Der einfach schwere Weg zur Lösung

Ein kleiner Ausschnitt aus meiner heutigen Gedanken- und Erlebniswelt.

Wenn wir in tiefen emotionalen Krisen stecken, kann es sein, dass wir Lösungen präsentiert bekommen, die in ihrer Einfachheit die Tragweite unseres Problems in Frage zu stellen scheinen. Doch ist dem wirklich so? Sind Lösungen komplex und schwierig?

Meine Erfahrung hat mir gelehrt, dass die Lösung tatsächlich immer mehr als simpel ist. Oft lässt sie sich auf ein Wort oder einen einfachen Zustand hinunterbrechen, genauso, wie es eigentlich auch mit dem Problem möglich ist.

Das Paradoxe daran ist, dass die Lösung zwar tatsächlich wahnsinnig einfach, elegant und schlicht ist. Doch diese zu erreichen und sie umzusetzen ist die Herausforderung. Es ist das tiefe innere Wissen, welches automatisch in uns generiert wird, wenn wir die Lösung hören. Denn um das elegante Ziel zu erreichen müssen wir einen meist sehr schweren Weg gehen.

Doch was wäre die Alternative?

Am Scheideweg stehend, können wir entscheiden, ob wir den schweren Weg zur einfachen Lösung gehen oder ob wir den einfachen Weg nehmen. Wie sieht dieser aus?

🌸Es ist einfach, andere für das eigene Elend verantwortlich zu machen. Ich sage das nicht um alle Taten der Welten zu entschuldigen. Dennoch kann ich gegen die Taten anderer etwas tun, insbesondere, wenn ich sie nur ihrer Taten beschuldige?

🌸Es ist einfach, andere als Idioten, Arschlöcher oder Narzissten zu bezeichnen. Was jedoch ist die Geschichte des anderen? Kennen wir wirklich die Umstände, die ihn dazu bringen, im Augenblick so zu handeln? Und was sagt es über uns aus, dass wir unser Gegenüber so schnell verurteilen?

🌸Es ist einfach, an negativen Gedanken festzuhalten. Denn sie sind uns vertraut, sie geben uns etwas zu sagen. Aber was sagen wir? Worüber genau regen wir uns auf? Wenn die Welt sowieso untergeht, wieso geniessen wir den Augenblick nicht? Wieso werden wir nicht zum Besten Selbst, was wir sein können, um den Untergang zu ehren, der doch unausweichlich scheint.

Ist es nicht interessant, dass das alles eine Art Paradoxon ist? Schwerer Weg zur einfachen Lösung und einfacher Weg zu, naja, ich weiss nicht, Stagnation vielleicht?

Ich persönlich habe mich schon oft für den schwierigen Weg hin zur einfachen - oder sagen wir es schöner, eleganten - Lösung, entschieden. Damit habe ich also eine gewisse Erfahrung, wenn ich auch gelernt habe, dass es bei diesem Weg kein Ende gibt. Allerdings übt genau diese Tatsache eine allumfassende Faszination auf mich aus. Denn was sich im Laufe der Jahre verändert hat, ist meine Perspektive auf diesen Weg.

Ich möchte es bildhaft fassen:

Anfangs war mir nicht klar, dass ich dabei war meinen Mount Everest zu besteigen. Geprägt von Ängsten und Unsicherheiten, habe ich mich durch den Alltag gestemmt. Und ja, ich das hat schon als Kleinkind begonnen. Angst vor Krankheit, Angst davor plötzlich allein zu sein, Angst davor mich blosszustellen – was mir natürlich mehr als oft gelungen ist -, Angst davor nicht gesehen zu werden und schon gar nicht so gesehen zu werden, wie ich bin. Um es kurz zu fassen.

Ich würde sagen, die Spitze meines ersten Mount Everest erreichte ich, als ich etwa 13 Jahre alt war. Es war die letzte Angstattacke, die mich ins Zimmer meiner Eltern getrieben hatte. Danach kam ein ziemlich intensiver Abstieg ins Tal. Ich nenne es mal Pubertät, in der ich es absolut genoss, mich in meinen tiefen Emotionen zu wälzen und wehe, wenn jemand versucht hätte mich da raus zu holen.

Doch glücklicherweise dauerte dieser Zustand auch nicht so lange, denn Abstiege gehen ja meist etwas schneller, als Aufstiege. Mein ultimativer Wachrüttler war ein kleiner Junge. Ich schätze ihn auf etwa drei Jahre und ich kenne ihn nicht, ich habe ihn nur dieses eine Mal gesehen und danach nicht mehr. Ich war auf dem Weg in den Sport und da hielt sein Tram auf der gleichen Höhe wie meines an. Er sass auf dem Schoss seiner Mutter, die mit einer Freundin sprach.

Der Junge grinste mich währenddessen an und dabei strahlte er so richtig. Also lächelte ich zurück, geht gar nicht anders in so einem Moment. Als sich unser Kontakt bei der Weiterfahrt löste, realisierte ich, dass dieses Lächeln nicht mehr aus meinem Gesicht wollte. Die gesamte Fahrt von 20 Minuten hatte ich blendende Laune. Und genau das rüttelte mich so grundlegend auf, dass es unmöglich war, wieder in diesen stagnierenden Trauerklosszustand zurückzukehren. Von da an war mein neuer Aufstieg von Blumen geziert, jedes kleine Wunder beachtete ich mit extra viel Aufmerksamkeit um die Veränderung Stück um Stück in meinen Körper zu bekommen. Ich war damals etwa 16 Jahre alt.

Bis heute sind genauso viele Jahre vergangen und ich kann euch verraten, dass ich in diesen 16 Jahren noch viele Mount Everests bestiegen habe und in viele Täler hinabgeklettert bin, nur um dann wieder hochzuwandern. Was sich allerdings in diesen Jahren verändert hat, ist meine Kraft. Mit jedem Mal wo ich mich entschieden habe, den schweren Weg zur eleganten Lösung zu nehmen, wurde es einfacher. Mittlerweile fühlen sich meine Mount Everests nicht mehr wie solche an. Ich fühle mich eher, als würde ich durch die Hügel des Auenlands wandern. Immer wieder überrascht, was es für wundervolle Dinge auf dieser Welt gibt und mit einer leichten - kaum erklärbaren – freudigen Neugierde, darauf, womit mich mein Leben als nächstes Überrascht.

Das heisst nicht, dass ich die harzigen Momente - in denen alle Muskeln in mir brennen und ich mich darunter Winde, wie ein Wurm im Schnabel eines Vogels - liebe. Es heisst lediglich, dass ich darauf vertrauen gelernt habe, dass sie vorbei gehen. Sie gehen vorbei.

Es ist für mich, dieses unerschütterliche Vertrauen, welches die kantigen schroffen Felsen des Mount Everest weggeschliffen hat. Es sind die Hingabe und die Liebe in das Leben, welche die Samen für die wundervollste Flora gelegt haben. Es ist die Demut, die die mich gelehrt hat, dass ich nicht alles kontrollieren kann und muss, die mich die wundervollen Geschöpfe in der Welt sehen lässt. Und ja, es gibt auch viele wundervolle Geschöpfe unter uns Menschen.

Manchmal erkennen wir sie nicht auf den ersten Blick. Vielleicht sind sie nämlich auch gerade dabei in ein tiefes Tal zu klettern oder sie schwitzen und keuchen, während dem Aufstieg auf ihren persönlichen Mount Everest. Wer bin ich in diesem Moment zu urteilen, ob sie gut oder schlecht sind? Ich muss nicht gut finden, was sie tun oder sagen.

Doch würde man mir jedes unbedachte Wort vorhalten, dann wäre ich genauso wie jeder andere hier in der Hölle, um es mit dem schwarzweiss Denken der dogmatischen Kirchenmodelle zu sagen.

Was mich meine Höhen und Tiefen gelernt haben, ist, dass wir oft an Gedanken festhalten wie; Es tut so weh und hat mich so verletzt, wenn die Lösung so simpel ist, was sagt das dann über mein Problem aus? Es wirkt auf mich manchmal so, als würden wir die Lösung nicht annehmen, weil es die Tragödie oder Tragweite des Problems schmälern könnte.

Mittlerweile zeigt mir meine Erfahrung etwas anderes. Nur weil die Lösung einfach ist, ist der Schmerz des Problems dennoch real und echt. Es ist nicht so, dass das eine das andere in Frage stellt. Es kann beides Realität sein, ohne in Konkurrenz zu stehen. Wir dürfen uns das auch zugestehen. Wir dürfen uns auch zugestehen, dass es verdammt anstrengend, schmerzhaft und manchmal richtig beschissen sein kann, diesen verflixten Mount Everest zu besteigen, nur um danach wieder in einen genauso schmerzhaften Abstieg zu gehen.

Der Schmerz ist real, genauso wie die Lösung real ist. Der Weg ist auch real und alles, was wir darauf entdecken und wahrnehmen. Nichts ist mehr oder weniger wert als das andere, denn alles ist ein Teil des Ganzen, des ganzen Weges.

Eine meiner vielen Lieblingsfragen ist die: Wie soll es möglich sein, in einer Welt mit zwei Polen, immer in der Mitte zu sein?

Meine Antwort darauf: Gar nicht. So wie es hoch geht, geht es auch wieder runter. Wenn wir ein Pendel in die eine Richtung schwingen, wird es früher oder später in die andere Richtung ausschlagen.

Was ist also der Sinn im Ganzen? Wenn wir immer von einem Extrem ins andere katapultiert werden?

Wir können das auf und ab hier zwar nicht umgehen, aber wir können lernen, darin zu fliessen. Wir können den Himalaya zum Auenland werden lassen. Sanfte Hügel, entspanntes Gehen mit dem Wissen, dass immer wieder eine Herausforderung auf uns wartet. Eine Herausforderung, die uns vielleicht irgendwann an einen Ort bringt, den auch ich noch nicht kenne. Aber vielleicht bleiben wir bei Tolkiens Beispiel und wenn das Auenland uns alles gegeben hat, was wir daraus lernen können, wartet ein Elbenschiff auf uns und bringt uns in die lichten Welten.

Mir persönlich gefällt diese Vorstellung. Ich weiss nicht, wie es euch dabei geht?

Interessanterweise konnte ich Frodos Entscheidung früher gar nicht nachvollziehen, wie konnte er nur all das Erlebte zurück lassen? Seine Freunde, all jene, die ihn so auf seinem Weg begleitet hatten. Wie nur?

Heute verstehe ich es besser. Er hat seine Geschichte geschrieben, er hat seine Anhaftung losgelassen und da öffnete sich ihm eine neue Reise. Das Spannende ist der Frieden, welcher ihn umgibt, als er geht. Auch wenn es ein Abschied von seinen Liebsten bedeutet.

Ich verbleibe hier so:

Es ist und bleibt ein Auf Wiedersehen.

...bis wir uns wiedersehen.🌸

🌸🌸🌸

(kleine Anmerkung; Tolkiens Werke konnte ich nur als Film ansehen, die Bücher haben alle meine Geduldsfäden reissen lassen...

Und eine zweite Anmerkung, ich hatte keine Ahnung, dass mich dieser Text am Ende zu Herr der Ringe führen würde...wie spannend es doch manchmal ist, inspiriert hat mich ein deutscher Künstler SEOM, an dessen Konzert ich diese Woche war)

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