Kapitel 65
Dylan Emmet - Always Been You
Wie wird der Tag? Was will Ardan besprechen? Will er eine Pause einlegen? Das kann aber nicht sein. Ardan hat mir geschrieben, dass auch seine Mutter dabei sein wird. Ich weiß nicht, was passiert ist, es juckt mich überall, es einfach nur zu wissen. Wird es unsere Beziehung beeinflussen? Warum ist die Mutter dabei? Möchte die Mutter mir etwas sagen? Er fühlt sich unwohl, wieso? Weil er seiner Meinung nach zu wenig für mich tut? Ich kratze meine Handflächen. Heute sieht der Tag für mich nicht rosiger aus, als gestern Abend. Keine Dusche, kein Bad und keine Massage könnte mich jetzt entspannen. Nur er kann es. Er, seine Augen und sein Herzschlag. "Cana, mach dir nicht zu viele Sorgen." Yasmin streicht meine Haare zurück. Ich könnte Ardan jetzt schon Bescheid geben, dass ich kommen könnte, aber ich fühle mich nicht bereit dazu. "Ich habe Angst. Was ist, wenn irgendetwas passiert ist und er Schluss machen will?" "Wieso sollte er das tun?" "Ich weiß es nicht", seufze ich. Ich will es wissen, aber ich will es auch nicht wissen. Vielleicht ist es gar nicht so schlimm und meine Angst macht mich nur verrückt, aber vielleicht ist es auch total schlimm und meine Angst beschützt mich nur. Wenn ich nicht hingehe, erfahre ich es nie. Mit viel Leichtsinn schreibe ich ihm, dass ich mich auf den Weg mache. Es ist noch früh, wir haben gleich erst 13:00 Uhr. "Wie lange wirst du bleiben?" "Ich weiß es nicht. Wer weiß, was danach noch passiert?" "Ich hoffe, dass nur Schönes passieren wird." Aufmunternd zucken Yasmins Lippen. Augen zu und durch, sage ich mir selber.
Es dauert nicht lange, bis ich bei Ardan bin. Die Hose juckt ein wenig. Ich hätte lieber keine Jeans im Sommer anziehen sollen, aber ich wollte weder im Rock noch im Kleid bei ihm erscheinen. Nicht nachdem, was mir gestern widerfahren ist. Es wird nichts Schlimmes sein, seine Mutter ist doch dabei. Leider kann ich mir selber nicht glauben, ich bin zu pessimistisch. Die Wärme kommt mir gerade störend vor, ich kann weder sie noch ihre begleitenden Sonnenstrahlen genießen. Vor Ardans Haustür finde ich leichten Schatten und als ich in das Haus trete, empfängt mich die angenehme Kühle der Klimaanlage und die warmen, grünen Augen seiner Mutter. Ihre Augenbrauen ziehen sich mitfühlend zusammen. Sie nimmt mich wortlos in ihre Arme. "Wie geht es dir?", flüstert sie. Mein Bauch zieht sich zusammen. Was ist bloß passiert? "Gut und dir?" "Wenn es dir gut geht, dann wird es mir besser gehen." Seufzend nimmt sie mein Gesicht in ihre Hände, ihre Augen wirken leicht glasig. Was ist bloß passiert? Geht es Ardan wieder schlechter? Oh nein, das ist es! Es trifft mich wie ein Schlag. Was hat sich alles verschlechtert? Wie stehen seine Chancen? "Komm, setz dich im Wohnzimmer hin." Hastig ziehe ich mir meine Schuhe aus. Seine Augen leuchten heute nicht. Was ist nur passiert? Ardan sieht so müde aus und auch Roxy wirkt heute still. "Hallo, Ardan." Ich gehe auf ihn zu, um ihn zu umarmen, womit er nicht gerechnet hat. Wieso? Seine Erwiderung ist so vorsichtig, als ob ich aus Glas bestehe oder meine Haut wie die von Schmetterlingen ist.
Er schaut in meine Augen und dann auf meine Arme, die ihn noch umschlungen haben. "Was ist passiert? Geht es um deine Gesundheit?" Wieso überrascht ihn das? Ist es nicht seine Gesundheit, die Probleme bereitet? Ich bin zum Teil erleichtert, aber auch wieder beunruhigt, weil ich die Antwort doch nicht weiß. "Nein." Ardan deutet mir, mich hinzusetzen. Auch die Mutter leistet uns mit Wasser und kleinen Snacks Gesellschaft. Ardan in dieser Haltung zu sehen, bringt mich dazu, in eine ähnliche Haltung einzugehen. Er sitzt mit gespreizten Beinen dort, seine Unterarme sind wie beim letzten Mal auf seinen Schenkeln abgestützt. Nur sind diesmal seine Schultern angespannt und seine Augen und Finger unruhig. Mich verwirrt es, dass Ardans Mutter meine Hände hält. "Gestern ... am Strand, wo wir uns geküsst haben. Was hast du da gespürt?" Gerade spüre ich, wie rot ich werde. Wieso fragt er das? Und wieso vor seiner Mutter? Das ist eine sehr intime Frage, die ich nicht gerne vor ihr beantworten möchte. "Cana, Liebes, schäm dich bitte nicht. Sei bitte ehrlich", bittet die Mutter mich mit großen Augen. Was wird das hier? Was ist gestern passiert? Denkt Ardan, ich liebe ihn nicht? Das kann doch nicht sein. "Ich ... ich weiß es nicht recht. Es waren gemischte Gefühle." Sein Kiefer zuckt. Es ist nicht seine Schuld. "Ich wollte auch deshalb mit dir reden", füge ich noch hinzu. "Ardan hat mir erzählt, was er gestern getan hat. Du musst es nicht wiederholen, wenn es dir unangenehm wird." Ich werde von mal zu mal verwirrter. Wovon reden die beiden? Moment!
"Aber er weiß es doch gar nicht." "Ich habe dich belästigt, Cana. Weshalb solltest du denn sonst aufgebracht nach Hause wollen?" Oh Gott! Nein, das ist wie bei Yasmin gestern! Mir fällt ein Stein, ein Brocken, ein Berg vom Herzen. Oh mein Gott, dieses Missverständnis hat mich die ganze Zeit so verrückt gemacht? "Ardan", setze ich mit einem erleichternden Seufzer an, als ich mein Gesicht in meinen Händen vergrabe. Deshalb war er so ruhig, deshalb hat er sich unwohl gefühlt. Wegen eines Missverständnisses! "Du hast es falsch verstanden." Nun wirkt er verwirrt. "Du hast mich ... angefleht ... ich sollte aufhören und du hast geweint." "Ja und deshalb wollte ich mit dir reden. Du hast mich nicht belästigt." "Gott, ich danke dir!", ruft die Mutter leicht brüchig aus. Sie hebt erhöhend ihre Hände in die Luft und umarmt mich dann. "Ich hatte solche Angst, Cana. Ich konnte so schlecht schlafen und Ardan erst." Oje. "Das tut mir leid. Das wollte ich nicht!" "Entschuldige dich nicht. Du hast uns eben vom Leid erlöst. Mein lieber Gott, ich danke dir und Cana!" Komplett sentimental küsst sie mich auf die Stirn, nebenbei sagt sie etwas auf Türkisch. Das ist bestimmt etwas Religiöses, wenn ich das Allah sükür richtig deute. Wenn ich es richtig ableiten kann, dann heißt dieser kleine Abschnitt Gott sei Dank. Im Gegensatz zu seiner Mutter, ist Ardan wie paralysiert. Er hat damit überhaupt nicht gerechnet, genauso wenig habe ich damit gerechnet, dass auch er denkt, dass er mich vergewaltigt oder belästigt hätte. Der Arme hatte die ganze Nacht über Schuldgefühle. Er wirkt nicht so, als hätte er ruhig schlafen können. Hoffentlich hat es seine Gesundheit nicht mit hinuntergezogen.
"Du ... ich-, ich habe dich nicht genötigt?", setzt er dann endlich an. Ich verneine es sofort. Ich habe zwar mehrere Anläufe nehmen müssen, aber ich musste nicht wegen seinen Küssen weinen. "Mir kamen die ganzen Schuldgefühle hoch. Meine Mama, sie weiß ja nichts davon und sie will auch nicht, dass ich jetzt in eine Beziehung eingehe. Das habe ich die ganze Zeit verdrängt und jetzt weiß ich nicht, wie ich weiter mit diesem Druck umgehen soll. Deshalb habe ich geweint, Ardan. Du hast nichts getan, außer mir einen wunderschönen Tag zu bereiten." Nun lässt das Negative auch von ihm ab und auch er dankt Gott. "Du hast vor Schuldgefühlen geweint? Möchtest du mit mir darüber reden?", fragt mich die Mutter fürsorglich. Einen mütterlichen Rat könnte ich sehr gut gebrauchen. "Ich weiß nicht, wie ich mit dieser Situation umgehen soll. Mama ist meine beste Freundin und ich habe sie noch nie wirklich angelogen. Ich wollte selber nie eine Beziehung führen, aber als ich Ardan getroffen habe, wollte mein Herz mir nicht mehr gehorchen." Die Mutter lächelt sanft. "Dass ich Dinge tue, die ich selber niemals tun wollte und die meine Eltern enttäuschen würden, macht mir Druck. Es macht mir so einen Druck, dass ich deshalb Schmerzen in der Brust habe. Ich hielt die Beziehung lange geheim, bis Yasmin es dann herausgefunden hat. Dennoch kann und will ich es niemandem freiwillig erzählen. Was soll ich meiner Mutter sagen? Wie soll ich mit dem Stress dann klarkommen?" Sie streicht mir seufzend über mein Haar. "Ich weiß, wie du dich fühlst, meine Liebe. Ich hatte damals auch diesen Druck." Ihre Augenlider zucken kurz, so als ob sie an die alten Zeiten denken muss. "Man will, dass sich die Kinder auf die Schule konzentrieren, aber wenn man selber das Problem kennt, dann spalten sich die Meinungen. Wenn du deiner Mutter erzählen würdest, dass du verliebt wärst, würde sich das Verhältnis dann schon ändern?" Darüber habe ich nie nachgedacht. "Ich weiß es nicht."
"Und wenn ich um deine Hand anhalte?" Wir beide schauen schockiert zu Ardan. Er errötet. "Ardan, ihr seid beide viel zu jung. Spinnst du?" Er krault murrend Roxys Kopf. "Das meinte er sicherlich nicht so ernst", meine ich dann. Als ob er das tun würde. Das ist bestimmt so ein Impuls, den man manchmal verspürt, weil man sich so sicher ist. Dann kommen einem die Situationen in Gedanken viel einfacher vor. Das wäre echt verrückt, wenn es dazu kommen würde. Ich muss mir die Schenkel kratzen. Jeans im Sommer anzuziehen gehört zu den größten Fehlern, die ich gemacht habe. Meine Beine jucken dann wie wild. Wenn ich meine Haut aus dieser Hose befreie, dann werde ich wie wild meine Beine kratzen und das, bis sie sogar bluten. "Denkst du, wenn ich deine Mutter anrufen würde ... dass das etwas bringen wird?" Es wäre so schön, wenn es etwas bringen würde, aber ich glaube nicht daran. Niedergeschlagen verneine ich es. Meine Beine wollen nicht aufhören, zu jucken, obwohl es hier doch so kühl ist. Die Mutter bemerkt mein Problem. "Möchtest du etwas anderes anziehen?" "Etwas Lockeres wäre echt gut", meine ich, während ich verzweifelt versuche, meine Haut zu kratzen. "Komm, ich gebe dir eine Short und danach kühlst du deine Beine im Pool ab." Oh, das hört sich herrlich an. Ardan bleibt schweigend auf dem Sofa sitzen. Was ist los? Er hat sicherlich noch ein Problem. Warum ist er so still? Er soll doch bitte mit mir reden. Ich will ihm helfen. Redet er mit seiner Mutter? Das, was gestern passiert ist, hat er ihr ja offensichtlich erzählt. Seine Mutter ist wohl seine Bezugsperson.
Ich kratze mir erst einmal die Beine auf, als ich aus der Hose gleite. Oh Gott, wie das juckt! An manchen Stellen beginnt es sogar zu brennen, aber ich kann nicht aufhören, zu kratzen, egal wie rot oder wie geschwollen einige Stellen werden. Irgendwann kann ich aufhören und laufe in der Short nach unten. Ardan schaut mir in die Augen und dann auf meine Beine. Sofort steht er auf. "Was ist passiert?", fragt er schockiert. "Du blutest sogar." "Lass mich mal sehen." Kurz nach ihrem Satz zieht die Mutter schockiert die Luft ein. "Oh Gott, Cana, hat dich eine Katze attackiert?" Belustigt verneine ich es. "Komm, geh ins Bad und kühl deine Beine." Ardan begleitet mich ins Gäste-Bad und gibt mir den angeschalteten Duschkopf. Das Wasser ist kalt, aber es tut echt gut. Er bleibt hinter mir, damit ich wahrscheinlich nicht runterfalle. Er wirkt noch abweisend. "Möchtest du noch mit mir reden? Dir liegt noch etwas auf dem Herzen." Ardan antwortet mir nicht. Er legt mir nur kurz die Hände auf die Schultern. Ich schalte das Wasser ab, Ardan ist sofort mit einem Handtuch da, mit dem er meine Schenkel abtrocknet. "Gib her, ich mache den Rest." Dankend sehe ich in seine mir nichts sagenden Augen, bevor ich den Rest abtrockne. "Reden wir jetzt über das, was dich noch belastet?", frage ich ihn, als ich vor ihm stehe. Er senkt seinen Blick. "Es ist nur das." Ich schaue ihn abwartend an, vielleicht kommt ja noch was. "Es ist wirklich nur das von gestern, Cana. Ich schwöre es dir. Es liegt mir immer noch schwer auf dem Herzen. So schwer, dass es mir schwerfällt, dich lange zu berühren oder anzusehen."
Meine Augen weiten sich. So schlimm? "Hey, nein, tu das nicht." Ich hebe sein Gesicht an. Er schaut mir wieder nur kurz in die Augen. Er soll diesen Gedanken vergessen. "Du brauchst dich nicht schuldig zu fühlen." "Das sagt sich so leicht, aber, wenn man denkt, man hätte die eigene Freundin belästigt, dann schämt man sich zu Grund und Boden." Ich will aber, dass er mich anschaut. Ich mag es doch, wenn er mich anschaut. Ich folge seinen Augen, blicke sie flehend an. Diesmal kann er mir länger in die Augen schauen. Das ist gut. "Es war wirklich nur wegen den Schuldgefühlen", mache ich ihm klar, als ich meine Hände auf seine Schultern lege. Er windet sich leicht und unwohl. "Glaubst du mir etwa nicht?" "Du hast mich nicht zum ersten Mal weggedrückt", flüstert er. Mist, er versteht das ganz falsch! "Aber das hatte doch andere Gründe, Ardan. Vergleich das nicht damit. Gestern war ein anderes Thema involviert, was mir schon seit Langem auf dem Herzen liegt. Keine Angst, bitte." Er legt seine Hand vorsichtig auf meinen Unterarm, dabei wirkt er wirklich konzentriert. Es fühlt sich schön an, dass er mich berührt. Langsam, wirklich ganz langsam fährt er meine Haut hinauf, bis zu meinem Oberarm, doch dann zieht er sich zurück und flüchtet aus dem Bad. Oh Mann, das wird problematisch, ich seufze. Wie lange wird das anhalten? Wie kann ich ihn dazu bringen, mich wieder normal zu berühren? "Ich gehe kurz etwas abholen. Bleibst du noch bis zum Essen?" Ahnungslos zucke ich mit meinen Schultern. "Ich weiß es nicht." Kurz schaue ich zu Ardan, der steif auf dem Sofa sitzt. Aufmunternd drückt sie meine Hände, dann verlässt sie das Haus.
"Ardan, du brauchst dich wirklich-," "Cana, du warst sowieso nie bereit dazu. Ich bin jetzt komplett zurückgeschleudert worden", unterbricht er mich. Wozu war ich nie bereit? "Was meinst du?" Verlegen und leicht angestrengt fährt er sich über seine Stirn. "Sex." Oh. Ich zucke zusammen. "Wolltest du ... du wolltest also gestern-," "Nein. Das erste Mal wollte ich in einem geschlossenen Raum haben, aber du bist allgemein nicht bereit dazu. Ich Idiot dachte, dass du dich wohler und bereit fühlst, wenn ich dich oft küsse und dir zeige, wie schön es werden kann ... Gott, ich komme mir gerade so dumm vor!" Beschämt vergräbt er sein Gesicht in seinen Händen. Roxy versucht ihre Vorderpfoten auf Ardans Knien abzustellen, was ihr nicht gelingt. Stattdessen leckt sie seine Hände ab. Was soll ich sagen? Ich will ihn beruhigen. "Sex ... das ist etwas Normales", nuschele ich. "Ich habe nichts dagegen, wenn du mich so berührst, wie sonst auch." "Ich habe aber momentan etwas dagegen. Es ist nichts gegen dich oder deinen Körper, versteh mich nicht falsch. Du bist eine wunderschöne Person mit einem anschaulichen Körper, aber das Missverständnis von gestern hängt mir immer noch als Fehler im Kopf." Ist es so schlimm? Ich lege seine Hand auf meine Hüfte. "Nein!" Er zieht sie sofort weg. Ich kann das nicht ganz verstehen, aber ich war auch nicht diejenige, die dachte, dass sie jemanden belästigt oder genötigt hat. Seufzend lasse ich mich neben ihm nieder. Er wagt es nicht einmal, mich anzuschauen. Würde er meinen Kuss erwidern? Vorsichtig drehe ich sein Gesicht zu mir, doch allein, als er bemerkt, dass ich mich ihm nähern will, weicht er zurück. "Tut mir leid, aber das geht echt nicht." Mir wird flau im Magen. Ich mag das nicht.
"Ich gehe dann mal lieber", flüstere ich. Es würde nur komisch werden, wenn ich noch länger hierbleiben würde. "Willst du nicht bis zum Essen bleiben?", fragt er sanft. Ein sanfter Kuss würde alles jetzt viel besser machen. "Lieber nicht." Ich lächele leicht, aber traurig. Ich bin ihm nicht böse, aber ich finde es schade, dass wir jetzt eine kleine Distanz zwischen uns haben. Ich gehe mir schnell meine Jeans wieder anziehen und binde mir dann meine Schuhe. Ardan hält mir die Tür offen, ohne mich einmal zu berühren. Nicht einmal streicheln seine Finger meine Taille. Nichts. Wenigstens haben wir beide etwas klären können. "Tschüss, Ardan. Bis ... irgendwann mal." Hoffnungsvoll sehe ich ihn an. Er nickt schnell und senkt dann wieder den Blick. Das wird echt nichts heute. "Bis irgendwann, Cana." Den ganzen Weg über bin ich deprimiert. Mein Freund kann mir weder lange in die Augen schauen, noch mich küssen oder liebkosen. Wie kann ich dafür sorgen, dass er sich wieder sicher wird? Ihm einfach die Chance geben, mich zu berühren? Was ist mit dem Schwimmen bei ihm? Aber ich könnte nicht im Bikini vor ihm und seinen Eltern sein. Dann eben in einer kurzen Short und einem Top. Ich mache einfach eine kleine Therapie mit ihm, damit er mich wieder voll und ganz genießen kann. Es ist komisch, dass ich gerade keine Schuldgefühle habe. Ich hatte sie gestern noch und habe vorhin noch darüber gesprochen. Wieso bin ich so widersprüchlich? Vielleicht ist es auch besser, wenn ich diese Schuldgefühle nicht im Sinn habe, denn so kann ich meine Beziehung sonst nicht ganz ausleben. Ardans Satz kommt mir wieder in den Sinn.
Und wenn ich um deine Hand anhalte? Wenn er dazu bereit ist, wieso sollte die Beziehung dann schnell enden? Das zeigt mir doch, wie ernst er es meint. Er hat es auch nicht einfach so gesagt, als pure Schnulze und sonst wie. Er meinte es ganz ernst, damit wir auch wirklich zusammenbleiben. Vielleicht war es aber auch ein reiner Impuls, ich weiß es nicht. Ich hoffe, meine erste Idee war richtig. Ich klingele an der Tür. Ramzi öffnet sie mir, Mist! "Wo warst du denn?" "Beim Allergologen. Du weißt doch, meine Erdnussallergie." Wieso kann ich nur so gut lügen? Ich konnte noch nie so gedruckt lügen. "Also ich wollte schon immer sehen, wie du zu einem Ballon aufplusterst." Er schreckt lachend zurück, als ich ihn vermöbeln will. "Nicht witzig!", murre ich. "Es tut mir leid, Cani-Bani. Treten Sie doch in Ihren Palast ein." Er verbeugt sich vor mir, nachdem er zurückgetreten ist. Yasmin tritt sofort aus ihrem Zimmer. Ihr Blick zeigt Neugierde. "Gibt es was zu lästern?", fragt Ramzi. "Nichts, was dich angeht", faucht Yasmin ihn leicht an. Ramzi schnaubt nur verachtend. "Ich gehe in einer Stunde mit den Jungs pumpen. Ardan nehme ich auch mit und dann werden wir auch über Dinge reden, die euch nichts angehen." Oh, bei ihm war ich gerade. Ramzi strecke ich die Zunge raus, ehe ich hoch in Yasmins Zimmer renne. Sie schließt die Tür ab. "Und? Was ist passiert?", flüstert sie. "Er dachte genau wie du", murmele ich. Ihre Augen weiten sich. "Er dachte, er hätte mich belästigt und dass ich deshalb wegwollte und geweint habe. Er schämt sich so sehr dafür, dass er mich weder küssen, anfassen noch den Blickkontakt standhalten kann." Sie gibt bemitleidende Laute von sich.
"Oh nein, der Arme!" Yasmin lacht bemitleidend auf, doch bei meinem finsteren Blick versucht sie ihr Lächeln schnell mit ihrer Hand zu verstecken. "Er hat es richtig, richtig bereut, obwohl ich ihm klargemacht habe, weshalb ich geweint habe. Er war sogar so mutig und hat seiner Mutter erzählt, was er gestern angeblich gemacht hat." "Sie war auch dabei?" Ich nicke. "Sie saß neben mir und hat mir emotionale Wärme vermittelt. Du weißt nicht, wie froh sie war, als sie gehört hat, was wirklich der Fall war. Genau wie du hatte sie Tränen in den Augen." "Die Armen sind ganz traumatisiert." "Ardan ist es wirklich", flüstere ich seufzend. "Ich habe mir überlegt, dass ich mich ihm nähere, damit er mich wieder berühren kann. So mit kleineren Berührungen beginne ich und arbeite mich vor. Mein Ziel ist es, dass bis zum Sommerdom alles wieder gut ist." "Das wäre sonst echt scheiße. Wie sollt ihr sonst Händchen halten?", murmelt sie vor ihrem theatralischen Seufzer. "Ich könnte das sowieso nicht tun, wegen den anderen." "Willst du es Amal und Dilan nicht beichten?" "Ich wollte es nicht einmal dir beichten, aber das Schicksal wollte es nicht so haben." "Danke, Schicksal", grinst sie. Ich lächele nur zynisch. "Meinst du, du kannst dich morgen wieder mit deinem Freund treffen, damit das nicht so auffällt?", murmele ich leise. "Nichts leichter, als das." Sie schreibt ihm sofort. "Ich hoffe, ihr knutscht schnell wieder." "Habt ihr euch gestern geküsst?", frage ich sie. Ein kleines Lächeln bildet sich auf ihren Lippen. "Fast. Du hast angerufen und dann ist die Stimmung gekippt." Oh Mann, ich habe ihren Kuss aufgehalten. Upsala.
"Vielleicht war es ja besser so?" Sie hebt überrascht ihre Augenbrauen. "Wie kommst du darauf?" "Ich weiß nicht. Der Typ ist mir nicht ganz geheuer." Wieder hebt sie ihre Augenbrauen. "Wieso das?" "Keine Ahnung. Er sieht komisch aus." Ich zucke mit meinen Schultern. Er sieht halt so wie ein typischer Kanake aus, der es sowieso nicht ernst meint. Aber ob ich das Yasmin erzählen soll, weiß ich nicht. "Okay", murmelt sie. "Aber er ist echt nett", fügt sie hinzu. "Nett kann jeder sein." Jetzt wirkt sie zerknirscht. "Aber, wenn du ihn liebst und er dich, dann habe ich nichts mitzureden", füge ich dann noch schnell hinzu. Sie soll es bloß nicht falsch verstehen. Ihr Mundwinkel zuckt. "Du liebst ihn doch, oder?" "Ich weiß nicht so recht", murmelt sie. "Wir sind ja noch in der Kennenlernphase." Verständnislos ziehe ich meine Augenbrauen zusammen. "Du kannst doch niemanden küssen, den du nicht liebst, Yasmin! Das ist verschwenderisch." "Ich will doch auch nur eine Beziehung führen und mich geliebt fühlen. Das ist ein so schönes Gefühl, ich vermisse es." Mich verblüfft ihr Verhalten im Moment. Ich kann das nicht so ganz verstehen, auch wenn ich jetzt ebenfalls in einer Beziehung bin. "Gibt es etwas, was dir an ihm nicht gefällt?" Sie nickt mit leicht verzogener Miene. "Was denn?" "Oft sind seine Ansichten echt nicht meins. Er wirkt ein wenig altmodisch, was die Geschlechter angeht. Er hatte selber eine Beziehung, bevorzugt aber jemanden, der noch keine Erfahrung hat. Aber er kann sich auch mit jemanden zufriedengeben, der ebenfalls in einer Beziehung war." Der Typ wird mir immer unsympathischer. Dann waren meine Vorurteile gar nicht so unpassend. "Woher nimmt er sich das Recht, so jemanden haben zu wollen, wenn er selber nicht warten konnte?" Ich verdrehe meine Augen.
"Wie gesagt: Er gibt sich auch-," "Jaja, er gibt sich auch mit jemandem zufrieden, den er irgendwo in seinem dummen Hirn sicherlich als benutzt betitelt." Wegen meines Tones wirkt Yasmin überrascht. "Ist doch so", murre ich. Ein Glück ist Ardan nicht so. "Ich mag ihn nicht. Als du mir das Foto gezeigt hast, hat schon irgendetwas in mir gegen ihn rebelliert." "Findest du ihn so schlimm?", nuschelt sie. Yasmin wirkt gerade sehr unsicher, was ich sonst nicht von ihr kenne. "Du hast wen Besseres verdient. Du bist sowieso unsicher, was den Typen angeht. Beende es einfach, wenn du es nicht mehr möchtest. Es gibt noch hundert weitere Jungs." Sie denkt eine Minute darüber nach. "Du hast recht ... aber ich habe ihn schon gefragt, ob wir morgen etwas unternehmen." "Du kannst ja morgen noch einmal gucken, ob es den Versuch wert ist oder nicht." Als Antwort zuckt sie mit ihren Schultern. "Ja, hast recht." Yasmin spitzt ihre Lippen. "Jetzt sehe ich alles aus einer anderen Perspektive. Morgen werde ich sicherlich nicht so aufgedreht sein, wie ich es gestern war." "Dann siehst du es vielleicht neutraler an." Ich fahre ihr aufmunternd über den Rücken. Ich will ihr nichts vergraulen, keines Wegs, ich will ihr nur Tipps geben. Wir beginnen zu schweigen. Das möchte ich nicht. Ich will weiterreden und vielleicht auch tratschen. "Weißt du, was ich morgen als ersten und kleinen Schritt machen könnte? Ich wollte auf jeden Fall mal mit ihm in den ... Pool, also nicht im Bikini, aber schon gerne mit ihm im Pool schwimmen und so auf jeden Fall Körperkontakt aufbauen." Yasmin summt. Für einen kurzen Moment dachte ich, dass sie wieder ausrasten wird und mich mit ihrer perversen Ader überhäuft.
"Das ist ein echt schweres Thema. Vielleicht kocht ihr morgen etwas zusammen? Oder backen? Da könntet ihr euch sicherlich irgendwie berühren. Ihr könnt ja den Teig kneten ... oder deinen Arsch." Oh Gott! Wir lachen beide auf. "Der war echt gut!", lache ich, als ich meine Hand zu einem High-Five anhebe. Aber das hört sich gut an. Ardan hat doch wieso lange keinen Keksteig mehr gegessen. Dann backen wir morgen Kekse ... im Sommer. Egal, Kekse als Nachttisch und nebenbei kochen wir etwas. Ja, das hört sich doch super an. Was kochen wir dann? Oder wir backen Pizza. Ja, das hört sich doch auch gut an. Ich habe doch die Nummer seiner Mutter. Ich erzähle ihr einfach von meinem Plan. Nebenbei kann ich auch fragen, ob Ardan Pizza essen darf und ob ich auf etwas Bestimmtes achten muss. Das ist doch eine gute Aktivität, um den Kontakt zu stärken! Ich habe sogar eine kleine Taktik für morgen. Ich werde wieder in meiner Jeans dort auftauchen und ihn fragen, ob er mir einer seiner Shorts ausleihen kann. "Oh mein Gott!" Ich habe einen Geistesblitz. "Was?" "Ich übernachte bei ihm! Das Gute ist, dass Ardan schwer Nein sagen kann." Oh Mann, ich will seine Schwäche nur ungern ausnutzen, aber es ist nur gut gemeint. "Und ich sage einfach, dass ich bei Sarah übernachte, weil die Mutter mich unbedingt bei sich haben will." "Wer ist Sarah?", will sie wissen. Oh, sie weiß es ja gar nicht. "Als ich zu Ardan gehen wollte, habe ich zu meiner Mutter immer gesagt, dass ich zu Sarah gehe. Es ist sein Deckname." "Ah, sehr schlau. Sarah und du habt hoffentlich morgen viel Spaß." Sie zwinkert. Ich sollte ihm schreiben, bevor er zum Sport geht.
'Ardan?' Es freut mich sehr, dass er schnell auf meine Nachricht reagiert.
'Ja, bitte?'
'Hast du morgen Zeit?'
'Ja, magst du einen Ort besuchen?'
'Nein, ich möchte etwas anderes mit dir unternehmen.'
'Wenn du dich nicht unwohl oder schuldig fühlst, dann werde ich nichts einzuwenden haben.' Gott, ich will ihn am liebsten jetzt durch meinen Bildschirm abknutschen!
'Ich möchte morgen mit dir Pizza und Kekse backen.'
'Wenn es dich glücklich macht, dann werde ich nicht Nein sagen.' Er ist ein so süßer Junge. Morgen wird ein guter Tag. Diesmal habe ich ein gutes Gefühl.
'Mein Herz freut sich, wenn es in der Nähe deines Herzens schlagen darf.'
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