Kapitel 15: Sellatas' wertvollster Schatz
Klirrend schlugen die Absätze meiner Schuhe auf die sonnenbeschienen Marmorfliesen nieder, über die mit heftig pochendem Herzen flüchtete. Ich spürte noch Cecilias unheilvollen Blick auf meiner Haut, in dem eine stille Warnung gesteckt hatte. So etwas wie »ich habe es dir doch gesagt.« Doch hatte sie das tatsächlich?
Was für kranke Spielchen trieb sie hier? Nun wurde mir allmählich klar, warum sie sich versteckte.
Warum sie die Musik als so bedrohlich empfand.
Zitternd presste ich die Arme an meinen Körper und verschlang sie ineinander. Fliegende Blätter... Ein Mann, der einfach so aus dem Nichts auftaucht.
Ich hatte bereits geahnt dass es so etwas wie Magie gab, nach all den Jahren, die ich Lanix kannte.
Dennoch hatte ich nicht an Zauberei geglaubt. Und selbst wenn ich das getan hätte... das bloße Wissen dass es etwas derartiges gab und es mit eigenen Augen zu sehen war um Welten verschieden. Außerdem hatte ich in Lanix immer meinen starken und treuen Beschützer gesehen, seine Größe hatte etwas Geborgenes an sich, das hier aber wiederum fühlte sich gänzlich falsch an.
Plötzlich erhob sich unmittelbar vor mir eine Gestalt, die auf den ersten Blick wie ein Schatten wirkte.
Schlitternd kam ich zum Stehen und blickte fahrig in ein durchdringendes, grünes Augenpaar.
Ich wich ein paar Schritte vor ihm zurück. Wer dieser Jemand war, wurde mir erst nach einigen Sekunden bewusst, in denen ich wie erstarrt dastand und ihn mit atemlos anblickte.
»Cifan?«, murmelte ich kopflos und biss mir sogleich auf die Unterlippe als ich erkannte, wie eine gewisse Schärfe in seinen Blick trat. Mir fiel ein dass ich ihn mit seinem Adelstitel hätte ansprechen müssen - doch was spielte das schon im Moment zur Sache?
Wie gerne hätte ich mich an ihn vorbeigedrängt. Leider nur stand er mitten im Gang und versperrte mir somit den Weg.
Cifan musterte mich noch immer. Er fragte sich sicher, warum ich so aufgescheucht wirkte, was um Himmels willen in den letzten fünf Minuten geschehen war.
Oder er hatte bereits eine Ahnung...
Was davon nun der Fall war, blieb hinter seinen Augen verborgen, die wie eine undurchdringliche Maske wirkten, hinter der sämtliche Gefühle verschwanden.
Ich zwang mich, ruhiger zu atmen, doch Cifans Blick löste ein Gefühl von tiefem Unwohlsein in mir aus, das sich bis in die letzte Faser meines Körpers fraß.
»Tut mir leid«, sagte ich steif, als er noch immer nichts sagte, »ich wollte Euch nicht anrempeln.«
Cifan erwiderte gelassen meinen Blick. »Aber du hast mich doch gar nicht angerempelt, meine Liebe. Du hast mich höchstens ein wenig überrascht.«
Er hielt inne und rieb sich die Bartstoppeln, wobei er mich nachdenklich musterte.
»Muss ich mir Sorgen machen?«
Ich schnaubte. Natürlich hätte mir klar sein sollen, dass er direkt nachbohrte. Die Wahrheit sagen, konnte ich nicht. Also musste ich mir eine möglichst glaubwürdige Antwort überlegen.
„Das ist Eure Entscheidung", entgegnete ich schlicht, um mir Zeit zum Nachdenken zu sparen.
Cifan lachte halbherzig über meine plumpe Antwort. „Da hast du nicht ganz Unrecht - aber nun sag, woher kommt die Eile, mit der du dich so durch das Schloss jagst?"
Ich richtete mich auf. Cifan schaffte es immer wieder Gespräche dorthin zu lenken, wo er sie haben wollte. „Ich bewundere Eure Dienerschaft für ihren Enthusiasmus, mit dem sie mich regelmäßig verfolgen", lenkte nun ich das Thema in meine gewünschte Richtung weiter.
Neugierig hob der König eine Augenbraue. „Du meinst die Höflinge?"
„Wen denn sonst?", fragte ich zurück, woraufhin Cifan nachdenklich nickte. „Wen denn sonst", murmelte nun auch er.
Dann räusperte er sich und richtete sich auf. „Da du nur von Isabelle und Anneliese sprechen kannst - die beiden Hofdamen die ich dazu beauftragt habe, regelmäßig nach dir zu schauen - werde ich mit ihnen reden."
Er schenkte mir ein schmales Lächeln. „Ich werde sie darum bitten, dir ein wenig mehr Privatsphäre zu bieten."
Die Erleichterung die sich noch bis gerade eben in meinem Brustkorb ausgebreitet hatte, verschwand schlagartig. Still vor mich hinfluchend, biss ich mir auf die Unterlippe. Nein, das durfte er ganz sicher nicht - meine Lüge würde sonst auffliegen.
„Ich kann selber mit ihnen sprechen", widersprach ich schnell. „Macht Euch bitte keinen Stress wegen mir."
Cifans Lächeln wurde breiter. „Aber das tue ich doch gar nicht - ich helfe gerne."
Er wollte sich schon abwenden, doch ich stellte mich ihm hektisch in den Weg. „Bitte", purzelten die Worte aus meinem Mund, „überlasst das mir, ich möchte nicht, dass sie sich schlecht fühlen - sie haben nur gemacht, was Ihr ihnen befohlen habt."
König Cifan starrte mich für einen Moment bloß an. Seine Augen funkelten. Dann breitete sich ein offensichtlich falsches Lächeln auf seinen Lippen aus, das mir einen Schauder über den Rücken jagte. „Das haben sie in der Tat", bestätigte er meine Worte, „sie sind bereits seit Morgengrauen in Denva bei unseren liebsten Schneiderinnen - ganz so, wie ich es ihnen befohlen habe."
Mir gefror das Blut. Auch Cifans Gesicht wurde nun von Kälte überzogen. „Lüg mich bitte nie wieder an."
Unwillkürlich wich ich zurück, als er sich vorbeugte. »Was ist nun wirklich geschehen?«
Ich schluckte schwer und senkte den Blick. Es hatte keinen Sinn mehr, nach Ausreden zu suchen. Es würde den ganzen Schlamassel, in den ich mich getrieben hatte, nicht besser machen.
»Da war ein Mann«, fing ich leise an, »er ist plötzlich, wie aus dem Nichts aufgetaucht.«
Ich schluckte erneut und suchte in seinem Gesicht nach einer Regung, die ich allerdings nicht fand. Cifan schien mich nicht für verrückt zu halten, er wirkte auch nicht überrascht oder irritiert. Anstatt zu lachen oder gar die Stirn zu runzeln, nickte er mir zu und erwiderte dunkel: »Red' weiter.«
Ich holte noch einmal tief Luft. »Blätter sind durch den Raum geschwebt - einfach so. Da war nichts, was sie hätte bewegen können.«
Als ich fertig war, sah mich Cifan noch immer an. In seinem Gesicht lag etwas, das ich nicht verstand... Etwas Grimmiges. »Liva«, begann er mit ruhiger Stimme, hielt dann aber inne und suchte nach Worten. »Es gibt etwas, das ich dir noch nicht erzählt habe.«
Noch während er das sagte, setzte er sich in Bewegung und bedeutete mir mit einer Handbewegung, ihm zu folgen. Er führte mich vollends zu dem kleinen, abgelegenen Turm zurück. Ich folgte ihm nur widerwillig und mit einem unguten Gefühl in der Magengegend. Was hatte er mit mir vor? Wollte er mich für das Spionieren bestrafen?
»Wo gehen wir hin?«, murmelte ich und warf einige hektische Blicke um mich, als wir die Wendeltreppe, die in den Turm führte, erreichten.
»Dort wo es Antworten auf die Fragen gibt, die du dir vermutlich stellst«, erwiderte Cifan knapp und setzte sich wieder in Bewegung.
Mit einer ausladenden Armbewegung schlug er die Bogentür auf und zog sie hinter uns beiden zu.
In diesem Teil des Schlosses war kein Dienstbote zu sehen, es waren nicht einmal Stimmen zu hören. Selbst die Geigenmusik war verstummt und ich vermutete, dass wir komplett alleine waren.
Cifan brachte mich in einen Teil des Turms, den ich noch nie gesehen hatte. Er führte mich geradewegs an Cecilias Zimmer vorbei, in die oberen Etagen. Noch im Gang drehte er sich zu mir um.
»Ich kenne die Frau, der du ständig hinterherschleichst ziemlich gut«, fuhr er langsam fort, »ich nehme an, das bist du auch heute, sonst hättest du sie nicht gesehen.«
Ich nickte, wich aber seinem Blick aus. Was das für Konsequenzen nach sich zog, wollte ich gar nicht erst wissen.
Cifan sagte es mir nicht - noch nicht. Stattdessen drehte er sich wieder um und schritt eine Wendeltreppe empor. An den blassen Marmorwänden hingen einige Gemälde, die zu meiner Verwunderung nicht etwa Portraits zeigten - stattdessen waren hinreißende Landschaften auf die Leinwände gemalt mit moosgrünen Hügeln, riesigen uralten Bäumen, Teichen, in denen Schwäne tanzten und Wasser, in dem die Sterne schwammen.
Vor einer Malerei, die eine junge Frau in einem rüschenbesetzten Kleid zeigte, blieben wir stehen. Die junge Dame hatte die Augen geschlossen und hielt eine Geige in der Hand, mit der sie konzentriert musizierte. Farben wirbelten um sie herum, eine ganze Bandbreite an Gold- und Silbertönen. Selbst ein Hauch von Blau war in dem Farbgemisch zu erkennen.
Cifan räusperte sich und lenkte somit meine Aufmerksamkeit auf sich zurück.
»Ich weiß was es mit Cecilias Geige auf sich hat, wollte es dir aber nicht direkt sagen, weil ich vermutet hatte, dass du vielleicht verängstigt sein könntest. Dieses Bild sollte das meiste erklären.«
Ich atmete einmal tief durch. Farben. Ja genau das hatte ich immer gesehen, wenn ich Cecilia heimlich belauscht hatte. Doch es war weitaus mehr gewesen als das. Ich hatte Dinge wahrgenommen und empfunden, die sich mit Worten nicht beschreiben ließen.
Cifan deutete auf die hübsche Geigerin, die auf dem Bild zu sehen war. »Diese junge Dame ist ebenso wie Cecilia eine Ophuna. Ophunas sind auserwählte Frauen, die für mich im Geheimen arbeiten.«
Cifans Blick fiel durch ein Sprossenfenster und verlor sich in der Ferne.
Fragend musterte ich ihn. »Wieso im Geheimen?«
»Weil sie mit ihren Liedern zaubern können. Sie sind Meister der Magie und schaffen es, sie mithilfe ihrer Musik zu formen und auf etwas auszurichten.«
Aus seiner Kehle drang ein tiefer, Scherer Laut, als er weiterschritt und mich zu einem Gemälde führte, das dieselbe Frau abbildete, die leblos auf einem Schwan kauerte, während hinter ihr die Sonne unterging.
»Nur leider ist diese Begabung ein ebenso großer Fluch wie auch Segen. Die Ophunas sind Sellatas' wertvollster Schatz. Sie besitzen Fähigkeiten, die kein anderer hat, und mit denen sie versuchen, für Frieden zu sorgen. Jedoch darf niemand wissen, dass es sie gibt, außer der königlichen Familie.«
Ich schluckte schwer. »Weil sie so besonders sind«, vermutete ich.
Cifan nickte bedächtig. »Sie wären in ständiger Gefahr wenn jemand von ihnen wüsste, da es genügend Leute gibt, die sie ausnutzen oder den Frieden zerstören wollen würden. Es kann nur eine Ophuna geben. Erst wenn diese stirbt, wird eine neue erwählt. Deshalb müssen wir so vorsichtig sein.«
Nachdenklich betrachtete ich ihn. Zauberei existierte also tatsächlich... Doch was bedeutete das? Was gab es dann noch alles? Und was würde passieren, falls dieses Wissen an die Öffentlichkeit gelangte? Ein Klos verengt mir den Hals. Das wollte ich mir gar nicht erst vorstellen.
Ich starrte das Abbild der Ophuna noch eine Weile lang nachdenklich an und versuchte das, was Cifan mir eben erzählt hatte, zu verarbeiten. Er hatte also doch von Anfang an gewusst, dass die Geige magisch war und dennoch gewollt, dass ich von Cecilia unterrichtet wurde. Er war nicht einmal verärgert gewesen, als ich ihr nachgeschlichen war, obwohl das für mich den Tod hätte bedeuten können.
Nur warum?
»Wieso ist es Euer Wunsch, dass sie mich unterrichtet?«, fragte ich geradeheraus.
Meine Augen wurden schmäler und ich fügte scharf hinzu: »Ihr habt mich nicht gewarnt, mir nicht einmal erzählt, dass es Magie überhaupt gibt. Wäre ich nicht von alleine darauf gekommen, dann hätte ich das wahrscheinlich erst erfahren,wenn mir irgendwas passiert wäre!«
Anstatt empört zu sein blinzelte der König einsichtig. »Du hast recht, ich hätte dich warnen sollen. Aber ich habe es dennoch nicht getan, weil ich dich nicht abschrecken wollte.«
»Ihr hättet mich in Gefahr gebracht, ohne dass ich es wüsste!«, warf ich ihn an den Kopf, »vielleicht hätte ich mich ausversehen verzaubert oder verflucht oder was weiß ich!«
Wutentbrannt funkelte ich ihn an, meine Hände ballten sich so fest zu Fäusten, dass meine Knöchel hervortraten.
Cifan hätte mich für so eine Unverschämtheit wahrscheinlich köpfen lassen können. Dennoch blieb er ruhig. Er bestrafte mich nicht, entschuldigte sich aber auch nicht. Stattdessen sah er mich grimmig an kehrte den Gemälden den Rücken zu.
Ich atmete tief durch und lockerte meine Hände. »Was auch immer Ihr da mit mir spielt, ich werde da nicht weiterhin mitmachen.«
»Das solltest du aber«, knurrte er und ich erschrak über die Härte, die auf einmal in seiner Stimme lag. »Nur wenn du auf mich hörst, kannst du überleben.«
Er schnaubte und sah mich eindringlich an. »Ob du es mir glaubst oder nicht, ich versuche nur dich zu beschützen, vor dem, was du dir selbst angetan hast. Das habe ich bisher immer getan.«
Sein Blick verdunkelte sich. »Du wirst die Magie brauchen, wenn es Riamos weiterhin auf dich absieht. Und wenn nicht die Magie, dann die Sicherheit, die dir als Ophuna zusteht.«
Ungläubig blinzelte ich ihn an. »Ihr wollt, dass ich eine Ophuna werde?«
Cifans sah mir fest in die Augen. »Ob du eine Ophuna wirst oder nicht, ist deine Entscheidung. Ich möchte aber, dass du die Magie erlernst.«
***
Als wir in das Musikzimmer eintraten, war wieder alles beim alten. Die Fenster standen offen und der kleine Saal war lichtdurchflutet. Die Notenpapiere lagen verstreut auf dem Boden und regten sich gelegentlich, wenn ein stärkerer Luftzug durch eins der Fenster drang.
Von dem Mann von vorhin, war keine Spur mehr zu sehen. Von der Magie ebenso wenig.
Ich hatte diesen Raum noch nie so still erlebt. Nichts regte sich. Weder in dem Saal, noch in mir. Da war keine Euphorie, keine überwältigenden Eindrücke und auch sonst verspürte ich kaum etwas. Ich sah keine Farben aufblitzen, die mich in ihren Bann zogen, keine verlockenden Bilder, die mich aus der Fassung brachten. Da war absolut nichts. Nur ein großes, stilles Zimmer.
Ich atmete einmal tief durch und drehte den Kopf dann zu Cifan, der mir schon einige Schritte voraus war und mir bedeutete, ihm zu folgen.
Cecilia saß wieder an ihrem Fenster und runzelte die Stirn, als sie uns kommen sah. Sie begrüßte Cifan nur mit einem halbherzigen Neigen des Kopfes und ohne mich dabei aus den Augen zu lassen. Ihr Blick huschte von dem König zu mir und wieder zurück. Schließlich blieb er an Cifan hängen.
»Was macht sie hier?« Ihre Stimme war spitz und unfreudlich. Fast schon respektlos, wenn man bedachte, dass sie mit dem König sprach. Ich blinzelte sie verwundert an. Ich hatte von ihr mehr Demut erwartet.
»Ich habe dem Mädchen nie erlaubt - «
Cifan unterbrach sie mit einem ungeduldigen Schnauben. »Cecilia«, hob er mit gezwungen ruhiger Stimme an, »ich weiß deine Vorsicht zu schätzen, aber bedenke dass ich es war, der sie hier hergeführt hat.«
In Cecilias Augen blitzte für einen Moment Wut auf, doch sie blieb ruhig. Es brauchte nur eine einzige Sekunde, ehe ihre Gefühle wieder hinter ihrer kühlen Maske verschwanden. Lediglich ihr Brustkorb war angespannt. »Dann bringt sie ebenso fort, wie Ihr sie zu mir geführt habt«, sagte sie mit gesenkter Stimme, »sie ist ein Kind, Eure Majestät.«
Cifan blinzelte nicht einmal. »Bei allem Respekt, Cecilia«, setzte er mit einem übertriebenen Seufzer an, »ich weiß ganz genau, wen ich hier vor mir habe und du kannst dir alle Mühe sparen, mir das zu erklären.«
Er presste die Lippen zusammen, als Cecilia ihn anfunkelte und straffte die Schultern. »Meine Entscheidungen sind stets weise und gut durchdacht, es steht dir nicht zu, sie anzuzweifeln.«
»Wenn Ihr meint, Majestät.« Doch ihr Blick blieb hart und voller Widerwillen.
»Du solltest der Krone vertrauen.«
War das ein Befehl?
Cecilia neigte nur zögerlich den Kopf und als sie wieder aufsah, waren ihre Augen verengt und ihr Blick durchdringend. »Was habt Ihr nun vor?«, fragte sie leise, »ich nehme an, dass Ihr sie nicht ohne Grund zu mir geführt habt.«
»Oh, das habe ich auch nicht«, stimmte ihr Cifan ihr mit einem Lächeln zu, das ebenso schnell wieder aus seinen Zügen rutschte, wie es gekommen war. Er räusperte sich und seine Stimme war ernst und hart, als er ergänzte: »Du wirst sie von nun an unterrichten.«
Für einen Moment lang sah Cecilia ihn entgeistert an, und ich fragte mich, ob Cifan mir noch etwas verschwiegen hatte, das ihr nun zu schaffen machte.
Dann verschärfte sich Cecilias Blick und sie zischte: »Majestät, Ihr wisst wie heilig die Geheimnisse der Ophunas sind!«
Nicht mal ein Wimpernzucken kam von ihm zurück. »Auch das weiß ich.«
Cecilias Schlüsselbein trat weiß hervor, so sehr war ihr Brustkorb angespannt. Wut, Angst und Enttäuschung standen in ihren Gesicht, eine ganze Bandbreite an Gefühlen, die sie binnen weniger Sekunden wieder im Griff hatte. Sie seufzte tief und hob das Kinn. »Ihr könnt jetzt gehen.«
Cifan hob provozierend eine Augenbraue. »Ist das eine Erlaubnis oder ein Befehl?«
»Mir steht es nicht zu, Euch etwas zu befehlen«, erwiderte Cecilia mit einem Schnauben, »aber ich kann nicht reden und gleichzeitig unterrichten, also lasst uns lieber alleine, wenn ich Euch nicht enttäuschen soll.«
»So, so.« In seinen Augen funkelte Anerkennung. Es war schon ziemlich mutig von ihr, so mit dem König zu sprechen und ihm schien dieser Mut zu gefallen. »Dann enttäusche mich aber auch nicht!«
Mit diesen Worten verschwand er.
Cecilia war ganz still geworden. Ihre grünen Augen ruhten geistesabwesend auf mir.
Sie hatte es nicht eilig, zu sprechen.
»Nun setz dich«, sagte sie schließlich. Erst jetzt fiel mir auf, wie klar ihre Stimme war. Ganz anders als ihr Blick, der wie ein undurchdringlicher Nebelschleier wirkte.
Langsam hob sie ihre Geige und schmiegte ihr Gesicht an den schwarzen Kinnhalter. »Bevor du anfängst du spielen, möchte ich dich eins lehren«, murmelte sie, »du musst dich in die Musik einfühlen. Du musst dich mit ihr verbinden, und ein Teil von ihr werden. Nicht deine Geige ist die Musik, du bist sie. Deine Gefühle, deine Gedanken, deine Art.«
Ihre Finger wirbelten mühelos über den Steg, während sie sanft an den Saiten zupfte. »Nicht jeder fühlt die Musik, nicht jeder kann das Geigen erlernen. Ob du das schaffst oder nicht, liegt an dir, ich kann dir nur die Noten zeigen. Ich kann dir vorspielen, aber dir nie das geben, was ich fühle.«
»Natürlich«, murmelte ich und verfolgte dabei jede einzelne Bewegung von ihr.
»Was passiert, wenn ich spiele?«
Sie sah nicht auf. »Was soll passieren?«
»Ich meine... die Geige ist doch magisch. Was ist, wenn ich versehentlich zaubere?«
»Du kannst nicht zaubern«, antwortete sie, »kein Anfänger kann das. Die Magie bleibt den meisten Leuten verborgen. Sie liegt zwar in der Luft, doch viele sehen sie nicht. Nur wer sie spürt, kann sie kontrollieren. So sind die Regeln.«
»Ich habe die Magie schon einige Male gespürt.« Meine Visionen und dieser Ansturm an Emotionen, den ich verspürt hatte wenn ich Cecilia beim Spielen zuhörte, all das war doch Magie gewesen. »Also glaube ich zumindest«, ergänzte ich schnell.
Die Geigerin blinzelte nachdenklich ehe ihr Blick auf ihren Geigenbogen fiel, den sie liebevoll in den Händen drehte. »Zaubern ist eine Kunst. Um zu zaubern musst du die Magie formen, und das kannst du nur mit Fingerspitzengefühl. Wenn deine Gefühle und die Musik eins sind. Wenn du die Regeln beachtest.«
Ihre Worte klangen wie Rätsel in meinem Kopf. »Magie formen?«
Diesmal winkte sie jedoch ab. »Genug der Fragerrei, ich möchte mit meinen Lehrstunden beginnen.« Ihr Ton duldete keinen Widerspruch, also setzte ich mich fügsam auf die Fensterbank und lehnte mich an das flauschige Kissen an meinem Rücken.
Ihr sorgfältiger Blick verfolgte mich. »Bevor wir mit den Lehrstunden beginnen, möchte ich eins klarstellen.«
Verwundert sah ich zu ihr auf.
Cecilia beugte sich vor und sah mich mit zusammengekniffenen Augen an.
»Ich kann dich unterrichten, meinetwegen so oft wie du willst. Doch egal was Cifan sagt - Ich werde dir niemals beibringen wie man die Magie beherrscht!«
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