Kapitel 15

Sofia

»Würdest du es erraten?«, fragt er ganz verschmitzt. 

»Ich meine es zu wissen.« Selbstsicher wage ich eine Vermutung. »Du willst als Musiker groß rauskommen.« 

Er verzieht seinen Mund zu einem breiten Lächeln und mich haut dieser Anblick wieder mal um. Ich hoffe, er bemerkt nicht, wie mühsam ich gerade um die Luft zum Atmen kämpfe, weil mein Herz mir mit seinem rasenden Herzschlag alle Kraft raubt. Ich verstehe es einfach nicht, wieso er diese Wirkung auf mich hat. Und jedes Mal wird es immer intensiver.

Ohne, dass er mir antwortet weiß ich, dass ich ins Schwarze getroffen habe. »Du wirst es ganz sicher schaffen, Domenico! Du bist so toll darin.« 

»Leider ist es in dieser Branche nicht so einfach.« Sein Lächeln verblasst ein wenig. Ich sehe wie es in seinem Kopf rattert. 

»Du hast es selbst gesagt, man muss nur an seine Träume glauben. So, wie Maria.« 

»Die Frage ist aber leider auch, wie viel ist man bereit dafür zu opfern ...« 

»Was meinst du damit?« Interessant woher auf einmal dieser Gedanke kommt. 

Aber er versucht abzulenken und deutet mit dem Kopf hinter mich. Ich drehe mich um. 

»Weißt du, wo wir hier angekommen sind?« 

»Oh ja! Das ist der Trevi-Brunnen. Oh mein Gott, den wollte ich schon immer sehen!« 

Ich laufe sofort schnellen Schrittes darauf zu und betrachte das Kunstwerk. Der Brunnen ist in ein großes Becken mit einer Klippe unterteilt, die durch die skulpturale Darstellung zahlreicher Pflanzen und den spektakulären Wasserfluss, der so schön von der gleißenden Sonne glänzt, belebt wird. In der Mitte dominiert die Statue des Okeanos, der den muschelförmigen Streitwagen fährt. Dieser wird vom wütenden Pferd gezogen und das ruhige Pferd wird von zwei Tritonen gebremst. 

Als ich die Fassade, die wie ein Triumphbogen gegliedert ist, bestaune, kommt auch Domenico an meine Seite. 

»Die zwei Reliefs spielen auf die Legende der Quelle und die Geschichte des Aquädukts an.« Er zeigt dabei mit dem Zeigefinger darauf. »Rechts die Jungfrau, die den römischen Soldaten die Quelle anzeigt, und links der Befehlshaber Agrippa.« 

Ich lächle dabei in mich hinein, weil ich das eigentlich schon weiß, nur finde ich es so schön, wenn er mir was erzählt. 

»Es ist so wunderschön!« 

Natürlich wäre es noch besser, wenn dieser Getümmel der schaulustigen Touristen nicht wäre, aber trotzdem ist es ein besonderer Moment.  

Wir nehmen an der Bordsteinkante des Brunnens Platz und meine Hand greift automatisch ins kühle Wasser, das sofort wohltuende Abkühlung bietet. Genießend lasse ich meine Hand hin und her schwimmen, beobachte dabei nachdenklich, wie sich die Wellen unter meinen Bewertungen bilden und dann wieder schwinden.

»Was ist eigentlich mit dir?«, fragt Domenico plötzlich. »Was hat dich nach Italien verschlagen?«

Ich schnaufe. »Die Liebe!« 

In Sekundenschnelle weiten sich seine Augen. »Oh. Achso, du hast einen Freund?« 

»Ich hatte«, stelle ich schnell fest. »Ich war zwei Jahre mit Marcos zusammen. Er wollte unbedingt nach Italien ziehen, weil seine Familie hier lebt. Aber vor einigen Wochen habe ich erfahren, dass er mich betrogen hat. Sogar öfters.« 

»Es tut mir leid.« 

»Muss es nicht. Natürlich finde ich es grauenvoll. Und natürlich leide ich immer noch darunter, aber das, was ich für ihn empfinde, ist einfach nur Hass. Ich hänge nicht an den Erinnerungen. Diese Aktion hat all das Gute aus meinem Kopf einfach ausradiert. ... Und jetzt sitze ich hier fest, weil ich Italien einfach so wunderschön finde. Wenn ich die Sprache beherrsche, hoffe ich auf eine Chance einen besseren Job zu finden. Wenn ich es nicht schaffe, werde ich wohl oder übel wieder nach Deutschland ziehen müssen.« 

Nachdenklich starrt Domenico ins Nirgendwo, bis sein Blick wieder meinen trifft. »Weißt du, der Brauch sagt, wenn du eine Münze in den Brunnen wirfst, wirst du auf jeden Fall wieder nach Rom zurückkehren. Das kannst du aber nur, wenn du hierbleibst.« Dabei steht er auf und greift in seine Hosentasche, um ein paar Münzen herauszuholen. Langsam schiebt er mir die Handfläche entgegen. »Einen Versuch ist es wert.«

Wieder mal erstaunt über seine Geste richte ich mich ebenfalls auf. Ich greife nach einer davon, atme einmal tief ein und aus und werfe sie ins Wasser, wovon ein paar Tropfen unsere Körper treffen. 

»Ich habe vor einigen Tagen einen Brief vom Vermieter erhalten, dass er mir die Miete erhöhen muss, also brauche ich jetzt wirklich eine Menge Glück, dass ich bald besseres Einkommen habe. Vielleicht muss ich ein paar Münzen mehr reinwerfen, damit der Wunsch in Erfüllung geht.« Mein schüchternes Lächeln bringt auch ihn zum Schmunzeln. 

»Das wird nicht helfen. Man sagt, wenn man auf der Suche nach etwas Romantik ist, oder sogar nach italienischer Liebe, muss man eine zweite und dritte Münze werfen, damit die Hochzeitsglocken bald läuten.«

»Dann überdenke ich lieber, ob ich noch weitere reinwerfen will«, kichere ich, aber in dem Moment fängt mein Herz wieder an zu rasen. Wieso passiert es wieder? 

Als ich zu ihm aufblicke, fährt er sich mit der Hand durch die Haare. Seine Augen leuchten und studieren dabei mein Gesicht. Mein Brustkorb hebt und senkt sich wieder, weil mir das Atmen so schwerfällt.

Auch an seiner Brust sehe ich, dass es ihm nicht anders geht. Er macht kaum merklich einen Schritt vorwärts und ich tue es ihm gleich. Dabei sehe ich die Unsicherheit in seinen Augen. Sehe, wie er innerlich mit sich kämpft. Genauso wie ich. Ist es jetzt der richtige Zeitpunkt? Sich von einer Beziehung in die andere zu stützen, wenn ich nicht mal weiß, ob ich überhaupt in diesem Land bleibe? 

Kaum ein Blatt passt zwischen unsere Körper, als Domenico seine Hand vorsichtig an meinen Nacken legt. In meinem Bauch kribbelt es wie verrückt. Ich spüre seinen warmen Atem an meinen Lippen ... 

Doch plötzlich klingelt sein Handy und wir beide schrecken dabei hoch. So sehr, dass Domenicos Münzen allesamt aus seiner Hand im Brunnen landen. Sprachlos starrt er ins Wasser, bevor er endlich an sein Handy geht. 

Ich verstehe zwar kaum was, aber ich bin mir sicher, dass es Davide ist. Ich hoffe nur, es hat alles geklappt. 

Als er auflegt, blickt er mich wieder an. »Sofia, ich ...« 

»Ist das Kleid fertig?«, unterbreche ich ihn. Ich sehe, wie verunsichert er ist, und mir geht es genauso. So sehr ich es mir gewünscht hätte, dass er mich in diesem Augenblick küsst, verstehe ich auch, dass es zu überstürzt wäre. 

Er atmet scharf ein und nickt, sieht dann nochmal zum Wasser rüber, durch das man am Boden die vielen Münzen sieht.

»Keine Sorge, ich werde dich ganz sicher nicht zum Altar zerren!«, scherze ich, um die Stimmung wieder etwas zu lockern. »Ich habe keine weiteren Münzen reingeworfen.« 

»Es ist nur ein Brauch«, nuschelt er.

Er lacht zwar mit, doch seine Augen verlieren deutlich an Glanz. Ich hoffe sehr, dass diese kurze Situation nicht an ihm nagen wird. Ich finde es nämlich auch zu früh, egal wie sehr ich von ihm angezogen werde. Egal, dass ich seinem Dasein kaum widerstehen kann. Egal, wie schnell mein Herz klopft ...

Es ist nicht der richtige Zeitpunkt.

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1155 Wörter

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