Kapitel 92

ROZES - Halfway There

Der Montag ist für mich ein guter Tag, weil ich Ardan in den ersten beiden Stunden sehen kann. Und bevor der Unterricht beginnt, werde ich ihn fragen, wieso er sich wieder so komisch verhält. Er hat mich über das Wochenende nicht einmal Mopsi genannt und das ist abnormal. Das ist nicht gesund für unsere Verhältnisse. Ich habe meinen Kosenamen vermisst und würde sogar vor seinem Haus deshalb demonstrieren. Kann es sein, dass Adam ihm irgendetwas gesagt hat und er deshalb so zurückhaltend war? Hat Adam ihm etwa gedroht? Wenn das stimmt, dann wird Adam heute was erleben! Ardan hat nicht einmal meinen Namen in seinen Mund genommen. Da stimmt irgendetwas nicht. Meine Periode ist heute stärker als sonst, also nehme ich mir meine dunkle Kleidung raus. Mama hat für mich Periodenkleidung gekauft; eine schwarze Hose und zwei dunkle Pullover, die mir bis zur Mitte der Schenkel reichen. Wenn ich bemerke, dass ich stark blute, dann weiß ich schon, was ich die nächsten zwei Tage anziehen werde. Heute kombiniere ich meine schwarze Hose mit dem dunkelroten Oberteil. Entkommen kann er mir nicht, weil er mir auch noch Mathe beibringen will und das früher, damit meine nächste Klausur vielleicht sogar im Dreierbereich liegt. Meine glatte Vier hat mich über alles gefreut und insgesamt stehe ich sogar drei Minus! Ardan will mir deshalb etwas kaufen, was ich über das Wochenende immer abgelehnt habe. Bei der letzten Nachhilfe hat er von E-Funktionen geredet und diese muss ich wirklich können - es kamen auch Aufgaben mit Bakterien im Unterricht vor!

Im Auto habe ich Adam aufgrund Aimans Anwesenheit nicht angesprochen, weshalb ich ihn jetzt nicht für Schuldig erklären kann. Aber wenn Ardan es mir gleich erzählt, muss ich das ja auch vielleicht nicht. Ramzi hat den Alkohol nur für einige Stunden in seinem Magen lassen können, aber das ist auch gut so. Er weiß jetzt, dass er niemals Alkohol trinken will und hat sich die ganze Zeit bei mir entschuldigt, als ich ihm den Rücken gerieben habe, während er sein Essen hinausgewürgt hat. Es war ein schöner und lustiger Geburtstag, auch wenn Ardan plötzlich so zurückhaltend war. Da haben mich auch die Gedanken an ihn in seiner grauen Jogginghose oder Baumwollshorts nicht aufgeheitert. Ardan ist eigentlich immer vor mir an der Schule, wenn wir uns sehen und auch dieses Mal ist er es. Kaum erreiche ich ihn, schließt Herr Barndt die Tür auf, sodass er mir entkommt, aber nicht mehr lange! Ich stelle mich dicht hinter ihn an dem Aufzug. Er scheint mich immer noch nicht bemerkt zu haben. Innerlich zähle ich bis drei, ehe ich meine Arme um ihn schlinge. "Du entkommst mir nicht!" "Erschreck mich nicht so!", keucht er. Verdammt, habe ich seinem Herzen geschadet? Er steigt erschrocken in den Aufzug und drückt die dritte Etage. Mist, das habe ich gar nicht mit einberechnet. "Tut mir leid", murmele ich kleinlaut. Vorsichtig streichele ich seine Brust ... ehe er meine Hand zu seinen Lippen nimmt und sie küsst. Er mag es immer noch nicht.

Mein Mundwinkel zuckt nicht gerade begeistert davon, aber das muss ich tolerieren. Vielleicht ändert sich das ja irgendwann mal. Und vielleicht schaut er mich während dieser Aufzugfahrt auch einmal an. "Wir müssen reden." Die Türen öffnen sich. "Worüber?", fragt er, als wir hinaustreten. Tu nicht so, als ob du es nicht weißt. Ich muss die Augen verdrehen, weil er auf unwissend tut. "Über dein Verhalten. Wieso bist du seit dem Geburtstag so verschlossen?" Ardan verzieht unwohl sein Gesicht. Seine Hand fährt durch sein braunes Haar, ehe er über seinen Nacken fährt. So schön dieser Film vor meinen Augen auch ist, ich will meine Antwort. "Na ja ... also ... Ramzi ist in dich verliebt?" Mein Mund öffnet sich schockiert. Ramzi hat es ihm gesagt? "Hat er es dir auf der Feier gesagt?" Ardan nickt leicht zerknirscht. Das kann am Alkohol liegen. Deshalb hat er die Tage so komisch und zögernd geschaut! Er wollte es Ardan erzählen. "Hast du ihm etwas erzählt?", frage ich dann. "Nein, ich war so ... wie soll ich sagen? Verstört? Geschockt? Willst du es deshalb nicht preisgeben?" "Ja", flüstere ich seufzend. Also hat Ramzi immer noch Gefühle für mich, oje. "Was genau hat dir Ramzi gesagt?" Ardan reibt sich unwohl die Hände. "Er hat mir erzählt, wie sehr er dich liebt und wie traurig er ist, dass du ihn nicht auch liebst ... du wirst immer Platz in seinem Herzen haben und ich auch." Er seufzt. Ich sehe, wie unwohl er sich fühlt. Seine Schultern sind angezogen und seine Hände vergräbt er in seinen Jackentaschen, wodurch das Silberarmband an seiner linken Hand aufblitzt.

"Ich habe echt Angst, dass er nie wieder etwas mit mir zu tun haben mag, wenn er weiß, dass ich mit dir zusammen bin. Das will ich echt nicht riskieren, aber ich will auch nicht, dass diese Beziehung geheim ist." "Ich will aber, dass sie geheim bleibt." Ich halte inne, als er seine Augenbrauen zusammenzieht. "Weshalb?" "Es muss doch nicht jeder wissen", murmele ich. Ardans Mimik zeigt Verständnislosigkeit. "Ich kann es wegen Ramzi verstehen, aber sonst? Deine Brüder sind bald weg, mal ganz davon zu schweigen, dass Adam Bescheid weiß." "Es kann trotzdem bei Aiman ankommen", gebe ich schnippisch von mir. Ihn scheint mein Verhalten zu überraschen und zu missfallen. Sein Kiefer zuckt leicht und seine Augenbrauen ziehen sich wieder zusammen. "Wir bereden das bei mir weiter", murmelt er mir zu. Ich drehe mich langsam um. Mein Bauch zieht sich zusammen, als ich den auf uns zutorkelnden Ramzi sehe. Hinter ihm sind Yasmin und Amal, die ganz dreckig grinsen. "Na, meine Süßen?" Ramzi zieht uns summend in seine Arme. "Ja, ihr habt das Privileg von mir, dem einzig wahren Ramzi in der 18 Jahre alten Edition, umarmt zu werden. Die Rechnung schicke ich euch zu und ..." Sein Blick wird lüstern, als er zu Ardan schaut. "Du kannst auch anders bezahlen, mein süßer Hengst." Ardan fährt sich mit einem verlegenden Schmunzeln über seine Stirn. "Meine Puppe gefällt mir sehr, aber so eine originale Version ist bestimmt heißer." Ich trete einen Schritt zurück und lasse Ramzi sein Ding machen.

Ob Ramzi wirklich Kummer hat oder hat er durch den Alkohol zu dramatisch erzählt? Hoffentlich hat er es nur dramatisiert. Sonst merke ich Ramzi doch immer an, wenn es ihm nicht gut geht. Er ist dann immer von seiner Energie verlassen und er zuckt oft als Antwort mit seinen Schultern. Ardan wirkt etwas zornig, wegen meiner Entscheidung. Aber was ist denn daran so schlimm? Wir erzählen doch auch nicht jedem, dass wir Sex hatten. Für mich ist es eben total intim. Ich mag sowas nicht. Ist es verrückt, dass ich es unfassbar attraktiv finde, wenn Ardan zornig ist? Ich würde ihn am liebsten immer wütend machen, damit er immer so streng guckt. Seine Gesichtszüge wirken markanter und seine Augen werden so schön betont. Jetzt fehlt nur noch die graue Jogginghose und ich gebe mich ihm hin. Ich atme summend aus. Dieser Junge bringt meine schmutzigsten Seiten zum Vorschein und dabei ist er etwas trocken zu mir über den ganzen Schultag. Im Auto hat er kaum mit mir geredet und in den Pausen wirkte er auch nicht gerade gesprächig mir gegenüber ... und er sah dabei so gut aus. Irgendwas stimmt mit meinen Hormonen nicht. Werden wir uns streiten, wenn wir bei ihm sind? Ich bin so aufgeregt deshalb. Was ist nur los mit mir? Ich bin total auf Ardan und seine Praktiken angewiesen, dass ich sogar Versöhnungssex vorschlagen würde. Auf den hinteren Sitzen kann ich seinen Kiefer so schön mustern. Ich will seinen Kiefer anfassen und das tue ich auch. Ich fahre auch über seine Lippen und kichere aufgeregt, als er mir in die Fingerkuppen beißt.

Ich bin froh, dass wir schnell bei ihm ankommen. So können wir schneller in sein Zimmer. Die Mutter ist nicht da, also kann ich mich noch lockerer machen. Sie ist mit Roxy beim Tierarzt. Ich kann mir vorstellen, wie Roxy irgendein Leckerli am Ende kriegt, weil sie so brav während der Untersuchung war. Im Wohnzimmer sehe ich einen roten Knopf, der von einem Glasgehäuse geschützt ist. Das ist sicherlich eines der Notfallknöpfe. "Magst du etwas trinken?", seufzt er. Oh Mann, selbst das sieht so gut aus. Ich lege den Kopf schief und mustere meinen hübschen Freund dabei, wie er sich seine Jacke auszieht. Diese schwarze Jeans steht ihm unfassbar gut und sie sitzt so perfekt. Trägt er eine graue Boxershorts? Mir gefällt sein dunkelblauer Pullover, der seine Oberarme top betont. Jetzt will ich seine Oberarme anfassen. "Mopsi?" Ouh, er hat mir ja eine Frage gestellt. Träge schaue ich in seine Augen, weil ich noch von seinem hübschen Outfit und der tollen Betonung dieser benebelt bin. "Hm?" "Magst du etwas haben? Etwas zu trinken?" "Was kannst du mir bieten?", summe ich. Wow, ich bin ja richtig gefügig. Da kommt mein Luder aus mir heraus. Ardan scheint mein Verhalten zu verwirren - seine Augenbrauen ziehen sich argwöhnisch zusammen. "Wasser mit und ohne Kohlensäure, Cola, Fruchtsäfte." Ich summe nickend. Seine Lippen sehen heute besonders schön aus. "Ja oder nein?" "Nein, schon gut", murmele ich. Mein Mundwinkel hebt sich an. "Was ist los mit dir?", fragt er mich forschend. "So einiges." Ich nehme seine Hand und steige die Treppen hinauf und ziehe mir dort die Jacke aus. Auch hier ist ein Knopf. Mich verblüfft mein Verhalten doch auch. Irgendetwas ist heute los mit mir.

"Worüber wollten wir noch einmal reden?" Meine Stimme ist etwas leiser und besitzt einen summenden Unterton. "Über das Verheimlichen." "Da gibt es doch nicht so viel zu sagen. Solange Ramzi nicht darüber hinwegkommt, will ich es nicht preisgeben." "Und wenn er darüber hinweg ist?" "Wie sollen wir das dann machen? Sollen wir Hand in Hand auf die anderen zulaufen?" Ardan nickt mit einem Blick, der mir sagt, dass das selbstverständlich ist. "Ja, zum Beispiel." Hm, ich weiß nicht so recht. "Aber ich bin viel zu schüchtern." "Irgendwann wirst du mutig genug dafür sein." Mein Blick wandert zu ihm hinab auf seinen Schritt. Wir können es auch ein anderes Mal diskutieren. "Cana?", fragt er leicht entrüstet. Ich hebe den Kopf an, jedoch nicht meinen Blick. "Hm?" Er kommt auch mich zu, ehe er mein Kinn anhebt. Oh Mann, das gefällt mir. "Hörst du mir eigentlich zu?" "Ziehst du deine graue Jogginghose bitte an?" Er zieht seine Augenbrauen wieder zusammen. "Was?" Oje, er hat gar keine Ahnung, was in mir vor sich geht. Heute habe ich ganz viele gute Hormone in mir. Ich schaue lüstern in seine grünen Augen, die eher verärgert sind - so attraktiv verärgert. "Wir haben noch so viel Zeit, um es zu offenbaren. Erst müssen meine Brüder weg, dann muss Ramzi über seine Gefühle hinwegkommen und wir müssen sichergehen, dass Aiman nichts mitbekommt. Das geht weder schnell noch einfach." Ardan will zum Sprechen ansetzen, brummt aber nur. "Du hast recht." Wow, das war aber mal eine schnelle Diskussion.

Als Feier dafür fische ich aus seinem Schrank eine graue Jogginghose heraus. Er hat ja zwei in Grau - eine wunderbare Nachricht. Ardan beobachtet mich mit zusammengezogenen Augenbrauen bei meinem tun. Ich lege ihm die Jogginghose auf die Schulter und öffne seinen Gürtel. "Was machst du da?", fragt er mich entgeistert, als er meine Handgelenke festhält. "Zieh dir die graue Jogginghose an." "Was ist los mit dir?" "Ich will dich in ihr sehen. Ich bin gefügig." Meine direkte Antwort lässt seine Augenbrauen in die Höhe steigen. "Zieh dir diese Hose aus!" "Mopsi!" Seine Empörung wird von einem Schmunzeln begleitet. Fassungslos lacht Ardan auf, erfüllt mir aber meinen Wunsch und tauscht seine Hosen. Oh Mann, sieht das gut aus, wenn er seinen Reißverschluss öffnet. Eine graue Boxershorts! Er trägt eine graue Boxershorts. "Du kannst auch in Boxershorts bleiben." "Ich bin auch noch alleine mit dir. Hier ist niemand, der mich vor deinen Klauen retten kann." Dieses Grau ... betont ihn. Ich will ihm die Jogginghose wegnehmen, doch er zieht sie weg und schüttelt tadelnd den Kopf. "Nein, Mopsi. Das ist unhöflich." "Mir doch egal", maule ich. Heute will ich einfach nur entspannen und das kriegen, was ich will. Ardan schnalzt amüsiert und mit gespieltem Tadel seine Zunge, als er in seine Jogginghose schlüpft. Ich falte seine Jeans, bevor ich sie in den Schrank lege und drücke Ardans aufs Bett, ehe ich auf seinem Schoß Platz nehme. "Du bist echt anders drauf heute. So kenne ich dich überhaupt nicht", lächelt er. "Ich kenne mich so auch nicht." Aber es scheint ihm zu gefallen.

Ich lasse leicht meine Hüften kreisen, als er seine Hände auf ihnen platziert. Ich will heute etwas für ihn tun. Ardans Lider flattern bei meinen Hüften und er reckt automatisch seinen Hals aus, als ich mich seinem Hals nähere. "C-cana", flüstert er. Ardan riecht so gut und seine Haut ist so schön warm. Ich lege meine Hand auf seine Wange und hebe seinen Kopf etwas an, um einen besseren Zugang zu haben. In dieser Position fällt es mir schwerer, meine Hüften kreisen zu lassen, aber es ist nicht unmöglich. Meine Hand verlässt seine Wange, um unter seinen Pullover zu schlüpfen. Ich liebe seinen flachen Bauch und seine V-Linie. Sein Unterbauch zuckt zurück, als ich über diese fahre. "Cana", flüstert er. Ich schaue aufmerksam zu ihm hoch, meine Hand fährt aber dennoch zwischen uns, um ihn zu ergreifen. "Nicht!" Angestrengt dreht er uns um. Sein Handeln überrascht mich. Habe ich was falsch gemacht? Ardan atmet vernehmbarer. Seine Wangen haben diese schöne Röte angenommen, aber sein Gesicht zeigt Zerknirschtheit. "Wieso?" "Ich darf mich körperlich nicht belasten. Auch kein Sex oder sonstige Aktivitäten." Ouh, Mist! Ich muss aufmerksamer werden. "Ouh ... nicht mal, wenn du nur sitzt und ich den Rest mache?" Bei meiner Frage, schließt er genüsslich die Augen und atmet tief durch. "Leider auch das nicht, bis sich meine Werte im Belastungs-EKG verbessern." Oh Mann. "Geht es dir gut?" "Alles gut. Du hast mich zwar ein wenig angeturnt, aber mir geht es gut." Ardan lächelt mich sanft an. "Ist der Notfallknopf schon funktionstüchtig?" Er schaut kurz zum roten Knopf neben seinem Bett. "Nein, es müssen noch einige Verbindungen hergestellt werden und ein Test kommt auch noch." Schade.

Ich schiele auf seine Vorderseite, oh mein Gott! "Scheiße!" Muss das jetzt wirklich passieren?! Sofort schlinge ich meine Arme um seinen Rumpf, damit er es nicht sieht. "Was ist passiert?" Ich habe dich angeblutet, Ardan. Mir steigt die Hitze ins Gesicht. "Nur ein kleiner Unfall", quietsche ich. Ardan beugt sich zu mir nach vorne, weshalb ich mein Gesicht gegen seinen Bauch drücke. "Wo?" Ich ziehe ihn auf mich, damit er es nicht sehen muss. "Mopsi, du erdrückst dich." "Nein, alles gut." Wie konnte ich so einen Blutfleck auf seinem Schoß hinterlassen? "Was versteckst du vor mir?" Wimmernd kämpfe ich gegen Ardan, der sich hochdrückt und dann meine Hände aufs Bett drückt. "Nein!", flehe ich. Ardan sucht das Bett und mich ab, aber er kommt nicht auf die Idee, an sich hinunterzuschauen, obwohl ich doch vor meiner Hysterie genau auf seinen Schoß geschaut habe. Vielleicht bleibt er auch unwissend. Nein, er soll nicht zum Spiegel! Ich ziehe ihn murrend am Saum seines Pullovers zurück, aber er sieht es trotzdem. Ohne zu zögern fängt er an zu lachen. Na toll, ausgerechnet jetzt blute ich wieder! "Mopsi, ich ... ich kann nicht mehr!" Es ist schön, dass er sich wegen meines Unfalls kaputtlacht, aber ich schaue nur entgeistert zu, wie er lacht und muss nach meinem Rucksack greifen, um mir meine Binde rauszuholen und mich frisch zu machen. "Ich komme gleich wieder." "Lass dir Zeit, du roter Stempel." "Ardan!", kreische ich. Er lacht nur.

Wieder frisch untenrum, betrete ich das Zimmer. Ardan liegt grinsend auf seinem Bett. Seine Arme hat er hinter seinem Kopf verschränkt und ein Bein hat er angewinkelt, sodass man schön den nicht gerade kleinen Blutfleck auf seiner Jogginghose perfekt sieht. "Muss das sein?", quengele ich. "Ich habe dir doch schon einmal erzählt, dass ich es blutig liebe. Ein wahrer Pirat sticht auch ins rote Meer, Stempel." "Stempel? Ernsthaft?", pruste ich. "Ja, das ist dein Spitzname, Mopsi." "Aber Stempel?" "Ich finde ihn sehr passend. Du hast deine Initialen auf mir hinterlassen." Sein Blick gleitet schmunzelnd auf seinen Schoß und wieder zurück. "Was Mama wohl dazu sagen wird?" "Nein!", kreische ich. Ich kann die Jogginghose auch nicht mit nach Hause nehmen und dort waschen. "Du ... das darf nicht sein. Die Jogginghose muss nach links gewaschen werden. Zieh dir eine neue an, sofort!" Hektisch ziehe ich an seiner Jogginghose. "Mann, bist du aber dominant, Mopsi." Er kann nicht aufhören zu grinsen. Na super! Ich gebe ihm die neue Jogginghose und ziehe bei der Schmutzigen von Innen die Hosenbeinen nach außen, damit der Fleck so weniger sichtbar ist. Als ich sie entsorgen konnte, setze ich mich murrend aufs Bett. Es ist mir durch die Hose gelaufen, toll! "Soll ich dir auch eine Jogginghose geben? Ich habe noch eine in schwarz." "Geht schon." "Sicher? Du kannst sie ruhig anziehen. Mir macht das bisschen Blut nichts aus." "Alles gut. Am Ende muss ich mir die Jogginghose sowieso wieder ausziehen ... obwohl. Doch, ich will sie anziehen."

Ardan gibt mir seine schwarze Jogginghose und geht nach unten, um mir eine Wärmeflasche zu holen. Meine Hose lege ich gefaltet auf seinen Schreibtisch und stelle mich vor seinen Spiegel. Die Jogginghose sitzt an meinen Hüften gut, auch wenn ich den Bund für meinen Po dehnen musste, aber sie ist viel zu lang. Egal, solange ich mich darin wohlfühle, ist es mir recht. Ardan kommt mit der Wärmeflasche und Puffreis zurück. "Magst du etwas trinken?" "Ich hole es mir schon selber, aber danke. Komm zu mir." "Kommen tue ich gerne." Ich halte inne. Mein Schmunzeln zeigt Gefallen an seinem schmutzigen Satz. "Und morgen soll ich dir wieder helfen?" "So habe ich es mir vorgestellt." "Und wenn ich es nicht will?" "Dann bin ich zutiefst verletzt und du wirst unter meinen Schlägen leiden." Mein Satz scheint ihn zu amüsieren. Er zieht mich an sich und haut mir auf den Hintern. "Ich schlage dich gleich wirklich!" "Sehr romantisch, meine Gute." Ich lege mich vorsichtig auf seinen Oberkörper, nachdem ich die Wärmeflasche an meinen Bauch drücke und will langsam meine Hand zu seiner Brust bewegen, als er sie dann enttäuschender Weise zu seinem Mund führt und sie küsst. "Wieso? Ich weiß es doch." "Das heilt leider nicht die Wunden. Nimm es mir bitte nicht übel. Ich weiß, dass es dein liebster Ort ist, aber für mich ist das nicht schön." Dass er es nicht schön findet, demotiviert mich. "Aber wieso hast du es dann zugelassen, als du mir von deiner Herzkrankheit erzählt hast?" "Du warst komplett aufgelöst. Da wollte ich dir das nicht nehmen."

"Werde ich dich niemals da berühren können?" Ardan seufzt nur. "Ich will nicht darüber reden", sagt er rau. Ich schlucke unwohl. Wir befinden uns wieder auf einer wackeligen Ebene. "Wirst du mir noch etwas über deine Vergangenheit erzählen?" "Was soll ich dir Großartiges erzählen?", bemüht er sich neutral zu fragen, obwohl er womöglich schroff oder erbost antworten will. Das minimiert meine gute Laune, aber ich bin dennoch hin und her gerissen, was seine Vergangenheit angeht. "Weiß ich nicht. Du hast mir doch auch von der Krähe erzählt." "Wenn ich mich frei genug fühle, dann erzähle ich dir etwas." Hm, okay. Ich nicke leicht. "Und wieso fühlst du dich nicht immer frei bei mir?" "Ich habe dir nur von meiner Krankheit erzählt, weil du mir keine Wahl gelassen hast." Autsch. Das tut schon weh, auch wenn er recht hat. Aber wieso meinte er dann, dass er sich mir öffnen konnte? Und wieso benimmt er sich jetzt so? So kalt und leicht rücksichtslos. "Ich ... ich wollte doch nur endlich Klarheit haben." Ich rutsche weg von ihm, damit ich ihn anschauen kann. Seine Mimik ist leicht angespannt. "Und wenn ich mich geweigert hätte, es dir zu offenbaren, hättest du mich dann verlassen?" "Nein", murmele ich. "Und was sollte es dann?" "Was soll das jetzt von dir?", stelle ich ihm leicht aufgebracht die Gegenfrage. Was ist jetzt los mit ihm? Warum muss er sich jetzt so verhalten? "Wieso kämpfst du jetzt gegen mich? Ich verstehe dein Problem überhaupt nicht." "Du verstehst so einiges nicht, aber tust trotzdem das, was du willst." Seine Worte treffen mich ungemein, obwohl ich es nicht so sehe, wie er es tut. Es stört mich einfach, dass es ausgerechnet von ihm kommt.

"Kriege ich denn von dir die Lösung, damit ich mich richtig verhalte? Nein!" Meine Hände zittern, mein Herz fängt an, schneller zu schlagen. Wieso setzt er jetzt zum Gegenkampf an? "Das kannst du nicht von mir erwarten." "Dann erwarte du nicht von mir, dass ich mich deiner Meinung nach richtig verhalte! Wieso verhältst du dich denn nicht richtig? Wo sind deine Moralen und schlauen Gedanken? Verlassen sie dich, wenn du dich einkapselst?", sprudelt es aus mir. Ardan wendet schnaubend den Blick von meinem Gesicht ab. Mir steigen vor Wut die Tränen auf, die ich aber mit Mühe wegblinzeln kann. Meine Luftröhre verengt sich ein wenig. Mein Herz schlägt immer noch schneller. Ich hasse Auseinandersetzungen, da ich immer so schnell emotional werde. "Ich kann mich nicht dafür entschuldigen, dass ich mit Mühe versuche, dir zu helfen, du mich aber plötzlich so abblockst. Du magst die fehlende Akzeptanz nicht und wenn du mich abblockst, gibst du mir das Gefühl der fehlenden Akzeptanz. Das macht dich zum Heuchler, Ardan!" "Ich bin kein Heuchler!", herrscht er mich plötzlich an. Er kommt mir bei seiner Aussage ruckartig nahe. Ardan ist wütend, aber er versucht sich zu beherrschen ... was bringt das denn noch? "Zügele deine Zunge, Cana. Du kennst mich vielleicht am besten, aber du kennst trotzdem nicht alles. Du weißt nicht, wie es ist, wenn man isoliert aufwächst. Du weißt nicht, wie es ist, wegen seiner Krankheit ausgeschlossen zu werden und somit das Gefühl zu bekommen, dass man aufgrund seiner Krankheit minderwertig ist. Du weißt deshalb auch nicht, dass man sich Mechanismen aneignet. Du weißt zu vieles nicht!", brüllt er am Ende.

Mein Herz zieht sich zusammen. Das allbekannte, elektrisierende Gefühl übermannt meinen Brustkorb und meine Handballen. Ich kriege durch meinen Klos, der den Druck auf meinem Nacken unterstützt, nur schwer Luft. Meine Wut und Verletzung häufen sich. Sie wirbeln in einem Sturm auf, den ich nicht rauslassen will - vielleicht nur einen Windstoß davon. "Du weißt doch genauso wenig, durch deine Isolation. Wir beide können nichts dafür, aber statt dort stehenzubleiben, wo die Wunden sind, kannst du auch einfach meine Hand nehmen. Ich bin dein Ersatzherz. Ich bin deine, dir helfende Person. Ich will vieles wissen, aber das geht nicht, wenn du dich verschließt", flüstere ich am Ende, weil meine Stimme brechen will. Ich weiß überhaupt nicht, wie es so schnell in so einem Desaster enden konnte. Es kommt mir so vor, als ob die positive Stimmung nur für wenige Sekunden gehalten hat. Es kam unerwartet, zu unerwartet. Ardan senkt zögernd seinen Blick, als er mir in die Augen sieht und schluckt. Ich wische mir frustriert meine Träne weg. Wieder einmal würde ich zu gerne in seinen Kopf gucken können. Was geht in ihm vor sich? Wieso hat er so reagiert? Was für einen Gedankengang hat er in dieser Situation und welcher Gedankengang hat ihn gerade eben zu seinem Tun verleitet? "Sobald deine Mutter kommt, gehe ich. Ich möchte dich nicht alleine lassen, für den Fall, dass etwas passiert", setze ich mit tieferer Stimme an. Noch wurden die Notrufknöpfe nicht als sicher gewertet und ich will nichts riskieren.

Ich warte nur auf das Nicken seinerseits und drehe ihm dann den Rücken zu. Ich will gar nicht gehen, aber ich will nicht bleiben müssen, wenn er so zu mir ist. Am besten ziehe ich mir jetzt schon mal meine Jeans wieder an. Er wird durch den langen Pullover sowieso nichts sehen können. Seine Jogginghose packe ich in seinen Schrank zurück und bemerke, wie er aus dem Zimmer geht. Wohin will er jetzt? Er geht nicht in sein Badezimmer, aber auch nicht nach unten. Also geht er auf das Dach. Ich war einmal da und es war ein wunderschöner Tag. Seine Gedanken haben meine Sinne zum Blühen gebracht, so schön, wie Ardan geredet hat und jetzt? Jetzt feuert er gegen mich. Ich bin natürlich traurig, weil er so zu mir ist, aber ich bin auch traurig, weil er so zu sich selbst ist. Er darf sich nicht vor mir einkapseln. Nicht, nachdem ich ihn doch trotz seiner Krankheit akzeptiere. Ich reibe mir lustlos die Hände. Hoffentlich braucht die Mutter nicht mehr lange, bis sie kommt. Solange nehme ich mir sein Büchlein zur Hand und lese mir wieder die Seiten durch. Er hat wieder neue Zitate hinzugefügt - das erkenne ich am Lesebändchen. Mir ist nichts vertrauter als der Schmerz, den ich mir zufüge, wenn ich ihnen Freude bereite; da es bald vorbei ist. Ich fahre mit verzerrter Miene über die schwarze Tinte. Ich weiß genau, was er meint und es lässt meine Augen leicht tränen. So oft hat er eine Maske aufgesetzt, ohne es sich nur ein Ticken anmerken zu lassen. Ich konnte nur einige Male dahinter blicken, aber dennoch hätte ich nie mit solchen Dingen gerechnet.

Ich blättere seufzend weiter. Obwohl ich die Sätze nicht einmal lese, erschaudere ich. Ich kann den Blick ihrer goldenen Augen nicht standhalten. Ich kann die Lügen nicht mehr standhalten, die ich in ihr engelsgleiches Gesicht sage. Ich fürchte mich vor dem Tag, an dem ich sie nicht mehr in meinen Armen halten kann. Mein Gesicht verzieht sich leicht. Ich sollte es vielleicht nicht lesen, aber ich will nicht aufhören. Mir ist der Tag verhasst, der sich durch ihre Tränen in mein Gedächtnis gebrannt hat. Kommt vielleicht auch ein schöneres Zitat? Etwas Positiveres? Unten geht die Tür auf, also kann ich gehen. Ich wollte sowieso nicht mehr weiterblättern. "Ardan?", ruft die Mutter. Ich höre Roxys Pfoten auf dem Boden widerhallen. Ich ziehe mir schon mal meine Jacke und schultere meinen Rucksack, nachdem ich das Büchlein auf seinen Nachttisch lege. "Ardan?", fragt die Mutter noch einmal. Als sie die Treppen hinaufläuft bleibt sie stehen, als sie mich sieht. "Hallo, Cana. Wo ist Ardan?" "Ich glaube auf dem Dach", murmele ich. Sie zieht besorgt die Augenbrauen zusammen. "Was ist passiert?" Mir wird ganz mulmig bei den Gedanken. Ich zucke deprimiert die Schultern. "Wir haben uns gestritten und dann habe ich gewartet, bis du kommst, damit ich gehen kann." Sie seufzt mitfühlend. "Willst du nicht bis zum Essen bleiben?" "Heute nicht", flüstere ich. Gerade möchte ich einfach nur nach Hause und in meinem Bett liegen, wo ich in Ruhe meinen Gefühlen freien Lauf lassen kann. "Das wird schon wieder", muntert sie mich mit ihrer sanften Stimme auf. Ich verabschiede mich mit einer Umarmung von ihr und Roxy und trete aus dem Haus. Paare streiten sich. Das ist etwas, was oft vorkommt. Ich seufze lustlos.

Es wird schon wieder.

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Da am Montag die Schule wieder beginnt, kommen keine regelmäßigen Kapitel mehr.

- Helo

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