Kapitel 20: Bewohner der Schatten
Der Himmel... Stundenlang saß ich am Meer und starrte mich zusammengekniffen Augen ins Wasser, und auf die Dunkelheit, die dahinter lag. Cecilias Worte hatten mich nachdenklich gemacht. Schon seit Stunden zerbrach ich mir darüber den Kopf und suchte nach etwas, das ich beim besten Willen nicht mit dem bloßen Auge erkennen konnte. Von dem Himmel war nicht viel zu sehen. Ich erkannte nur Wasser, das unschuldig um meine Beine herum schwappte und sich irgendwann in der Ferne verlor. Und ansonsten sah ich Schwärze. Noch war es Morgen. Wie vermutet war mit den ersten Sonnenstrahlen auch das Funkeln zurückgekehrt, das nun ebenfalls meine Beine umspielte. Es hatte sich selbst auf dem Meer niedergelassen. Ich versuchte es immer wieder mit den Fingern zu erhaschen, auch wenn ich bereits genau wusste, dass ich es nie würde ergreifen können.
Ein Schmunzeln umspielte meine Lippen. Noch vor wenigen Tagen war ich vor einem riesigen Volk und einem erzürnten Kronprinzen geflohen, und jetzt... Jetzt saß ich an einem Ort, der weder Himmel noch Erde war. Irgendetwas dazwischen. Hätte ich Lanix davon erzählt, dann hätte er das ganze wahrscheinlich für einen schlechten Scherz gehalten. Und vermutlich wäre er damit auch nicht der einzige...
Meine Vermutungen, das dieser funkelnde Staub Magie war, hatte Cecilia bestätigt, doch sie hatte mir ebenso gesagt dass ich damit nicht zaubern konnte. Nur eine Ophuna schaffte das.
Als ich spürte, wie sich die Müdigkeit in mir bemerkbar machte, schlenderte ich zurück. Meine Gelenke waren ganz steif vom vielen Herumsitzen geworden und meine Augenlider müde und schwer, dafür aber war mein Herz umso aufgeregter.
Als ich wieder bei der Hütte ankam, begrüßte Cecilia mich mit einem freundlichen Nicken. Sie saß auf dem Sofa, in einem eng anliegenden roten Samtkleid, welches goldene Nähte hatte. »Ich habe etwas für dich.« Ihr Lächeln bekam etwas Verschwörerisches, das mich aufhorchen ließ. In den letzten Tagen war sie seltsam freundlich zu mir geworden. Vermutlich, weil sie nun nichts mehr zu verstecken versuchte.
Neugierig sah ich auf ihre Hände, die in einem kleinen weißen Schrank kramten. Gepflegt sahen sie aus. Sie liebte Salben und Kräuter, was wahrscheinlich auch der Grund war, warum sie immer danach duftete. Nach Kräutern und wilden Blumen.
Ein zufriedenes »ah«, verriet mir dass sie gefunden hatte, was sie suchte. Erwartungsvoll blickte ich auf den weinroten Samtbeutel, den sie mir in die Hand drückte. Er war nicht wirklich schwer, weshalb ich mir nicht ganz sicher war, was da drinnen sein könnte. Cecilia nickte mir auffordernd zu und so löste ich die feinen Bändchen, die den Beutel zusammenhielten. Etwas purzelte auf meine Hand, etwas Kitzeliges.
Als ich es näher betrachtete, packte mich Entsetzen und zugleich Erstaunen. Das erste, was mir auffiel, war weicher grüner Stoff, auf dem kleine Smaragde sowie Pfaufedern angebracht waren. Es war eine Maske, eine der Masken.
»Die Mädchen am Teich«, flüsterte ich.
Cecilia deutete auf einen beigefarbenen Sessel, und setzte sich dann mir gegenüber.
»Es ist nicht mehr lange«, murmelte sie, »bald musst du wieder fort.«
Ihre Stimme war schwer und dunkel. Ich nickte langsam und fragte, um vom Thema abzulenken: »Wollen wir ein bisschen nach draußen?«
Sie seufzte tief und erhob sich. »Gut, warum nicht.« Als ich die Tür öffnete, rückte meine Wehmut in den Hintergrund und in mir erwachte wieder die Neugier. Mein Herz fing wieder leise an, gegen meine Rippen zu schlagen. Ich mochte dieses Gefühl. Es überwältigte mich nicht, füllte meinen Körper dennoch mit einem Stoß voll Energie und kribbelnder Freude. Ich machte mir nicht die Mühe, irgendwelche Schuhe anzuziehen sondern lief barfuß über die Lichtung. Das Gras war ohnehin weich. Auch der Waldboden fühlte sich glatt und eben an. Verlockend. Eine sanfte Brise umspielte meinen Körper und ich hatte Gefühl, sie wolle mich zum Meer schieben. Als ich den Wald durchquerte spürte ich eine Veränderung. Es war heller geworden und die Bäume wirkten nun nicht mehr ganz so abweisend. Ich sah immer wieder Augenpaare zwischen Sträuchern oder in den Baumkronen, die mich neugierig musterten. Bei weitem nicht mehr so feindselig wie vor einigen Tagen. Ein gewinnendes Lächeln huschte über meine Lippen. Na geht doch. Nachdenklich ließ ich meine Finger über die Baumstämme wandern, die tapfer dem Alter und der Zeit trotzten. Ihnen war anzusehen, wie lange sie hier schon standen und dennoch ließen sie sich nicht von ihrem Alter überwältigen. Die tiefen Furchen, die sich durch das Holz zogen wirkten grimmig, nahezu schon launisch, ebenso wie die Schatten, die um die Tannen tanzten. Dennoch hatten sie nichts mehr Abweisendes an sich.
Cecilia war noch weit hinter mir. Friedlich und mit angehobenem Kleid schritt sie über die spurlosen Wege, die den Eindruck erregten, sie wären noch nie von einer Menschenseele betreten worden. Ich blieb stehen und wartete geduldig auf meine Begleiterin, wobei ich versuchte, dem unergründlichen Funkeln in ihren Augen auf dich Schliche zu gehen.
»Wieso ist es hier so still?«, sprach ich leise meine Gedanken aus und sah mich um.
Cecilia lächelte ein wenig über meine Frage. »Oh, es ist nicht immer so ruhig hier. Es ist nur so dass sich die Höhlenbewohner vor Fremden hüten.«
Und ich dachte schon, sie hätten meine Anwesenheit endlich akzeptiert. Mir entfuhr ein enttäuschter Seufzer. »Aber ich bin doch gar nicht mehr fremd«, murmelte ich vor mich hin.
Sie zuckte mit den Achseln. »Nun«, setzte sie langsam an, »das wissen sie nicht. Sie sind sehr eigen, wir können sie nicht durchschauen. Nicht einmal ich kann das, obwohl ich sie schon sehr gut kenne.«
Gemütlich schlenderten wir weiter. Ich hatte nun halbwegs die Tatsache hingenommen, dass sie mir nach wie vor aus dem Weg gingen. Etwas anderes tun, als ihr Vertrauen zu gewinnen, konnte ich sowieso nicht. Nun kitzelte mich wieder die Neugier. »Was lebt hier?«, fragte ich mit gesengter Stimme, aus Angst, belauscht zu werden. Gefiel es ihnen dass ich so viele Fragen über sie stellte?
Sie schmunzelte über meinen nervösen Blick. »Tiere natürlich, so wie in deiner Welt auch.«
»Aber in meiner Welt fürchten sie sich nicht vor mir«, bemerkte ich.
»Das stimmt schon.« Damit hatte sich die Sache für sie erledigt. Sie schob einige Nadelzweige beiseite, die ihr den Weg versperrten. Um uns herum wurde es immer bewucherter.
»Komm«, forderte Cecilia mich nun auf und führte mich langsam durch das Gestrüpp. Mir entging die Begeisterung nicht, die nun auch in ihren Augen lag. Jetzt wurde ich erst recht neugierig.
Das ferne Rufen von Eulen war zu vernehmen. Ihre Stimmen waren nur sehr leise und hatten eine beruhigende Wirkung auf mich. Wie Glocken klingelten in meinem Kopf nach, die mit jedem Schlag leiser wurden.
Nun wurde ich allmählich erschöpfter. Wir waren aber auch schon ziemlich weit gelaufen, und das nach meinem ohnehin schon langen Marsch zum Meer, den ich am Morgen unternommen hatte. Ich verkniff mir ein Gähnen. »Wie lange noch?«
»Es ist nicht mehr weit«, besänftigte Cecilia mich.
Und sie hatte Recht. Der Wald fand schon ziemlich schnell ein Ende. Wir waren stundenlang durch das Gestrüpp gelaufen, immerzu derselben Strecke nach und hatten uns an Dornenranken vorbeigekämpft. Nun waren wir angekommen.
Als wir den Wald durchbrachen, hatte die Sonne ihren höchsten Punkt erreicht. Ihr goldenes Licht legte sich nun über die halbe Höhle. Keuchend hielt ich mir die Knie, während ich spürte, wie sich die Müdigkeit immer mehr in meinem Körper ausbreitete. Ich erkannte wieder den Teich mit den Schwänen vor mir, und sofort verflog meine Erschöpfung. Ohne den Blick von dem grünen Gewässer zu lassen, stützte ich mich auf und schritt langsam nach vorne.
Die Mädchen schliefen nach wie vor und die gefiederten Tänzer zogen ihre Kreise. Alles war wie immer.
Ich erschauderte bei ihrem Anblick doch trotz meines Schocks war ich auch ein kleinwenig fasziniert. Ich vergaß sogar das brennende Gefühl an meiner Haut, die von all den Ästen und Zweigen, durch die ich mich gekämpft hatte, ganz verkratzt war. Auch meine Haare waren verstrubbelt und hatten einige Bestandteile des Waldes mit sich getragen. Ich blieb direkt am Wasser stehen und starrte den weißen Schönheiten in die Augen, die noch immer keine Notiz von mir nahmen. Sie schwammen immerzu weiter, während sich die Sonne in der Mitte des Teiches spiegelte. Das Licht breitete sich zwirbelnd im Wasser aus, wie in einem Kreisel. Die Schwäne schienen einer lautlosen Melodie zu folgen, wobei sie nie aus dem Takt kamen.
»Du erinnerst dich an diesen Teich«, murmelte Cecilia auf einmal hinter mir und ich zuckte kurz zusammen.
»Natürlich erinnere ich mich an den Teich«, erwiderte ich verwirrt, »schließlich waren wir hier erst vor ein paar Tagen.«
Cecilia schüttelte langsam den Kopf und lächelte über meine Antwort, was mich noch mehr verwirrte. »Das meine ich nicht. Du kennst ihn schon viel länger, du weißt wahrscheinlich nur nicht, woher.«
Damit setzte sie sich ans Wasser und ich folgte ihrem Beispiel. Gebannt sah ich sie von der Seite her an. Sie hob nun wieder die Stimme. »Man hat dir von ihm erzählt, wie jedem kleinen Kind«, erklärte sie, »es ist eine Legende von einem Mädchen.«
Sie räusperte sich und fing dann mit verschlagener Stimme an zu erzählen. »Das Mädchen rannte und rannte. Tage lang, Nächte lang, bis sie ankam. Bis ihre Tränen trockneten. Bis sie langsam ins eiskalte Wasser stieg und der Mondschein sie entdeckte...«
Mir stockte der Atem. Natürlich... Natürlich kannte ich dieses Märchen! »Die Legende von Novalie«, flüsterte ich, und auf einmal verstand ich. Mit großen Augen sah ich auf mein Spiegelbild im Wasser, welches ein Mädchen mit verkratzter Haut und zerzausten Haaren zeigte.
»Auch wenn es dir nicht so erscheinen mag«, fuhr Cecilia fort, »Ihr Weg war länger als deiner. Länger und beschwerlicher. Sie gehört schließlich zu den ersten Menschen, die diese Höhle jemals entdeckt haben.« Es wunderte mich ein wenig dass sie nur eine der ersten war. Wen sollte es schließlich vor der Göttin gegeben haben? Doch dass sie deutlich länger als ich hatte laufen müssen, bis sie hier angekommen war, war mir klar.
»Ich weiß«, murmelte ich daher. »Aber was hat es mit den sieben Schwänen auf sich?«
Cecilias Antwort war nur sehr halbherziges und rätselhaft wie eh und je. »Das ist zu kompliziert um es zu erklären. Was ich dir über die Schwäne sagen kann, ist dass es sie noch nicht so lange gibt. Novalie ist älter als sie, älter sogar als der Himmel. Dennoch gab es diese Höhle vor ihr. Sie war der Anfang von allem.« Ich wartete darauf, dass sie noch etwas ergänzte, doch sie schwieg.
Also folgte ich ihrem Schweigen für einen Moment und betrachtete das glänzende Gefieder der zierlichen Geschöpfe. »Wieso tragen sie diese Mädchen?« Meine Stimme zitterte ein wenig bei dem Gedanken daran.
Cecilia seufzte und meinte ausweichend: »Das wirst du nicht verstehen«. Ihr Blick verlor sich in der Ferne, dann erhob sie sich und forderte mich mit einer Handbewegung auf, dasselbe zu tun. »Komm mit, ich zeige dir noch mehr.«
Sie hatte mir zwar noch immer keine klaren Antworten gegeben, dennoch wollte ich mich ihr nicht widersetzten. Ich wusste schließlich nicht, was ich dabei verpassen würde – und wahrscheinlich wäre das eine Menge. Erwartungsvoll stand ich auf und folgte ihr, wobei ich mich bremsen musste, um ihr nicht davonzurennen. Ich wusste nämlich nicht wohin ich überhaupt laufen sollte. Cecilia schüttelte den Kopf über mich. »Mach mal langsam«, schnaubte sie, »du solltest nur so viel sehen, wie du verkraften kannst.«
Verkraften? Unruhe breitete sich bei ihren Worten in mir aus. Was meint sie damit? Warum sollte ich es nicht verkraften können?
Ihr Weg führte zum Meer, doch als wir dort ankamen blieb sie nicht stehen, sondern lief an der Küste entlang. Die Sonne war bereits fort. Sie griff nach der Geige und fing langsam an zu spielen, womit sie das Licht wieder zurückrief, das in Form von kleinen, leuchtenden Gestalten in Wellenbewegungen zu uns rauschte. Eine Weile blieb sie mit geschlossenen Augen stehen und strich verträumt über die Saiten, als wären sie alles was sie sich je herbeigesehnt hätte.
Eine schwache Brise, die von dem Ozean kam, durchwehte ihre Haare. »Gehen wir weiter«, murmelte sie mir zu, wobei sie mit ihren Gedanken ganz wo anders zu sein schien. Selbst ihre Stimme hatte den Klang der Musik angenommen, so als hätte sie sich in das Lied miteingespielt.
»Wie lange lebst du schon hier?«, fragte ich sie und holte zu ihr auf.
»Seitdem ich klein bin. Ich war früher ein ganz normaler Mensch, so wie du. Doch im Gegensatz zu den meisten Kindern hatte ich eine große Leidenschaft, und die war das Geigen.«
»Und dann wurdest du eine Ophuna«, überlegte ich.
Konzentriert lief sie weiter und suchte sich mit halb geschlossenen Augen einen Weg durch das lange Gras. Das schwache Flimmern der Glühwürmchen badete die Wiese in einem warmen Licht.
Das Gras war ganz feucht vom Tau, aber weich und angenehm. Es tat gut, den Boden unter mir zu spüren, fast so wie in alten Zeiten, als ich noch mit Lanix unterwegs gewesen war. Ich meinte den Herzschlag der Höhle zu spüren, unter der kühlen Erde ebenso wie die Geheimnisse, die um mich herumsäuselten in der frischen, kühlen Abendluft.
Als das Land endete, blieben wir stehen. Vor uns sprudelte es Silbern, dahinter erstreckte sich die Finsternis. Wir setzten uns auf einen kühlen Fels, der wenige Meter vor uns ins Meer stürzte. Wellen schäumten unter meinen Füßen, und beförderten winzige Wasserperlen auf meine Haut. Ich erschauderte unter dem eisigen Gefühl der Wasserspritzer.
Die Glühwürmchen drehten sich fröhlich und tänzelten um uns herum, manche ließen sich sogar auf dem dunklen Fichtenholz der Geige nieder, ehe sie wieder aufsummten, sobald diese vibrierte. Sie waren wie ein einziger, leuchtender Wirbelwind.
Cecilia verzog ein wenig das Gesicht als die Melodie ihren Höhepunkt erreichte und nun in schaurig schöne Töne überschwang, die die Saiten der Geige erzittern ließen. Sie erzählten von fernen Geheimnissen, von Legenden und von Helden und Verrätern. Von einer undurchschaubaren Welt. Von der Schönheit der Nacht. Das Lied trieb mir einen leichten aber auch angenehmen Schauder über den Rücken.
Als ich den Kopf hob, stockte mir der Atem.
Grazile Geschöpfe mit Flügeln, die länger waren als der Mond, schwebten zu uns hinab. Ihre Köpfe waren rund, die Augen funkelten unergründlich. Federn flogen durch die Luft, als die Eulen mit kraftvollen Flügelschlägen landeten. Ich zuckte zusammen, als eine von ihnen mit gespreizten Klauen auf mich zusteuerte. Krallen, so dunkel wie die Nacht funkelten im Licht der davonwirbelnden Glühwürmchen. Plötzlich spürte ich einen heftigen Windstoß und Krallen an meiner Schulter. Ich erstarrte, mein Herz raste. Entsetzt schielte ich auf die riesige Schneeeule, die auf meiner Schulter gelandet war und mich nun aus ihren großen dunklen Augen anglotzte.
Auch auf Cecilias Schulter landete eine Eule, braun betupft und mit rotbraunen Augen. Die Eule schrie als sie mich sah. Sie hatte ihren Schnabel gefährlich aufgerissen, die Pupillen waren riesig. Ihr Schrei war schrill und ließ mich erschaudern. Ich stolperte zurück.
»Keine Angst, sie wird dich nicht verletzen, wenn du ruhig bleibst«, beschwichtigte mich die Ophuna mit klarer Stimme. Und tatsächlich entspannte ich mich ein wenig. Mein Blick wanderte noch immer fragend zu dem schneeweißen Geschöpf auf meiner Schulter. Schlank war die Eule mit langen Federn, die edel betupft waren. »Lass dich nicht von ihr stören«, meinte Cecilia gelassen, »ich war es, die sie herbeigerufen hat.«
»Du hast sie herbeigerufen?« Eine Frage schwang in meinem Satz mit, die eine Antwort verlangte.
»Wolltest du nicht die geheimen Höhlenbewohner kennenlernen?«, lächelte sie und blinzelte liebevoll die gefiederten Tiere an, die sich um uns herum ausgebreitet hatten, »hier hast du sie.« Mein Blick fuhr über die Eulen. Sie hatten weiche Federn mit bunten Mustern, die allesamt einzigartig und besonders waren. Ihre Augen waren geheimnisvoll, und hatten die unterschiedlichsten Farben. Gelb, grün, braun, schwarz wie die Nacht, manche waren sogar so hell, das man sie fast schon als weiß bezeichnen konnte. Staunend sah ich zu meiner Eule. Sie wiederum hatte gelbe Augen, die mich ruhig und vertrauensvoll ansahen.
»Sie scheint dich zu mögen.« Traurigkeit schwang in Cecilias Stimme mit. »Du kannst dich glücklich schätzen. Eulen sind sehr edle Wesen, aber misstrauisch sind sie auch. Ich habe jahrelang um ihr Vertrauen gekämpft.«
Sie fuhr sich über das Gesicht, und seufzte. »Du kannst sie auch anfassen, wenn du möchtest. Aber nur so lange sie es zulässt. Das ist ihre Höhle, und du musst nach ihren Regeln leben.«
Was sie sagte, beunruhigte mich zwar, dennoch nickte ich. Ein kalter Schauder fuhr mir über den Rücken, als ich an das glänzende Gefieder fasste. Immer wieder sah ich in die grellgelben Augen der Schneeeule, und ich fragte mich an was sie wohl dachte. Mochte sie mich wirklich oder würde sie zubeißen? Schnell entzog ich ihr meine Finger wieder. »Hat sie einen Namen?«, fragte ich, um auf andere Gedanken zu kommen.
»Nein, aber diese hier hat einen.« Sie strich liebevoll über das gefleckte Gefieder der Braunen. »Ich habe sie Rieka genannt. Sie war die erste, die mir vertraut hat.« Noch nie hatte ich sie so sanft gesehen. Sie schien ihre Eulen wirklich zu lieben.
Rieka... , überlegte ich. Der Name passte gut zu ihr.
»Kann ich ihr auch einen geben?« Ich nickte zu der Weißen, die mit ihren müden mondfarbenen Augen zum Himmel sah.
Cecilias Antwort war zu meinem Überraschen auf einmal wieder scharf. »Nein«, sagte sie mit Nachdruck, »vergiss nicht dass du nur vorübergehend hier bist. Bald wirst du wieder zurückkehren, und dieses Erdreich vergessen müssen. Du solltest keine Spuren hier hinterlassen.«
Ich nickte, auch wenn ich meine Enttäuschung kaum verbergen konnte. »Wenn du meinst...«
Cecilias Haltung lockerte sich wieder und sie seufzte tief. Mit einem letzten liebevollen Blick entließ sie ihre gefiederte Freundin und sah ihr dabei zu, wie sie unter kräftigem Flügelschlagen zur Decke emporflog. »Es wäre wohl am besten, wenn wir jetzt wieder umkehren.«
Ohne ein weiteres Wort lief sie los, während ich immer noch zu den Eulen starrte und regungslos zusah, wie sie sich in die Lüfte erhoben und ihres Weges gingen.
»Liva?«
Betrübt stemmte ich mich auf und schlurfte ihr hinterher, über die nun stockdunklen Wiesen während sich in mir allmählich der Wunsch formte, hierzubleiben.
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