Kapitel 9

Domenico

Mein Mund verzieht sich zu einer schmalen Linie, als Sofia nun ganz verlegen dahin starrt. Jetzt ist ihr Selbstbewusstsein, das ich ihr gar nicht zugetraut habe, dahin und ich liege ganz klar im Vorteil.

Das ist schon richtig arschig von mir, aber ich kann mich kaum sattsehen, wenn sie so schüchtern ist. Genauso aufregend war es natürlich auch, ihre andere Seite kennenzulernen. Ich bin gespannt wie viel Temperament noch so in ihr steckt.

»Das ... ähm ... das muss nun wirklich nicht sein«, stottert sie, als ich ihr einladend die Hand entgegenstrecke.

Ich weiß, ich spiele mit dem Feuer. Ich bin hier nicht unbekannt und dadurch könnte ich mit Margret richtige Probleme bekommen, aber ich muss einfach herausfinden, was das für Gefühle sind, die ich spüre, wenn ich an diese Brünette denke.

Die ganze Nacht konnte ich an nichts anderes denken. Ich hatte die Bilder in meinem Kopf, wie sie durch das Restaurant tänzelte, mit wie viel Leidenschaft sie ihre Hüften bewegte. Dann, wie ertappt sie sich fühlte und dabei so süß verpeilt war.

Noch nie hatte eine Frau diese anziehende Wirkung auf mich. Kann es sein, dass es einfach nur die Panik in mir ist, weil es jetzt ernst mit Margret wird?

»Aber wie du weißt, stehe ich ungern in jemandes Schuld, also sieh es einfach als eine Art Wiedergutmachung.«

Sie zögert, doch ich lasse die Hand nicht sinken, bis sie sich überwindet und ihre doch in meine legt.

Triumphierend führe ich sie zur Tanzfläche, darauf bedacht unter den vielen Menschen abzutauchen.

Zuerst fühlt sie sich sichtlich unwohl, kann sich zur Musik nicht fallen lassen. Nicht so wie davor, als sie mit Alicia getanzt hat. Aber als ich ein wenig Quatsch mache, mich an einer Pirouette versuche, und der Ententanz zum Hingucker wird, wird sie lockerer und lacht sich schlapp.

Als die Band endlich ein langsameres Lied spielt, ziehe ich sie am Handgelenk zu mir.

»Habe ich mich jetzt genug zum Affen gemacht?«, frage ich sie ganz nah an ihrem Ohr. An meiner Handfläche, die jetzt an ihrem Rücken ruht, spüre ich das Beben ihres Körpers, was mir deutlich zeigt, dass ich sie zum Lachen gebracht habe.

»Es war sehr amüsant«, bestätigt sie und weicht ein kleines Stück von mir, um in mein belustigtes Gesicht zu blicken.

Doch mein Körper fühlt sich augenblicklich leer an, als der Abstand zwischen uns größer wird, weshalb ich sie wieder am Handgelenk packe und zu mir ziehe. Diesmal näher, passend zu der Musik, die einen langsamen Paartanz fordert.

Ich berühre ihre Arme und lege sie an meine Schultern, wohl bemerkt, wie sich ihre Haut bei meiner Berührung mit Gänsehaut besetzt. Zufrieden darüber, die gleiche Wirkung auf sie zu haben, wie sie auf mich, schmunzele ich in mich hinein und umfasse ihre Taille.

»Du bist ein Heuchler«, stellt sie überraschend fest und ich blicke in ihre Augen, die wie zwei Sterne leuchten.

»Auch das noch? Die Komplimente gehen dir ja wirklich nicht aus.«

»Du kannst ja doch tanzen!«

»Das habe ich nie abgestritten.«

»Du hast dich so lächerlich angestellt, damit ich mich besser fühle!«

»Wie gesagt, ich stehe ungern in jemandes Schuld. Sind wir jetzt quitt?« Gespannt beobachte ich, wie es in ihrem Kopf rattert. Genauso wie in meinem.

Wenn sie jetzt bejaht, könnte es das Ende des Abends bedeuten. Falls sie jetzt doch Interesse an mir zeigt - und ich nicht ganz falsch liege, dass es so ist - wird sie sich was einfallen lassen, um unsere Verabschiedung hinaus zu zögern.

Mein Gehirn fleht sie innerlich an "Ja" zu sagen. Das Feuer ist nämlich bereits viel zu nah. Die Gefahr des Verbrennens viel zu riskant. Aber das Angebot viel zu verlockend ...

»Aber du hast mich auch singen gehört!«, gibt sie schließlich von sich.  

Fuck!

Wenn es irgendwann den schlechtesten Zeitpunkt aller Zeiten gäbe, an dem das Gehirn sich in die Ferne verzieht, dann ist es doch wohl jetzt. Aber kann ich denn was dafür, dass diese braunen Augen mich so gespannt anfunkeln?

»Auch das sollte kein Problem darstellen«, verkünde ich, woraufhin sie mir anerkennend zu nickt.

Als das Lied sich dem Ende nähert, lasse ich von ihr los. Es kostet mich viel Überwindung den Abstand zwischen uns zu bringen.

Fragend huscht ihr Blick über mein Gesicht.

»Bleib genau da«, dirigiere ich und lasse sie verdutzt zurück.

Schnellen Schrittes bin ich an der Bühne und winke Carlo, dem Sänger der Band, zu. Dieser kommt die paar Schritte zu mir, da sein Part eh schon gelaufen ist und nur noch die letzten Töne des Liedes erklingen.

»Hey, Kumpel«, begrüßt er mich auf Italienisch und klatscht ab. »Was los?«

»Wollt ihr mal kurz Pause machen?«

Er ist sichtlich irritiert. »Aber hast du nicht gesagt, dass du heute nicht singst?«

»Ja, schon. Aber ich mache nur ein Lied. Bitte. Ich begleite mich auch selbst.«

»Alles klar, lass dich nicht aufhalten.«

Carlo hält sich wieder das Mikro an den Mund und verkündet die kurze Pause. Währenddessen steige ich auf die Bühne und nehme dem Gitarristen sein Instrument ab. Während ich mir einen Hocker in die Mitte der Bühne ziehe, merke ich, wie die Aufmerksamkeit der vielen Besucher auf mich gerichtet wird. Nach dem ersten Ton der Gitarre, den ich zur Probe nutze, ertönt das laute Geklatsche.

Sofias Blick ist Gold wert. Die aufgerissenen Augen, der offenstehende Mund ...

Das hat sie eindeutig nicht kommen sehen.

Ich selbst ja eigentlich auch nicht. Mein Körper macht die letzten Tage mit mir was es will. Fragt mich selten um Erlaubnis. Und nun hat es mich dazu geführt hier zu stehen, ohne wenigstens einen Plan zu haben, was ich denn überhaupt vortragen kann.

Spontan entscheide ich mich für das Lied "Sofia" von Álvaro Soler, das ich mal auf Italienisch gecovert habe.

Einfallsreich? Nein, sicher nicht. Ganz und gar nicht das passende Lied, aber da mein Hirn leer ist und ich nur an diesen einen Namen denken kann, wird es das wohl sein.

Gekonnt zupfe ich an den Seiten der Gitarre, sammle meine Gedanken und versuche dabei alles Unnötige auszublenden. Als ich den Blick wieder hebe, ist es wie ein Tunnelblick, der direkt zu dieser wunderschönen Brünetten führt.

Wie hypnotisiert bewegen sich meine Lippen, geben hoffentlich die richtigen Töne von sich.

Da es doch ein "Gute-Laune-Lied" ist, bewegen die Besucher ihre Körper zum Rhythmus, genauso wie Sofia, die langsam aus der Erstarrung erwacht.

Aber die anderen interessieren mich nicht. Nur sie. Nur ihre weichen Kurven, die von diesem sündigen Kleid umhüllt werden. Nur ihre Lippen, die sich zum Refrain bewegen ...

https://youtu.be/qaZ0oAh4evU

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1073 Wörter

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