Kapitel 54

Jeremy Zucker - glisten

Wir machen uns gerade auf den Rückweg. Yasmin hat spontan beschlossen, bei mir zu bleiben. Ob ich sie heute gut unterhalten kann, weiß ich nicht. Ardan hat Probleme. Er hat multiple Probleme seiner Psyche und er redet nicht darüber. Was sich heute angespielt hat, war ein Hin und Her von Informationen und Emotionen. Ich werde sicherlich noch morgen so ruhig sein, weil mir Ardans krampfhafter Zustand, wie er auf dem Boden kniet, nicht aus dem Kopf geht. Hilflos, in einem inneren Chaos, ohne Rettung für den Moment. Ich wollte ihn gar nicht verlassen. Er war so glücklich, als alle gekommen sind und er war so glücklich, als er realisiert hat, dass er Freunde hat. Wenn ich wieder an seine tränenden Augen denken muss, werden meine wieder feucht. Er ist ein so zarter Mensch. Sein Herz besteht aus Glas. Mein Ardan, ich hoffe, dass meine Liebe dir helfen kann. Man kann ihn doch so leicht zufrieden stellen, er hat keine hohen Erwartungen. Wieso muss man ihm so viel Leid antun? Der Junge hat seine Strafe verdient und wird Ardan bei der nächsten Begegnung sicherlich aus dem Weg gehen. Am liebsten würde ich ihn wieder in den Arm nehmen und die ganze Nacht über seine Probleme und Lösungen für sie reden. Wir könnten ja heute telefonieren. Er liegt alleine im Zimmer. Nein, Yasmin übernachtet ja bei mir. Dann schreiben wir halt, aber ich kann nicht permanent am Handy sein, weil Yasmin ja bei mir übernachtet. Bald ist die Hochzeit. Hoffentlich wird Ardan bis dahin wieder fit und hoffentlich habe ich bis dahin eine Ausrede, damit ich gehen kann.

Ich laufe mit Yasmin direkt nach oben, um mir meinen Pyjama anzuziehen. Im Spiegel schaue ich mich an. Ich bin schön und habe eine schöne Figur. Ardan hat heute gesagt, dass ich einen gesegneten Körper habe. Ich muss ihn auch mit Worten stärken. Yasmin gebe ich ebenfalls Schlafsachen und schreibe Ardan, wie es ihm geht. Ich weiß, dass es ihm besser geht, aber trotzdem möchte ich all seine Gedanken wissen. Wie hat sich dieser Schwächeanfall angefühlt? "Du bist so still." Meinem Freund geht es auch nicht gut. Vielleicht hat er Depressionen und ich weiß nichts davon. Mein Freund hat einen gewissen Zwang, mein Freund hat Lasten mit sich zu tragen. Ich fahre mir leise seufzend über mein Gesicht. Ja, ich bin still, weil ich ebenfalls belastet bin. Meine Mutter ruft uns nach unten in die Küche, wo sie irgendetwas für uns kocht. "Ich wünschte, ich hätte mehr Töchter. Ich freue mich immer, wenn die ganzen Mädchen hier sind und würde am liebsten mit euch im Wohnzimmer übernachten." Mama kneift Yasmin in die Wange. "Beim nächsten Mal kannst du ja dabei sein", erwidert Yasmin lächelnd. "Ja, ich will auch mitbekommen über welche Jungs ihr so redet." Sie kneift schmunzelnd die Augen zusammen und dreht sich wieder zum Herd. "Ach, übrigens, Yasmin. Von wo habt ihr die Kette für Cana?" Nein. Nein, das ist jetzt nicht passiert. Meine Augen werden ganz groß. Ich drehe mich kurz und hektisch zu meiner Mutter, die noch beschäftigt ist und dann zu Yasmin. Zu Yasmin meinte ich doch, dass meine Mutter sie mir gekauft hat und andersrum. Verdammt! Yasmin, spielt bitte mit!

"Äh, es gab so ein Angebot auf einer Seite, die individuellen Schmuck anbietet. Da war das als Modell und wir dachten uns, dass es ihr gefallen würde." Sie gibt mir einen fragenden Seitenblick. Verdammt, wie konnte ich nur so leichtsinnig sein und denken, dass das Geheimnis niemals rauskommt? Mir ist verdammt warm. Ich öffne lieber das Fenster. "Die Kette ist echt schön. Da habt ihr euch etwas Schönes einfallen lassen." Ja, sagt das Ardan. Yasmins Blick ist undefinierbar. Ich weiß nur, dass sie alles wissen will. Hoffentlich vergisst sie das einfach irgendwie. Ich gucke sie am besten nicht mehr an, bis wir oben sind. Mama legt das Essen vor uns hin und nimmt dann zwei Teller für sich und Baba mit ins Wohnzimmer. Ich will nicht alleine mit Yasmin sein. Vor allem, da ihr Blick die ganze Zeit auf mir liegt. Ich esse sehr langsam, versuche mich innerlich für die Konversation zu sammeln, was mir jedoch überhaupt nichts bringt. Der ganze Tag spielt sich in meinen Gedanken wieder ab. Das Waschen von Roxy, die intensiven Küsse auf meinem Nacken, die plötzliche Umschaltung seiner Laune. Wird Yasmin sauer auf mich sein? Vielleicht enttäuscht? Wieso musste es so früh rauskommen? Vielleicht sollte ich lieber erstaunt sein, dass diese Lüge überhaupt so lange gehalten hat. Was wird sie sagen? Sie würde mir doch eigentlich nicht böse sein. Hach, ich finde es in kurzer Zeit sowieso heraus. Wenn ich vielleicht schneller essen würde, dann wüsste ich es sicherlich jetzt schon, aber heute ist das Essen besonders heiß und deshalb esse ich besonders langsam.

Die Beichte kommt gleich, weil ich die Teller in die Spülmaschine lege. Mir klopft das Herz schon ganz schnell, bei dem Gedanken, es zu beichten. Rocky begleitet uns nach oben. Seine Nähe könnte ich gut gebrauchen für das, was gleich kommen wird. Als ich höre, wie sie die Tür abschließt, muss ich stark schlucken. Sie weiß sowas von Bescheid. Ich setze mich mit Rocky aufs Sofa. Ein Glück, legt er sich auf mich. Ich schiele nur für einen kurzen Moment zu Yasmin und blicke sofort weg, da sie mich abwartend ansieht. Ich kann nicht reden, etwas blockiert mich. Muss ich denn unbedingt heute darüber reden? "Wann wolltest du es mir erzählen?" Geflissentlich fahre ich über Rockys Fell. Dass sich Yasmin zu mir auf das Sofa setzt, macht meine Lage nicht gerade besser. "Cana", gibt sie ernst von sich. "Die Kette kann nur von einer Person kommen, denn sonst würdest du es nicht verheimlichen." Langsam sehe ich zu ihr hoch. Sie wirkt nicht böse oder enttäuscht. Sie will nur mehr wissen. "Wieso verheimlichst du es vor uns? Vor deiner Mutter könnte ich es noch verstehen, aber wir sind doch deine Freunde?" Ich wende den Blick wieder ab. "Ardan hat dir die Kette geschenkt." Ja, du hast es erfasst. Ich nicke ganz kurz. "Hat es was mit der Kette auf sich? Sie wirkt nicht billig." Ja, wir sind doch zusammen. Das weißt du sicherlich jetzt auch schon. Ich nicke wieder zögernd. "Seid ihr vielleicht zusammen?" Soll ich es sagen? Ich fühle mich gerade wie in einem Zwiespalt. Aber wieso sollte ich es noch vor ihr verheimlichen, wenn sie es doch schon weiß?

Langsam schaue ich ihr in die Augen, zähle innerlich bis drei. "Ja", flüstere ich. Auf ihrem Gesicht macht sich ganz schnell ein großes Lächeln breit. "Das ist doch schön, Cana." Sie kommt auf mich zu und umarmt mich ganz innig. Das ruft mir die Tränen in die Augen. "Ich freue mich für euch, Cana. Ich wollte schon immer, dass ihr zusammenkommt. Ihr passt so gut." Erleichtert lege ich meine Arme um sie. Jetzt habe ich jemanden, dem ich alles erzählen kann. "Wieso hast du es verheimlicht?" "Ich weiß es nicht. Ich wollte es geheim halten." "Ich habe dir doch gesagt, dass du mir alles anvertrauen kannst und dass ich immer hinter dir stehe." Der Tag bei ihr kommt mir wieder in den Sinn. "Wann seid ihr zusammengekommen?" Ich seufze und sie löst sich von mir. "An meinem Geburtstag." Yasmin zieht erfreut die Luft ein. "Hat er dich gefragt? Ich will alles wissen!" Ich beginne mit der Erzählung, wie wir uns im Gewächshaus geküsst haben, als sie und die anderen am Schlafen waren. Ihre Augen und ihr Mund weiten sich. "Traumhaft." Ja, es war wahrlich ein Traum, der in Erfüllung ging. "Bist du wegen ihm so still heute?" Auch das kann ich nun bestätigen. Könnte Yasmin nicht jetzt mein Alibi sein, falls meine Eltern doch später fliegen? "Würdest du mir einen Gefallen tun?" Abwartend sieht sie mich an. "Ardan möchte, dass ich mit ihm auf eine Hochzeit gehe und die ist dann, wenn meine Eltern weg sind ... vielleicht möchte er auch, dass ..." Mir wird ganz warm im Gesicht, wenn ich an seinen Wunsch denke, bei ihm zu schlafen. "Was?" "Dass ich bei ihm übernachte?" Ihre Augenbrauen heben sich überrascht. Würde sie es tun?

"Okay." Wie? Wirklich? "Echt jetzt?" Sie nickt lächelnd. "Ich stehe hinter dir. Ihr möchtet auf eine Hochzeit und ich helfe dir, es hinzukriegen." Dankend umarme ich sie. Ich kann also doch mit ihm auf die Hochzeit und sogar bei ihm übernachten! Wie es wohl sein wird? "Aber erzähl es bitte keinem, ja?" Sie verspricht es mir. "Zeig mir, was du für die Hochzeit anziehen wirst. Ich überlege mir schon mal eine Ausrede." Plötzlich bin ich ganz motiviert und trage ein Lächeln auf meinen Lippen, als ich mein schwarzes Abschlussballkleid hervorhole. Yasmin pfeift. "Wenn du danach noch Jungfrau bist-," "Yasmin!", murre ich belustigt, während ich meine Augenbrauen zusammenziehe. "Du siehst echt gut aus in diesem Kleid. Und da dein Arsch noch dicker geworden ist ..." Sie pfeift wieder und zieht dann scharf die Luft ein. "Ardan wird mit seinem Penis zu kämpfen haben", grinst sie. Ein Glück hat sie leiser gesprochen. "Ich glaube nicht. Es ist ein normales Kleid." Ich halte es vor mich. So krass wird es nun auch nicht an mir aussehen. "Lass mich den Schmuck auswählen. Ich will, dass du wie eine elegante Bitch aussiehst." Empört schmunzele ich. "Oh, ja, diese langen Ohrringe mit den ganzen Kristallen und die passende Kette dazu." "Aber was ist mit meiner Kette?" "Die kannst du in deinen BH tun und Ardan dann darum bitten, sie zu suchen." Ich schlage ihr prustend auf die Brust. "Ich freue mich so für euch!", quietscht sie dann plötzlich, ehe sie mich in eine feste Umarmung zieht. "Ich habe dir doch gesagt, dass du mit siebzehn Jahren deine erste Erfahrung mit Jungs machen wirst. Oh, ich bin so glücklich!" Unser euphorisches Knuddeln wird durch mein Handy unterbrochen. Das kann nur Ardan sein, der mich anruft. Schnell nehme ich den Anruf an und setze mich auf mein Bett.

"Ja?"

"Hi." Bei seiner Stimme muss ich seufzen.

"Hey. Wie geht es dir?" Ich greife nach meiner Plüsch-Roxy.

"Besser, danke."

"Sicher? Wir kommen dich morgen wieder besuchen, wenn du mit den Tests durch bist. Brauchst du etwas?" Ich hole ihm alles, was er möchte.

"Ja, es geht mir wirklich besser und nein, du brauchst mir nichts zu holen." Ich atme durch meine Nase aus, streiche über mein Plüschtier und dann über die Decke, während mein Blick kurz zur schmunzelnden Yasmin huscht.

"Es weiß jemand von uns Bescheid", flüstere ich schon, weil ich mich irgendwie wieder schäme.

"Wer denn?"

"Yasmin."

"Oh, du hast dich jemanden zugewendet?" Ich muss deshalb schmunzeln.

"Nein, meine Lüge ist nur aufgeflogen und dann hat sie eins und eins zusammengezählt." Ich zwinkere Yasmin an und erzähle dann Ardan ganz ausführlich, wie es dazu gekommen ist.

"Jetzt habe ich wenigstens ein Alibi, was die Hochzeit angeht ... und das ... Übernachten."

"Du übernachtest bei mir?", fragt er ganz euphorisch. Ich kann mir vorstellen, wie seine schönen, grünen Augen zu funkeln beginnen. Ich muss lächeln.

"Hoffentlich. Wenn nichts schief geht."

"Da geht es mir schon viel besser."

"Ich dachte, es geht dir schon viel besser?", gebe ich streng von mir.

"Noch besser", korrigiert er sich. Es wird still in der Leitung.

"Ich lege dann auf. Ich möchte euch beide nicht stören."

"Wir sehen uns dann morgen."

"Ciao." Zufrieden lächele ich und lege dann auf.

Das Gespräch hat mich ungemein beruhigt. Es geht ihm besser, also wird es ihm morgen noch besser gehen. "Es ist echt süß, wie verliebt du bist." Verlegen beiße ich mir auf die Lippe. "Es ist echt schön, verliebt zu sein", gestehe ich ihr. Ihr Lächeln wird größer. "Was weißt du schon alles über ihn? Was habt ihr schon alles gemacht?" "Nicht viel. Nach meinem Geburtstag habe ich bei ihm gefrühstückt. Heute war ich ebenfalls bei ihm." Ich seufze. Das mit dem Mobbing kann ich ihr nicht erzählen. Das muss Ardan, wenn überhaupt, selber machen. "Also warst du dabei, als dieser Schwächeanfall kam?" Ich nicke. Es war schlimm. Wenn ich wieder an diese hässlichen Typen denke, werde ich ganz wütend. Wie kann man den Mut haben, sich so ekelig zu verhalten? Hoffentlich hat der Typ einen Bruch davongetragen. "Das muss sich sicherlich schlimm für dich angefühlt haben." "Und wie", flüstere ich. Meine Augen werden schon wieder feucht. Sein Keuchen und die zusammengekniffenen Augen, sein Leid war deutlich zu sehen. Hoffentlich wird er morgen schon entlassen. "Ich schreibe Ramzi dann mal, wann wir morgen gehen wollen." "Schreib es in die Gruppe, damit Ardan es auch liest." Sie schaut kurz überlegend. "Du hast heute auch gefordert, dass wir ihn umarmen sollen. Was hat es damit auf sich?" Ich werde sein Geheimnis nicht weitersagen. Ich winke einfach nur ab. "Es würde ihn sehr freuen." "Wir kaufen ihn morgen auch was, damit er super glücklich wird. Und ich will sehen, wie ihr kuschelt." Bei dem Gedanken, wie Yasmin uns beim Liebkosen zusieht, versteife ich mich. "Das geht doch nicht, wenn die anderen dabei sind." Vor allem Ramzi.

Der neue Tag beginnt. Fürs Frühstücken lasse ich mir nicht viel Zeit, weil ich zu Ardan möchte. Der Arme wurde früh geweckt, um die Tests zu absolvieren und möchte mich jetzt sehen. Wir müssen mit dem Bus fahren, weil meine Brüder noch nicht wach sind. Außerdem sind wir so die ersten Besucher dort, weshalb ich doch etwas inniger mit Ardan sein kann. "Cana, wie sie sich hübsch für ihren Ardan macht. Ist das nicht niedlich?" Ich fahre mir lächelnd über meinen Zopf, woraufhin ich auf meine Babyhaare aufmerksam werde. Ardan hatte immer Spaß an ihnen gefunden. Heute kann er ja seinen Finger wieder durch die Locke stecken. Verdammt, ich habe keine Zeit, ihm was zu kaufen, weil der Bus gleich kommt! Schnell packe ich einige Mandarinen in eine kleine Tüte und stopfe viele Schokobons noch hinein. "Yasmin, komm! Der Bus kommt gleich." Sie eilt die Treppen hinab und zieht sich extra wegen mir schnell die Schuhe an. Im Bus denke ich die ganze Zeit an Ardan. Was hat er an? Wie sieht er aus? Bestimmt traumhaft hübsch. Ganz ungeduldig spiele ich an meinem und seinem Armband. Er hat mir geschrieben, dass er vor dem Krankenhaus auf uns wartet. Er ist so aufmerksam. An dieser Nachricht erkennt man seine guten Manieren - ein wahrer Traummann. Einige aus unserer Stufe steigen ein, doch da ich nichts mit ihnen zu tun habe, beachte ich sie nicht groß. Ich möchte meinem Freund nicht von der Seite weichen. Hoffentlich ist Mama heute auf der anderen Station oder im OP. Konnte er schnell einschlafen? Er meinte doch einmal, dass er dann schwer nach seinen gesundheitlichen Problemen einschläft. Leise seufze ich. Er hat diese ganzen Probleme überhaupt nicht verdient.

Meine Vorfreude wächst, als ich aus dem Bus steige. Gleich sehe ich ihn und Yasmin ist dabei. Wann ich es wohl den anderen erzählen werde? Ach, das spielt gerade keine wesentliche Rolle. Meine Sehnsucht wächst mit jedem Schritt, mit dem ich dem Krankenhaus und somit Ardan näherkomme. Mein Bauch kribbelt schon ganz aufgeregt. Hoffentlich mag er Mandarinen. Ich mag Mandarinen. Ich könnte sie ihn schälen. Verdammt, ich habe ihm nichts zu trinken geholt! Mist! Unzufrieden bitte ich Yasmin, den anderen zu schreiben, dass sie ihm etwas zu trinken besorgen sollen. Zwar gibt es dort reichlich Wasser, jedoch möchte ich, dass er so viel Auswahl wie möglich hat. Da ist er ja! Mein Ardan. Sofort beginne ich schneller zu laufen. Ich will mich am liebsten zu ihn teleportieren können. Er steht in Jogginghose und weißem T-Shirt vor dem Eingang. Seine Haare leuchten durch die Sonne wie Schokosoße. Je näher ich ihm komme, umso mehr Details sehe ich. Mein Ziel ist es, seine schönen, grünen Augen deutlich sehen zu können - seine Grübchen sehe ich schon. Der weite Weg ist endlich geschafft, ich kann ihn in die Arme nehmen. "Hallo, Mopsi." "Hi, Ardan", flüstere ich. Rasch drücke ich ihm einen Kuss auf den Nacken und ziehe seinen sanften Duft ein. Die wunderbare Kombination aus seinem Duft und seinen Berührungen lassen mich auf den Wolken der Götter schweben. Zärtlich streicheln seine Hände meine Taille und meinen Rücken, und ich wünsche mir, dass es niemals aufhört. "Da ist ja mein Schwager", höre ich Yasmin hinter mir säuseln. Mein Lächeln ist groß, sicherlich ist meine Röte stark zu sehen. Yasmin umarmt Ardan lächelnd. "Ich spüre schon die ganze Liebe hier in der Luft."

"Das ist doch etwas sehr Angenehmes, hoffe ich", gibt Ardan gedämpft von sich. Wie angenehm seine Stimme ist. So ruhig und rau. Seine Grübchen stechen wieder hiervor, als er mich ansieht - meine sicherlich auch. Er wirkt glücklich, aber ich merke ihm an, dass er wenig geschlafen hat. "Kommt, ich führe euch in mein vertrautes Habitat." Ardan läuft zum Aufzug, den er für uns aufhält. Anscheinend hat er schon die Etage gedrückt. Er steht neben der Tür, während Yasmin sich grinsend in die Ecke gestellt hat und mich zu ihm drückt. Das bringt nicht sonderlich viel, weil wir schon aussteigen müssen. Ardan zeigt mal wieder seine besten Manieren und lässt uns den Vortritt. "Den solltest du schnell heiraten", wird mir von ihr zugeflüstert. Ich kichere nur voller Hormone. Wir treten ins Zimmer 3A, wo wie gestern nur Ardan ist. Hoffentlich bleibt das auch noch eine Weile so. "Hier, ich hatte nicht sonderlich viel Zeit, aber ich hoffe, du magst es." Ardan nimmt lächelnd die Tüte an. Aus Verlangen lege ich meinen Zeigefinger auf sein stark ausgeprägtes Grübchen. "Dankeschön, Mopsi. Ich liebe es." Ohne, dass ich es vorhersehe, nimmt er mein Gesicht und drückt mir einen kurzen Kuss auf. Yasmin hinter mir kriegt einen unterdrückten Anfall. Auch ich erleide ihn gerade ein wenig. Er hat mich vor einer anderen Person geküsst, das ist so ungewohnt - jedoch war ich gestern mit ihm am See und habe meine Hand unter sein Oberteil wandern lassen. Das war auch ziemlich intim und so unüberlegt. Jemand hätte uns sehen können, ich Dumme! "Zu schade, dass ich es nur von hinten gesehen habe. Könntet ihr das bitte wiederholen und dabei seitlich zu mir stehen?" Ardan wackelt anzüglich mit seinen Augenbrauen. "Nein", murre ich belustigt.

Ardan setzt sich auf sein Bett, das er uns auch zum Sitzen anbietet. Ich sitze lieber auf dem Stuhl und ziehe ihn ganz nah an das Bett. "Und? Was habt ihr gestern alles über mich erzählt?" Woher weiß er das? Ertappt schaue ich zu Yasmin. Ich befürchte, dass sie irgendetwas unangebrachtes raushauen wird und es nicht einmal stimmt. "Sie hat mir erzählt, wie ihr zusammengekommen seid. Echt süß." Puh, doch nichts Unangenehmes. "Und dass sie es gar nicht abwarten kann, endlich mit dir zu schlafen." Mein Mund öffnet sich empört. Ich wusste es doch! Verdammt, ich mir wird total warm im Gesicht. Dass Ardan mich schmunzelnd ansieht, macht es nicht besser. "Das lässt sich arrangieren." Ich haue ihn. "Ardan!", murre ich. "Was denn? Sex gehört zur Natur. Du magst die Biologie doch so sehr." Er und Yasmin beginnen zu lachen, während ich versuche, ernst zu bleiben. "Ich habe erzählt, dass ich bei dir schlafe und nicht mit dir!" "Mal gucken, was sich so ergibt", säuselt er. Yasmin keucht überrascht. Sie kann sich nicht mehr halten und beginnt wieder zu lachen. Ardan ist wieder in seinem Lüstlings-Modus, der alte Lümmel. "Ich komme nicht zu dir." Stur verschränke ich die Arme vor meiner Brust. "Nein!", flehen beide synchron. "Iss deine Mandarinen." Ich gebe ihm die Tüte, damit er sich auf etwas anderes konzentrieren kann. Ob er das mit dem Sex wirklich ernst meint und es nur hier als Witz verpackt? Das kann gut möglich sein.

Wären wir alleine, dann hätte ich seine Vergangenheit und meine Vermutung mit den Depressionen angesprochen. War er schon mal bei einem Therapeuten? Was hat er für Gedanken? Ich bin mir sicher, dass es nicht nur die friedlichen Gedanken sind, wie auf dem Dach damals bei ihm. Er hat nur eine Fassade, die er sehr gut aufrechterhalten kann. Für das Perfektionieren hat er sicherlich Jahre gebraucht. Je mehr ich darüber nachdenke, umso mehr Bedenken habe ich um Ardans Schattenseiten. Sie vergrößern sich mit jedem Gedanken. Wer war seine Bezugsperson davor? Hatte er überhaupt eine? Hat er mit seinen Eltern gesprochen? Was alles ist passiert? Er soll bitte aufhören, sich damit zu belasten ... leider ist das leichter gesagt, als getan. Hätte ich diese Gedanken, wenn Ardan nicht im Krankenhaus liegen würde? Hätte ich diese Gedanken, wenn wir nicht am See wären oder uns an einem anderen Platz am See niedergelassen hätten? Es ist faszinierend, was Zufälle alles auslösen können; Ganze Lösungen, neue Entdeckungen, gar irgendetwas, was alles ändern könnte ... aber doch nichts, was die Beziehung zwischen Ardan und mir ändern könnte, oder? Nein, das kann nicht sein. Nein, nein, diesen lächerlichen Gedanken schlage ich mir sofort aus dem Kopf. Ich liebe ihn über alles. Ich gebe doch nicht so schnell auf. Wozu habe ich mich denn auf ihn eingelassen? Jeder hat schattige Seiten, das ist okay. Ich werde Ardan irgendwie helfen. Aber wie? Ich muss mir die Ansätze aufschreiben, die ich habe und nach möglichen Vorgehensweisen schauen.

"Mopsi? Was geht in deinen Gedanken vor sich?" Ich schaue sofort in seine grünen Augen, unter denen leichte Augenringe zu erkennen sind. Meine Schultern sinken sofort. Wie geht es dir wirklich? Ich winke einfach nur ab. Das kann ich nicht ansprechen, wenn wir nicht unter uns sind. "Ich gehe dann mal eine Runde drehen, bevor die anderen kommen. Ich muss sowieso telefonieren." Yasmin verlässt das Zimmer, wofür ich ihr dankbar bin. Okay, wie soll ich jetzt anfangen? Der erste Ansatz gelingt mir nicht. "Was liegt dir auf dem Herzen?" Ardan greift nach meiner Hand, um sie zu küssen. "Du", seufze ich. "Mir geht es gut." "Hör auf, zu lügen." Sein Blick ist ausdruckslos. Entweder lässt er sich nichts anmerken oder er versteht nicht, worauf ich hinausgehen will. "Du hast Probleme, Ardan. Dir geht es nicht gut." "Mir geht es sehr gut, seitdem ich in eurer Stufe bin." "Du bist nicht vollkommen befreit." "So etwas nimmt nun mal viel Zeit in Anspruch." "Wieso verleugnest du dann zuerst, dass es dir gut geht?" Er hält inne. Ja, du hast dich selber verraten, Ardan. "Das spielt doch keine Rolle mehr. Mir geht es von Mal zu Mal besser." "Wieso möchtest du nicht mit mir darüber reden?" Ich werde immer verzweifelter. Mit einem flehenden Blick setze ich mich zu ihm aufs Bett, will in seine grünen Augen schauen, doch er wendet den Blick ab. "Ardan, was hat es mit diesem Krüppel auf sich?" Ich erschrecke mich, als er mich zornig ansieht. Plötzlich kann ich mich nicht mehr bewegen, ich traue mich nicht mehr. Genauso wenig kann ich atmen, weil sein Blick so viel Wut zeigt. "Für die Benutzung dieses Wortes gehörst du eigentlich bestraft, Cana." Aber wieso? Was hat es damit auf sich?

"Wieso?", flüstere ich. Ich habe es doch nicht gegen ihn verwendet. "Ich möchte mich nicht mit dir streiten. Lass es bitte gut sein." Enttäuscht sinken meine Schultern. Er wendet sich von mir ab. In meinem Brustkorb entsteht wieder das elektrisierende Gefühl, das immer bei Enttäuschung und Trauer entsteht. Es keimt sich sogar etwas Wut in mir auf. "Das gehört sich nicht in einer Beziehung", keife ich, woraufhin er mich wieder ansieht. "Eine Beziehung beruht auf Vertrauen. Vertrauen, welches du mir nicht schenken willst!" "Weil ich nicht bereit dazu bin! Eine Beziehung beruht auch auf Rücksicht, Cana." Sein Ton ist tadelnd. Eine Welle der Enttäuschung übermannt mich. Ich spüre das elektrisierende Gefühl wieder und das sogar bis in meine Handflächen. Bin ich wirklich rücksichtslos? Das kommt mir gar nicht so vor. Diese Diskussion nimmt mich mehr mit, als es sollte. "Ich zeige doch Rücksicht", murmele ich kleinlaut. Ich möchte ihm doch nur helfen, mehr nicht. Ardans Blick wird weicher, als er meinen sieht. "Natürlich tust du das, aber dieses Thema ist einfach sehr kompliziert. Es tut mir leid, komm her." Ardan zieht mich in seine Arme, woraufhin ich einen Kuss auf meine Schläfe bekomme. "Lass uns den Tag nicht wegen so etwas vermiesen." Aufmunternd fährt er über meinen Rücken. "Mach dir nicht so viele Gedanken darum. Hab lieber Vorfreude auf die Hochzeit. Da werde ich glücklich sein, weil ich dich in einem schicken Kleid sehen werde und du dann bei mir übernachtest." Er küsst meine Schläfe wieder. Ich weiß nicht so recht ... aber er hat recht. Ich sollte den Tag nicht vermiesen, sondern ihn genießen.

Um mich abzulenken, nehme ich eine Mandarine, die ich für ihn schäle. "Hier." Ich gebe sie ihm. Sofort strahlt er, als er die kleine Mandarine in seiner großen Hand hält. Es ist faszinierend, dass ihn die kleinsten Sachen so glücklich machen können. Yasmin tritt wieder ins Zimmer. "Hattet ihr Versöhnungssex?" "Yasmin", seufze ich. Wenigstens höre ich Ardans schöne Lache. Ich kriege sogar eine Gänsehaut deshalb, wie faszinierend. "Ramzi und die anderen steigen gerade aus dem Aufzug." Das ist das Zeichen, mich wieder auf den Stuhl zu setzen. Ramzi tritt mit einem Blumenstrauß hinein. "Hey, Schatz. Gib mir einen Kuss." Ardan schaut schmunzelnd auf Ramzi, der den Strauß ablegt und sich aufs Bett legt. Er legt seine Hand auf Ardans linke Wange, wobei er die rechte küsst. Ardans Augen weiten sich überrascht. Ach, Ramzi. Belustigt schaut er zu Ramzi. "Ich kann dich auch woanders küssen." Sofort presst er seine Lippen aufeinander. "Tiefer", haucht Ramzi. Oh mein Gott. Ramzi legt die Decke über seinen Kopf, woraufhin er nach unten wandert. "Ramzi, Ramzi, nicht!", lacht Ardan. Schnell hält er ihn fest und schreit kurz auf. "Hände weg!", lacht Ardan hysterisch. "Zeig mir deine dicke Wurst, Ardan. Du weißt doch, dass ich kein Vegetarier bin." Ardan springt aus dem Bett. Er wirkt viel vitaler. "Wenn du entlassen wirst, gehen wir raus und das ohne diese Mädchen." Ramzi schaut uns angeekelt an. Ich finde es gut, dass er den Kontakt zu Ardan stärkt, denn das ist genau das, was mein Ardan braucht. Gerade muss ich an die Hochzeit denken. Ich werde bei ihm übernachten. Ich werde Ardan im Anzug sehen und ich weiß, dass er himmlisch aussehen wird. Ein Kribbeln macht sich in meinem Bauch breit.

Mein Herz vermutet einen Tag voller Leidenschaft.

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