Kapitel 13

„Hättest du Candra nicht ein einfacheres Kleid kaufen können?" fragte Dean seinen Bruder ein wenig genervt. Sie standen zusammen mit Castiel in dem großen, geschmückten Ballsaal. Auch wenn der Ball schon angefangen hatte und die Hausband schon einige Songs gespielt hatte, war die Jägerin noch nicht aufgetaucht. „Die Hotelbesitzerin ist doch auch noch nicht da." kam es von Sam zurück, er wollte seinen Bruder ein wenig beruhigen. Von dem Personal hatten sie nicht besonders viel herausfinden können, jeder, der länger als fünf Jahre hier arbeitete und den Mann von Veronika Young gekannt hatte, beschrieb ihn als freundliche und liebevolle Person. Er war zu seiner Tochter nett gewesen, zu seiner Frau, zu den Gästen und zum Personal, es gab offenbar niemanden der ihn nicht mochte. Er hatte zwar selbst schwere Depressionen gehabt, aber laut dem Personal hatte er seine Wut über sich selbst nie an anderen Personen ausgelassen. Das ganze passte nicht in das Bild eines Geistes, der willkürlich irgendwelche Hotelgäste abschlachtete. Sie würden alle den Ball abwarten, hatten sie beschlossen, doch nun schien es, als tauchte die Hotelbesitzerin gar nicht erst auf. Dafür kam nun jemand anderes in den Raum geschritten. Candra trug das rosane Kleid, welches tatsächlich relativ kompliziert anzuziehen gewesen war. Dazu trug das Mädchen noch weiße, hohe Schuhe, die sie tatsächlich bei den Fundsachen gefunden hatte. Es hatte nicht lange gedauert um Leslie davon zu überzeugen, sie ihr zu geben, schließlich würde die Besitzerin dieser Schuhe nicht wieder kommen, wenn sie schon zwei ganze Jahre nicht abgeholt worden waren. Dean bemerkte das Mädchen als erstes. Auch wenn sie im Gegensatz zu den meisten perfekt gestylten Frauen in diesem Raum nur wenig Make-up trug und ihre Haare nicht zu einer komplizierten Hochsteckfrisur zusammengebunden waren, war sie hübscher als die Meisten hier im Raum. Das machte ihre Natürlichkeit aus, da war sich Dean sicher. Er wusste nun endlich was das Gefühl war, wenn er sie ansah: Es war Stolz. Stolz, dass seiner zarten Schwester doch eine gute Jägerin geworden war, die auch noch in einem Abendkleid bezaubernd aussah. Auf seinen Sammy war er am Anfang genauso stolz gewesen, natürlich ohne den Gedanken an das Abendkleid. Doch inzwischen waren sie ein eingespieltes Team geworden, beinahe war es Normalität. Dean schwor sich bei diesen Gedanken weder Candra noch seinen Bruder als selbstverständlich anzusehen, ebenso wenig wie er es bei Cass tun durfte. Sam war ebenfalls erstaunt und strich sich direkt die Haare hinter die Ohren, als müsste er nun ebenfalls unglaublich aussehen. Er wünschte sich innigst, seine Schwester schon früher gekannt zu haben. Noch früher als er Adam kennen lernen durfte, wie wohl ihre gemeinsame Kindheit ausgesehen hätte? Hätten sie sich überhaupt gesehen, wenn John von ihr gewusst hätte? Auch wenn er seinem Vater für den doppelten Betrug an seiner Mutter niemals verzeihen könnte, war er froh Candra getroffen zu haben. Das merkte er in diesem Moment besonders, denn es war nicht ihr Outfit, welches sie hübsch aussehen lies. Sam bemerkte selbst, was für eine unglaublich schlechte und kitschige Wahl er getroffen hatte. Aber es war ihre Ausstrahlung, die den Raum erhellte. Castiel wusste nicht wohin er als erstes sehen sollte und schien ein komplettes Black-out zu haben, als Candra ihn ansprach, ob er die Besitzerin schon erkannt hatte. Dean musste ihn erst deutlicher mit „Cass??" ansprechen, als er es realisierte. Schnell antwortete er mit einer deutlichen Verneinung. „Sie wird noch kommen, es soll laut Leslie eine Ansprache geben." verkündete Candra. „Gut, dann sollten wir uns bis dahin normal verhalten." sagte Sam, zwinkerte dem immer noch verwirrten Castiel zu und ging zum Buffet. Dean sah seinen geflügelten Freund einige weitere Sekunden an und wusste nicht, wie er seinen Blick auf Candra einordnen sollte. Dann nickte er nur und ging zur Bar um sich einen Drink zu holen, das erste was in diesem Raum ansprach. Die meisten Frauen hier waren deutlich zu alt und die wenigen jüngeren wirkten viel zu aufgetakelt für ihn, ein guter Whisky würde es auch tun. Candra sah sich gerade noch im reichlich geschmückten Raum um, als sie aus ihren Gedanken gerissen wurde. „Wir sollten hier nicht einfach herumstehen. Tanzen wir?" fragte er dann. Candra musterte ihn kurz, er sah unschuldig und freundlich aus wie immer, der Kuss schien wohl nur das Mädchen selbst gedanklich zu beschäftigen. Sie nickte als Antwort und legte den Arm auf seine Schulter, nicht wissend, dass Castiel im Innern selbst in Panik verfiel. Er wusste nicht wie die Jägerin den Kuss aufgenommen hatte, nicht ein Mal warum er es getan hatte. Diese Art von Gefühlen waren für ihn neu und das versetzte den Engel des Herrn in eine gewisse Angst, die er nicht ebenfalls nicht kannte. Aber diese Angst sollte ihn nicht davon abhalten Zeit mit Candra zu verbringen, das würde er nicht zulassen. „Candra hat ganze Arbeit geleistet." sagte Sam zu Dean, der sich neben seinen Bruder an die Bar gelehnt hatte. Dean sagte nichts dazu und kippte stattdessen seinen Whisky hinunter, auch eine Art auf Sams Gesprächseinladung zu antworten. „Lass ihnen doch den Spaß." sagte dieser stattdessen. „Ich hatte schon Angst, wir würden Cass zu oft alleine lassen. Schließlich ist er ohne Zugriff auf seine Gnade nicht besonders hilfreich, objektiv betrachtet." Dean nickte nur, als er dies hörte. Irgendetwas störte ihn daran, wie Castiel mit seiner Schwester tanzte. Sein Beschützerinstinkt war gegenüber seinem Bruder schon stark, aber so wie es aussah gegenüber seiner kleinen Schwester noch stärker. Dennoch musste er zugeben, dass die Beiden alle anderen Tänzer in den Schatten stellten. Die letzten Töne des Liedes verklungen und eine weibliche Stimme war zu hören. „Entschuldigung, darf ich um Ruhe bitten?" fragte eine hochgewachsene Frau mit dunkelblonden Haaren, die definitiv verlängert worden waren. Sie trug ein Designerkleid und hohe Schuhe, dazu ein wenig zu viel Make-up, welches nur ihre chirurgischen Eingriffe betonte. Dean nahm die Frau als erste wahr und nickte Candra zu. Diese bedankte sich noch schnell bei Castiel für den Tanz und wünschte ihm viel Glück für den Weiteren, den er mit der Hotelbesitzerin haben würde. Er neigte nur leicht mit dem Kopf, so fühlte er sich doch jetzt schon verloren zwischen den vielen Menschen in diesem Raum. Kaum waren die drei Jäger aus dem Saal getreten, verstärkte sich dieses Gefühl, aber er würde weder Sam, noch Dean und Candra enttäuschen. Er würde die Hotelbesitzerin sicher zu einem Tanz einladen können. Doch sich an die Schritte zu erinnern war gar nicht so leicht, mit Candra lief es wie von selbst, aber nun herrschte in seinem Kopf gähnende Leere.

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