Kapitel 69

Glades - Nervous Energy

Yasmin heißt mich wie immer mit ihren braun-grünen Augen willkommen. "Ich habe dich schon vermisst", neckt sie mich. Es ist so still im Haus. "Außer mir ist niemand da. Ramzi und Elyas sind trainieren gegangen und Neyla ist bei einer Freundin. Wie war es?" "Gut", murmele ich. Sie beäugt mich nachhakend. "Also überwiegend." "Was ist denn passiert?" "Wir haben uns gestritten, aber ich will nicht zu sehr ins Detail gehen." Das enttäuscht sie. "Nimm es nicht persönlich. Es hat nichts damit zu, dass ich dir auf irgendeine Weise misstraue. Es ist wegen Ardan und da schweige ich." Nun summt sie verstehend. "Aber jetzt ist alles wieder gut?" Nickend bestätige ich es ihr. "Ich muss nur noch ..." Ich halte inne. Oh Gott! Das wollte ich ihr gar nicht sagen. "Was?" "Endlich die Geschenke für ihn bestellen. Bei dir geht das am besten." Ich suche das Wohnzimmer nach ihrem Laptop ab, obwohl ich weiß, dass er oben im Zimmer ist. "Kriege ich deinen Laptop?" Sie nickt und läuft mit mir die Treppen hoch. Mein Herz schlägt schnell, weil ich ihr fast gesagt habe, dass ich über das Thema Sex nachdenken muss. "An was hast du denn gedacht?" "An so ein Mathebuch auf Uniniveau. Ardan liebt ja Mathe wie verrückt und beschäftigt sich gerne mit den Formeln und an ein Kuscheltier. Pummeluff. Er hat mir eine Plüsch-Roxy geschenkt. Aber mehr fällt mir nicht ein und er hat mir etwas so Kostbares geschenkt." "Hat er sich denn nichts gewünscht?" "Nein, er fordert so wenig." Er fordert so wenig und dennoch tun ihm Menschen Schlechtes.

Da ich mich nach dem Schwimmen bei Ardan nicht geduscht habe, tue ich es jetzt. So kann ich mir auch Gedanken machen, ohne von Yasmin gefragt zu werden, was los sei. Was spricht dagegen, Sex mit ihm zu haben? Meine Mutter ... meine Eltern sind gegen Sex vor der Ehe. Wenn ich wieder an ihre baldige Ankunft denke, wird mir etwas flau im Magen. Also habe ich nicht mehr so viel Zeit, um unbeschwert mit Ardan zu sein. Aber ich will Yasmin nicht die ganze Zeit ausnutzen. Wenn ich an eine leidenschaftliche Nacht mit Ardan denke, dann erschaudere ich. Ich kann es mir nur schön vorstellen, auch wenn er heute so anders war. Ich würde es einfach ansprechen. Beim ersten Mal würde er das sowieso nicht tun. Aber Mama ... Mama würde es doch nicht herausfinden ... oder? Nein, ich könnte es nicht tun, glaube ich. Ich bin nicht bereit dafür. Das wäre zu viel. Ich bin schon in einer geheimen Beziehung, das kann ich meiner Mutter nicht antun. Ob ich sie einmal darauf ansprechen sollte, dass ich in einer Beziehung bin? Oder zumindest beichten, dass ich verliebt bin ... ohne in einer Beziehung zu sein? Mama, ich bin in unseren Nachbarsjungen verliebt. Das hört sich gerade so einfach an, aber ich weiß, dass ich mich nicht trauen würde. Sollte ich mit Ardans Mutter sprechen? Aber nicht über den Sex, oh Gott! Ardan ist schon länger bereit, was Sex angeht, als ich. Schließlich hat er schon Kondome in seinem Schrank. Ob er wohl rot geworden ist, als er sie gekauft hat? Ich muss kichern.

Jetzt stelle ich meine Aussage in Frage, dass ich nicht bereit dafür sei. Gestern war ich es noch, aber gestern habe ich nicht mit meinem Verstand gehandelt, sondern affektiv. Das ist die entscheidende Sache: Hirn oder Herz? Es hat sich so schön angefühlt, als wir uns geküsst haben. Als die Küsse angefangen haben, intensiver zu werden. Mein Blick wandert verschwommen auf den Badewannenboden, wo ich mir Ardan vorstelle, der meine nackten Schenkel küsst. Die Erinnerung sorgt für ein sanftes Ziehen im Unterleib. Selbst dieses Ziehen mag ich. Es fühlt sich so himmlisch an. Vielleicht bin ich doch bereit dafür. Dieses intim werden macht mich immer so selbstbewusst und lässt mich so wohl fühlen in meinem Körper. Es verleitet mich zu Dingen, von denen ich niemals gedacht hätte, dass ich es tun würde. Wenn er meinen Brüsten Aufmerksamkeit schenken würde, dann würde ich diese Zweifel sicherlich verlieren. Ich weiß nicht, ob der Gedanke verkehrt ist, wie Ardan seine Hände um meine Brüste legt. Ich atme tief durch und spüle mir das Shampoo aus den Haaren. Würden wir auch mal gemeinsam duschen, wenn wir es getan haben? Ist Ardan schüchtern, was Sex angeht? Ich weiß nicht so recht. Er hat zwar seine Momente, wo er den Dominanten raushängen lässt, aber oft errötet er auch. Vielleicht sollte ich ihn mal heute darauf ansprechen ... also auf bestimmte Dinge, was Sex anbelangt. Mama hat recht, Sexualkunde muss aktualisiert werden und wer weiß? Vielleicht konnte sie sich im Kulturministerium durchsetzen.

Was sind seine Vorlieben? Man kann doch auch welche haben, obwohl man Jungfrau ist, oder? Oder sie sind sicherlich verborgen. Aber Ardan hat ja auch eine Vorliebe, glaube ich. Zählt seine Dominanz als Vorliebe? Aber das hat eine Hintergrundgeschichte und es ist, glaube ich, nicht so wirklich auf sexueller Basis. Unruhig fahre ich mir über meine Schulter. In meinem Kopf ist ein Gemisch aus Ardans Vergangenheit, seinem Verhalten, den innigen Szenarien zwischen uns und die Frage, ob ich mich für oder gegen den Sex entscheiden soll. Ich traue mich gerade nicht einmal, meine Brüste zu berühren, weil ich so unsicher bin. Obwohl? Ich bin gar nicht so unsicher, ich bin nur unschlüssig. Fühlt es sich sehr schön an? Ich will nicht zu viel erwarten. Wenn ich mir über meine Brüste fahre, dann spüre ich kein Verlangen, aber zum Sex gehören immer zwei dazu und außerdem fühle ich immer anders, wenn Ardan mich berührt. Dann kribbelt es, die Berührungen sind viel intensiver und ich will mehr, weil sie sich so gut anfühlen. Würden wir dann ein Datum ausmachen? Ich muss dringend mit ihm darüber reden, ich habe gerade zu viele Fragen. Das Duschen beende ich schnell, wobei ich viel Zeit damit verbracht habe, meinen Knutschfleck zu massieren. Am Ende überschminke ich ihn trotzdem und liege dann auf Yasmins Bett. Hoffentlich fühlt sie sich nicht irgendwie benachteiligt oder ausgenutzt, weil ich die Tage so oft mit Ardan war und sie als Alibi verwendet habe. Sie wirkt jedenfalls nicht gestört davon. Sie freut sich für mich. Ob ich ihr meine Gedanken sagen soll, dass ich vielleicht Sex haben will? Nein, es ist noch viel zu früh.

"Wie war es eigentlich mit deinem Typen?" Sie verdreht ihre Augen. "Ich lasse ihn fallen, du hattest recht. Nachdem du mir deine Ansicht erzählt hast, sind mir seine Ansichten erst wirklich aufgefallen und ich habe sie erst gestern wirklich interpretieren können. Der ist nichts für mich." "Gut", murmele ich. Dann ist sie wenigstens etwas los. Ich will wieder zu Ardan. Ich will das von Angesicht zu Angesicht bereden, aber ich bin erst vorhin zurückgekommen. "Ardan kommt mit, wenn wir zum Sommerdom gehen. Das steht auf jeden Fall fest." "Gut, aber ihr werdet so tun, als ob ihr nicht zusammenseid, nicht wahr?" Ich nicke. "Schade eigentlich, aber wenn ihr es nicht wollt, dann soll keiner etwas dazu sagen." Erneut nicke ich. Eigentlich habe nur ich etwas dagegen, aber wenn ich das anmerken würde, müsste ich diese Entscheidung erklären und damit würde ich Yasmin entweder anlügen, ihr die halbe Wahrheit erzählen müssen oder Ramzi verraten und das würde ich niemals tun. Die anderen beiden Optionen kommen mir nicht so schlecht vor, aber ich habe echt kein Bedarf, jetzt eine Lüge rauszuhauen ... ich habe schon gelogen. Gott, ist das frustrierend! "Sollen wir die Mädels anrufen? Wir haben ja freie Bude." Ablenkung würde mir jetzt sicherlich guttun, obwohl ich doch eigentlich mit Ardan sprechen wollte. Aber das hat ja noch Zeit - bis zum Sommerdom. In der Zwischenzeit telefoniere ich mit Mama, die mich echt vermisst hat. Nach dem Urlaub will sie ganz viel Zeit mit mir verbringen, worauf ich mich schon echt freue.

Ich öffne die Tür, als Yasmin die Getränke in die Gläser schüttet. Dilan ist ganz aufgedreht, als sie mir in die Arme springt. Kurz habe ich Panik, als sie ihren Kopf in meine Halsbeuge steckt, weil vielleicht das Make-up verschmieren kann, aber sie löst sich schnell genug von mir - zum Glück. "Adam ist echt ein Schnuckel, das muss ich schon zu geben." Neugierig hebe ich meine Augenbraue. Ob ich es wirklich hören will, weiß ich ehrlich gesagt gar nicht. "Wir haben uns gestern getroffen. Seine Lippen-," "Dilan!", murre ich. "Aber seine Lippen-," "Schön!" Sie grinst hämisch. "Vielleicht wirst du bald Tante." "Du auch", haue ich einfach raus, auch wenn mir bewusst ist, dass ich es gesagt habe. Yasmin prustet ihr Getränk über das ganze Spülbecken, während die beiden anderen grinsen. Mir wird warm im Gesicht. Ich habe es zwar bereitwillig gesagt, aber irgendwie habe ich nicht damit gerechnet, obwohl ich doch irgendwie damit gerechnet habe. "Ist mein Schwager zufälligerweise Ardan?", hakt Dilan nach. Ihre Augenbraue hebt sich. Mir wird noch heißer, ich bin definitiv rot. "Ja, klar", sage ich einfach. Wenn ich bei ihrem Spiel mitmache, denkt sie, es sei Spaß. "Wie sie errötet", kichert Amal. Jetzt bin ich unsicher. Merken sie doch, dass da etwas nicht stimmt? "Cana ist nun mal sehr schüchtern. Unser Nesthäkchen ist siebzehn und immer noch unerfahren. Sie ist sowas noch nicht gewohnt", rettet mich Yasmin. Ich kann endlich wieder aufatmen. Nie wieder werde ich so leichtsinnig sein.

Um noch mehr von meiner misslichen Lage abzulenken, kneift sie mir in Brust und Hintern, weshalb ich quicke. Was wäre ich nur ohne Yasmin? "Ja, ich kann es mir auch gar nicht bei ihr vorstellen", meint Dilan. Oh, wenn du nur wüsstest. Momentan überlege ich mir, ob ich Sex mit Ardan haben soll oder nicht. Aber das würdest du niemals von mir denken. Puh, bei diesem Gedanken muss ich tief durchatmen. "Du unschuldiges Biest. Irgendwann kommt noch deine innere Bitch aus dir", grinst Dilan, die mir in den Po kneift. "Lasst meinen Po in Ruhe", schmunzele ich. "Wir wollen dich nur daran gewöhnen, damit du dich bei Ardan nicht schämst", schmunzelt Amal. Für einen kurzen Moment denke ich, dass sie es ernst meint, aber dann realisiere ich, dass nur Yasmin Bescheid weiß. Ich überlege gerade wirklich, ob es etwas bringen würde, wenn sie meinen Po betatschen, verwerfe diesen absurden Gedanken aber schnell. Ardan hat mich bis jetzt noch nie an meinen Brüsten oder an meinem Po berührt, einfach aus Respekt. Das weiß ich sehr zu schätzen. Und er sieht meinen Körper als gesegnet an. Dieser Fakt lässt mich grinsen. "Lasst uns in den Garten." Wir nehmen Yasmins Vorschlag an und lassen uns auf den Sitzen im Garten nieder. Dann nehmen wir uns die Gläser, die Yasmin für uns befüllt hat. "Yasmin, wie läuft es jetzt mit dir und deinem Lover?", fragt Dilan. Yasmin beginnt mit ihrer ganzen Geschichte. Ich will aufmerksam zuhören und tue es auch, bis mein Handy vibriert.

'Hast du dir schon einige Gedanken gemacht? Ich weiß, ich bin ungeduldig.'

'Alles gut und ja, ich habe mir einige Gedanken gemacht, aber ich kann sie noch nicht sortieren.'

'Okay und was machst du gerade?'

'Wir sitzen im Garten und Yasmin erzählt eine Geschichte. Und du? Bist du auch trainieren?'

'Ja, deine Brüder haben mich abgeholt.' Bei diesem Fakt zieht sich mein Bauch zusammen.

'Dann war das ganz schön knapp.'

'Nein, keine Angst. Sie haben mich erst angeschrieben und ich habe ihnen die Zeit genannt, damit du ihnen auch ja nicht begegnest.'

'Mein Superheld', tippe ich schmunzelnd.

'Übrigens: Wieso hast du meine Instagram-Anfrage abgelehnt?' Oh, das habe ich da komplett vergessen.

'Na ja, du hast mich an diesem einen Tag abgeblockt und dann habe ich dasselbe Prinzip angewendet.' Er liest, antwortet nicht und geht offline. Kurz danach kriege ich eine Benachrichtigung auf Instagram, dass er mir eine Anfrage geschickt hat.

'Aber jetzt nimmst du sie doch an, oder? Ich muss doch die ganzen Bilder von dir speichern.' Ich kichere.

"Wer bringt dich da denn zum Lachen?", will Dilan wissen. Mist! Ertappt schaue ich auf, wobei ich spüre, wie warm meine Wangen werden. "Hallo, hört mir zu!", faucht Yasmin. Ich liebe dieses Mädchen! Die Aufmerksamkeit wird sofort wieder auf sie gelenkt, sodass ich mich erst einmal beruhigen kann. Ich wurde auf frischer Tat ertappt, wie ich wegen eines Textes gekichert habe. Ein Glück hat Yasmin die Aufmerksamkeit auf sich gezogen, damit ich nicht nach einer Lüge suchen muss. Vorsichtshalber dimme ich die Helligkeit und nehme Ardan auf Instagram an, dem ich jetzt auch folge. Im Nu liked er all meine Bilder durch. Diese Geste bringt mich zum Grinsen, aber ich darf es mir echt nicht anmerken lassen. Ich hebe interessiert den Blick an und tue so, als ob ich Yasmin zuhöre, die mich angrinst. Die Blicke Dilans und Amals sind wieder auf mich gerichtet, aber diesmal ignoriere ich sie. Es ist so komisch, dass ich mich so sehr über diese Gefällt-mir-Angaben von Ardan freue. Im Schnelldurchlauf mache ich dasselbe Prozedere bei ihm und tue dann wieder so, als ob ich Yasmin zuhöre. Dabei entgehen mir die Nachrichten nicht, die Ardan mir im Laufe des Zuhörens schreibt. Er macht mich auch zu neugierig! Ich kann nicht länger warten, ich lese die Nachrichten einfach.

'Ich gehe mir jetzt die ganzen Bilder anschauen.'

'Wow.'

'Cana, du bist ja richtig fotogen.'

'Ich habe alle Bilder gespeichert.'

'Ich habe die Bilder mehrmals geliked.'

'Du bist echt wunderschön. Mein Herz hat bei den Bildern schneller geschlagen.' Ich kann mich echt nicht mehr halten und kreische laut los, ehe ich mich erhebe und dümmlich durch die Gegend renne, um diese Energie loszuwerden.

Oh Gott, wie können mich diese zwei kurzen Sätze nur so verrückt machen? Meine Hormone rasen mit meinem Blut durch mein Körper, wegen dieser Tatsache. Sein Herz hat schneller geschlagen und das nur wegen meinen Bildern! Mein Herz rast auch ziemlich, durch seine Sätze. Die Mädchen schauen mich allesamt grinsend an. Yasmin schüttelt fragend ihren Kopf, ohne die anderen darauf aufmerksam zu machen. "Wer hat dir Sex angeboten?", fragt Dilan. "Niemand", kichere ich und gehe schnell auf den Chat von meiner Mutter und mir. "Meine Mutter hat mir nur etwas Verrücktes gezeigt und mich an etwas erinnert, deshalb bin ich so hyperaktiv geworden." "Jetzt hört mir endlich wieder zu!" "Was sollen wir machen, wenn Cana herumschreit?", fragt Amal. "Mir zuhören und jetzt ruhe!" Als Antwort haue ich wild auf meiner Tastatur herum und schicke Buchstaben einer langen Reihe ab, um so irgendwie meine Gefühle zu beschreiben.

'Ich verstehe genau, was du meinst', schreibt er mir dann.

'Du bist so ein Charmeur! Ich bin gerade ausgeflippt, weil deine Antwort so schön war. Ich bin richtig verlegen.'

'Solange es dein Selbstbewusstsein steigert, freue ich mich.' Da sieht man wieder, dass Ardan nur gute Absichten besitzt. Er ist ein so guter Mensch.

'Ich weiß gar nicht, welches mein Liebstes von den Bildern ist. Das Bild von deinem Abschlussball ist echt schön. Ist das das Kleid, welches du auf der Hochzeit angezogen hast?' Ich bestätige es ihm.

'Dann hast du zugenommen. Wunderschön.' Ich kann mir vorstellen, wie Ardan das letzte Wort raunt und mir dabei eine Strähne hinter mein Ohr streicht. Es läuft mir wohlig den Rücken hinunter.

'Dankeschön. Ich werde später deine Bilder ebenfalls speichern. Du bist echt fotogen.'

'Ich finde das nicht so. Ich kann einfach lächeln.'

'Also ich bin auf jeden Fall nicht fotogen. Die Bilder sind immer die Ausnahmen von achtzig anderen.'

'Ach und was ist mit den Bildern, die ich von dir am See gemacht habe? Wie wäre es, wenn du eins davon posten würdest?'

'Mal gucken.' Mir fällt ein, dass ich von seiner Mutter die Bilder der Hochzeit zugeschickt bekommen habe und sie Yasmin noch zeigen muss.

Irgendwann kann ich mein Handy weglegen und mit den Mädchen über dieses und jenes tratschen. Wir habe gerade über die Q1 geredet und sind jetzt bei Didem angekommen. Die habe ich echt vergessen. "Ich kann immer noch nicht glauben, dass sie einfach dein Bettelarmband geklaut hat und es noch versucht hat, zu vertuschen", lacht Yasmin. "Dieses Mädchen ist echt lächerlich", seufze ich. "Und dass sie es sich erlaubt, sich über andere Brüste lustig zu machen, aber ihren Push-up vergisst, Alter!", ächzt Amal. Ob sie nach den Ferien wieder dumme Bemerkungen über meine Brüste macht? Ich weiß echt nicht, warum sie mich so hasst. Ich habe ihr gar nichts getan und sie ist so gemein zu mir. Aber wenn sie es darauf anlegt, dann schneide ich ihr wieder ihren Push-up raus, mir egal. Wir müssen nicht einmal befreundet sein, geschweige denn miteinander reden, aber dass sie über mich lästert und sich über mich lustig macht, mir dann noch mein Bettelarmband klaut und versucht, zwischen Ardan und mir zu funken, geht zu weit. Liebt sie Ardan? Wie kann sie ihn lieben, wenn sie ihn nicht einmal halb so gut kennt, wie ich es tue. Ich würde einfach gerne ihr Problem wissen. "Auf der Klassenfahrt wollte sie ja auch zu Ardan", meint Yasmin. Ich werde sofort aufmerksam. Im Endeffekt fällt es mir wieder ein, weil ich Didem die Tür vor der Nase zugeschlagen habe, aber vielleicht erfahre ich ja mehr. "Ramzi meinte, dass sie oft kam, also bevor und nachdem Cana ihr die Tür vor der Nase zugeschlagen hat. Die steht glaube ich auf ihn." Oh, ich hoffe für sie, dass sie es nicht tut!

"Nein! Ardan muss mit Cana zusammenkommen!", protestiert Dilan mit erhobener Faust. Yasmin grinst sie an. Sicherlich denkt sich Yasmin im Inneren: Wenn du nur wüsstest. "Willst du auf erneute Männerjagt, Yasmin?", versuche ich wieder von Ardan und mir abzulenken. "Nee, momentan habe ich genug. Ich will einfach die Schule beenden und dann kann ich mir wieder Gedanken darüber machen. Am besten gehe ich in einen der Motivationskurse deiner Mutter, wenn sie mal wieder zuhause ist", kichert sie. Diese Motivationskurse entstehen immer, wenn wir bei mir sind und meine Mutter in eine andere Schicht eingeteilt wurde, Frei oder Schluss hat. Dann fragt sie uns, ob wir schon Beziehungen haben und erklärt mit voller Leidenschaft, wieso die Schule wichtiger ist, als die Jungs, die dort sitzen. Die Jungs sind nur die Dekoration, die man auch wegschmeißen kann. Was zählt, ist, dass ich euch immer im Hinterkopf sitze und euch hoffentlich so nötige, euch auf den Unterricht zu konzentrieren, wie Mama zu sagen pflegt. Es ist nicht verkehrt, aber trotz Ardan habe ich recht gut im Unterricht aufgepasst. Diese Tage muss ich wirklich den Faust durcharbeiten, damit ich schon auf den Unterricht vorbereitet bin. Wenn ich daran denke, dass es jetzt wirklich ernst wird, dann wird mir schon mulmig. Meine Brüder meinten, dass man in den ersten Klausuren in der zwölften Klasse von seiner vorherigen Tendenz abweicht, weil das Gelernte nicht mehr einfach so niedergeschrieben wird, sondern es wird problemorientiert angewendet. Oje, wie das dann im Bio-LK aussieht?

Die Tür wird aufgeschlossen, die Jungs sind da. Instinktiv suche ich nach grünen Augen und atme auf. Er ist hier. Ich fühle mich sofort glücklicher. "Guckt mal, wen ich am Straßenrand gefunden habe." Ramzi schlingt seine Arme schnurrend um Ardan, der ihn schmunzelnd tätschelt. Ramzi, Miran und Ardan treten hinein. Anscheinend ist Elyas mit meinen Brüdern unterwegs. Unser Chat kommt mir wieder in den Sinn. Sein Herz hat bei den Bildern schneller geschlagen. "Was sitzt ihr hier noch so herum? Los, bringt uns etwas zu essen!" Wir sehen Ramzi unbeeindruckt an. "Ramzi, so geht das nicht", tadelt Ardan ihn sanft. Bei seiner sanften Stimme habe ich das Gefühl, zu schmelzen. "Entweder bittest du sie lieb und respektvoll darum oder du machst es selber." "Von ihm solltest du dir sehr viele Scheiben abschneiden, du Troll", wirft Yasmin ein, die aufsteht und Ardan die Schulter tätschelt. "Ardan kriegt jetzt etwas zu trinken, da er weiß, wie er mit Frauen umzugehen hat." Und wie er das weiß. Yasmin wirft mir einen verstohlenen Blick zu und holt Ardan etwas zu trinken. "Ich gehe duschen", gibt Miran Bescheid. "Ich will das Geld für das Wasser auf den Punkt genau zurück und zieh meine Unterhöschen an. Du kannst auch mit deiner Unterhose und deinem Wiener bezahlen!", ruft Ramzi ihm hinterher, als Miran die Sporttaschen genommen hat. "Yasmin, holst du mir was zu trinken?" "Hol's dir selber." Murrend läuft Ramzi in die Küche, woraufhin ich höre, wie sich die beiden irgendwie kloppen. Ardan lächelt und begrüßt die Mädchen freundlich, ehe er fragt, ob er sich zu mir setzen darf. Errötend nicke ich. Es ist so komisch, vor Amal und Dilan mit Ardan zu reden.

Sofort kichern sie und können anscheinend nicht mehr stillhalten, als sich Ardan setzt. "Leute", warne ich sie. "Ardan, hast du eine Freundin?", fragt Dilan. "Ja", rutscht es ihm aus, ehe er innehalten kann. Verdammt! Mir wird ganz heiß im Gesicht, ich schaue zur Seite und spiele an meinen Haaren herum, während ich stumm bete, dass die Sonne meine aufsteigende Röte kaschiert. Ich bin ihm aber nicht böse, das kann mal passieren. Die Augen der Mädchen weiten sich. Das ist gut, so denken sie nicht, dass ich Ardans Freundin bin. Es sei denn, Ardan ändert ganz plötzlich seine Meinung und sagt, dass wir zusammen sind, aber das würde ich ihm nicht zutrauen. "Wie? Seit wann?" Dilans blau-grünen Kulleraugen spiegeln ihre Enttäuschung wider. Amal knufft sie. "Was?" "Siehst du nicht, wie sehr er sich schämt?", meckert Amal, der ich sehr dankbar bin. Yasmin und Ramzi kommen zurück aus der Küche. Ihr Kampf hätte ruhig länger gehen können. "Hier", keucht Yasmin, die sich die verzausten Strähnen zurückstreicht. "Dankeschön, Yasmin." Ardan nimmt sein Getränk. "Wusstest du, dass Ardan vergeben ist?", krächzt Dilan. "Was?!" Ramzi hält sich keuchend die Brust und taumelt. Ardans Gesicht nimmt einen immer stärkeren Rotton an. Er tut mir echt leid. "Erzähl schon!", bettelt Dilan. "Was soll ich dir denn von ihr erzählen?" "Hast du Bilder von ihr?" Innerlich ächzte ich. "Also ... naja-," "Zeig sie mir!" "Jetzt lass den armen Jungen in Ruhe, vielleicht will er sie nicht zeigen?", rettet mich Yasmin ein weiteres Mal. Ich will Yasmin am liebsten abknutschen.

Dilan verschränkt murrend ihre Arme vor der Brust. "Sag mir wenigstens, wie sie heißt. Geht sie auf unsere Schule? Ist sie in unserer Stufe? Ist sie deine Nachbarin? Blond oder brünett? Wie alt ist sie?" "Dilan", wirken Yasmin, Amal und ich auf sie ein. Ergeben, aber bockig schaut sie uns an. "Ist sie hübsch?" Amal stöhnt auf und Yasmin lacht. "Sie ist wunderschön." Hoffentlich sehen die anderen meine Gänsehaut nicht. Yasmin macht ein schwärmendes Geräusch. "Das reicht. Sie ist wunderschön und das beantwortet alle Fragen", sagt sie dann und setzt sich zwischen Ardan und mir. "Hat deine Mutter geantwortet?", fragt Ramzi Ardan. "Noch nicht, aber sie wird nichts dagegen haben, wenn ich hier übernachte." Oh, er bleibt also ebenfalls hier. Ich darf nicht grinsen, das fällt nur auf. "Ardan schläft in meinem Bett." Ramzi zwinkert ihm zu. "Der Boden reicht mir aus." "Nein, du schläfst mit mir auf meinem Bett. Bei mir ist es warm und gemütlich und kuschelig und toll." Bei Ardan ist es auf jeden Fall so, außer, dass es durch die Klimaanlage frisch werden kann. Ich tauche langsam wieder in Gedanken ab, weil ich mich entscheiden will, ob ich mich auf den nächsten Schritt einlassen soll oder nicht. Ich habe so wenig gegeben, was mir helfen könnte, zu entscheiden, ob ich es tun sollte oder nicht. Ich will morgen mit Ardan ein Gespräch führen, nur um sicherer zu werden. Aber dann müsste ich Yasmin wieder vernachlässigen und das will ich nicht. Will ich denn den Sex wirklich? Ich kann auch gut ohne auskommen, aber ... ich weiß nicht. Allein diese Berührungen fühlen sich so schön an, dann würde es sich ja paradiesisch anfühlen, wenn wir es tun würden. Bin ich mental bereit dazu?

Bin ich bereit, mich auf etwas einzulassen, was ich bereuen könnte?

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Und? Ist sie es?

- Helo

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