Kapitel 21

Sofia

Brennende Sonne an meiner Haut ... 

Frischer Duft des salzigen Meeres in meiner Nase ... 

Die weißen Kopfhörer mit der lauten Musik an meinen Ohren ... 

Meine nackten Füße, die in dem nassen Sand versinken und von den leichten Wellen des Wassers erfasst werden ... 

Kann das Leben denn schöner sein? 

Mein Herz klopft so heftig gegen meine Brust, die Schmetterlinge in meinem Bauch flattern unaufhaltsam. 

Gut gelaunt laufe ich am Strand entlang, meine weißen Sandalen in den Händen tragend, und genieße die mitreißende Musik. Mein Körper wippt zu dem Takt und heute ist es mir egal, wenn die Menschen mich für verrückt halten. 

Meine Schicht ist vorbei und jede Minute müsste sich Domenico melden. Als wir uns gestern verabschiedet haben, hat er gesagt, dass er noch was zu tun hat, wir uns aber heute treffen. Seine zarten Lippen an meinen würde ich zu gerne wieder spüren. Es hat uns gestern so viel Überwindung gekostet, uns zu verabschieden. Am liebsten hätte ich ihn gleich dabehalten und nie wieder gehen gelassen. 

Bisher hat er noch nicht angerufen, aber er weiß ja, dass ich um die Zeit meistens noch arbeite. 

Ich bin so dermaßen aufgedreht, dass ich mit mir gar nichts anzufangen weiß. Meine Gedanken kreisen nur um diesen einen Mann, der mir so schnell den Kopf verdreht hat. Und auch noch einer, mit dem ich nie im Leben gerechnet hätte. 

Gott, hatte ich eine Meinung über ihn! Aber er hat sich als ein Wahnsinnsmann herausgestellt. Ganz anders als ich es kannte. Nach Marcos dachte ich, alle Männer wären so. Meine Welt war am Ende und ich dachte für einen kurzen Augenblick, ich wäre fertig mit den Männern. 

Und dann kam Domenico. Der eitle Schönling auf seinem schwarzen Motorrad und der Lederjacke. Ich muss schmunzeln, weil die Erinnerung an unser Kennenlernen so verrückt war. 

Und jetzt macht er mich so glücklich. Nun habe ich auch einen Grund hier zu bleiben. Egal wie schwierig meine finanzielle Situation ist. Jetzt habe ich wieder den Ehrgeiz zu kämpfen für das, was ich will. 

Vielleicht könnte ich mich doch in einer Makleragentur vorstellen. Mein Englisch ist gut und eventuell könnte ich für die ausländischen Kunden tätig sein. Einen Versuch wäre es doch wert. Oder ich versuche mich auch an Führungen für Touristen. Irgendwas muss ich finden, um hier weiter bleiben zu können. 

Meine Beine tragen mich in die Stadtmitte. Domenico hat sich immer noch nicht gemeldet, also kann ich die Zeit auch ausnutzen. Wenigstens um zu gucken, ob es hier eine Agentur überhaupt gibt. Ich meine, ich wäre mal an einer vorbeigelaufen. 

Die Stadtmitte ist wie immer sehr belebt. Die Touristen drängen sich durch die Läden und Verkaufsstände. Aber ich liebe es. Ich liebe das lebendige Treiben hier einfach.  

Verträumt betrachte ich einige Sachen, als ob ich sie mir leisten könnte, so wie ich es öfters mache. Aber dieses Mal habe ich nicht den Wunsch mir das leisten zu können. Ich bin zufrieden so wie es ist. 

Ich habe alles was ich brauche. Und ich habe Domenico. 

An einem Schaufenster bleibe ich hängen. Der viele teure Schmuck zieht meine ganze Aufmerksamkeit auf sich. Ketten mit verschiedenen Anhängern, Ringe mit großen und kleinen Diamanten ... 

Durch die Fensterscheibe erkenne ich ein Pärchen, das vor einem elegant gekleideten Verkäufer steht. Die Sicht ist durch die Spiegelung der Sonne unklar, aber man erkennt deutlich, dass die Blondine sehr wählerisch zu sein scheint. Einiges an Platten mit Ringen liegt vor ihr am Tresen und sie probiert eins nach dem anderen an. Die großen Klunker erkenne ich sogar von hier aus, weil sie die Hand ständig hebt und hin und her wackelt, um zu sehen, wie es im Licht funkelt. Der Mann im schicken Hemd scheint weniger Interesse daran zu haben. Immer wieder blickt er auf sein Handy. So typisch Mann eben. 

Schmunzelnd beobachte ich die beiden. Es ist eine aufregende Zeit in einer Beziehung. Kurz davor war ich mit Marcos auch. Wir haben oft übers Heiraten gesprochen und ich erwartete bald einen Antrag. 

Ich breche meine Beobachtung ab und hole mir, ein paar Läden weiter, einen Cappuccino to go.

»Grazia«, bedanke ich mich und reiche dem Barista einen Schein. 

Mein Handy klingelt und mein Herz macht einen Purzelbaum, als ich Domenicos Namen auf dem Display sehe. 

Breit lächelnd nehme ich mit einem verlegenen »Hi« ab. 

»Hey!« Allein durch seine Stimme schlägt mein Herz noch schneller. »Bist du schon Zuhause?« 

»Fast«, berichte ich die Halbwahrheit. Der einzige Grund dafür ist, dass ich so verdammt nervös bin und kaum ein Wort herauskriege. Ich schlage den Weg zurück an, denn ich weiß, dass Domenico bald zu mir kommen möchte. 

»Vermisst du mich schon?«, fragt er mit heiserer Stimme. 

Mein Lächeln wird noch breiter. Die Antwort kennt er ganz genau. 

Während ich nach den richtigen, schlagfertigen Worten suche, sehe ich an dem Schmuckgeschäft den Mann von vorhin stehen. Anscheinend ist seine Geduld am Ende, denn er steht mit dem angewinkelten Bein an der Wand des Gebäudes und hält sich sein Handy ans Ohr. Ich schmunzele und konzentriere mich weiter auf meinen Gesprächspartner, während ich weiter die Straße entlanglaufe. 

»Und wie«, gebe ich wahrheitsgemäß zu. »Wann kommst du?« 

»Ich brauche noch eine kurze Weile.« Der Mann in dem schicken Hemd blickt noch mal zur Eingangstür hinein und widmet sich wieder seinem Gesprächspartner. »Ich denke so in einer Stunde bin ich bei dir.« 

Warte ... 

Ich laufe noch ein paar Schritte vor und kann fast schon das Gesicht des Mannes erkennen, doch er dreht sich leider weg. »Wie schön. Wo bist du denn gerade?« 

»Ich muss geschäftlich noch was erledigen. Ich erzähle dir alles, wenn ich da bin, okay?« 

»Okay, bis später.« 

»Arrivederci, mia bella.« 

Ich lege auf und beobachte, wie der Mann zurück ins Geschäft verschwindet. Mein Herz hämmert so schnell gehen meine Brust, doch diesmal ist es die Panik, die meinen Körper überwältigt. 

Das kann unmöglich Domenico sein. In dieser zu schicken Hose, diesem zu strengen Hemd und mit zurückgegelten Haaren. Die Uhr an seinem Handgelenk sah viel zu teuer aus, als dass er es sich als Barkeeper leisten könnte. 

Ich weiß, es ist einfach nur ein Zufall, aber irgendwas zwingt mich trotzdem hier zu bleiben und zu warten. 

Nach etwa zehn Minuten geht die Tür auf und ich stehe von der Bank auf, auf der ich zwischenzeitlich Platz genommen habe, ganz nah an dem Geschäft. 

Das Pärchen verlässt Hand in Hand den Laden und mein Körper erstarrt. Ich sehe, wie sich die Menschen bewegen, sich ihren Weg suchen, reden, lachen ... Aber mein Körper bleibt sitzen. Gefangen in einer Zeitschleife, die nur für mich persönlich bestimmt ist. In einer Schleife, in der keine Organe funktionieren. Nicht die Lunge, nicht das Herz. 

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1107 Wörter

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