Kapitel 82
Halsey - Without Me
Es mag sein, dass diese fast drei Wochen bewusster Distanzierung von Ardan falsch sind, aber ich kann seit Mamas Aussage nicht mehr so denken, wie zuvor. Ich habe mich in meinem Lernstoff vergraben und bedauere sogar, dass die Klausurphase für mich zu Ende ist. Und sein Geburtstag steht auch noch vor der Tür. Ich will nicht darüber reden und das ist komplett falsch. So darf ich nicht sein, aber alles in mir sträubt sich dagegen, mit Ardan darüber sprechen zu wollen. Ich tue mir selber damit keinen Gefallen und eigentlich würde ich mir selber einen Schlag gegen den Hinterkopf verpassen, weil ich so stur reagiere, aber andererseits haben wir uns nur einen Monat vage gesehen und es ist nichts passiert. Wie soll ich die Sache nur angehen? Kann ich nicht noch eine Klausur schreiben, damit ich den Gedanken verschieben kann? Ich bin so froh, dass ich weder in den Klausuren, noch beim Lernen an mein Problem gedacht habe. Ich lag nach jeder Klausur einfach im Bett und habe ein winziges Brainstorming gemacht - mehr auch nicht. Auf seine Nachrichten habe ich nur ganz knapp geantwortet. Es tut mir leid, dass ich mich so distanziert verhalte, während er mich voller Wärme empfängt und mich sorgsam ausfragt. Er bietet mir seine Hilfe an und fragt mich, ob ich einen Wunsch habe und ich blocke ihn so skrupellos ab. Im Sportunterricht sehen wir uns am meisten, da beide Sportkurse in der Halle sind und oftmals zu den Freunden in den anderen Kurs rennen - gerade deshalb habe ich keine Lust auf Sport.
"Cana?" Ich entferne mein Bettelarmband und tue es mit einem trägen Blick in mein lila Samtsäckchen. Die Kette verstecke ich unter meinem T-Shirt. Das ist sowieso nicht tief geschnitten. Erst dann reagiere ich auf Yasmin. "Was ist los?" Als Antwort zucke ich mit meinen Schultern. Ich weiß irgendwie, was mein Problem ist, aber irgendwie weiß ich es auch nicht, weil es eher nur eine Hypothese ist und kein bestätigtes Problem. Es kann alles eine Einbildung sein, aber es gibt Dinge, die diese Einbildungen eben nicht als reine Einbildungen erscheinen lassen. Es kann alles ein Zufall sein oder wirklich eine Botschaft. Und ich? Ich werde wohl das kleine Opfer sein. Ich will nichts bereuen. Ich will mir weder Druck noch Stress machen, aber beides verspüre ich seit Tagen immer mehr. Ich will mich in mein Bett legen und mich für einen Moment ausweinen oder so, nur um dann neue Kraft zu sammeln. Aber das wird mein Problem nicht wirklich lösen; ich muss mit Ardan reden. Von ihm fordere ich doch dasselbe, wieso mache ich es dann nicht? Meinen Blick halte ich gesenkt, als ich in die Sporthalle trete. Wieso brauchen alle immer so lange? Sie reden bestimmt alle noch unter sich und albern herum. Wenn ich gut gelaunt wäre, dann würde ich es auch tun. Soll ich mich heute mit ihm treffen und es ansprechen? Ich weiß nicht so recht ... mir fehlt der Wille dazu. Wieso habe ich so negative und falsche Gedanken? Ich will meine Beziehung nicht gefährden. Voller Frustration seufze ich gegen meine Hände, die mir über mein Gesicht fahren.
"Was ist los?" Wieso spricht er mich jetzt an? Ich hebe trocken den Blick zu Kayas Gesicht an. "Wieso so traurig?" Er setzt sich zu mir auf die Bank. Unauffällig rutsche ich weg von ihm. Das Letzte, was ich will, ist es, dass es zu einem Missverständnis kommt. "Na los, erzähl es mir." Wieso rutscht er jetzt so nah auf? Er macht mich wütend. "Ardan!", stöhnt ihre Drecksstimme schon fast. Wie ich dieses Miststück hasse! Wieso ruft Didem jetzt nach Ardan? Ich werde unruhig, wippe mit meinem Bein herum. "Mann, wieso bist du so?" "Was willst du eigentlich von mir?", brülle ich Kaya schon fast an. Merkt er nicht, dass ich nicht mit ihm reden will? Begreifen Typen es überhaupt nicht, wenn man kein Bedarf hat? "Ich will nicht mit dir reden, also lass mich doch einfach in Ruhe! Was muss dir meine Körpersprache denn noch sagen?" Einige treten jetzt aus den Kabinen. Ach, jetzt sind sie alle plötzlich fertig oder was? "Chill doch." Gott, macht er mich wütend! "Halt doch einfach dein Maul und hör auf, mich zu nerven!" Meine Augen sind schon ganz glasig. Ich will mir nicht noch mehr Stress antun und dann kommt dieser braunäugige Idiot. "Was ist los?" Ich spanne mich unwillkürlich an, als sich Ardan zu uns stellt. Keinen Stress machen. Mach dir keinen Stress, rede ich mir innerlich selber zu. Ardan schaut streng zu Kaya und bemerkt den geringen Abstand zwischen uns. "Wieso lässt du sie nicht in Ruhe?" "Bist du ihr Bodyguard oder was?", fragt Kaya spöttisch. Ardans Brust wirkt durch seine Position breiter und aufgeplusterter. "Bin ich." Trotz seines strengen Blickes bleibt Ardan ruhig.
"Junge, geh mal weg. Keiner wollte dich hier haben." Er soll das nicht zu ihm sagen! Meine Brust bebt bei diesem Satz, weil ich weiß, was für eine Wirkung das auf Ardan haben kann. "Wer will dich denn hier haben?! Du setzt dich ohne Grund zu mir und bedrängst mich, dass ich mit dir reden soll!" "Was schreist du die ganze Zeit so?", brüllt Kaya zurück. Er hebt dabei seine Hand, um seiner Aussage Ausdruck zu verleihen, aber ich zucke trotzdem zurück. Zudem zucke ich ebenfalls zurück, weil Ardan ihn an seinem Arm von der Bank zieht. "Schrei sie nicht an!", presst er hervor. In mir steigt Panik auf. Ich will nicht, dass Ardan sich gefährdet. Er muss vielleicht wieder ins Krankenhaus. Mit zitternden Händen stehe ich auf. Meine Knie biegen sich nicht einmal richtig durch, weil ich mich so stresse. Einige Jungs gehen schon auf die beiden zu, damit sie eine Schlägerei vorbeugen können. Ich schaue mich unruhig nach den anderen um, winke Ramzi schon fast panisch zu mir, als ich ihn sehe. "Für wen hältst du dich?", zischt Kaya Ardan an. Ardan behält die Ruhe, auch wenn seine Körperspannung anderes sagt. Ich bete, dass seine Gesundheit nicht gefährdet wird. Das könnte ich nicht ertragen. Kaya zieht voller Wucht seinen Unterarm aus Ardans Hand, um ihn zu schubsen. Sofort geht Ramzi auf die beiden zu, aber das bringt nichts, weil Ardan Kaya mit einer einfachen Bewegung abblockt. Was stimmt mit Kaya nicht, dass er ihn jetzt wieder attackieren will? "Junge, Kaya, lass ihn in Ruhe!", brüllt Ramzi. Kaya will ausholen. Das reicht Ardan, um seinen Arm mit einem Schlag zu krümmen und auf seinen Rücken zu drehen.
Er hat diese Bewegung so schnell ausgeführt, dass man denken könnte, er hätte Kayas Arm ernsthaft verletzt. "Ey, was ist hier los?", ruft Herr Rinke nun, der auf beide zugeht. Kaya benimmt sich wie ein wildes Tier, der von Ardan festgehalten wird. Ich bewundere seine Ruhe und wie er Kaya überwältigt hat. Wie paralysiert stehe ich an meinem Fleck. Meine Knie zittern, der Druck, der seinen Stammplatz auf meinem Nacken hat, wandert über mein ganzes Gesicht und bringt meine Schläfen zum Dröhnen. Ich weiß nicht, wie ich diese drei Stunden aushalten soll. Herr Rinke führt Kaya zur anderen Seite der Halle. Die meisten bleiben bei Ardan, was mich freut. Sie fragen ihn, was passiert ist und dann kommt er zu mir. Und ich habe ihn fast drei Wochen so behandelt ... ich bin so dumm! "Alles in Ordnung? Was hat er dir getan?" Ramzi zieht seine Augenbrauen zusammen. "Er hat was von Cana gewollt?" Erst jetzt kommen die Mädchen, die gar nicht verstehen, was los ist. Ich will nach Hause. "Was wollte er von dir?", fragt Ardan mich sanft. Ich will nicht in Tränen ausbrechen. Ich will meine Contenance noch halten. "Lasst sie einfach. Vielleicht will sie es uns später erzählen", meint Yasmin dann beruhigend. Ihre Hände massieren meine Schultern. "Du hast recht", stimmt Ardan ihr dann zu. Werden wir es noch diese Tage klären? Es hängt von mir ab, er weiß ja nicht, was los ist. Ich bin gerade gar nicht in der Lage zu reden, weil mich dieser Klos im Hals daran hindert.
Herr Rinke und Kaya kommen zurück. Ardan schenkt ihm gar keine Aufmerksamkeit, doch Kaya ist so dumm und rempelt ihn bewusst an. Ardan tritt einen Schritt nach hinten und hält Ramzi davon ab, sich auf Kaya zu stürzen. "Er ist es nicht wert, Ramzi." Beruhigend lächelt er. Das Lächeln beruhigt selbst mich. "Selbst mich beruhigt dieses Lächeln", sagt Yasmin. Es ist schon fast gruselig, dass sie das sagt, was ich denke. "Das reicht, pack deine Sachen und geh nach Hause!" Herr Rinke ist total wütend, wegen Kayas Verhalten. Der komische Typ schaut jeden im Kurs an und läuft dann in die Kabine. Einige machen sich über ihn lustig, die anderen reden über sein Verhalten. "Der Junge regt mich richtig auf." Ramzi schnalzt verärgert mit seiner Zunge. "Lass dir wegen ihm nicht die Laune verderben", meint Ardan aufmunternd. Ramzi wirkt nur halbwegs entspannt, aber er hört auf Ardan. "Ich bin trotzdem sauer auf ihn." Er schlingt seine Arme um Ardan, der lächelnd seinen Arm um ihn legt. Sein linkes Grübchen sticht stark hervor und auch sein schwaches Grübchen rechts ist zu sehen. "Respekt an dich, dass du so ruhig geblieben bist, Ardan." Innerlich stimme ich Dilan zu. "Was wollte er von Cana? Und wieso schubst er dich?" Ich weiß, dass Ramzi innerlich tobt. Er wird sich noch stundenlang deshalb aufregen. "Er ist doch jetzt weg und wenn Cana bereit ist, dann kann sie uns den Fall schildern." Ich senke den Blick. Ich muss noch einen Fall schildern.
Die drei Stunden Sport verbringen wir entspannt mit Badminton spielen. Ardan musste in seinen Kurs - ich glaube, sie spielen Volleyball. Ramzi ist ebenfalls bei ihm. So hat er Gesellschaft. Aber Didem ist auch da und sie spielen entweder in einem Team oder gegeneinander. Mir gefällt beides nicht, es sei denn, der Volleyball knallt durch Ardans Schlag gegen ihre hässliche Visage. Beim Spielen bin ich auch aktiver. Es lenkt mich Gott sei Dank ab. So kann ich das Zittern loswerden. Was Ardan wohl bei der Auseinandersetzung gefühlt hat? Sein Körper hat sich angespannt. Er war gereizt. Hätte Ardan auch zugeschlagen? Er hat einmal zugeschlagen, aber bei der Person handelte es sich um jemanden, der ihm in seiner Vergangenheit schlechtes angetan hat. Ich lobe ihn immer und immer wieder, weil er so ruhig in der Situation war. Er hätte Kaya sicherlich verletzen können - er macht ja nicht umsonst Krav Maga. Er hat seine Kraft richtig eingesetzt: Ardan hat sich verteidigt, ohne Kaya ernsthaft zu verletzen. Andere hätten sofort zugeschlagen. Wie es wohl jetzt mit Kaya und den anderen wird? Ich glaube nicht, dass er Ramzi noch einmal ansprechen wird. Ich hole zum Schlag aus, Dilan schlägt kräftig zurück und das geht so weiter, bis sie kurz sagt und ich zu spät am Netz bin, um den Ball noch irgendwie zu kriegen. Auch Badminton kann anstrengend sein, aber es ist mein liebster Sport. "Ich geh was trinken", sage ich den Mädchen Bescheid.
Ich muss durch die Halle der anderen laufen, um in meine Kabine zu gelangen. Unsere Sporthalle ist sehr groß und lässt sich durch schwere Vorhänge in drei teilen. Vor der Halle vom anderen Kurs kann man die Notausgangstüren öffnen, die Luft ist hier viel frischer deshalb. Ardan ist mit einigen aus seinem Kurs draußen ... und er schaut mich an. Schnell senke ich den Blick und laufe in meine Kabine. Ich könnte doch einmal kurz zu ihm gehen, soll ich? Zögernd tue ich es. Jetzt ist er alleine dort. Er lächelt warm. Ich kann es nicht gleich stark erwidern. "Irgendetwas stimmt nicht, habe ich recht?" Also ist es ihm doch aufgefallen. "Was ist es? Sag es mir." Seine Stimme ist so sanft. "Ich will nicht hier darüber reden." Verständnisvoll nickt er. "Magst du mir wenigstens sagen, worum es sich handelt?" Es bildet sich wieder Druck auf meinem Nacken. "Ich weiß nicht so recht ... wegen des Videos irgendwie." "Das Video? Ich habe es doch gelöscht. Keiner wird sehen, was ich da bei dir gemacht habe", sagt er dann am Ende leise, als er mit verschränkten Armen auf mich zukommt. Ich gehe sofort einige Schritte zurück. Meine Tat enttäuscht ihn, aber ich kann gerade nicht anders. Außerdem verheimlichen wir unsere Beziehung doch sowieso. Ich flüchte wieder in die Halle. Eigentlich wollte ich mich bei ihm für seine Hilfe bedanken, aber das wurde irgendwie doch nichts. Mamas Worte gehen mir einfach nicht aus dem Kopf. Würde Ardan das auch tun? Wem könnte er es zeigen? Wenn ich daran denke, dass er das Video jemandem zeigen würde, rast mein Herz.
Die Stunden vergehen langsam, zu langsam. Ich will einfach nur nach Hause. Wir haben sowieso nur noch zehn Minuten, also schleiche ich mich weg. Soll ich mich umziehen? Ich habe keine Lust, in meine Jeans zu steigen. Meine Kleidung stopfe ich einfach in meine Tasche, nachdem ich mich mit Deo eingesprüht habe und ziehe nachträglich meine Jacke an. Herr Rinke hat den anderen wohl gesagt, dass sie sich umziehen können ... dachte ich zumindest. Ich hebe den Blick zur Person an, die sich vor mich gestellt hat. Mein Rücken verspürt einen Moment eine Kälte, weil Didem vor mir steht. Ich ziehe meine Kette hervor und binde mir mein Armband um - einfach aus Provokation. "Was?", blaffe ich. Sie lässt sich von meinem Ton nicht provozieren. Wieso ist sie so hibbelig? "Ich habe dir schon mal gesagt, dass du Ardan nicht richtig kennst." "Was willst du von mir?", rufe ich erzürnt. Denkt dieses Weib, dass sie mich mit dieser Aussage beeinflussen kann? "Ardan lügt dich die ganze Zeit an!", bellt sie. Mein Herz setzt aus, aber ich lasse mir nichts anmerken. Nicht vor ihr. Diese Genugtuung gönne ich ihr nicht, auch wenn mein Inneres gerade zu rebellieren beginnt. "Ich weiß auch von diesem einen Video Bescheid, das er hat. Ich wollte dich nur warnen, aber wenn du so hässlich zu mir bist, dann hast du Pech gehabt." Ich zittere. Mein Herz pumpt so unfassbar stark. "Du bist nur eine Wette." Nein. Mein Herz zieht sich schmerzhaft zusammen. Mein ganzer Körper reagiert auf ihre Sätze, aber trotz dessen bleiben meine Gesichtszüge hart und meine Augenbrauen zusammengezogen. Ich darf nicht weinen. Nicht vor ihr.
Ich gehe einen Schritt auf sie zu, packe sie am Kragen ihres T-Shirts. Meine Tat lässt sie keuchen. "Was da zwischen mir und ihm ist, geht dich nichts an!", fauche ich. Sie will sich von mir losmachen, zerrt an meiner zitternden Hand. "Du weißt gar nichts", ist das Letzte, was ich sage, ehe ich die Tür zur Halle für sie öffne und sie da durch schubse. Genau jetzt kommen die Mädels durch die Tür, die gar nicht wissen, was los ist. Ich muss weg. Ich muss augenblicklich weg von hier. Meine Beine zittern, meine Sicht schwindet. Wieso weiß sie davon Bescheid? Du bist nur eine Wette. Ich bin eine Wette? Aber das kann doch nicht sein! Ich flüchte aus der Kabine. Ich brauche Luft. Dass er ausgerechnet jetzt vor meine Augen tritt, lässt mein Herz unfassbar schmerzen. Ich zucke deshalb zusammen. "Cana?" Ich laufe. Ich laufe schnell an ihm vorbei und schubse ihn, als er mich anfassen will. "Cana, warte!" Nein, das kann gar nicht sein! Ardan holt mich ein. Diese Tat macht mich so wütend. Ich winde mich unter seinen Händen, die mich aber zu stark festhalten. "Lass mich los!", fordere ich halb brüchig, halb fest. "Was ist passiert?" Ich schüttele den Kopf. Ich sollte es ihm ins Gesicht brüllen, aber ich will die Demütigung nicht hier präsentieren. "Ich lasse dich so nicht nach Hause. Wir klären das jetzt." Er zieht mich hinter die Halle, wo die meisten nicht hinlaufen. Ich wehre mich dagegen. Ich will weg von ihm. Seine Berührungen sind so schön und so vorsichtig, aber genau das tut mir so weh.
"Dann eben so." Er hebt mich hoch und läuft zügig auf sein Auto zu. "Ich will nicht zu dir!", fauche ich. Trotzdem lasse ich mich auf den hinteren Sitz platzieren. Was stimmt nicht mit mir? Seufzend startet Ardan das Auto. Sein Blick liegt besorgt auf mir. Ich will am liebsten schreien! "Was ist passiert, Cana?" "Du!", rufe ich. Er geht nicht auf meine Antwort ein, sondern fährt schnell los. Ich reagiere so irrational. Das wollte ich nie! Aber meine ganzen Gefühle stauen sich gerade so an, dass mir die Luft zum Atmen weggenommen wird. Meine Sicht schwindet wieder und ich spüre das Ziehen im Herzen deutlich. Diese Botschaft meiner Mutter war mir eine Lehre. Ich hätte von Anfang an auf sie hören sollen. Verdammt, so darf ich auch nicht denken! Meine Gedanken werden in meinem emotionalen Sturm hin und her gewirbelt, sodass immer verschiedene Teile zusammengesetzt und auseinandergerissen werden. Ich finde keine Antwort, keine Ruhe, nur Trauer und Stress. Ich muss meinen Frust rauslassen und das wird fatal enden. Ardan hält in der Garage. Augenblicklich steige ich aus. Ich brauche die Luft, damit sie meine verstopften Lungen irgendwie erfrischen kann. Ich halte meinen Rucksack an mich gedrückt, zucke zurück, als er mich an meinem Rücken zur Haustür führen will. Dass ich Essen rieche, signalisiert mir, dass die Mutter zu Hause ist. Ich will es nicht vor ihr klären. Ich will sie nicht traurig machen. Sie hat mich bestimmt schon durch das Fenster gesehen. Ardan schließt seufzend die Tür auf.
"Cana!" Die gute Laune der Mutter ruft mir die Tränen in den Augen. Als sie meinen Blick sieht, fällt ihr Lächeln. Zitternd ziehe ich mir die Schuhe aus. Meine Tränen tropfen durch das nach vorne Beugen aus meinen Augen. "Was ist passiert?" Sie zieht mich in ihre Arme. Mein Körper zittert augenblicklich bei der Wärme der Mutter. Ich will endlich die Wahrheit wissen. Ist es das, was Ardan die ganze Zeit vor mir verheimlicht? Hat er mich deshalb in jeder Nacht um Verzeihung gebeten? Ich löse mich von der Mutter, um mich zu Ardan zu drehen. Er wirkt unruhig, als er sich durch sein Haar fährt. "Was verheimlichst du die ganze Zeit vor mir?", flüstere ich zitternd. Ardan reagiert nur träge auf meine Frage. Ich spüre die Mutter dicht hinter mir. Sie fährt mir vorsichtig über meinen Rücken. "Was meinst du?" "Stell dich doch nicht so an! Du verheimlichst mir die ganze Zeit etwas!" Am Anfang meines Satzes ist meine Stimme noch fest, aber wieder bricht sie gegen Ende. Ich weiß, dass ich recht habe. Ardan spielt an seinen Fingern, drückt auf seinen Knöcheln herum, bis sie knacksen. "Was ist passiert, Cana?" "Du hast Didem das Video gezeigt!", rufe ich. Ardans Augen weiten sich. Roxy kommt auch dazu. Sie wirkt unruhig und stellt sich zu Ardan. "Was für ein Video?", fragt die Mutter vorsichtig. Beschämt halte ich mir die Hände vor mein Gesicht. Mir steigen wieder die Tränen auf. Ich hätte mir niemals denken können, dass wir irgendwann in so eine Situation kommen würden. Wieso wir? Ardan lügt dich die ganze Zeit an!
"Ich bin nur eine Wette", lache ich schon fast. Ardans Augenbrauen ziehen sich finster zusammen. Seine Brust hebt sich merklich unter seiner Jacke. "Wie kannst du ihr glauben?", versucht er sich noch zu beherrschen. "Woher weiß sie es? Weshalb hast du dich voller Schuldgefühle bei mir entschuldigt?" Er weicht erschrocken einen Schritt zurück. "Du glaubst ihr mehr, als mir? Diesem Mädchen?", ruft er erzürnt. "Sag mir doch die Wahrheit, wenn es nicht stimmen soll!" "Es stimmt nicht, Cana! Wie kannst du so naiv sein? Es ist offensichtlich, dass sie sich zwischen uns stellen will. Es ist offensichtlich, dass du zu emotional bist, um rational zu denken. Es ist offensichtlich, dass du meine Liebe zu dir in Frage stellst!", ruft er. Seine Augen werden glasig, er atmet zittrig. Seine letzte Aussage verschlägt mir den Atem. Tue ich das? Stimmt das wirklich? "Ich bin es leid, dass ich in das Licht des Unrechts gerückt werde. Was denkst du dir eigentlich, Cana?", brüllt Ardan. Mein Herz zieht sich zusammen mit meiner Haltung. Meine Gefühle werden jetzt nur noch stärker im Sturm herumgeschleudert. "Ardan", setzt die Mutter vorsichtig an. "Nein, jetzt nicht." Sein Blick schüchtert mich ein, obwohl er an seine Mutter gerichtet ist. "Wir standen außerhalb der Halle. Der Durchgang ist für jeden zulässig und außerdem waren die Türen geöffnet! Denk doch richtig nach, Cana. Sie hat gelauscht, als du zu mir kamst. Wie kannst du ihr mehr glauben, als mir?" Ardan ist richtig wütend.
Ich bin nicht fähig zu antworten. Es macht Sinn, aber ... aber ich weiß nicht, was los mit mir ist. "Und was war der Grund, dass du dich diese Wochen von mir distanziert hast? Hast du dich diese Wochen komplett von ihr beeinflussen lassen? Machst du vielleicht auch Schluss, wenn sie dir sagt, dass ich dich nicht liebe? Du sollst eine Wette sein? Cana, wie kannst du so einem Mädchen glauben?!", schreit er am Ende so wütend, dass er rot wird. Roxy springt ihn bellend an. Ich zucke wimmernd zurück. Die Mutter hält meine Oberarme fest und sagt Ardan, dass er sich beruhigen soll. "Ich kann mich nicht beruhigen. Ich kann so etwas nicht! Ich kann nicht ruhig bleiben, wenn man mir etwas unterstellt, was überhaupt nicht stimmt. Will irgendjemand auf dieser Erde Glück für mich?!" Er breitet seine Arme bei seiner Frage aus und schaut zur Decke. Mein Kopf dröhnt vor Druck. Meine Sicht schwindet schon in regelmäßigen Abständen, weil die Tränen bei jedem Schrei von ihm in meine Augen schwimmen. "Los, Cana. Sag mir, was du willst. Was soll ich noch tun, damit du mir glaubst? Soll ich dir mein Scheißherz rausreißen?" Er benutzt so selten Schimpfwörter. Das macht mich alles zu unfassbar sensibel. Ich kann nicht sprechen. Ich will so gerne, aber mein Körper blockiert mich. Ich verspüre das Ziehen in meinem Herzen, der Druck auf meinen Schläfen wird immer stärker. Obwohl ich eine große Mitschuld habe, will ich, dass dieser Streit aufhört. "Hast du Didem vielleicht auch noch zugestimmt?", fragt er mich zynisch. Ich verneine es. "Ich habe vor ihr getan, als ob ich ihr nicht glaube", murmele ich sanft, in der Hoffnung, dass es seine Wut verpuffen lässt - ein lächerlicher Versuch.
"Vor ihr so getan?" Er lacht fassungslos auf. Ardan rauft sich mit einem frustrierenden Knurren die Haare. "Ich könnte vor Wut wirklich weinen", flüstert er, als er seine Ellbogen auf dem hohen Schuhschrank abstützt und sein Gesicht in seinen Händen vergräbt. "Ardan?", fragt die Mutter zögernd. "Alles gut ... noch ist nichts passiert." Was meint er? Ich schaue fragend zu Mutter. Ihr Gesicht ist vor Trauer verzogen. "Ardan", flüstere ich. "Was willst du, Cana? Was möchtest du von mir?" In seinen so schönen, grünen Augen sehe ich so viel Trauer und Wut. Er fühlt sich hintergangen. Mühselig schlucke ich den Klos im Hals hinunter. "Was verheimlichst du vor mir?", traue ich mich dann zu fragen. Ich weiß, dass da etwas ist und deshalb kann ich mir nicht die komplette Schuld für diesen Streit geben. Diese Situation mit Didems skrupellosen Erfolg hat so perfekt in die Lücke gepasst, um dieses Rätsel für mich zu lösen, dass ich wirklich so leichtsinnig war und es geglaubt habe. Ardan schaut mich undefinierbar an. Für mich steht momentan alles still, durch diesen Blick. Ich kann nichts daraus ableiten. Ich sehe nur Angst und Wut in seinen schönen, kräftig-grünen Augen. Er wirkt so, als ob er Kraft sammeln will. Wird er es mir sagen? "Ich werde es dir sagen", setzt er rau an. Mein Herz bebt. Der Druck, die Schmerzen, meine Trauer: sie verschwinden alle augenblicklich. "Aber erst an meinem Geburtstag und das auch nur vielleicht." Er schaut an mir vorbei, wahrscheinlich zu seiner Mutter, die aufmunternd meine Oberarme drückt.
Die momentane Stimmung ist unbeschreiblich. Trotz der kleinen Ankurbelung meiner Laune kommt meine Trauer wieder. Ich habe uns in so eine Situation gebracht, in der ich ihn so enttäuscht habe. Ich kann ihm deshalb nicht böse sein, aber ich kann auch mir nicht komplett böse sein. Er ist weinend aus dem Zimmer gegangen und hat mich angefleht, dass ich ihm verzeihen soll. Da kann ich doch nicht denken, dass es ein kleiner Fehler ist. "Ich schaue kurz nach dem Essen", durchbricht die Mutter betreten die Stille. Ich habe Angst, auf ihn zuzugehen. Er könnte mich mit dem besten Recht abweisen und genau deshalb tue ich es nicht. Diese Abweisung würde mir sehr wehtun. "Du hast jedes Recht, sauer zu sein", murmele ich. Ardan schnaubt. "Dieses Recht werde ich auch ausnutzen." Obwohl ich ihm zustimme, tut es mir im Herzen weh. "Wie lange wirst du nicht mit mir reden wollen?" "Ich weiß nicht. Vielleicht fast drei Wochen?" Sein zynisches Verhalten verletzt mich ungemein, aber was habe ich auch erwartet? "Fast drei Wochen, Cana. Mehr als vierzehn gottverdammte Tage hast du kein Wort in der Schule mit mir gesprochen oder mich angeschaut!", brüllt er wieder. Das Ermahnen der Mutter ignoriert er gekonnt. Ich senke unwohl den Blick. Sein Schreien ruft mir immer die Tränen in die Augen. "Hat dir in dieser Zeit noch jemand irgendeine Lüge über mich gesagt? Vielleicht, dass ich dich einfach ausnutze, um mich besser zu fühlen?" Ich verneine es. Ich fühle mich doch schon schlecht und schäme mich. Muss er jetzt auf meinen Gefühlen herumhacken?
"Mama ... sie hat mir von einem Mädchen erzählt", schniefe ich. Dass die Mutter wieder zu mir kommt und mich aufmunternd streichelt, tut gut. Ich brauche diese Wärme, die Ardan mir gerade nicht geben möchte. "Das Mädchen wurde von einem Jungen skrupellos ausgenutzt und er hat sie dann gedemütigt. Sie hatte so eine Angst, dass es auch mir passiert und ich hatte ebenfalls Angst, weil du mir Dinge verheimlichst." Er hebt seine Hand. Sein Blick ist hart und verärgert. "Ich will nichts mehr dazu hören. Ich verbitte mir diese lächerlichen Anschuldigungen und Vergleiche." Niedergeschlagen nicke ich. Er hat ja recht ... aber trotzdem. Ich finde es schade, dass nur ich beide Sichten nachvollziehen kann und er nur seine. Sonst betrachtet er doch auch das Ganze. "Wollt ihr essen?" Ich verneine es. "Ich habe keinen Appetit", flüstere ich. Ich will sofort nach Hause. "Lass mich dir wenigstens etwas einpacken, Liebes." Die Mutter schiebt mich sanft in die Küche und packt mir Koteletts und Backkartoffeln in eine Tupperdose. "Komm her." Ich schniefe krampfhaft, als sie mich in ihre Arme zieht und meine Schläfe küsst. "Ich wollte nicht so reagieren, aber ich konnte nicht anders", flüstere ich. Meine Tränen sind ganz heiß. "Sh, alles wird gut. Du brauchst dich nicht vor mir zu rechtfertigen. Ich verstehe dich und deine Angst. Kein Mädchen dieser Welt will von seiner großen Liebe ausgenutzt und gedemütigt werden." Ihre Augen werden glasig. "Setz dich noch ein wenig und beruhige dich. Vielleicht kannst du ja doch etwas essen. Ich will dich nicht so nach Hause lassen, meine Liebe." Ich gehe ihrer Bitte nach.
Wir essen im Wohnzimmer und nicht in der Küche. Ardan muss wohl in sein Zimmer geflüchtet sein, als ich mit der Mutter in der Küche stand. "Meinst du, du kannst mir erzählen, was für ein Video das war?", fragt sie vorsichtig. Meine Wangen erhitzen, wenn ich daran denke. "Es war ziemlich intim." Ich weiß nicht, woher ich diesen Mut habe, es zu sagen. Vielleicht ist es die Kraft meiner Psyche, um mich zu entlasten - das habe ich sehr nötig. Die Mutter hält in ihrer Bewegung inne. Ihr Gesicht ist total blass. "Cana ... ihr habt euch doch nicht aufgenommen, während ihr-," "Nein, nein!", beruhige ich sie. Oh Gott! Das würde ich niemals zulassen. Sie ist total schockiert und scheint sich nur schwer zu beruhigen. "Also kein ... nichts mit Sex?" Ich verneine es. Ardans Mutter legt ihre Gabel zurück, um sich seufzend über ihr Gesicht zu fahren und auf Türkisch Gott zu danken. "Tut mir leid, ich hatte nur eine Heidenangst, dass ... Jugendliche haben manchmal Fantasien." Sie schüttelt traurig den Kopf. "Es war nur ein Video von einer Aufnahme. Im Flur ist bei euch auch eine Kamera und da hat Ardan mich halt intensiv geküsst." Dass es an meinen Schenkeln war, lasse ich raus. "Und dann meinte er, dass er es löschen würde, weil ich nicht will, dass ihr so etwas seht. Das ist mir halt peinlich und sehr intim." Die Mutter summt verstehend. "Dann habe ich eines Tages in seiner Galerie das Video gesehen und dann war das ebenfalls ein Puzzlestück in meinem unvollständigen Rätsel. Einmal war er total aufbracht und am Weinen und hat sich entschuldigt, aber ich wusste nicht weshalb."
"Ich kann die Angst deiner Mutter verstehen und dass es sich auf dich übertragen hat. Bei Töchtern ist man einfach so viel vorsichtiger als bei Söhnen. Manchmal mache ich mir auch Sorgen um dich, wenn du alleine nach Hause gehst. Am liebsten will ich Ardan als Begleitung nachschicken, von mir aus soll er mehrere Meter Abstand zu dir halten, nur damit ich mich vergewissern kann, dass dir nichts passiert. Hätte ich eine Tochter, dann hätte ich auch totale Bedenken, wenn sie einen Freund hätte. Das ist zwar falsch, weil ich einen Sohn habe und er ebenfalls eine Beziehung führt, aber es ist so schwer zu erklären. Ein Junge kann ebenfalls ein gebrochenes Herz tragen, aber meistens sind es die Mädchen, die mehr Demütigung abkriegen. Deshalb will deine Mutter auch nicht, dass du jetzt keine Beziehung führst." "Aber könnte mir das nicht auch passieren, wenn ich älter werde?" Sie lächelt. "Die Wahrscheinlichkeit nimmt meiner Meinung nach ab. Man denkt zudem anders." Das stimmt. "Willst du noch mehr?" Ich verneine es. Ich bin satt. "Dann lass dich noch einmal ganz fest drücken." Das fühlt sich so unglaublich gut an, eine Mutter zu haben, mit der ich reden kann. Ich hätte nicht gedacht, dass ich innerhalb dieser halben Stunde bessere Laune kriege, aber sie hat es geschafft. "Dankeschön. Mir geht es viel besser." "Das freut mich zu hören, meine Liebe. Bleibst du noch ein wenig oder gehst du jetzt schon?" Sie schmollt, als ich ihr sage, dass ich gehe. "Oder ich bleibe noch bis kurz vor acht." "Ja! Das wäre schön, heute habe ich keine Aufträge. Aber zuerst muss ich mich um meinen Sohn kümmern."
"Es hat mich echt gefreut, etwas Zeit mit dir verbringen zu können, Cana. Hoffentlich können wir das wiederholen, ohne Trauer ausgesetzt zu sein." Ich nicke bekräftigend. "Wir sehen uns dann an Ardans Geburtstag wieder." "Hoffentlich." Sie gibt mir einen letzten Kuss auf die Wange und begleitet mich ein Stück. Sie sagt mir, dass sie so lange hier stehen bleiben wird, bis sie mich nicht mehr sieht. Außerdem soll ich ihr Bescheid geben, wenn ich zu Hause bin, was ich auch sofort mache, als ich durch die Haustür laufe. "Wo warst du?", fragt Aiman mich streng. Damit habe ich jetzt nicht gerechnet. Ich ziehe meine Augenbrauen zusammen. "Bei einer Freundin." "Und wieso sagst du uns nicht Bescheid?" Wieso ist er jetzt so aggressiv? "Jetzt komm mal runter. Ihr geht es gut", mischt sich Amir ein. Aiman schaut uns beide undefinierbar an und verschwindet dann wieder in die Küche. Der Junge ist echt komisch. Davon lasse ich mich einfach nicht beirren. Ich lege oben meine Sachen ab und gehe ein wenig in den Garten. Rocky hat seine Schnauze in das gebuddelte Loch neben dem Grab meines Bruders gelegt. "Hey, was ist los?" Das tut er nur, wenn er traurig ist. Ich kraule ihn. "Was ist mit Rocky?", rufe ich. Er winselt und will gar nicht mit Tyson spielen. "Ich habe keine Ahnung. Als wir nach Hause gekommen sind, war er auch so." Ich tröste meinen traurigen Berner Sennenhund. Das lässt mich noch besser fühlen. So kann ich meinen Stress weiter abbauen.
Mama kommt nach Hause. Anscheinend muss Baba noch etwas im Krankenhaus erledigen. "Na, meine Süßen?", seufzt sie. Sie holt sich von jedem einen Kuss ab und kommt dann zu mir in den Garten, um sich den Kuss auch von mir zu holen. "Was hat unser Rocky denn?" Mama schaut sich Rocky genauestens an und tastet seinen Bauch ab. "Was hat unser Schatz?", schmollt sie. Rocky stupst sie an und zieht sie an ihrem Mantel zu seinem Futternapf. "Oh nein. Wer hat Rockys Futter eingefüllt?", fragt sie. Amir hebt vorsichtig die Hand. "Freitags kriegt Rocky sein Lieblingstrockenfutter und ihr habt ihm Feuchtfutter gegeben. Habt ihr die Dose weggeschmissen?" Amir verneint es und holt sie. "Mein armer Junge hat sein Essen nicht bekommen und ist jetzt traurig", schmollt Mama. Rocky sitzt mit seinem traurigsten Hundeblick vor Mama, die ihm sein Trockenfutter holt. Sofort ist Rocky wieder glücklich und springt Mama an. "Sitz, Rocky." Mama lässt ihn noch einen Trick machen, füllt ihm aber dann sein heißgeliebtes Trockenfutter in seinen Napf. Früher hat er viel zu viel Trockenfutter gegessen, weshalb er auf Diät gehen musste und jetzt kriegt er es nur noch jeden Freitag. "Und jetzt kümmern wir uns um dich, Cana." Um mich? "Ich sehe, dass dir etwas fehlt. Erzähl es deiner Mama." Aiman und Adam sind zum Glück in ihr Zimmer gegangen. Amir setzt sich aber zu uns. Ich werde sowieso nicht über mein richtiges Problem reden, aber es stört mich trotzdem, dass Amir hier sitzt.
"Na los, sag es mir." Sie drückt mich summend an sich. "Was bedrückt dich, Süße?" "Die Schule", murmele ich. "So sehr, Cana?", fragt sie sanft und entsetzt zu gleich. Mama seufzt. "Ja, diese Klausuren sind sicherlich nicht gut ausgefallen." "Du kannst dich jederzeit verbessern. Das nächste Halbjahr kannst du aufholen und deine mündliche Mitarbeit zählt zu fünfzig Prozent. Du sagst doch, dass du mündlich sehr aktiv bist." Ich nicke. "Dann würdest du noch im Zweierbereich sein, wenn du eine Drei oder Vier schreiben würdest." "Aber damit erziele ich nicht den dämlichen, erwünschten Schnitt." Und ich will doch unbedingt Medizin studieren. "Ich finde den NC auch sehr scheiße, Cana", seufzt sie. "Ich weiß nicht, weshalb sie ihn immer noch so hoch gesetzt haben. Selbst die Medizinstudenten können nicht alles. Es gibt so viele Ärzte, die den Einserschnitt haben und trotzdem inkompetent sind - mal abgesehen davon, dass die schulische Intelligenz nicht der allgemeinen Intelligenz entspricht." Sie fährt mir aufmunternd über meinen Rücken. "Willst du wirklich Medizin studieren?" Wieso fragt sie das? Ich schaue nickend zu ihr hoch. "Warum?" "Nicht, dass du dir deshalb Druck machst, um mich und deinen Vater stolz zu machen. Ich sollte mit Adam und Aiman auch deshalb lieber darüber reden. Du wirkst so gestresst von der Schule und das will ich nicht. Natürlich will ich, dass ihr alle sehr erfolgreich werdet, aber wenn ihr euch so einzwängt, dann wollen wir das nicht. Bei Adam und Aiman hatte ich nie das Gefühl, aber ich sollte sie trotzdem darauf ansprechen."
Auch wenn ich mit Mama nicht über mein fundamentales Problem gesprochen habe, hat auch sie mich beruhigen und entspannen können. Ist das so eine Gabe, die Mütter in sich tragen? Inzwischen sitzen wir alle im Wohnzimmer und schauen uns einen Film an. Wie wird die nächste Woche? Wir haben schon die Geschenke für Ardan, aber er hat noch nichts zu seinem Geburtstag gesagt. Ich habe mit den anderen noch Geld zusammengeschmissen, damit wir ihm etwas holen können. So habe ich auch ein besseres gewissen, was die Größe meines Geschenkes angeht. Ich weiß, dass es auf die Qualität ankommt und nicht unbedingt auf die Quantität, aber für mich zählt die Quantität des Geschenkes ebenso. Sollte ich ihn die Tage in Ruhe lassen? Er möchte sowieso nicht mit mir reden und das verstehe ich halbwegs ... wir könnten es ja ruhig ausdiskutieren. Er ist sehr verletzt und das tut mir so verdammt leid. Ich weiß gar nicht, wie ich das hinkriegen soll. Wenn ich nur wüsste, was ihn über alles glücklich machen würde, dann würde ich es tun. Wenn ich ihm mein Herz geben müsste, dann bitte! Er hat mein Herz aber schon. Ich habe es dieses Mal total verkackt und das noch im Zeitraum, wo sein Geburtstag sehr nah ist. "Ich hoffe, die nächste Woche bringt Gutes mit sich. Am nächsten Freitag ist Weltherztag", seufzt Mama. Freitag? Am Freitag hat Ardan Geburtstag - und da ist Weltherztag. Hoffentlich ist das ein gutes Omen.
Hoffentlich werden sich unsere Herzen wieder zusammenschließen.
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Was sagt ihr zum Kapitel? Könnt ihr Canas Gedankengänge nachvollziehen oder seid ihr wie Ardan, der es gar nicht nachvollziehen kann?
Und wer von euch kann gute Covers machen? Ich kriege die Krise, weil ich so unzufrieden bin. Keine einzige Schrift gefällt mir. I need help :(
- Helo
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