Kapitel 23

Domenico

»Nun sag schon, was ist los?!«, dränge ich, denn ich merke ganz genau, dass sie etwas weiß. Meine Nerven liegen blank und die schlimmsten Szenarien blitzen in meinem Kopf. 

»Ähm, Maria hat gerade angerufen und gefragt, ob ich morgen eine Doppelschicht machen kann, weil Sofia anscheinend gekündigt hat.«

»Was?«

»Sie will wohl zurück nach Deutschland fliegen.«

Einen Moment lang herrscht Totenstille. Diese surrealen Informationen müssen erstmal sacken. Das kann unmöglich wahr sein! 

»Wieso?«, bringe ich mit aller Kraft als ein Flüstern heraus. 

»Das wollte ich dich fragen, Domenico. Was ist in Rom passiert?« 


Fünf Minuten später stehe ich vor Alicias kleinem Apartment und klopfe energisch gegen die hölzerne Tür. Fast sofort reißt sie diese auf, als hätte sie dahinter gewartet, und deutet mir, mit einer Handbewegung, reinzukommen. 

Kaum schließt die Tür hinter mir, lege ich aufgeregt auch schon los. »Was hat Maria genau gesagt? Weiß sie, wann sie wegwill? Ich verstehe es einfach nicht!«

»Domenico, beruhige dich. Was ist genau passiert?« 

Ich schnaufe. »Sofia hat das rote Kleid ruiniert und ich habe sie zu Davide mitgenommen, um das Kleid zu reparieren, was natürlich nicht ging, das hat mir Davide schon im Voraus am Telefon gesagt. Aber ich habe ihn vorgewarnt, vor Sofia nicht zu sagen, dass sie ein neues bekommt.« 

»Ein neues? Woher hattest du das Geld?« Die Hände in die Hüfte stemmend, blickt sie mich vorwurfsvoll an.  

»Hatte ich nicht. Aber ich hatte einen Deal ausgehandelt, dass Margret eines seiner Kleider bei der Vorstellung ihres neuen Lippenstiftes tragen wird. Die Idee hat ihm gefallen. Er weiß ja, wie einflussreich sie mit ihren tausenden von Followern ist. Wir hatten schon mal eine Kooperation mit Davide und er war sehr zufrieden.« 

»Du hast Margret dazu gebracht ein anderes Kleid bei ihrer Vorstellung zu tragen?« 

Alicia kennt Margret, weswegen es mich nicht wundert, dass sie so verdutzt dahinstarrt. 

Ich lächle ein kleines selbstzufriedenes Lächeln. »Ähm, nein. Aber ich wusste, was sie vorhatte anzuziehen.« 

»Du ... Du ... Die Idee war so doof, dass es wiederum genial ist!« 

»Ich weiß.« Ich würde mich gerne mehr freuen, aber die Situation lässt es nicht so einfach zu. »Schon der Wahnsinn, was die berühmten Influencer für eine Macht haben.« 

»Und was ist dann passiert?« 

»Es hat gewittert, also mussten wir dort in einem Hotel übernachten.« 

»Okay, lass mich raten ...« 

Wie ein Raubtier im Käfig tigere ich im kleinen Raum hin und her, greife immer wieder in meine Haare, weil ich sonst nichts mit mir anzustellen weiß. »Glaub mir, ich wollte nicht, dass es so weit geht. Ich habe es nicht darauf angelegt, aber es ist nun mal passiert. Ich weiß, wie scheiße es war! Aber ich konnte nicht anders.« 

Alicia sieht mich mit so einem Mitleid an, dass es mir einen erneuten Stich in die Brust versetzt. »Du wusstest genau, dass du mit dem Feuer spielst, Domenico. Ich habe es dir angesehen, dass du ihr von Anfang an verfallen bist. Deswegen habe ich dich auch gewarnt, sie nicht zu treffen.« 

»Ich weiß. Aber ich musste einfach nur herausfinden, was das für Gefühle waren, die ich hatte, wenn ich sie gesehen habe. Alicia, ich war noch nie so verknallt gewesen.« 

»Das glaube ich dir. Und was ist dann passiert als ihr zurückgekommen seid?« 

»Gar nichts. Wir waren so glücklich, konnten uns kaum loslassen. Ich habe ihr versprochen, dass wir uns heute sehen und wir haben vor ein paar Stunden sogar noch telefoniert.«

»Komisch. Was hat sich in der Zeit geändert?«

»Wenn ich das wüsste! Zumindest wissen wir, dass ihr nichts passiert ist.«

Gespannt beobachtet Alicia mein Gesicht. »Heißt es eigentlich, dass du dich für Sofia entschieden hast?« 


*****

Sofia

»Sofia ...? Was ist denn los?«, fragt mich Marcos auf der anderen Leitung. 

Ich versuche mich krampfhaft zusammenzureißen und atme tief ein und aus. »Marcos, ich brauche deine Hilfe.« 

»Okay?« 

»Ich ...«, ich unterdrücke den Kloß in meinem Hals. »Ich fliege zurück nach Deutschland. Sehr kurzfristig. Du zählst ja auch noch als Mieter. Könntest du dich bitte um die Auflösung des Vertrages kümmern und die Wohnung übergeben? Bitte. Ich weiß sonst nicht wie ...« 

»Aber natürlich. Was ist passiert? Ist alles okay bei dir?« 

Ich halte mir die Hand vor den Mund, um den Schluchzer aufzuhalten, der sich den Weg nach draußen bahnt. 

»Sofia?« 

»Alles gut. Nur hält mich hier nichts mehr«, gebe ich wahrheitsgemäß zu. 

Ich bin so froh, dass er nicht nachhakt. Dafür kennt er mich viel zu gut. Er weiß, dass ich nie um Hilfe bitten würde, wenn es nicht so dringend wäre. 

»Ich kümmere mich um alles. Mach dir keine Sorgen. ... Und Sofia, meldest du dich bitte, wenn du angekommen bist?« 

»Wieso?« 

»Ich habe mich wie ein letzter Arsch verhalten! Es tut mir leid. Aber du warst und bist mir immer noch sehr wichtig. Ich möchte wissen, ob es dir gut geht.« 

Den nächsten Schluchzer kann ich nicht aufhalten. Mein Leben geht gerade in allen Fassetten zu Grunde und ich kann nichts dagegen tun. »Mach ich. Ciao Marcos.« 

»Ciao Sofia.« 

Der letzte Koffer ist gepackt, das Ticket für den Flug in ein paar Stunden ist reserviert, aber noch nicht bezahlt. Leider ist es teurer als ich gedacht habe. Jetzt habe ich nur die Möglichkeit entweder meine Mutter anzurufen, sie aufzuwühlen und alles erklären zu müssen, oder Maria bitten mir meine Stunden vorzeitig auszubezahlen. Aber es ist schon spät und es würde zu lange dauern.

Oder ich frage einfach Alicia, ob sie mir etwas leihen kann ...

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897 Wörter

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