestellt?"
„Gar nichts. Sie hatte einen Albtraum. Wir können nichts dafür." Sirius zog den Kopf ein. So ein Feigling.
„Carolin?"
„Sie waren ganz lieb."
„Na gut." Ich glaube, er war ein bisschen enttäuscht, dass er Sirius nicht verschrecken durfte, obwohl er die Jungen eigentlich liebgewonnen hatte.
„Marlene, warum hast du denn das Gleiche an wie gestern?"
„Die Klamotten sind für die Drecksarbeit", erklärte die Blondine. Ich zog eine Augenbraue hoch.
„Ach ja?" Als würde meine Freundin nur ein T-Shirt im Schrank haben, dass sie opfern würde. Sie hatte schließlich einen ziemlich großen Schrank.
„Und ich habe hier übernachtet." Sie schenkte mir ein breites Lächeln. Ich sah zu meinen Großcousin, der verlegen nickte.
„Ach so." Ich merkte, wie Samuel erleichtert aufatmete. Wahrscheinlich hat er mit unangenehmeren Fragen gerechnet.
„Sollen wir dann mal mit Streichen anfangen?"
„Klar doch."
Der Wecker klingelte ein weiteres Mal. Leise knurrend vergrub ich mein Kopf unter dem Kissen. Ich hätte doch nicht bei Samuel im Zimmer schlafen sollen. Schließlich musste er heute früh aufstehen, um Elaina in den Kindergarten zu bringen, und danach seine Ausbildung im St. Mungo anfangen.
„Der Wecker klingelt", bemerkte Elaina, die zwischen Samuel und mir lag. Endlich erbarmte sich der Junge neben mir. Er stellte den Wecker aus. Ich hörte, wie er aufstand und sich dann durchs Zimmer schlich. Elaina kam ihm nicht ganz so leise nach. Irgendwann verließen die beiden das Zimmer nur, um kurz darauf im Bad das Wasser aufzudrehen. Seufzend nahm ich das Kissen vom Kopf. Sehen wir der Realität doch ins Auge. Ich würde nicht noch einmal einschlafen. Jetzt war ich wach.
Ich sah zu Jean, die neben mir an der Bettkante lag. Sie hatte ebenfalls ihre Augen offen und starrte die Decke an. Es hatte schon ein Vorteil, dass Samuel ein Doppelbett hatte. Man konnte sich zu viert rein quetschen, nur um ein Beispiel zu nennen.
„Auch durch den Wecker aufgewacht?" Die Elfjährige nickte.
„Wenn wir uns beeilen, können wir Elaina mit wegbringen." Das Mädchen neben mir überlegte kurz, bevor sie aufsprang.
„Ich gehe mich anziehen." Und damit war ich alleine im Zimmer. Seufzend schlug ich die Decke zur Seite und stand ebenfalls auf. Ich verließ das Zimmer nur, um in den Raum gegenüber zu gehen. Meinem Zimmer.
Anders als das Zimmer meines Großcousins war dieses noch fast leer. Schließlich musste ich die nächsten Monate hier nicht leben, also hatte hier das Möbelaufbauen noch Zeit. Mein Bett stand unberührt hinten rechts in der Ecke. Dieses konnte man nur halb sehen, da ein alter Lastenaufzug genau dort ein Meter in den Raum ragte. Da dieser kaputt war, genauso wie der zweite, der im Flur stand, hatten wir beschlossen, die Aufzüge irgendwann einfach mal auszubauen und stattdessen ganz unten im Schacht Wäschekörbe hinzustellen. Dann wären sie doch ziemlich gut genutzt. Außer dem Bett war noch mein Nachttisch im Raum. Ansonsten war der Raum leer. Die weißen Wände wirkten ziemlich kahl, da noch keine Bilder an ihnen hingen und auch der restliche Raum wirkte ohne die Möbel riesig. Mein Koffer stand rechts neben der Tür. Er war wieder ordentlich eingeräumt und nur die Sachen für heute lagen noch auf ihm drauf.
Ich hörte, wie die Badezimmertür wieder geöffnet wurde. Ich nahm die Sache und verließ mein Zimmer wieder. Elaina und Samuel kamen gerade aus dem Bad.
„Du bist ja wach", meinte Samuel überrascht.
„Jean auch. Sie ist eine Etage tiefer und blockiert dort das Bad." Mein Großcousin grinste.
„Kommt ihr dann mit?" „Natürlich kommen wir mit. Ich wollte schon immer wissen, wie ein Kindergarten von innen aussieht." Elaina strahlte glücklich.
„Da sind ganz viele alt wie ich!"
„Ja, da sind ganz viele so alt wie du", meinte ich lachend.
„Ganz viele neue Freunde." Das kleine Mädchen klatschte glücklich in die Hände.
„Und damit du da auch pünktlich hinkommst, machen wir jetzt schon mal Frühstück." Samuel nahm das Mädchen hoch und ging mit ihr die Treppe runter. Ich verschwand im Badezimmer.
Das Esszimmer war wohl schon am weitesten eingerichtet. Was wohl daran lag, dass wir es als eines der wichtigsten Zimmer eingestuft hatten. Vor den hellgrünen Wänden standen schon alle Schränke fertig aufgebaut. Diese waren zwar noch nicht gefüllt, aber das Aufbauen war doch schon mal ein guter Anfang. Das einzige Bild im ganzen Haus, hing in diesem Raum und eine Pflanze stand in einer Ecke und eine weitere auf einem Schrank. Würden die Pappkartons mit Geschirr, Besteck und Küchenutensilien nicht in der Ecke stehen, wäre der Raum fertig eingerichtet.
Der Tisch war schon fertig gedeckt, als ich reinkam. Jean und Elaina saßen nebeneinander auf zwei Stühlen. Vor ihnen standen schon Teller mit geschmierten Broten und jeweils eine Kakaotasse. Zwei Weitere standen ihnen gegenüber. Samuel war noch in der Küche dabei Lunchpakete zusammen zu packen. Ich stellte mich neben ihn und sah ihm dabei zu, wie er hochkonzentriert ein Brot in Alufolie einwickelte.
„Hallo, Superdaddy."
„Hallo, Mummy."
„Ich bin nur Mummy?"
„Du lässt dein Kind alleine."
„Nicht freiwillig."
„Na gut. Hallo Supermummy." Er legte das letzte eingepackte Brot beiseite und wandte sich dann an mich.
„Lunchpakete sind fertig. Wir können essen."
„Du bist der beste Daddy der Welt." Ich küsste ihn kurz auf die Wange.
„Zu Weihnachten möchte ich eine Tasse, auf der das draufsteht."
„Bekommst du." Wir setzen uns gegenüber der beiden jüngeren Mädchen auf die Bank.
„Elaina? Hast du dein Lunchpaket?"
„In Pingu!" Die Zweijährige zeigte auf ihren Rucksack.
„Jean?"
„In meinem Rucksack."
„Carolin?"
„Eingepackt."
„Und warum liegt hier noch eins?"
„Hast du deins?"
„Ich wusste doch, dass ich irgendetwas vergessen habe." Der Junge nahm das letzte Lunchpaket.
„Habt ihr beide eure Koffer fertig gepackt?" Er sah zu Jean und mir herüber.
„Ja, haben wir."
„Wirklich..."
„Samuel, das klappt alles. Keine Sorge. Wir können los. Du musst zur Arbeit, Elaina in den Kindergarten."
„Klar." Der Junge atmete noch einmal kurz durch, bevor er nickte und sich die Autoschlüssel von der Ablage schnappte.
„Kann Nala mit?" Elaina, die ihre Finger mal wieder im Fell der Riesenkatze vergraben hatte, sah mich flehend an.
„Elaina, ich glaube nicht, dass im Kindergarten Katzen erlaubt sind."
„Kindergarten doof."
„Nein, Elaina. Du findest da ganz viele andere Freunde. Und Nala wartet hier auf dich, bis du wieder zu Hause bist. Dann könnt ihr später ganz viel spielen."
„Na gut. Tschüss Nala." Die Zweijährige tätschelte der Riesenkatze den Kopf, die zufrieden mauzte. Wahrscheinlich freute sich die Katze schon auf ein bisschen Elaina freie Zeit, in der sie einfach in einer Ecke schlafen konnte, ohne dass Elaina sie als Kopfkissen missbrauchte. Ich setzte Bubble, die auf meinen Arm lag ab.
„Du wartest hier, Bubble. Mache kein Blödsinn, ok?" Das Kätzchen mauzte und sprang dann auf die zweite Treppenstufe, wo sie sich zusammenrollte und uns auffordernd anguckte.
„Jetzt alle zum Auto, ansonsten kommen wir doch noch zu spät!", hörte ich Samuel hinter mir.
Elaina, die auf meinen Arm saß, klammerte sich ängstlich an meine Schuluniform. Jean tätschelte ihr das Händchen, um sie zu beruhigen, was nicht wirklich klappte. Dabei sah der Kindergarten kein wenig gruselig aus. Ein weißes Holzhaus, dessen Fenster mit allerhand Sachen dekoriert war.
Im Flur waren eine Reihe an Fächern für die Kinder dort angebracht worden. Jedes Fach hatte ein Symbol. Aus einem abgehenden Raum hörte man schon lautes Kindergebrabbel und eine Mutter, die wohl gerade ihr Kind abgeliefert hatte, kam aus diesem. Sie runzelte leicht die Stirn bei unserer Truppe, ging aber wortlos vorbei.
„Ich will weiter mit euch spielen."
„Aber wir sind doch den ganzen Tag unterwegs, Elaina."
„Nala ist zu Hause."
„Nala kann dir aber nicht helfen."
„Nala kann helfen."
„Willst du keine menschlichen Freunde?"
„Wir sind Freunde."
„In deinem Alter."
„Nein." Sie vergrub ihre Finger noch mehr in meiner Bluse. Wir kamen an dem Raum an. Fünf Kinder, davon drei Mädchen und zwei Jungen, saßen zusammen an einem Tisch. Auf diesem lagen ein Haufen Stifte und Papier. Die Kinder unterhielten sich glücklich über irgendwelche Themen. Eine Erzieherin saß etwas abseits mit einem anderen Mädchen und zeigte diesem, wie sie etwas basteln konnte. Die Kleine sah ihr dabei interessiert zu. Die zweite Erzieherin kam auf uns zugelaufen.
„Guten Tag."
„Hallo. Wir sind hier wegen Elaina."
„Natürlich unser Neuzugang. Mein Name ist Ella Freeman. Ich bin eine Erzieherin hier."
„Samuel Huxon und meine Großcousinen Carolin und Jean Sanders und Elaina Caron." Die Frau schien ziemlich überrascht. Wahrscheinlich war ihr nicht mitgeteilt worden, dass ihr neuer Schützling von einer Schülerin und einem Auszubildenden groß gezogen wurde. Sie fing sich allerdings schnell wieder.
„Freut mich." Sie schüttelte erst Samuel, dann Jean und schließlich mir die Hand. Dann wandte sie sich an die Zweijährige auf meinem Arm.
„Hast du Lust zu malen, Elaina?"
„Ich will zu Nala."
„Und wer ist Nala?"
„Meine Freundin."
„Geht sie auch in den Kindergarten."
„Nein."
„Ist sie älter?"
„Sie ist drei, aber in Katzenjahren ist das viel mehr."
„In Katzenjahren?"
„Ja, Nala muss man in Katzenjahren rechnen."
„Nala ist eine Katze?" Das Mädchen auf meinen Arm nickte.
„Und wie groß ist Nala?"
„So groß." Sie zeigte auf ihren Bauch.
„Vom Boden aus?"
„Nein, wenn ich stehe." Das Mädchen sah mich auffordernd an. Ich ließ die Zweijährige runter, damit sie zeigen konnte, wie groß unsere Nala war.
„Das ist ja eine riesige Katze. Hast du keine Angst vor ihr?"
„Nala ist ganz lieb. Sie liegt ganz viel auf dem Sofa oder spielt mit mir."
„Und was spielt ihr so?"
„Wir spielen ganz oft fangen oder verstecken."
„Spielst du die beiden Spiele gerne?" Meine Großcousine nickte glücklich.
„Was spielst du lieber?"
„Fangen."
„Weißt du, wer noch gerne fangen spielt?"
„Nala und Carolin und Jean und Samuel und Lorraine und Robert. Die anderen spielen gerne verstecken. Außer die 4P, die denken sich immer etwas Neues aus."
„Ich kenne auch noch jemanden."
„Und wen?"
„Jenny." Sie zeigte auf das Mädchen, dass mit der Erzieherin bastelte.
„Wollen wir sie fragen, ob sie mit dir spielt?" Sofort griff Elaina nach meiner Hand.
„Nur wenn Carolin mitkommt."
„Du brauchst mich dafür nicht, Prinzessin."
„Ich habe Angst."
„Ich weiß. Weißt du, als ich nach Hogwarts gekommen bin, hatte ich auch Angst, weil ich niemanden kannte und das erste Mal alleine jemand kennenlernen musste. Und bevor ich mich versah, wurde ich schon umgerannt und saß bei drei durchgeknallten Jungen im Abteil."
„Dann will ich erst recht nicht."
„Weißt du, wer mich umgerannt hatte?" Die Kleine schüttelte den Kopf.
„Das war Remus."
„Remus ist lieb."
„Siehst du. Und die drei durchgeknallten Jungs waren Sirius, James und Peter."
„Die sind nicht durchgeknallt."
„In diesem Moment kamen sie mir, aber so vor. Aber was viel wichtiger ist. Ich habe doch in Hogwarts super Freunde gefunden und wenn du auch einfach losläufst, findest du auch welche. Und du sogar ohne blaue Flecke am Hintern." Die Kleine kicherte leise.
„Also versuchst du es. Falls du niemand findest, stehen wir ja noch hier." Das Mädchen nickte voller Tatendrang. Die Erzieherin hielt ihr die Hand hin, die sie zögerlich nahm und dann stapfte sie zu Jenny.
„Schöne Rede." Samuel sah mich grinsend an.
„Schiebst du mich auch auf diese Weise ab?" Jean sah mich fragend an.
„Nein, du hast ja schon Hestia gefunden."
„Sie ist nett und ihre Eltern auch."
„Sie werden erwachsen", seufzte Samuel leise.
Elaina sahen wir nicht wieder. Sie hatte in Jenny wohl eine gute neue Freundin gefunden. Jedenfalls ließ sie sich gerne von dem anderen Mädchen zeigen, was sie gerade machte und half ihr dann dabei. Wir blieben noch ungefähr eine halbe Stunde, in der noch mehr Kinder hergebracht wurden, bis es für Samuel Zeit wurde zurückzufahren und von zu Hause ins St. Mungos zu apparieren. Damit mussten auch Jean und ich zurück, da wir beide so wenig apparieren wollten, wie es ging.
„Elaina?" Die Rothaarige sah sofort auf.
„Wir fahren jetzt."
„Nein." „Samuel muss zu seiner Ausbildung."
„Ich will nicht alleine hierbleiben." Sie ließ ihren Stift los und umklammerte Jeans Bein.
„Hey, du bist doch nicht alleine. Und bevor du dich versiehst, holt Samuel dich schon wieder ab."
„Wann?"
„In ein paar Stunden."
„Das dauert lange."
„Nein, du spielst ein bisschen und dann ist er schon wieder da."
„Aber ihr sollt aufpassen."
„Wir passen auf, Prinzessin."
„Ihr seid nicht hier. Ihr passt nicht auf." So etwas hatte ich schon befürchtet. Ich griff nach meiner Rocktasche. Aus dieser zog ich eine Kette mit einem geflügelten Schweinchen als Anhänger.
„Komm mal her, Elaina." Sie kam zu mir getrapst und sah neugierig auf meine Hand.
„Umdrehen."
„Aber nicht weglaufen."
„Niemals." Das Mädchen folgte meiner Anweisung und ich legte ihr die Kette um.
„Solange du diese Kette trägst, wird nichts passieren."
„Ach ja?" Sie betrachtete den Anhänger.
„Schweine haben keine Flügel."
„Das ist ein Engelsschwein."
„Engel passen auf."
„Und das Schweinchen passt auf dich auf. Und du weißt ja, wer der Chef aller Schweine ist, richtig?"
„Du."
„Genau, deshalb erfahre ich es sofort, wenn du mich brauchst."
„Sicher?"
„Ja, ganz sicher. Ich passe doch auf meine kleine Prinzessin auf."
„Dann ist es ok, dass ihr fahrt."
„Samuel holt dich heute Abend ab."
„Und ihr beide?"
„Wir sind in Hogwarts, aber du bekommst ab morgen jeden Abend einen Brief. Versprochen."
„Na gut."
„Wir sehen uns dann zu Weihnachten." Ich gab ihr einen Kuss auf die Stirn und umarmte sie kurz.
Wir kamen in der kleinen Seitengasse heraus, die Sirius mir beschrieben hatte. Ich sah noch einmal auf meine Uhr.
„Noch zehn Minuten." Jean neben mir nickte. Wir gingen den kurzen Weg bis zum Bahnhof. Bubble auf meinen Arm mauzte glücklich. Sie schien sich sehr auf die Rückkehr nach Hogwarts zu freuen. Kitty, die Jean in einem Käfig trug, lag in diesem und interessierte sich kein wenig für die Umwelt. Sie döste friedlich vor sich hin, ohne auch nur einmal ein wenig die Augen zu öffnen, um den Bahnhof zu sehen.
Wir kamen auf dem Bahnsteig zwischen Gleis 9 und 10 an.
„Dort hinten ist Hestia!", rief Jean plötzlich. Ich sah verwirrt in die Richtung, in die meine Großcousine zeigte.
„Hestia!" Ein paar Leute drehten sich zu uns um. Unter anderem die Erstklässlerin, die erst verwirrt und dann glücklich aussah.
„Jean!" Die beiden Mädchen umarmten sich zur Begrüßung. Die Eltern lächelten mir freundlich zu.
„Hallo."
„Schön euch hier zu sehen." Hestias Vater lächelte mir freundlich zu.
„In fünf Minuten fährt der Zug." Hestias Mutter sah panisch zur Uhr.
„Wo lang Carolin?" Jean sah mich fragend an.
„Durch die Wand." Ich zeigte auf die Mauer vor uns.
„Das ist ein Scherz."
„Nein, ist es nicht." Ich lief, ohne zu zögern, los und durch die Wand durch.
Der Pfiff ertönte. Hestia wank ihren Eltern zu. Ich konnte nur allzu gut verstehen, wie sie sich fühlte. Schließlich hatte ich schon ein paar Mal dort gestanden und zugesehen, wie Samuel immer kleiner wurde. Der Zug fuhr um die Ecke, sodass die Leute am Bahnhof nicht mehr zu sehen waren.
„Wir sollten uns ein Abteil suchen. Na, Bubble. Wo ist Sirius? Weißt du das?" Ich setzte Bubble auf den Boden. Diese wusste scheinbar nicht wohin.
„Ich glaube, deine Katze ist kein Spürhund, Carolin!"
„Sirius!" Ich drehte mich um, wo mein Freund in einer Abteiltür lehnte und breit grinste.
„Prinzessin." Ich umarmte ihn, weshalb er nur noch mehr lachte.
„Ich habe dich vermisst", murmelte ich in sein Hemd.
„Wir haben uns gestern noch gesehen." Empört löste ich mich von ihm.
„Hast du mich nicht vermisst?"
„Natürlich habe ich dich vermisst."
„Und wir dich auch", kam es aus dem Abteil. Ich sah an Sirius vorbei. Marlene, Dorcas und Alice saßen zusammen auf einer Bank und sahen breit grinsend zu uns. Peter saß ihnen gegenüber und starrte aus dem Fenster.
„Mädels!" Ich ließ Sirius stehen, um meine Freundinnen zu umarmen.
Die wenigen restlichen Erstklässler standen noch vor dem sprechenden Hut. Unter ihnen war auch Jean, die sich immer wieder verstohlen umblickte. Ihr Blick glitt immer wieder zu mir und dann zu Hestia, die am Hufflepufftisch saß.
„Ravenclaw." Der Junge auf dem Hocker sprang sofort auf und rannte zum applaudierenden Tisch.
„Sanders, Jean." Zögerlich ging sie nach vorne. Dort setzte sie sich auf den Hocker. Professor McGonagall setzte ihr den Hut auf. Kurze Zeit war es ruhig, dann öffnete sich der Schlitz am Hut.
„Hufflepuff", verkündete der Hut. Der Tisch applaudierte laut. Meine Großcousine ließ sich freudestrahlend neben Hestia fallen. Sie wurde breit grinsend von ein paar älteren Schülern begrüßt.
„Bist du traurig, dass sie nicht in Gryffindor ist?" Sirius legte seine Hand auf meine.
„Ein wenig, aber sie ist da, wo sie hingehört." Ich lächelte meinen Freund an.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top