Kapitel 20

Domenico

An die Decke starrend liege ich auf dem weichen Bett, die Hände unter meinem Kopf verschränkt. Das einzige Geräusch ist das ticken dieser verdammten Uhr an der Wand. 

War sie schon immer so laut? 

Gefühlt seit Stunden kann ich meinen Körper kaum bewegen. Mir fehlt die nötige Energie. Das Einzige, was ununterbrochen arbeitet ist mein nutzloses Hirn. 

Es rattert und rattert. Eine Pause ist undenkbar. Doch leider kommt es zu keinem Entschluss, findet keine Lösung. Das reinste Hamsterrad! 

Hier zu sein macht es mir nicht einfacher. Das ganze hochmoderne, teure Zeig hat mir noch nie zugesagt, aber heute erdrückt mich die ganze Wohnung förmlich. Ich habe das Gefühl nicht atmen zu können. Alles um mich herum ist einfach falsch. Sogar der sonst beeindruckende Blick zum Meer kann mich heute nicht retten. Ich will einfach nicht hier sein. 

Bald kommt Margret zurück. Aber wie soll ich damit umgehen? 

Kraftlos schließe ich die Lider und vor meinen Augen taucht das Bild auf, wie Sofia die Vorhänge auseinanderschob. Nur in ihrer Unterwäsche und meiner Lederjacke gekleidet. Diese hatte sie einfach übergeworfen, weil sie halbnackt nicht zum Fenster wollte, und sie am nächsten bereitlag. Aber der Anblick war einfach nur atemberaubend. Wie sich die morgendlichen Sonnenstrahlen durch das Fenster drängten und ihre Umrisse noch mehr in Szene setzten. Jede Kurve betonten ... 

Schnell hatte sie gemerkt, wie sehr sie mich damit wieder scharf machte. Ihre Hüften wackelten sinnlich, als sie auf mich zulief und dabei an ihrer Unterlippe knabberte. Ihre durchgewühlten Haare sahen so sexy aus, zeugten von einer erotischen Nacht. Sie schwang ihre Beine über meine Oberschenkel und setzte sich rittlings auf mich. Mein Schwanz pulsierte an ihre Mitte ... 

Das laute Klingeln an der Tür lässt mich hochschrecken. Sie ist da. 

Es kostet mich so viel Kraft in der Realität anzukommen und mich auf den Boden zu hieven. Die Fliesen kühlen meine nackten Füße. Nach der Dusche hatte ich keine Kraft mehr und habe mir nur ein T-Shirt und eine Jogginghose angezogen, bevor ich mich ins Bett hab fallen gelassen. 

Margret wird dieses Outfit hassen. Sie versteht den Sinn der Gemütlichkeit nicht. 

Schritt für Schritt nähere ich mich der Tür und schimpfe, als es erneut klingelt. »Ich komm ja schon!« 

Als ich an die Türklinke drücke, hallt der Raum sofort mit aufgeregter Stimme, was ich genauso auch erwartet hätte. Sie drückt ihren Körper durch die Tür, die ich noch nicht mal ordentlich aufgemacht habe, und plappert drauf los, was mir ein Lächeln auf die Lippen zaubert. 

»Ich bin so schnell gekommen wie ich konnte! Wie viel Zeit haben wir noch?« 

»Beruhige dich, Alicia. Sie kommt erst in zwei Stunden.« 

Erleichtert stößt sie die Luft aus. »Na Gott sei Dank! Ich musste heute die Schicht von Sofia übernehmen und dann kam sie auch noch so spät mit dem Kleid. Anscheinend ist sie irgendwie in Rom gelandet ...«, erzählt sie wie ein Wasserfall. »Warte ... Hast du was damit zu tun?« 

Ich senke meinen Blick, meiner Cousine will ich die Situation eigentlich nicht erklären, egal wie nahe wir uns stehen. 

»Was hast du angestellt, Domenico?« 

»Es ist so verdammt viel passiert«, gebe ich flüsternd zu und fahre mir dabei durch die Haare.

»Habe ich dir nicht gesagt, du solltest es dir gut überlegen, ob du sie wirklich in die Bar locken sollst?« 

»Das hattest du.« 

»Hatte ich dir nicht gesagt, du sollst erstmal herausfinden, was du wirklich willst?« 

»Hast du.« 

»Habe ich denn nicht immer recht?« 

Jetzt bringt sie mich wieder zum Schmunzeln. »Hast du.« 

»Und wieso hörst du nie auf mich, du Vollidiot?!« Dabei bekomme ich einen Klaps auf die Schulter ab. 

»Weil ich ein Vollidiot bin?« 

Kopfschüttelnd läuft sie geradewegs in das Schlafzimmer und zu den großen Türen an der Wand, die sie kraftvoll auseinanderschiebt. 

»Ein riesengroßer Vollidiot!« Sie greift dabei in die Tüte in ihrer Hand und holt das Kleid heraus, das Sofia ihr zurückgeben musste, und streicht über den Stoff, um die Falten wegzuwischen. »Sieht aus, wie neu!« 

Stolz präsentiert sie mir das Teil. 

»Es ist neu.« 

»Was?« 

»Vergiss es. Sag mal, wie oft soll ich dir eigentlich noch sagen, dass du keine Kleider mehr von Margret klauen sollst?!« 

»Ich leihe sie doch nur aus! Kein Weltuntergang. Passiert ja nichts.« 

»Ah ja, bis du dann irgendwann einen Fadenzieher in der Seide hast.« 

»He, was? Ach komm, sei nicht so. Margret nutzt mich doch ehe immer aus. Hol dies! Mach das! Da ist doch ein wenig freundschaftlicher Leihservice angebracht.« Ohne einer Spur schlechten Gewissens hängt sie das teure Kleid wieder an seinen Platz zurück. 

»Sag mal, Alicia, wieso hast du ihr das Kleid gegeben?« 

»Du hast doch gesagt, ich soll sie in die Tanzbar bringen. Aber sie hatte nichts zum Anziehen, also war das die einzige Lösung. Wir konnten an meinem Geburtstag doch nicht wie zwei Obdachlose aussehen!« 

»Du hast im November Geburtstag.« 

»Na und? Zweimal im Jahr feiern heißt ja nicht zweimal älter werden«, gluckst sie und ich schüttle nur belustigt mit dem Kopf. Alicia ist einfach besonders! 

Ich betrachte nochmal das rote Kleid, dass an der Stange hängt. »Und wieso hast du ihr genau dieses gegeben?« 

Alicia blickt tief in meine Augen. »Weil ich wusste, wie gut es zu ihr passen würde.« 

»Margret hasst dieses Kleid. Es macht sie so blass. Sie hat es kein einziges Mal angezogen, seitdem ich es ihr geschenkt habe.« 

»Aber Sofia liebt es. Genauso wie du!« 

Es herrscht einen Moment lang Stille. 

»Was ist dieses Wochenende passiert, Domenico?« 

»Ich habe mein Herz verloren, Alicia«, flüstere ich ganz leise, als ob uns jemand hören könnte. 

»Und was machst du jetzt?« 

Gesenkten Kopfes zucke ich mit den Schultern. »Und ich könnte alles verlieren. Alles!« 

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942 Wörter



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