Kapitel 24
Domenico
»Vielleicht sollten wir noch mal nach ihr suchen!«, wende ich ein.
»Hey, du hast schon überall gesucht. Lass ihr ein bisschen Zeit. Was auch immer sie zu der Entscheidung gebracht hat, muss erstmal sacken. Sie wird schon nicht gleich fliegen. Es wird sicherlich noch ein paar Tage dauern und bis dahin hat sich vielleicht auch alles gelegt und sie überlegt es sich anders. Wir warten noch ein wenig und wenn sie sich demnächst nicht zurückmeldet, fahren wir nochmal zu ihr. Dann wird sie bestimmt schon Zuhause sein.«
»Du hast recht.«
»Also, du hast mir die Frage nicht beantwortet. Heißt es, du hast dich für Sofia entschieden?«
»Natürlich habe ich mich für Sofia entschieden! Ich weiß nicht, wie ich jemals anders denken konnte.« Mein Herz rast vor Aufregung. »Egal, wie viel Geld Margret hat, egal, wie berühmt mich ihr Papa machen könnte. Nichts kann sich so gut anfühlen, wie die Zeit mit Sofia.«
Unerwartet hüpft Alicia wie ein kleines Mädchen und überfällt mich mit einer dicken Umarmung. »Na endlich! Ich hasse Margret!«
Ich lächle. »Ich weiß.«
»Und wie hast du es ihr verklickert?«
»Puh ... Naja ...« Ich kratze mich verlegen am Hinterkopf und zögere die Antwort hinaus.
Ein kaum hörbares Vibrieren unterbricht uns. Alicia nimmt ihr Handy in die Hand und lächelt mich an.
»Sofia!«, flüstert sie und nimmt ab.
»Hey, du. Was ist denn los, ich konnte dich nicht erreichen. Maria hat gesagt ...«
Anscheinend wird sie unterbrochen, denn danach hört man von ihr nur: »Was? ... Wieso? ... Oh, ... D... Das kann nicht wahr sein! ... Aber vielleicht, ... natürlich. ... « Ihre Mimik wechselt in minutenschnelle von besorgt, dann erstaunt, bis zu verständnisvoll. Zu gerne würde ich wissen, was sie so lange erzählt. Wie ein Welpe laufe ich meiner Cousine hinterher, um wenigstens Sofias Stimme zu hören, doch sie hält mich absichtlich einen armlang auf Abstand. »Weißt du was, ich komme dich mit dem Auto abholen und fahre dich zum Flughafen. Auf dem Weg kannst du mir alles genauer erzählen und sparst das Geld fürs Taxi.«
Als sich die beiden einigen und auflegen, werde ich mit einem lebensgefährlichen Blick angefunkt. Sie greift nach ihrem Hausschuh am Fuß uns schlägt mir damit kräftig auf die Schulter.
»Aua!«
»Du Riesenblödarsch!« Der zweite Schlag ist noch kräftiger. »Was hast du schon wieder angestellt?!«
»Was? Hey! Hörst du bitte mal auf mich zu schlagen! Wir sind nicht mehr zehn!«
»Und wieso benimmst du dich dann so, du Casanova?!« Der nächste Treffer landet.
»Was habe ich denn gemacht?« Schützend halte ich mir die Arme vor die Brust.
»Was du gemacht hast? Du hast Margret einen Verlobungsring gekauft, du Vollpfosten! Was erzählst du mir hier für Märchen?«
Ich halte die Luft an.
Fuck! Woher weiß sie das?
Das muss ich sofort klarstellen. »Es ist nicht so, wie es sich anhört!«
Jetzt verstehe ich die Situation. Irgendwie muss Sofia davon erfahren haben. Vielleicht über Insta! Ich hatte die ganze Zeit die Sorge, dass Sofia auf Margrets Profil landen könnte.
Einerseits tut es mir voll leid, dass Sofia es nicht von mir erfahren hat, andererseits bin ich froh, dass es in dieser Situation nur das ist.
»Ach ja?«
Ein Lächeln schmuggelt sich auf mein Gesicht, denn ich wittere zum ersten Mal seit Stunden Hoffnung. »Ich kann es ganz einfach erklären.«
»Mach's unterwegs. Komm, wir fahren zu ihr!«
*****
Ich bin so verdammt aufgeregt! Die Minuten ziehen sich wie eine Ewigkeit. Alicia beschimpft mich die Fahrt über und hält meine Gedanken somit auf Trapp. Ich bereue jetzt schon mit ihr im Wagen mitgefahren zu sein, anstatt mit meinem Motorrad.
»Ich weiß, dass du mich trotzdem liebhast«, schmunzele ich.
»Noch mehr in die Kacke konntest du dich nicht reinreiten, was?«
»Aber alles mit besten Absichten.«
»Trotzdem Vollidiot!«
Das Auto verliert an Geschwindigkeit. Wir nähern uns dem Haus und ich kann bereits die Umrisse einer Gestalt an der Treppe erkennen, an der vor kurzer Zeit ich saß. Das heißt, sie war die ganze Zeit Zuhause.
Mein Herz klopft verdammt schnell. Alicia hält das Auto an und ich sehe mein Mädchen mit aufgequollenen Augen. Sie sieht mich nicht. Es ist bereits dunkel.
Langsam steht sie von der Treppe auf und greift nach dem Koffer. Sie weiß noch nicht, dass sie nirgendwo hinfährt.
»Wer geht zuerst zu ihr?«, fragt Alicia.
»Lass mich bitte zuerst«, bitte ich sie und sie nickt.
Ich atme tief ein und aus, dann greife ich nach dem Türgriff und steige aus, bevor sie die Möglichkeit hat zu nahe zu kommen.
Ihre Reaktion darauf ist genau diese, die ich mir vorgestellt habe. Mitten in der Bewegung verharrt sie. Ihre angeschwollenen Augen weiten sich ins unermessliche und die Lippen öffnen sich.
»Sofia ...«
»Was machst du hier?«, gibt sie selbstsicherer von sich, als ich erwartet hätte.
»Ich möchte mit dir reden.«
»Ich möchte es aber nicht! Du hattest genug Möglichkeiten dazu.«
»Du hast recht, aber ich möchte trotzdem, dass du weißt, wieso ich so gehandelt habe.«
Sturköpfig verschränkt sie ihre Arme vor der Brust, will sich Selbstsicher zeigen, doch ich sehe trotzdem, wie ihre Hände kaum merklich zittern.
So verpeilt, wie sie eben manchmal ist, achtet sie natürlich nicht darauf, dass ihre beiden Koffer, rechts und links von ihr, zu rollen beginnen.
»Vorsicht ...«, schaffe ich gerade noch zu warnen, da fällt der Eine bereits nach wenigen Zentimetern um, den Anderen versucht sie noch zu kriegen, bevor er auf der befahrbaren Straße landet.
Natürlich renne ich die kurze Strecke auch hinterher, aber noch bevor wir den Koffer einholen können, fällt auch dieser zu Boden und schleift sich bis zur Bordsteinkante. Als wir an ihm ankommen, greift Sofia sofort an den Henkel, damit ich es nicht zuerst tue, und zieht ruckartig daran.
Daraufhin reißt der beschädigte Reißverschluss und die Klamotten verteilen sich auf dem dunklen Asphalt.
»Mist! Wieso passiert mir das ständig?!«, schimpft sie und entlockt mir dabei ein kleines Lächeln. Ich liebe es einfach, wenn sie so süß verpeilt ist.
Aber mein Lächeln hält nicht lange an, denn im nächsten Moment werden ihre Augen feucht. Ganze Flüsse rinnen ihre Wangen herunter. Sie schlägt die Hände vors Gesicht, damit ich sie nicht ansehe, und unterdrückt die Schluchzer.
»Hey ...«, gebe ich von mir und berühre ihre Arme, um ihr Gesicht zu befreien.
Ihr Blick auf mir ist voller Hass und das verstehe ich. Ich habe ihr weh getan und muss nun mit Konsequenzen leben.
»Geh einfach, Domenico! Lass mich einfach in Ruhe!«
Ich versuche wieder nach ihrer Hand zu greifen, denn ihre Wärme gibt mir so viel Kraft, die ich gerade jetzt brauche. Doch die Rechnung habe ich ohne sie gemacht. Sie reißt sie mir wieder weg und stößt mich gleich danach an der Brust von sich, weil ich ihr zu nahegekommen bin.
»Geh, habe ich gesagt!«
Okay, das habe ich eindeutig verdient. Ich bin so überfordert. In dieser Situation war ich noch nie. Stumm beobachte ich eine Weile, wie sie auf den Knien krampfhaft versucht, die Sachen wieder in den Koffer zu manövrieren, ihr dies aber nicht so ganz gelingt.
Dann hält sie inne. Ihr Rücken bebt, doch sie dreht sich nicht um.
»Wieso hast du mir das angetan?«, höre ich sie leise sagen.
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1179 Wörter
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