Kapitel 21

„Pass auf dich auf, ja?"
„Ich gehe nur für ein paar Tage nach Hause. Bevor ihr mich vermissen könnt, bin ich schon wieder hier."
„Dir ist bewusst, dass James dich schon vermisst, wenn ihr Mal eine Doppelstunde keinen gemeinsamen Unterricht habt?", fragte ich belustigt.
„Das stimmt doch gar nicht." Der Junge war krebsrot angelaufen. Lily griff nach der Hand ihres Freundes.
„Ich schreibe dir."
„Ich schreib dir auch." Die Rothaarige nickte traurig. Dann wandte sie sich wieder ihrem Rucksack zu, den sie angefangen hatte zu packen. Sie stopfte noch einen Pullover von James herein. Dann schloss sie ihn. James schnappte sich das Gepäck des Mädchens und bot ihr dann elegant den Arm an.
„Ich bringe dich noch weg." Die Schulsprecherin nickte, dann wandte sie sich an uns.
„Wir sehen uns in ein paar Tagen, Mädels."
„Genieße die Zeit mit deiner Familie." Ich umarmte die Schulsprecherin.
„Lass dich nicht von deiner Schwester ärgern." Auch Mary umarmte die Rothaarige einmal kurz.
„Genieße es, dass du keine Schule hast", rieten Dorcas und Alice zum Abschied. Lily wandte sich an die letzten beiden Mädchen aus unserem Zimmer. Marlene und Maélys saßen zusammen auf dem Bett der Kriegsnymphe.
„Wir sehen uns in ein paar Tagen." Meine beste Freundin lächelte etwas gequält. Auch sie konnte sich bessere Nachrichten vorstellen, als ein Todesfall in unserer Gruppe. Auch wenn dieser auf Grund einer Krankheit und nicht auf Grund eines erneuten Angriffes zu Stande gekommen war. Der Blick unserer Schulsprecherin glitt zu Maélys, die stumm auf ihrem Bett saß und noch kein Wort gesagt hatte.
„Pass gut auf alle hier auf, Maélys."
„Wenn es weiter nichts ist. Wirklich viel zu tun habe ich hier damit nichts. Schließlich ist es hier immer furchtbar langweilig."
„Dann warte mal bis zum Spiel gegen Slytherin. Dann sind sie wesentlich gefährlicher."
„Ich komme mit ihnen klar, auch wenn sie durchdrehen."
„Dann bin ich beruhigt." Die Mädchen nickten sich kurz zu, dann wandte sich Lily an die Jungen, die in unserem Zimmer saßen. Remus lächelte ihr aufmunternd zu.
„Wir sehen uns in ein paar Tagen."
„Bis in ein paar Tagen." Die Rothaarige umarmte den vernarbten Jungen. Dann wandte sie sich an Frank.
„Passe ein bisschen auf Alice und Dorcas auf. Ansonsten haben wir bald ein großes Problem, weil mehr Gerüchte im Umlauf sind, als es Wahrheiten gibt."
„Ich passe auf die beiden auf." Lily nickte zufrieden, dann wandte sie sich an Sirius, der etwas verunsichert aussah. Ganz offensichtlich hatte er keine Ahnung, was er machen sollte. Ganz anders als die Rothaarige. Diese ging mit festen Schritt zu ihm und umarmte ihn. Man sah, wie Lily ihm etwas ins Ohr flüstert, weshalb mein Freund nickte. Dann lösten sich die beiden voneinander. Als Letztes wandte sich die Rothaarige an Peter, der hinter Remus und Sirius zu verschwinden versuchte.
„Mach es gut Peter."
„Tschüss, Lily", piepste der dickliche Junge aufgeregt. Sobald die Zimmertür hinter Lily und James zu war, wandte ich mich an meinen Freund.
„Was hat dir Lily gesagt?"
„Das soll ich für mich behalten." Jetzt wurden natürlich Dorcas und Alice hellhörig.
„Wir wollten keine Geheimnisse mehr vor einander haben", beschwerte ich mich. Sirius schüttelte grinsend den Kopf.
„Ich werde es dir später erzählen, wenn die Zeit gekommen ist."
„Aber uns erzählst du es jetzt", forderte Alice. Der Treiber schüttelte energisch den Kopf.
„Nein, das werde ich nicht."
„Aber –"
„Nein, kein aber. Ich erzähle es nicht. Zuerst erfährt es Carolin und danach vielleicht hier."
„Menno." Dorcas schmollte.

„Du musst deinen Ellbogen runter nehmen. Er muss auf dieser Höhe sein." Frédéric schob meinen Arm ein Stück nach unten.
„Jetzt musst du deine Schulterblätter zusammenziehen und deine Finger wegziehen." Ich folgte den Anweisungen des Jungen. Ein zischendes Geräusch war zu hören, dann schlug der Pfeil in der Wand dicht neben der Zielscheibe ein.
„Näher als beim letzten Mal", kommentierte Luce.
„Aber nicht die Zielscheibe."
„Das wird schon noch. Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen." Seufzend zog ich den nächsten Pfeil aus dem Köcher, der auf dem Boden stand. Es war wirklich nicht einfach, diese ganzen verschiedenen Waffen zu nutzen. Es war sogar verdammt schwer. Ich spannte erneut den Bogen. Mein Trainer ging einmal um mich rum und kontrollierte meine Stellung.
„Darf ich?" Ich nickte. Er stellte sich hinter mich.
„Jetzt ist dein Arm ein bisschen zu tief." Er schob ihn wieder ein Stück höher.
„Und jetzt noch einmal zum Zielen. Du musst durch die Sehne durchsehen." Ich folgte seinen Anweisungen, obwohl mein Arm schon lange auf Grund der Anstrengung wehtat.
„Wenn du gleich loslässt –"
„Schulterblätter zusammenziehen und die Finger wegziehen."
„Da hast du Recht. Und wenn du das gemacht hast, stehen bleiben, bis der Pfeil eingeschlagen ist. Nicht vorher bewegen. In Ordnung?"
„Ja, erst bewegen, wenn der Pfeil eingeschlagen ist. Auf gar keinen Fall vorher."
„Dann mal los." Ich wollte schon loslassen, doch der Junge verhinderte es.
„Du lässt erst los und ziehst die Hand dann weg. Es muss eine fließende Bewegung sein." Er stellte sich hinter mich und griff ebenfalls nach dem Bogen. Seine Finger umschlossen, die meinen.
„Ist der Bogen noch ordentlich ausgerichtet?" Ich nickte langsam.
„Dann schieße." Ich ließ los. Sofort merkte ich, wie er meine Hand nach hinten zog. Dieses Mal flog der Pfeil mitten auf die Zielscheibe.
„Unterschied gemerkt?"
„Ja." Der Junge schien zufrieden. Er zog den nächsten Pfeil aus dem Köcher und reichte ihn mir. Erschöpft griff ich nach der Munition. Dabei sah ich Sirius, der etwas weiter weg mit einer Wasserflasche stand. Er starrte wütend Frédéric an. Mein nächster Schuss traf die Zielscheibe auf der rechten Seite.
„Es wird doch langsam." Ein neuer Pfeil wurde mir hingehalten. Auch diesen legte ich ein.
„Frédéric, jetzt lass ihr eine Pause. Sie ist vollkommen erschöpft. Wir trainieren seit zwei Stunden ohne eine Pause", ging Luce dazwischen. Der Junge sah verunsichert zu mir.
„Noch der Schuss, dann beenden wir das Training für heute. In einer halben Stunde ist so oder so Schluss." Ich nickte dankbar.

Erschöpft ließ ich mich auf Sirius Bett fallen. Der schwarzhaarige Junge war noch im Bad und duschte. James setzte sich neben mich aufs Bett.
„Müde?"
„Ich glaube, meine Arme sind ausgeleiert."
„Ja, deine Arme sind ein Meter länger geworden. Armes Prinzesschen. Aber jetzt kommst du besser an Sachen ran, die weiter weg sind."
„Sei doch still." Er grinste mich an, doch dann verkrampfte er sich und sah wieder ernst aus.
„Hat dir Lily geschrieben?"
„Nein, sonst hätte ich dir Bescheid gesagt." Der Jäger seufzte leise.
„Sie schickt dir doch jeden Tag einen Brief."
„Aber sie ist so kurz angebunden. Sie hat etwas, aber sagt mir nicht, was los ist." Ich tätschelte James Schulter.
„Sie wird einfach viel zu tun haben. Es ist nicht einfach, wenn jemand aus der Familie stirbt. Mach dir nicht so viele Gedanken." Der Junge seufzte leise. Ich zog den Schulsprecher am Arm neben mich.
„Sie wird schon wieder. Ich habe mich auch wieder eingekriegt."
„Aber du hast so lange gebraucht."
„Lily ist aber nicht ich. Sie hat den Tod ihrer Mutter viel besser verkraftet, als ich den Tod meiner. Sie wird darüber hinwegkommen. Sie braucht nur Zeit." Ich lehnte meinen Kopf gegen James Schulter.
„Also habe ich nichts falsch gemacht?" Ich schüttelte den Kopf.
„Du musst dir keine Sorgen machen."
„Das höre ich gerne."

„Raus aus meinem Bett!"
„Merlin, Tatze, jetzt bleib ruhig."
„Raus aus meinem Bett, habe ich gesagt." Ich merkte, wie James unsanft von mir weggezogen wurde. Verschlafen machte ich meine Augen auf und blinzelte gegen das Licht. Sirius hatte sich wütend vor James aufgebaut und ihn am Kragen gepackt. Der Schulsprecher schien eher etwas verwirrt als verängstig auf Grund der Reaktion meines Freundes.
„Was ist hier los?" Remus hatte verwirrt die Vorhänge an seinem Bett zur Seite gezogen.
„James soll in sein Bett verschwinden." Der Treiber zog noch stärker an seinem Bruder.
„Lass ihn los, Sirius. Er hat doch nichts gemacht", versuchte ich meinen Freund zu beruhigen.
„Er soll gefälligst in –"
„Er soll in seinem Bett schlafen. Das habe ich verstanden. Wie wäre es, wenn du ihn freundlich darum bittest?" Ein wütendes Schnauben war zu hören, doch der Griff von Sirius lockerte sich. James befreite sich von seinem Bruder, dann verschwand er zügig auf sein Bett.
„Sirius, willst du mir jetzt endlich erklären, warum du so ausrastest?"
„James hat in meinem Bett nichts verloren. Vor allem nicht, wenn du darin schläfst!"
„Bist du eifersüchtig?" Mein Freund schüttelte schnell den Kopf, doch an seiner Reaktion konnte man ablesen, dass er sehr wohl eifersüchtig war.
„Seit wann bist du auf James eifersüchtig?"
„Ich bin nicht –" Ich hielt ihm den Mund zu.
„Du glaubst doch nicht wirklich, dass du nicht eifersüchtig bist." Der Junge sah mich mit treuem Hundeblick an. Er war mal wieder unehrlich, was seine Gefühle anging. Er belog sich selber, wie schon viele Male davor.
„Komm her." Ich zog ihm Arm neben mich, auf dem Platz auf dem bis vor kurzem noch James gelegen hatte.
„Also, was ist los?"
„Ich will nicht einer von der Sorte Freund sein, die eifersüchtig sind. Ich bin keiner von der Sorte." Ich verdrehte die Augen.
„Und warum hast du dich dann auf James gestürzt?"
„Weil – das ist mein Platz. Er hat sich auf meinem Platz ausgebreitet." Ich schüttelte den Kopf.
„Das macht er andauernd. Also was war heute anders?" Er biss sich auf die Unterlippe.
„Ich höre."
„Frédéric hat sich auch an dich rangemacht. Beim Training. Da soll James nicht auch noch ankommen."
„Du bist ja wirklich eifersüchtig, Stallbursche." Er wurde leicht rot. Allerdings konnte ich nicht genau sagen, ob vor Ärger, weil ich seine Gefühle aussprach, oder Scham.
„Ich weiß, dass du nichts mit ihnen hast, aber –"
„Du siehst es trotzdem nicht gerne, richtig?" Er nickte langsam. Ich tätschelte seinen Kopf.
„Ich weiß, es ist unnötig, aber manchmal fliegen die Besen mit mir los – ich – es tut mir leid." Mein Freund drehte sich zu James.
„Krone?"
„Ja, Tatze."
„T'schuldigung. Ich hätte es nicht an dir auslassen dürfen." Der junge Black hatte seinen treuen Hundeblick aufgesetzt.
„Nein, das hättest du nicht tun sollen." James streckte seine Arme nach ihm aus.
„Komm her, Tatze. Man kann dir nicht böse sein. Du bist und bleibst mein großer Wuschelhund, auch wenn ich ihn mit deiner Prinzessin teilen muss." Sirius ließ mich auf dem Bett zurück und kletterte zu James. Lächelnd sah ich den beiden Jungen beim Kuscheln zu. Sie hatten schon einen Schlag weg.

James rannte zum zehnten Mal von der einen Seite des Tores zur anderen Seite.
„Wo bleibt sie?" Verzweifelt ging er wieder zur anderen Seite.
„Sie ist nie zu spät." Er kam wieder zurück.
„James, du solltest dich beruhigen. Sie kommt gleich." Sirius versuchte, seinen Kumpel zu beruhigen.
„Du solltest ruhig sein. Schließlich warst du auch ein Nervenbündel, als Carolin weg war. Du wärst fast durchgedreht."
„Deshalb soll ich auch verhindern, dass du durchdrehst."
„Wer sagt das?"
„Deine rothaarige Freundin." James, der gerade wieder von uns weglief, machte eine 180° Drehung.
„Wann hat sie das gesagt?"
„Bevor sie gegangen ist. Sie wollte, dass ich auf dich und Carolin aufpasse." James lächelte leicht.
„Das hört sich nach ihr an." Sirius zog sein Freund zu sich.
„Liegt wohl daran, dass sie es so wollte. Also jetzt beruhige dich."
„Das sagt sich so leicht."
„Ich weiß, dass es schwer ist. Aber es ist noch viel schwerer und komplizierter, wenn du rumrennst. Dann machst du nämlich auch uns verrückt." Seufzend lehnte der Jäger den Kopf gegen die Schulter seines Bruders.
„Die beiden sind schon ein süßes Pärchen." Mary die neben mir stand, beobachtete die beiden Brüder mit einem breiten Grinsen im Gesicht.
„Ich glaube immer noch, dass die beiden heimlich was am Laufen haben. Seht sie euch nur an. Das hat mit Geschwisterliebe schon lange nichts mehr zu tun."
„Sei still, Mary. Wir sind Brüder. Da darf man kuscheln. Carolin darf schließlich auch mit Samuel kuscheln." Ich umarmte die beiden Jungen von hinten.
„Ihr dürft so viel kuscheln, wie ihr wollt. Solange ich mitkuscheln darf." James sah nachdenklich Sirius an.
„Ich weiß nicht, ob ich ihn teilen kann."
„Also ich kann mir niemanden vorstellen, den ich mir nicht mit meiner Prinzessin teilen kann." Mein Freund zog mich bestimmt zwischen die beiden Jungen.
„Ich glaube mit, deiner Prinzessin kann ich leben, aber nur, solange du mit Lily leben kannst."
„Das kann ich akzeptieren." Man hörte einen lauten Knall. Ich schreckte hoch. Die beiden Jungen schoben mich automatisch hinter sich, während ich meinen Zauberstab herausholte. Lily sah verwirrt unsere erhobenen Zauberstäbe an.
„Hallo, Leute?" Ich senkte meinen Stab.
„Lily –" James brauchte ein paar Sekunden, um zu verstehen, dass seine rothaarige Freundin zurück war. Sobald er es verstand, stahl sich ein breites strahlendes Grinsen auf sein Gesicht.
„Du bist zurück! Lilylein! Komm her!" Seine Freundin folgte seiner Bitte. Sie rannte los und schmiss sich förmlich in seine Arme. Das Mädchen vergrub ihr Gesicht in der dicken Winterjacke des Jägers.
„Ich habe dich vermisst." Der Junge strich über die roten Haare der Schulsprecherin. Lilys Antwort verstand ich leider nicht. Doch James Reaktion nach, gab es eine. Er drückte ihr vorsichtig einen Kuss auf den Scheitel, dann gab er sie frei. Lily wandte sich an uns. Mary lächelte ihre beste Freundin an.
„Hi." Die beiden Mädchen umarmten sich ebenfalls. Als Nächstes wandte sich Lily an mich.
„Du hast gar keine Augenringe mehr." Dafür hatte meine Freundin sie jetzt. Die Schulsprecherin wirkte müde und erschöpft. Die Augenringe hatte sie nicht einmal versucht zu über schminken, ihre Haare waren ein wenig fettig und sie wirkten auch nicht so, als wären sie heute schon gekämmt worden.
„Du siehst müde aus."
„Ich habe wenig geschlafen."
„Willst du mit Frühstück kommen oder ins Bett?"
„Frühstück hört sich gut an." James legte einen Arm um seine Freundin.
„Dann gehen wir sofort in die große Halle."

Vielleicht bildete ich es mir auch nur ein, doch ich hatte das Gefühl, die Schulsprecherin hatte während ihrer einwöchigen Abwesenheit, ein bisschen abgenommen. Allerdings konnte ich es mir auch nur einbilden, weil ich nach dem Tod meiner Großmutter und dem Tod meiner Familie ein paar Kilo verloren habe. Doch wenn man ihr beim Essen zusah, konnte man sich gut vorstellen, dass sie ein bisschen abgenommen hatte. Die Rothaarige knabberte an einer Brötchenhälfte und war vollkommen in ihren Gedanken versunken. Ihr braunhaariger Freund hatte einen Arm um sie gelegt, doch ich war mir nicht sicher, ob sie es wirklich wahrnahm. Sie wirkte einfach abwesend, was zu Lily eigentlich nicht passte.
„Lily?" Das Mädchen reagierte gar nicht. Vorsichtig stupste James in ihre Seite. Erschrocken ließ sie, ihr Brötchen auf den Teller fallen.
„Was?"
„Carolin hat mit dir gesprochen."
„Tut mir leid. Ich war in Gedanken."
„Das habe ich gemerkt." Die Wangen des Mädchens versuchten, farblich mit ihren roten Haaren zu konkurrieren.
„Was ist denn?"
„Wie war es bei deiner Familie?"
„In Ordnung. Meine Familie halt." Sie biss sich auf die Unterlippe. Unsicher sah ich zu James. Seine Freundin schien, ziemlich schlecht drauf zu sein.
„Geht es dir ein bisschen besser?" Der Jäger strich das rote Haar des Mädchens aus ihrem Gesicht.
„Es wird langsam besser. Wieder in der Schule zu sein, wird mir guttun." Die Schulsprecherin schien mit ihren eigenen Worten nicht nur uns überzeugen zu wollen, sondern auch sich selbst.
„Das freut mich, zu hören."
„Ja – das ist gut. Nicht wahr?"

Sirius starrte nachdenklich zu Lily herüber. Der Rothaarigen, die zusammen mit James an der Planung der Kostümfeier saß, schien das allerdings nicht zu bemerken. Ganz anders als James, der misstrauisch zu seinem Bruder herübersah.
„Black, warum starrst du Evans an? Das macht man nicht, wenn die Freundin neben einem sitzt." Maélys sah meinen Freund warnend an.
„Ich denke nach."
„Ob Evans besser ist? Nein, ist sie nicht." Marlene trat der Kriegsnymphe gegen das Bein.
„So etwas sagt man nicht. Du kannst Sirius doch nicht einfach vorwerfen, er würde jetzt hinter der Freundin seines Bruders her sein." Die französische Nymphe verschränkte genervt die Arme.
„Bist du meine Mutter?"
„Zum Glück nicht. Deshalb versuche ich, dich zu einem sozialen Menschen zu erziehen." Die Blondine grinste das Mädchen unschuldig an.
„Ihr seid so nervig, wisst ihr das?", unterbrach ich den anbahnenden Streit der beiden.
„Und trotzdem liebst du uns, nicht wahr?" Meine beste Freundin sah mich mit großen Hundeaugen an.
„Sirius kann das besser."
„Es ist unfair, mich mit Black in diesem Thema zu vergleichen", schmollte die blonde Nymphe.
„Warum ist das unfair?" Die Kriegsnymphe sah uns verwirrt an. Ich wurde rot. Wir hatten ihr nie erzählt, dass die Rumtreiber Animagi waren. Es war etwas, was wir vor ihr verheimlicht hatten.
„Er kann es besser. Deshalb."
„Marlene kann einfach nicht verlieren", meinte mein Freund.
„Interessant." Ich lehnte meinen Kopf an Sirius Schulter.
„Warum starrst du Lily an?"
„Ich denke über etwas nach."
„Aber nicht darüber, was Maélys meinte, richtig?"
„Selbstverständlich nicht!" Mein Freund sah mich empört an, was mich zum Grinsen brachte.
„Worüber denkst du denn nach?"
„Über ein paar Sachen, die Lily und James mal gesagt haben."
„Was haben sie denn gesagt?"
„Ein paar Dinge über Regulus. Nichts Wildes, aber irgendwie geht es mir nicht aus dem Kopf heraus. Ich weiß auch nicht warum."
„Kann ich dir auch nicht sagen." Er lächelte mich an.
„Solange denke ich weiter darüber nach."

Sirius P.o.V.:
Ich sah unsicher zu Lily. „Regulus ist dein Bruder und deshalb kann er dir so wehtun." Das hatte sie zu mir gesagt. Na ja, so ungefähr. Sie hatte sich so angehört, als würde sie wissen, worüber sie redet. Dann würde auch James Kommentare über Lilys Schwester mehr Sinn machen. Und ihr Verhalten gegenüber ihrer Schwester, als wir diese letztes Jahr in den Weihnachtsferien kennengelernt hatten.
„Ich komme gleich wieder." Ich löste mich von Carolin, die ihren Kopf an meine Schulter gelehnt hatte. Zielsicher ging ich zu der Schulsprecherin herüber und ließ mich neben sie aufs Sofa fallen.
„Ist irgendetwas Sirius?" James sah mich neugierig an.
„Dürfte ich mir für zehn Minuten deine Freundin borgen, oder ist es gerade unpassend?" James sah unsicher zu der Schulsprecherin.
„Also ich könnte zehn Minuten Pause gut vertragen. Ein bisschen was zu knabbern und zu trinken hilft uns bestimmt beim Arbeiten. Ich hole mal etwas aus der Küche. Für dich Lakritzschnapper, Lily?"
„Ich habe keine Lust auf welche, trotzdem danke."
„Aber du liebst Schnapper. Du willst immer welche. Auch direkt nach dem Essen."
„So verrückt nach den Dingern bin ich nun auch nicht. Ich habe keine Lust auf welche, aber danke." Die Rothaarige wandte sich an mich.
„Was willst du denn von mir Sirius?"
„Mit dir über etwas reden. Unter vier Augen, wenn es für dich in Ordnung ist." Das Mädchen nickte unsicher.

Ich setzte mich neben Lily auf die Fensterbank. Wir hatten den Gemeinschaftsraum verlassen und waren stattdessen in einen etwas abgelegenen Gang gegangen, wo sich die Schulsprecherin ans Fenster gesetzt hatte.
„Was willst du denn jetzt von mir?"
„Mir geht nicht mehr aus dem Kopf, was du zu mir gesagt hast, nachdem ich mich mit Regulus gestritten habe."
„Du meinst, dass er dein Bruder ist und es deshalb vollkommen normal ist, wenn dich seine Worte verletzen?" Ich nickte.
„Ist wieder etwas mit Regulus vorgefallen?" Ich schüttelte schnell den Kopf.
„Nein, bei mir ist alles in Ordnung. Ist bei dir alles in Ordnung? Es kam nicht so rüber, als würdest du dich wirklich darüber freuen, bei deiner Familie gewesen zu sein." Ihre Hände verkrampften sich.
„Meine Mutter ist gestorben! Natürlich mache ich keine Luftsprünge!", fuhr sie mich an. Ich schreckte zurück. Eigentlich wollte ich doch nur wissen, ob wirklich alles in Ordnung war. Doch wahrscheinlich hatte ich einfach nur meine Probleme auf die Rothaarige übertragen, damit es noch irgendjemand auf der Welt gab, der sich nicht mit seiner Familie verstand. Ich stand auf.
„Ich wollte kein Trampel sein. Tut mir leid." Die Schulsprecherin reagierte gar nicht wirklich. Unsicher stand ich im Gang. Sollte ich warten bis sie reagierte oder besser den Rückzug antreten? Schließlich war ich der Grund, warum sie traurig war. Ich wich noch einem Schritt zurück.
„Ich wollte dich nicht verletzen." Lily klopfte auf den Platz neben sich.
„Komm her." Unsicher ließ ich mich auf den Platz fallen.
„Du hast Recht. Meine Schwester ist sauer, weil sie nicht die magischen Gene abbekommen hat, sondern ich. Wir streiten uns, sobald wir uns sehen." Die Rothaarige wirkte vollkommen fertig.
„Worüber habt ihr euch dieses Mal gestritten?"
„Mein Vater will das Haus verkaufen."
„Das in Cokeworth?" Das Mädchen nickte.
„Tuni studiert in London und kommt nur noch zu den Feiertagen und Geburtstagen nach Hause. Ich bin das ganze Jahr über in Hogwarts. Er ist in Cokeworth ganz alleine. Das Haus ist zu groß für ihn. Er will sich dort eine Wohnung suchen."
„Das hört sich doch vernünftig an."
„Das finde ich auch anders als Tuni. Es ist vernünftig, aber es geht so schnell. Sie ist nicht einmal eine Woche tot und mein Vater redet schon von Verkaufen des Hauses. Ich habe meine Sachen schon zusammengeräumt und ausgemistet. Mein Vater sucht schon nach Interessenten und er sieht sich nach einer Wohnung um. Er plant für uns nicht einmal ein Zimmer ein."
„Stört dich das?"
„Ich weiß es nicht. Ich hätte wenigstens gerne die Wahl gehabt. Ich weiß noch gar nicht, was ich nach dem Abschluss machen möchte. Mein Vater wird mir wohl eine Wohnung finanzieren und er meinte, ich könnte bei ihm auf dem Sofa schlafen bis ich etwas gefunden habe, aber ich soll nach meinem Abschluss ausziehen."
„Würdest du denn nach deinem Abschluss zu Hause wohnen wollen?"
„Eigentlich war es schon mein Plan auszuziehen, aber nicht sofort. Verstehst du das?" Nicht so ganz. Hätten mich meine Erzeuger mit Geld für eine Wohnung auf die Straße gesetzt, hätte ich es gefeiert. Doch wenn Euphemia und Fleamont es machen würden, wäre ich schon enttäuscht.
„Ich glaube schon – irgendwie."
„Es geht mir einfach zu schnell. Ich habe einfach das Gefühl, alle wollen mich loswerden."
„Keine Sorge. James Familie adoptiert jeden, der nicht schnell genug wegrennt. Elaina hätten sie fast nicht mehr rausgerückt. Und Carolin, Samuel und Jean wollten sie auch zu sich holen. Bei uns bist du immer willkommen." Die Rothaarige lächelte leicht.
„Ich will nicht James auf die Nerven gehen. Wir sind noch keinen Monat zusammen. Da redet man nicht übers Zusammenziehen." Das konnte ich verstehen.
„Ich glaube, aber auch nicht, dass dein Vater dich loswerden will. Aber warum soll er eine Wohnung mit einem Zimmer für dich suchen, wenn es nur einmal zu Weihnachten und Ostern genutzt wird?" Das mit dem Loswerden war eine Eigenschaft von meinen Eltern.
„Wir sind zu Weihnachten und Ostern bei meinen Großeltern."
„Siehst du. Es ist nichts gegen dich." Das Mädchen wirkte ziemlich erleichtert.
„Kannst du James erstmal nichts davon erzählen? Er ist wirklich lieb, aber ich will nicht, dass er glaubt, er müsse mir jetzt helfen." James ist nun einmal ein Gutmensch. Er wollte jedem helfen, so war er nun einmal, doch dabei schoss er gerne übers Ziel hinaus.

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