Kapitel 23
Auf dem Bild ist ein Einblick in Carolins Zimmer.
Ich blätterte die Buchseite um. Marlenes neues Buch war wirklich spannend. Ich konnte gut verstehen, warum die Kunstnymphe es innerhalb von 24 Stunden durchgelesen hatte. Jemand ließ sich zu meinen Füßen auf das Sofa fallen.
„Was liest du, Prinzessin?" Ich hob das Buch hoch, so dass Sirius den Titel und die Kurzbeschreibung auf der Rückseite lesen konnte. Er las sich alles in Ruhe durch, dann musterte er meinen Fortschritt. Schließlich kam er wohl zu dem Schluss, dass er mich beim Lesen nicht an diesem Punkt stören wollte. Er legte meine Füße auf seine Beine, legte den Kopf in den Nacken und schloss die Augen.
„Müde, Stallbursche?"
„Ein bisschen erschöpft, aber ansonsten geht es mir gut. Ich hoffe, Professor Allaire lässt uns heute Abend ein bisschen früher gehen, damit wir länger schlafen können."
„Wird er bestimmt. Bis her hat er sich immer sehr verständnisvoll gezeigt, was so etwas angeht. Wahrscheinlich ist er froh, wenn er auch ein bisschen länger schlafen kann. Es ist ziemlich anstrengend dieses Jahr mit dem zusätzlichen Training." Mein Freund gab ein zustimmendes Geräusch von sich. Ich wandte mich wieder meinem Buch zu. Schweigend saßen wir zusammen auf dem Sofa. Sirius war in einen Halbschlaf verfallen, während ich weiterlas.
Ich rüttelte vorsichtig an Sirius Schulter. Das leise Gebrabbel von meinem Freund wurde damit, allerdings nicht unterbrochen. Ich rüttelte noch einmal etwas fester an ihm.
„Sirius, aufwachen. Wir müssen gleich los." Das Gebrabbel hörte endlich auf. Stattdessen machte mein Freund die Augen auf.
„Was ist los?"
„Wir haben gleich Training." Er stöhnte genervt.
„Ich habe gerade geschlafen."
„Ich weiß und du hast mal wieder geredet."
„In der Position kann man nicht gut schlafen." Ich strich ihm eine Haarsträhne aus dem Gesicht.
„Später gehen wir in deinem Bett schlafen." Mein Freund hatte ein zufriedenes Grinsen ins Gesicht.
„Das hört sich doch gut an." Er stand mühsam auf. Offensichtlich hatte er ziemlich schief gelegen.
„Zeig mal deinen Nacken her." Ich zog ihn wieder vor mir auf das Sofa.
„Das nächste Mal lasse ich dich nicht so auf dem Sofa schlafen. Du hast einen total verspannten Nacken."
„Zum Glück habe ich dich mit deinen Wunderhänden. Was würde ich nur ohne dich tun?"
„Dich mit einem verspannten Nacken durch Hogwarts schlafen." Mein Freund biss sich auf die Lippen.
„Damit könntest du Recht haben", meinte der Schwarzhaarige ziemlich kleinlaut.
„Aber ich bin da und deshalb machst du es nicht. Darauf kommt es an und auf nichts anderes." Er lächelte zufrieden, auf Grund meiner Worte.
„Darauf kommt es an."
„Das könnte etwas wehtun." Ich fing an, seinen Nacken zu massieren. Sirius spannte sich kurz an, dann ließ er locker und hielt den Schmerz einfach aus.
Sich mit dreizehn Leuten in ein Abteil zu quetschen war schon ein ganzschönes Kunstwerk. Fast jeder hatte jemanden auf dem Schoß und trotzdem war der Boden auch noch besetzt. Ich hatte mich an Sirius gekuschelt und spielte mit meinen Freund zusammen gegen Lily und James Zauberschach. Wir verloren dabei haushoch.
„Schach", verkündete Lily. Ich sah hilfesuchend zu meinem Freund. Wie kamen wir wieder aus der Situation heraus?
„Wie können unseren letzten Bauern Opfern oder die Dame."
„Dann den Bauern."
„Willst dich wohl nicht selber Opfern." Mein Freund pikste mir in die Seite.
„Ich opfer lieber dich."
„Ich bin ein Stallbursche. Ich habe keine Figur auf dem Feld. Ansonsten hätten wir schon lange gewonnen."
„Du und dein Ego."
„Du liebst uns beide zusammen."
„Ja, ich liebe euch beide zusammen vom ganzen Herzen."
„Wir lieben dich auch." Ich musste lächeln.
„Wollt ihr auch noch euren Bauern Opfern oder sollen wir aufhören, damit ihr euch abknutschen könnt."
„Also ich hätte nichts gegen knutschen."
„Aber ich. Wir verlieren noch mit Würde!"
„Nein." Sirius kuschelte sich an meinen Hals.
„Bauer auf E7."
„Turm auf C3. Schachmatt."
„Na dann haben wir mit Würde verloren und können uns den wichtigeren Dingen zuwenden." Er fing an, meinen Hals zu küssen. Ich lehnte meinen Kopf gegen seine Schulter und genoss seine Küsse.
„Jetzt sabbern die beiden wieder rum", kam der Kommentar von Maélys. Mein Freund löste sich von mir.
„Eifersüchtig, Verrückte?"
„Nicht wirklich."
„Dann sollte es dich nicht stören." Er wandte sich wieder an mich.
„Wo waren wir gewesen?" Ich beugte mich nach vorne.
„Wir waren hierbei." Ich legte meine Lippen auf seine.
„Samuel!" Marlene und ich fielen gleichzeitig meinen Großcousin um den Hals.
„Meine zwei Mädchen. Ihr wisst gar nicht, wie sehr ich euch vermisst habe."
„Den Briefen nach zu urteilen, die jeden Tag kamen ganz schön sehr."
„Ja, ich bin froh, meine beiden Mädchen wieder zu haben, aber mein drittes Mädchen fehlt noch. Wo ist Jean?"
„Wahrscheinlich bei Hestia." Sirius lächelte meinen Großcousin an.
„Und wo ist Hestia? Und sag jetzt nicht bei Jean, Black. Das ist nicht hilfreich."
„Sie kommt von da vorne zusammen mit Hestia." Samuel ließ Marlene und mich los und drehte sich um.
„Jean! Mein kleines Jeany!" Er fiel dem Mädchen ebenfalls um den Hals.
„Alles in Ordnung mit dir? War deine erste Zeit in Hogwarts schön?"
„Sie war wunderbar, aber ich habe Elaina und dich vermisst."
„Jetzt bist du wieder bei uns. Wir haben dich auch vermisst. Sehr sogar." Sirius zog mich an sich.
„Wenn ich das richtig interpretiere, werdet ihr gleich fahren." Er verschränkte die Arme vor mir, damit ich nicht gehen konnte.
„Ja, wir fahren gleich nach Hause, aber erst liefern wir Hestia und Marlene bei ihren Familien ab."
„Das ist gut. Schließlich muss ich darauf warten, bis James Lily abgeliefert hat und ich will nicht alleine darauf warten. Dann habe ich noch länger Zeit mit dir und vermisse dich weniger."
„Black, du hast ein Schaden. Du siehst sie in 48 Stunden wieder."
„Dann habe ich halt einen Schaden. Solange es dazu beiträgt deine Großcousine glücklich zu machen, werde ich ihn behalten." Er küsste mich auf die Wange.
„Für die Prinzessin würde ich alles tun." Samuel schien zufrieden mit der Antwort. Er hörte auf meinen Freund zu beobachten, um jede einzelne Bewegung zu analysieren. Stattdessen wandte er sich an seine eigene Freundin, um die paar Minuten zu genießen, die sie miteinander hatten. Die beiden Erstklässler wandten sich kichernd ab. Offensichtlich hatten sie keine Lust, uns beim Herumturteln zuzusehen, was verständlich war. Ich hatte es auch immer gehasst, wenn Sirius ein Mädchen auf dem Schoß hatte, wenn er bei uns saß.
Wir steuerten auf den Ausgang zu. Sirius hatte einen Arm um mich gelegt. Hestia und Marlene hatten wir zwischenzeitlich an ihre Eltern übergeben.
„Ich will nicht, dass du gehst." Mein Freund küsste mich auf die Wange.
„Wir sehen uns bald wieder Sirius. Wir kommen übermorgen um Punkt 17:00 Uhr zu euch. Keine Sorge."
„Keine Sekunde zu spät?"
„Wir werden uns große Mühe geben."
„Ich freue mich auf übermorgen."
„Und ich mich erst." Wir kamen am Ausgang des Bahngleises an. James stand schon dort zusammen mit Lily und ihrem Vater. Scheinbar war der Potter genauso begeistert von der Idee Lily gehen zu lassen, wie Sirius von der Idee, dass ich nach Hause fuhr. Der Schulsprecher hatte die Schulsprecherin im Arm und schien nicht vor zu haben, sie jemals wieder loszulassen. Er flüsterte ihr leise irgendwas zu, weshalb sie immer wieder nickte. Erst als wir neben die drei traten, lösten sich die beiden voneinander.
„Wir sehen uns übermorgen, Lily." Die Rothaarige nickte ihrem Freund nochmal zu, dann wandte sie sich an uns.
„Wir sehen uns dann auch übermorgen?"
„Ja, bis übermorgen." Meine Freundin wank uns allen zu, bevor sie mit ihrem Vater den Bahnsteig durch die Mauer verließ.
„Und ihr fahrt jetzt auch, richtig?" Sirius strich mir eine Strähne aus dem Gesicht.
„Ja, wir fahren jetzt auch." Mein Freund seufzte.
„Dann bis übermorgen Abend."
„Jetzt guckt nicht so, als würden wir uns die nächsten drei Jahren nicht sehen."
„Aber genauso fühlt es sich an." Ich schüttelte lächelnd den Kopf.
„Du kannst nicht anders als übertreiben, oder?"
„Das ist keine Übertreibung." Ich küsste ihn vorsichtig auf die Wange.
„Wir sehen uns übermorgen, Stallbursche."
„Bis übermorgen, Prinzessin."
„Na, lässt Sirius seine Angebetete nicht wieder los?"
„Maélys. Ich dachte, wir sind dich endlich losgeworden." James lächelte das Mädchen übertrieben freundlich an.
„Ich habe eigentlich auch gehofft, dich sobald nicht wieder zu sehen, Potterchen." Ich wandte mich an die Kriegsnymphe. Hinter ihr standen Frédéric und ein weiterer junger Mann, den ich allerdings nicht kannte. Er hatte kurze braune Haare und grüne Augen. Der zweite Begleiter war mindestens genauso durchtrainiert wie der Rest der Kriegsnymphenfamilie.
„Hallo, Maélys und Frédéric." Ich nickte den beiden zu. Dann sah ich zu dem Unbekannten.
„Leute, das ist Marlon, mein Bruder." Das war also der Adoptivbruder von Frédéric.
„Es ist mir eine Freude." Marlon lächelte uns charmant zu.
„Der flirtetet genauso schlecht wie Sirius und versucht es auch mit der Menge wett zu machen", informierte uns Maélys. Sirius Oberarme spannten sich sofort an. Auch die Augen meines Großcousins hatten sich von freundlich zu mordlustig gewandelt. Ich seufzte. Meine Familie war schon ziemlich anstrengend.
„Leute, das ist mein Großcousin Samuel."
„Hallo." Samuel schien dieser Ansammlung ziemlich zwiegespalten gegenüber zustehen.
„Ihr wolltet los", erinnerte mich Sirius.
„Ja, das wollten wir. Wir sehen uns in zwei Wochen." Ich wank der Kriegsnymphenfamilie zu.
„Und wir sehen uns in zwei Tagen", meinte ich an Sirius und James gewandt.
„Man sieht sich." Ich hakte mich bei Samuel unter.
„Dann mal auf zum Auto."
„Dann haben wir wohl das gleiche Ziel." Maélys schien diese Tatsache ziemlich glücklich zu machen.
Ich ließ mich auf den Beifahrersitz fallen. Samuel, der hinterm Steuer saß, lächelte mir noch einmal glücklich zu, dann startete er den Motor.
„Was habt ihr beide in Hogwarts erlebt?"
„Ich habe ganz viele nette Leute kennengelernt, aber Hestia ist meine beste Freundin."
„Und wie gefällt dir der Unterricht?"
„Die meisten Lehrer sind nett, aber sie sind teilweise sehr verrückt."
„Das meinte Carolin auch schon."
„Und ich kann ihre Aussage bestätigen."
„Wie lief es bei dir Carolin?"
„Sirius hat mich dazu gezwungen auf einem Besen zu fliegen."
„Das habe ich schon in deinem Brief gelesen. War es so schlimm?" Ich nickte.
„Und ich habe immer noch eine Flugstunde vor mir."
„Mein armes Mädchen." Er tätschelte kurz meine Hand, dann legte er wieder beide Hände ans Steuer und konzentrierte sich aufs fahren.
„Carolin! Jean!" Elaina wank uns beiden glücklich zu.
„Elaina! Meine Kleine. Komm auf mein Arm." Ich umarmte glücklich das kleine Mädchen.
„Du bist ja groß geworden." Das kleine Mädchen nickte glücklich.
„Ich werde immer groß."
„Ja, du wirst immer größer." Ich stellte sie wieder auf dem Boden ab.
„Hattest du eine schöne Zeit mit Samuel?" Das kleine Mädchen nickte begeistert.
„Wir bauen das Haus fertig. Du hast jetzt dein Zimmer."
„Das ist schön zu hören. Und du hast dich gut eingelebt?" Das kleine Mädchen nickte glücklich.
„Ganz viele Freunde für ich."
„Das hört sich gut an." Elaina zerrte an meiner Hand.
„Elainas Freunde hallo sagen." Ich folgte dem Mädchen in den Kindergarten herein.
Es war komisch alleine im Bett zu liegen. Vor allem, weil es so viel Platz bot. Ich konnte mich umdrehen, ohne die andere Bettkante zu erreichen oder auf Sirius zu stoßen. Ich vermisste den Jungen jetzt schon. Es war doch immer sehr angenehm, nachts neben ihm einzuschlafen. Die Gewissheit, dass jemand da war, beruhigte einen doch immer sehr.
Seufzend drehte ich mich noch einmal auf die andere Seite, bevor ich es aufgab schlafen zu wollen. Ich würde beim besten Willen nicht einschlafen. Dafür fand ich in dieser Umgebung nicht genug Ruhe. Es war nicht so, dass ich mein Zimmer nicht wunderbar fand. Es war genau die Art von Zimmer, die ich mir gewünscht hatte. Um Holzpfosten rankte sich Efeu, der sich aus mehreren Blumentöpfen verselbständigt hatte. Lichterketten am Kopfende meines Bettes spendeten ein angenehmes Licht, um im Bett noch ein wenig zu lesen. Gegenüber von meinem Bett war eine kleine Sitzecke aus einem Sofa und vier Sesseln, wo ich es mir sicherlich noch mit einem Buch gemütlich machen würde. Ein Couchtisch in der Mitte bot Platz für Knabbereien und Getränke. Gegenüber der Tür stand mein Kleiderschrank. Er wirkte viel zu riesig für meine Augen, doch ich war mir sicher, dass ich ihn gefüllt bekommen würde.
Doch obwohl ich mich in meinem Zimmer eigentlich sehr wohl fühlte, hatte es einen entscheidenden Nachteil. Es war mein Zimmer. Niemand anderes schlief mit mir in ihm und dementsprechend still war es in diesem. Nur die Geräusche von Bubble, die auf einem Sessel schlief, waren zu hören, doch trotzdem kam mir das Zimmer noch riesig, still und beängstigend vor. Seufzend schwang ich meine Füße über die Bettkante. Zum Glück wusste ich, wie ich mein Problem lösen konnte. Ich zog mir Socken an die Füße, dann schlich ich mich leise aus dem Raum.
Leise klopfte ich an Samuels Tür. Wenn mein Großcousin schon schlief, wollte ich ihn keinesfalls wecken. Doch entweder hatte ich doch zu laut geklopft oder er war einfach noch wach, jedenfalls hörte man ihn kurz nach meinem Klopfen „Herein!" rufen. Ich streckte meinen Kopf in den Raum.
„Hey."
„Kannst du nicht schlafen?" Ich schüttelte den Kopf.
„In meinem Zimmer ist es so still."
„Ich weiß. Ich habe die ersten Nächte nach eurer Abreise noch bei Elaina geschlafen. Anfangs habe ich mir eingeredet, dass ich es wegen Elainas Albträumen mache, doch eigentlich war mir mein Zimmer nur viel zu leise."
„Und jetzt ist es nicht mehr zu leise?" Er zeigte auf ein Babyfon.
„Ich habe eher einen Weg gefunden, um auf Elaina aufzupassen, ohne dass ich bei ihr schlafe und gleichzeitig habe ich auch ein bisschen Lautstärke in meinem Zimmer." Ich musste lächeln. Das hörte sich ganz nach Samuel an.
„Kann ich heute Nacht bei dir schlafen?"
„Komm her." Er hob die Decke neben sich an. Dankbar ließ ich mich neben meinen Großcousin fallen. Nachdem wir beide vernünftig zugedeckt waren, kuschelte ich meinen Kopf gegen seine Brust. Sofort stieg mir sein Geruch in die Nase. Sein Shampoo, das seit ich denken konnte, das gleiche war und der Geruch nach Katze. Doch leider war der Geruch nach Pferden verflogen, was ich schmerzlich feststellen musste. Stattdessen haftete jetzt der Geruch nach Krankenhaus ein wenig an ihm. Es erinnerte mich nur zu sehr daran, dass meine Welt aus den Fugen geraten war.
„Alles in Ordnung, Carolin?"
„Du riechst nicht mehr nach Pferden, sondern nach Krankenhaus."
„Ich weiß. Du wirst dich noch daran gewöhnen." Ich hoffe doch, dass ich irgendwann mich an diese Umstellung gewöhnen würde. Doch wahrscheinlich würde es mir in kürzester Zeit nicht mehr auffallen. Schließlich war die Umstellung nicht so groß und auch an Hogwarts hatte ich mich überraschend schnell gewöhnt.
„Schlaf gut, Carolin."
„Du auch, Samuel." Ich schloss meine Augen und lauschte dem Atem meines Großcousins. So war es doch viel besser. Ich merkte, wie ich langsam in den Schlaf abdriftete.
Ich hob Elaina hoch, damit sie den Schmuck weiter oben am Tannenbaum anbringen konnte. Schließlich sollte der Weihnachtsbaum nicht nur unten, sondern überall hübsch aussehen. Glücklich darüber nun auch an andere Stellen dranzukommen, fing das kleine Mädchen sofort an auch weiter oben Schmuck anzubringen.
„Fertig!", beschloss meine Großcousine irgendwann. Ich stellte sie wieder auf dem Boden ab, weshalb sie zu Nala rüber trapste. Sie kuschelte sich an die Riesenkatze und sah uns dabei zu, wie wir auf der Spitze des Baumes noch den Stern anbrachten. Zufrieden betrachtete sie unseren geschmückten Baum.
„Kommen die anderen Feiern?" Ich merkte, wie ich mich sofort wieder anspannte. Unsicher sah ich zu Samuel. Was sollte man dem kleinen Mädchen sagen? Sie werden nie wieder zu Weihnachten kommen? Das konnte man ihr doch nicht einfach so ins Gesicht sagen.
„Nein, Elaina, wir werden dieses Jahr ohne sie feiern müssen."
„Aber – Weihnachten mit Mama und Papa!", schrie das kleine Kind los.
„Sie kommen dieses Jahr leider nicht. Das schaffen sie nicht. Dafür gehen wir zu den Potters und zu den Scamanders."
„Will meine Familie!"
„Wir können es nicht ändern, Schatz. Dieses Jahr müssen wir ohne sie feiern." Das Mädchen fing an zu weinen.
„Haben sie uns nicht lieb?"
„Doch, natürlich haben sie uns lieb. Sie sind sehr traurig, weil sie nicht dabei sein können, aber sie können es auch nicht ändern." Ich nahm Elaina vorsichtig in den Arm.
„Will Familie und Wohnwagen oder großes Haus mit Strand."
„Ich weiß, dass du das willst. Wollen wir alle, aber das ändert nichts daran, dass wir jetzt hier zu viert wohnen." Samuel ließ sich auf die andere Seite von der Dreijährigen fallen und strich ihr vorsichtig übers Haare.
„Große Familie, schoner. Sirius einziehen. Marlene einziehen, James einziehen – alle einziehen! Familie zurückkommen und alle einziehen!" Dem kleinen Mädchen liefen noch ein paar Tränen über die Wange.
„Ach, Kleines. Beruhige dich. Erst mal fahren wir morgen mit Marlene und Sirius zu den Scamanders. Dann siehst du Luna, Diabolo, Siara und die ganzen anderen Tiere wieder."
„Aber nicht Familie!" Samuel klopfte auf seinen Schoß.
„Komm her." Das kleine Mädchen kletterte auf seinen Schoß.
„Kann Prim kommen? Nur Prim?"
„Nein, nicht einmal Prim kann kommen. Aber das heißt nicht, dass sie nicht an uns denken. Wahrscheinlich denken sie die ganze Zeit an uns."
„Schreiben?"Mein Großcousin sah fragend zu mir. Ein gefälschter Brief würde Elaina sicherlich beruhigen und den Unterschied würde sie eh nicht bemerken. Hoffte ich jedenfalls. Unauffällig nickte ich dem anderen Jungen zu.
„Sie schreiben uns bestimmt", erklärte ich dem Mädchen.
„Sicher?"
„Natürlich werden sie schreiben." Elaina beruhigte sich langsam wieder.
„Essen? Ich habe Hunger."
„Natürlich. Dann lass uns mal kochen." Samuel hob das Mädchen hoch.
Elaina lag im Bett und war endlich eingeschlafen. Das Babyfon stand neben mir auf der Arbeitsplatte in der Küche. Jean war im Wohnzimmer und stellte die Geschenke unter den Baum. Die Elfjährige glaubte sowieso nicht mehr an den Weihnachtsmann, also zerstörten wir mit dieser Aufgabe auch keine Illusion. Samuel half mir dabei, unser dreckiges Geschirr zu spülen.
„Carolin?"
„Hm?"
„Wie geht es dir?"
„Gut, was soll schon sein?"
„Wegen Elainas Ausraster. Ich habe deinen Blick gesehen. Seien wir doch mal ehrlich, sie hat genau das ausgesprochen, was wir alle denken. Wir wollen alle lieber das Weihnachten von vor einem, zwei oder wie viele Jahre auch immer wiederholen, als dieses Jahr zu viert zu feiern." Ich hielt in meiner Arbeit inne. Natürlich hatte er Recht. Ich würde alles dafür geben, die Zeit zurückzudrehen. Noch einmal meiner Mutter in die Augen zu sehen oder das Lachen der 4P zu hören, war eigentlich alles, was ich haben wollte. Ich verstand, warum Sirius lieber mit meiner Familie und mir in den Urlaub fahren wollte, als einen neuen Besen zu haben. Es war eine Sache irgendein Objekt haben zu wollen, doch wenn man erst einmal jemand verloren hat, der ein nahesteht, wollte man viel lieber diese Person zurück als irgendein x-beliebiges Objekt.
„Ich vermisse sie, Samuel. Ich vermisse sie so sehr." Der Junge legte das Trockentuch bei Seite.
„Ich vermisse sie auch." Er nahm mich vorsichtig in den Arm. Ich vergrub meine Hände in seinem T-Shirt. Dabei vergaß ich, dass meine Hände noch total nass vom Spülwasser waren. Doch weder mich störte es, dass jetzt das T-Shirt anstelle meiner Hände nass war, noch ihn. Stattdessen fing er an mir vorsichtig über die Haare zu streicheln.
„Wir haben noch uns. Wir bleiben zusammen. Wir überstehen das. Hörst du? Wir überstehen das." Ich merkte, wie ihm ebenfalls Tränen über die Wangen liefen.
„Wir überstehen das." Oder wir gingen alle drauf. Wir klammerten uns aneinander fest.
„Als am Tag des Angriffes dein Brief nicht gekommen ist – im St. Mungo war Hochbetrieb. Ich habe da gearbeitet. Sobald jemand Neues kam, dachte ich, dass du es vielleicht bist. Du kamst nicht. Ich dachte schon, du – ich habe mir schon überlegt, wie ich Elaina erkläre, dass du ebenfalls einfach verschwindest. Und dann kam der Brief von Marlene, dass du im Krankenflügel bist. Du glaubst gar nicht, wie sehr ich mich gefreut habe." Ich strich ihm vorsichtig über den Kopf.
„Ich wusste gar nicht, dass welche von uns im St.Mungo waren."
„Nur übergangsweise. Man kann schließlich nicht nach Hogwarts apparieren, also wurden alle Verletzten erstmal zu uns appariert." Ich merkte, wie er sich wieder ein bisschen beruhigte. Einfach über irgendetwas reden, bei dem man nicht nachdenken musste.
„Dann sei froh, dass ich erst so spät zusammengebrochen bin, sonst hättest du Maélys im durchgeknallten Zustand kennengelernt."
„Deine Erzählungen reichen mir." Das hatte ich mir schon gedacht. Mein Großcousin drückte mir noch einen Kuss auf die Stirn.
„Wir sollten hier mal alles fertig machen. Schläfst du wieder bei mir?" Ich nickte.
„Ja, klar."
„Ich denke, bei den Scamanders möchtest du dir mit Sirius ein Zimmer teilen, richtig?" Ich merkte, wie das schlechte Gewissen in mir hochstieg.
„Wärst du böse, wenn ich es tue?"
„Nein. Ich verstehe es. Ich würde auch gerne mit Marlene ein Zimmer haben, wenn du das erlaubst." Ich musste lächeln. Natürlich fragte er um Erlaubnis.
„Ich fürchte, wir werden uns beide damit abfinden müssen, dass irgendwann Sirius und Marlene hier einziehen werden."
„Langsam komme ich mit dem Gedanken klar, dass ein Typ sich an meiner Kleinen vergreift." Ich schüttelte den Kopf. Das war typisch Samuel. Anstelle ihm zu Antworten reichte ich ihm einen frisch gespülten Teller.
Ich wendete den Pancake. Vielleicht war es nicht das schönste Weihnachtsessen, doch da wir alle auf dieses Gericht standen, würden sich sicherlich alle darüber freuen. Samuel war nebenan damit beschäftigt den Tisch zu decken. Ich nahm den letzten Pancake aus der Pfanne und legte ihn oben auf den Stapel aus anderen. Dann stellte ich den Herd aus.
„Essen ist fertig. Wenn Elaina und Jean doch mal aufwachen, könnten wir essen." Der Junge streckte den Kopf durch die Tür.
„Das höre ich gerne, aber ich denke, sie wollen erst Geschenke auspacken." Ich seufzte. Da hatte er wahrscheinlich Recht. Ich ging rüber in das Esszimmer, wo mein Großcousin gerade Tassen aus dem Schrank holte.
„Ich bin hier auch fertig." Er sah zur Uhr.
„Die beiden schlafen ganz schön lange. Vielleicht sollten wir sie wecken."
„Nein, sollten wir nicht. Schließlich wollen wir um 22 Uhr zu den Scamanders apparieren und da ist dann Nachmittag. Es wird ihnen guttun, wenn sie heute länger schlafen."
„Da hast du Recht." Er zog mich auf sein Schoß.
Zusammen mit Jean, Elaina und Samuel saß ich unter den Weihnachtsbaum. Ich reichte meinem Großcousin das Geschenk, dass ich ihm in Hogsmeade gekauft hatte.
„Ich bekomme auch etwas?"
„Natürlich. Der Weihnachtsmann lässt dich so schnell nicht im Stich." Der junge Mann nahm das Geschenk grinsend entgegen. Neugierig öffnete er das Paket.
„Die Tasse."
„Der Weihnachtsmann hat wohl mitbekommen, dass du die haben wolltest."
„Für dich hat er auch etwas dagelassen." Der Junge reichte mir ebenfalls ein Paket herüber. Neugierig riss ich das Geschenkpapier auf. Ein brauner Karton kam zum Vorschein. Ich öffnete sie und holte ebenfalls eine Tasse heraus.
„Du wolltest doch zur besten Mutter gekrönt werden", flüsterte mir Samuel zu.
„Das hast du dir gut gemerkt." Ich umarmte ihn vorsichtig.
„Carolin! Gucken!" Elaina hatte endlich ihr Geschenk fertig ausgepackt. Verwirrt hielt sie mir den Brief hin, den wir gestern Abend geschrieben hatten und ein Bild von dem Garten. Genauer gesagt von ein paar Bäumen, die kurz hinter unserem Haus standen.
„Der Brief ist von unserer Familie." Jean die gerade ihr Paket mit Süßigkeiten genauer untersucht hatte, sah zu uns herüber.
„Lesen!" Das kleine Mädchen kletterte blitzschnell auf meinen Schoß und hielt mir auffordernd den Brief hin. Ich nahm ihn entgegen und begann vorzulesen.
„Sie haben uns lieb", rief Elaina, als ich den Brief zu Ende vorgelesen hatte. Die Dreijährige sah mich glücklich an.
„Natürlich haben sie uns lieb. Sie werden uns immer lieben, Elaina."
„Warum sind sie weg?"
„Weil sie auf uns aufpassen wollen."
„Ich verstehe nicht."
„Weißt du Elaina, das ist sehr kompliziert und darüber wollen wir uns heute keine Gedanken machen. In Ordnung?" Das Mädchen nickte.
„Garten." Das Mädchen zeigte mir ein Bild, welches sie wohl mit dem Brief mitgenommen hatte.
„Vielleicht findest du heraus, was dir das Foto sagen will, wenn du mal raus gehst."
„Gucken!"
„Aber erst holen wir uns Jacken und Schuhe. Draußen schneit es." Das Mädchen stand auf und rannte in den Flur. Lächelnd ging ich ihr nach, genauso wie Jean und Samuel.
Wir standen am Rande des verschneiten Waldes vor einem Holzstapel, der gerade so weit in ihm lag, dass man ihn nicht aus Versehen aus dem Wohnzimmer sah.
„Was ist das?" Elaina sah sich das Ganze neugierig an. Jean zog ein paar Zettel vom Holzstapel. Die Zettel lagen zu hoch, damit Elaina sie hätte sehen können. Neugierig sahen sich die beiden Mädchen die Zettel an.
„Schaukel. Rutsche. Klettern."
„Ihr baut hier einen Spielplatz hin?"
„Wir wollen kaum, dass ihr im Sommer nur im Haus tobt. Da schmeißen wir euch ganz klar raus. Vor allem wenn ihr Freunde mit nach Hause bringt."
„Spielplatz!" Elaina tätschelte liebevoll den Holzstapel.
„Und wo dürfen wir euch bei schönen Wetter mit Freunden hin verbannen?"
„Wir haben doch unsere Terrasse. Wir könnten sie nach meinem Schulabschluss endlich mal richtig ausbauen."
„Warum nicht schon in den Osterferien? Oder meint ihr, da reicht die Zeit nur für den Spielplatz?" Ich sah zu Samuel.
„Kommt erst mal rein. Ihr habt doch bestimmt Hunger, nicht wahr? Jedenfalls bin ich am Verhungern."
„Essen!" Elaina hüpfte glücklich herum. Lachend trieb ich sie in Richtung Haus zurück.
„Also was ist jetzt mit den Osterferien? Wir sind doch nur drei Tage in Amerika. Reicht das nicht, um die Terrasse und den Spielplatz fertig zu machen? Bestimmt helfen uns wieder Carolins Freunde. James und Sirius haben Spaß am Renovieren gefunden." Jean sah uns neugierig an, während sie ihren Pancake belegte.
„Wir haben noch eine weitere Überraschung für euch. Die betrifft, aber nicht nur euch beide, deshalb müsst ihr euch noch bis heute Abend gedulden. Wir verraten euch nur schon mal so viel, dass wir in den Osterferien nicht nur die ersten drei Tage etwas vorhaben." Elaina sah etwas verwirrt aus.
„Länger in Amerika?" Ich schüttelte lachend den Kopf.
„Nein, Elaina."
„Familie besuchen!"
„Auch nicht."
„Sirius heiraten?" Ich merkte, wie ich krebsrot anlief.
„Ganz sicher nicht!" Samuel sah Elaina entsetzt an, was die Kleine nur noch mehr verwirrte.
„Carolin und Sirius lieben. Leute lieben, Leute heiraten."
„Man heiratet, wenn man einen Job hat und zusammen Kinder bekommen möchte. Die beiden sind lange noch nicht so weit. Sie haben wahrscheinlich noch nie darüber geredet, ob sie irgendwann mal Kinder haben wollen." Er sah zu mir herüber. Mein Gesicht verriet wohl, dass wir sehr wohl über eine gemeinsame Zukunft gesprochen haben.
„Ihr habt schon mal darüber gesprochen." Ich nickte.
„Klar haben wir über eine gemeinsame Zukunft gesprochen. Aber wir heiraten trotzdem noch nicht, Elaina. Niemand von uns wird in den Osterferien heiraten." Dem kleinen Mädchen schienen die Ideen auszugehen, was wir noch alles in den Ferien machen könnten. Sie sah uns weiter verwirrt an, bevor sie an Jeans Arm zupfte.
„Spielen wir?" Die Elfjährige sah unsicher zu uns.
„Bringt noch eure Teller rüber, dann könnt ihr hoch. Wir kommen gleich nach", erklärte Samuel.
„Sollen wir nicht noch Abwaschen helfen?"
„Es ist nicht viel zu tun. Ihr werdet in Amerika genug eingespannt werden."
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