Kapitel 41
Dean Lewis - Chemicals
Ich versuche wirklich zu schlafen, aber es geht nicht. Vielleicht liegt es an den Gesprächen der Mädels, aber vielleicht liegt es auch an der Tatsache, dass ich in Ardan verliebt bin. Oh Gott, das ist so verrückt. Ich liebe ihn! Ich bin verliebt! Aber ich darf die Schule nicht vernachlässigen. Sollte ich es ihm so schnell wie möglich sagen? Nein, ich warte lieber noch ein wenig. Ich will nichts überstürzen. Aber, wenn es dann endlich dazu kommt, wie soll ich es dann machen? Das ist eine schwierige Frage. Vielleicht irgendwo im Mondlicht oder bei einem Sonnenuntergang. Wegen meiner kitschigen Gedanken muss ich schmunzeln. "Cana hat schmutzige Gedanken, die sie mit uns teilen will", sagt Amal. Oh nein. "Ich musste nur an Dilans Aktion mit dem Push-up heute denken", lüge ich. Ich bin echt gut im Lügen geworden. Ich sollte Ardan deshalb anschimpfen. "Was fällt diesem Miststück auch ein?", blafft Dilan genervt. "Wir sollten langsam Canas Geburtstag planen. Es ist ja nicht mehr so lange, bis der Juni kommt." Oh, mein siebzehnter Geburtstag. "Vielleicht feiere ich ihn gar nicht." "Du wirst ihn feiern!", fordert Yasmin. "Das ist ein Muss. Jeder hat diesen Geburtstag von uns gefeiert. Das ist das Jahr der Liebe." Ach, wenn du nur wüsstest, Yasmin. "Was wollen wir denn groß an meinem Geburtstag machen?" "Die Grundfarben werden auf jeden Fall pink und weiß sein. Es wird einfach ein ganz normaler Geburtstag, aber nurunter Mädchen", erzählt Yasmin. "Und was soll ich den Jungs sagen?" "Stimmt", seufzt sie. "Bei mir und Dilan mussten ja Miran und Ramzi dabei sein und bei Amal hatten wir es nicht richtig durchplant." Yasmin streicht über ihren imaginären Bart.
"Egal, das können wir ja später irgendwie entschlüsseln. Du wirst auf jeden Fall ein Kleid anziehen." "Wirklich? Ich dachte eher an Jacke und Hose." Ich verziehe nachdenklich das Gesicht. "Lustig", gibt Yasmin trocken von sich. "Was haben du und Ardan eigentlich gemacht?", fragt Amal. Oh, darüber rede ich nicht. Ich zucke mit den Schultern. "Ich habe ihm zur Seite gestanden", murmele ich. "Wieso hat ihn das so getroffen?", fragt nun Dilan. Das werde ich nicht sagen. Das ist etwas, was Ardan mir anvertraut hat. "Weiß ich nicht." Ich zupfe an der Bettdecke herum. "Aber ganz ehrlich: Luis ist auch ein richtiger Spast." Da kann ich Dilan nur hundertprozentig zustimmen. "Es hätte auch echt nicht zu Ardan gepasst, wenn er ein Mädchen geküsst hätte", meint Amal. Ich wäre echt erschüttert, wenn er es getan hätte. Ob Ardan jemals in einer Beziehung war? Ich weiß es gar nicht. Ich weiß vieles nicht. Ich muss mehr über ihn herausfinden. "Aber da ist nichts zwischen euch, oder? Du kannst es ruhig sagen." Ich mag Dilans Frage nicht. Klar, da ist was zwischen uns, ich bin verliebt in ihn ... aber ich will es noch nicht preisgeben. Ich bin nicht bereit dafür. Das ist mir noch viel zu intim und frisch. "Nein", murmele ich. Wir nähern uns nur Stück für Stück. "Könntest du dir etwas mit ihm vorstellen? Ich finde, ihr passt sehr zueinander. Ich wäre echt glücklich, weil ich weiß, wie sensibel du bist und du so etwas gut gebrauchen könntest." Yasmin lächelt und fährt über meinen Arm. Verlegen lächele ich. Ob Ramzi mit ihr über seine Gefühle zu mir endlich geredet hat? Ich muss ihn fragen. Als ich in Dubai war, hat er es noch niemanden erzählt, aber jetzt?
Nach unzähligen Gesprächen ist es dunkel im Haus und alle schlafen. Ich jedoch bin immer noch nicht in der Lage dazu. Unruhig wälze ich mich hin und her. Wie soll ich nach dem intensiven Ereignis und Geständnis auch ein Auge zukriegen? Wenn ich dann zum Frühstück aufstehen muss, werde ich sehr übermüdet sein. Ich will wieder schwimmen. Wenn Ardan ja da ist, kann ich ihn dann wieder beobachten - vielleicht auch länger und intensiver. Sanft erschaudere ich, als ich an seinen Körper denken muss. Wie unanständig. Ich grinse verstohlen. Was er wohl denkt, wenn ich ihm in den Sinn komme? Oh Gott, hat er auch unanständige Gedanken? Ich halte inne. Er ist ein Junge, bestimmt hat er solche Gedanken ... oder er ist so ein Gentleman und bleibt gedanklich keusch. Ob er wohl sein erstes Mal hatte? An wen hat er seinen ersten Kuss verloren? Etwas genervt verziehe ich mein Gesicht - Anzeichen von Eifersucht, oje. Ich schaue aus dem Fenster und bin froh, dass mich jemand anschreibt.
'Noch wach?' Ich strahle sofort.
'Ja, ich kann nicht schlafen', antworte ich Ardan.
'Dann schleich dich aus dem Haus.'
'Und dann?'
'Ich entführe dich. Ich dachte, das wäre klar.' Um die anderen mit meinem Gekicher nicht zu wecken, presse ich mir die Hand auf den Mund.
'Okay, ich ziehe mir kurz etwas über und komme dann. Soll ich sonst etwas mitnehmen?' Er tippt und tippt und tippt.
'Nein.'
'Was wolltest du schreiben?'
'Mach dich fertig, Mopsi.'
Ganz leise murre ich und ziehe mir Socken und Jacke an. Ich habe den Drang Parfüm aufzutragen, also tue ich es - aber ganz wenig. Ich setze mich auf die Treppe, stütze an der Stufe meine Hände ab und steige so die Treppen hinab, weil ich wirklich keinen Mucks machen will. Mit dem Blitzlicht meines Handys packe ich einige Schokobons ein, ziehe mir meine Schuhe an und schließe die Tür auf. Den Schlüssel nehme ich einfach mit. Als ich die Tür wieder schließe, verziehe ich bei dem quietschenden Geräusch das Gesicht und schließe ab. Puh, geschafft. Kaum drehe ich mich um, kriege ich einen Herzinfarkt. "Ardan!", keuche ich leise. Wieso habe ich ihn nicht gesehen. "Sehe ich so gruselig aus?", fragt er belustigt. "Mit den Schuhen siehst du aus wie ein Mörder." Und sonst siehst du mörderisch sexy in ihnen aus. Es ist zwar sehr dunkel, aber sein Lächeln sehe ich trotzdem. "Danke, komm." Er hält mir seine Hand hin, die ich mit ganz viel Freude und Wucht ergreife. Ja! Wir halten Händchen. Ich kann mir ein Kichern und ein Hüpfen nicht verkneifen. "Was wolltest du schreiben?", will ich wissen. Er lacht leise. "Nur ein unanständiger Satz." Mein Mund bleibt offen. "Sag." Schmunzelnd schaut er zu mir. "Eine Kleinigkeit." Ich ziehe die Luft ein. "Kondome?", hauche ich. Wie unanständig er denkt. Das sieht man ihm gar nicht an. Oh Gott, Ardan ist ein Lümmel. "Widerling", flüstere ich verdutzt. Er lacht nur. Das werde ich immer im Hinterkopf haben. "Kann es sein, dass du mich heute angeschnurrt hast?" Oh Gott. Ertappt schaue ich zur Seite. Wie laut habe ich denn bitte geschnurrt? "Gut möglich", murmele ich. Er lacht nur. "Mich hat noch nie jemand angeschnurrt." Ich schaue auf unsere Hände und drücke zu. Dieser Anblick bereitet mir Bauchkribbeln. Ich halte zum ersten Mal mit einem Jungen Händchen - und ich liebe die Person auch noch! "Trägst du das Lederarmband noch?" "Ich habe es in meiner Jackentasche." "Wieso trägst du es nicht mehr?" Ich weiß, dass es ihn stört. "Weil wir diese Zeit der Unwissenheit hatten." Er schaut mich kurz an. "Ich wusste nicht, ob da noch etwas passieren wird und da bis vorgestern nichts kam, dachte ich, es ist vorbei. Ich mache es wieder dran." Er nickt.
Es ist kalt, aber ich halte es aus. Ardan führt mich wieder zum Strand, wo die ganzen Strandkörbe stehen. Der Mond leuchtet ganz stark, es ist Vollmond. "Es ist faszinierend, wie weit der Mond doch weg ist und trotzdem so groß erscheint." Ich nicke. "Man könnte meinen, dass man mit einem Helikopter dorthin fliegen könnte", ergänzt er. Das dachte ich früher wirklich. Zum Glück sind die Strandkörbe nicht abgeschlossen. "Ich mag die Nacht", sage ich leise. Das Rauschen der Wellen ist im Einklang des Mondscheins so unfassbar schön und beruhigend. "Ja, sie ist echt schön." Unsere Hände liegen zwischen uns, weshalb ich sie auf meinen Schoß ziehe und mich gegen ihn lehne. "Alles kommt mir nachts schöner vor. Woran das wohl liegt?" "Vielleicht weil man in der Nacht weniger Hektik hat. Alles ist ruhig, es steht fast alles still. Man kann den Moment länger genießen." Das kann es sein. "Und man ist daran gewohnt, alles bei Tag zu machen. Nachts sind wir selten draußen. Das Seltene wollen wir öfter, weil das Gefühl, welches wir vermittelt bekommen, neu ist und wir mögen es. Natürlich kann man das nicht auf alle Situationen übertragen, aber es passt zur Nacht." Seine Gedanken lassen mich immer wieder entspannen. Sein Blick ist dabei auf das Wasser gerichtet und ab und zu heben sich seine Augenbrauen. Er wirkt so schön, wenn er nachdenkt. "Rede, damit ich dich sehe." Er schaut lächelnd zu mir. "Sokrates?" Ich nicke. "Was siehst du denn?" "Eine wunderbare Person mit viel Intellekt", wispere ich. Sein Lächeln wird stärker. "Du hast wunderschöne Gedanken, Ardan." Und ein noch schöneres Herz.
Schüchtern lächelnd senkt er den Blick auf unsere Hände. "Man hat früher gesagt, dass ich ein Besserwisser wäre. Jemand, der auf schlau tut." "Das kommt nur von dummen Menschen. Die Dummen sind die, die alles besser wissen." Er nickt und zuckt dann seufzend mit seinen Schultern. "Man hat zwei Wege in so einer Situation: Man lässt sich entweder auf die Dummheit ein und wird wie sie, damit man dazugehört oder man wählt den Weg der Einsamkeit." "Hattest du gar keine Freunde?" "Eine lange Zeit." Oh nein. Ich lege meine Arme um ihn. Wieso das denn? Was hat er denn getan, dass man ihn nicht mochte? "Bis zur Oberstufe?" Er nickt. "Aber wieso?", frage ich verständnislos. Ardan winkt seufzend ab. "An einem schönen Ort soll keine Negativität Platz finden." "Dann hättest du das Fass doch gar nicht geöffnet", entgegne ich. Seine Lippen spitzen sich leicht. "Ein berechtigtes Argument." Er fährt mir über mein Haar. Prickeln. Ich verspüre sofort das schöne Prickeln auf Kopf und Rücken. "Ich bin froh, dich kennen zu dürfen, Cana." Stolz lächele ich. "Erstmal mochtest du mich nicht, das wusste ich. Das hat mich verunsichert, aber ich dachte mir, dass du doch gar nicht so schlimm sein kannst." Dass ich ihn verunsichert habe, tut mir leid. "Du siehst nämlich nicht fies aus. Du wirkst ganz knuddelig mit deinen goldenen Augen und prallen Wangen." Ich gluckse kurz. "Du hast schöne Augen, Cana. Sie sind so gold-gelb." "Du hast auch schöne Augen, Ardan." Gegenseitig streicheln wir unsere Rücken und genießen die Atmosphäre. Dass er meine Augen schön findet, erinnert mich daran, dass ich überhaupt solche schönen Augen besitze.
"Wie kam es dazu, dass du das Philosophieren so gut kannst und magst?" "Das weiß ich gar nicht. Vielleicht liegt es an meinem ruhigen Naturell. Ich habe irgendwann ein gutes Zitat gefunden und dann wollte ich immer mehr und mehr. Ich führe ein Büchlein mit Zitaten. Ich kann es dir ja mal zeigen." "Unbedingt." Ich freue mich, dass er mir seine Passion zeigen will. "Welches war denn dein erstes Zitat?" "Ängstigt euch nicht vor dem Tod, denn seine Bitterkeit liegt in der Furcht vor ihm. Ich habe dann alles mit anderen Augen gesehen und mich gefragt, ob gewisse Dinge wirklich so schlimm sind oder ob es nur der Schein ist, der trügt. Angst macht vieles aus." "Aber, wenn man schon einmal enttäuscht wurde?" "Du kannst ja nicht wissen, ob es beim zweiten Mal ebenfalls so wird. Natürlich will man nicht verletzt werden und wenn es wieder so ist, wie beim ersten Mal, dann lebt man lieber mit der Angst, anstatt die dritte Demütigung zu spüren, aber man stellt sich den Schmerz schlimmer dar, als er ist. Man sollte es rational betrachten und nicht emotional. Nur ist das Problem, dass es viele nicht können, weil sie es eben so schlimm sehen." "Es ist nun mal schlimm, wenn einem das Herz gebrochen wird. Das ist eine psychische Beschädigung, Ardan." Ich weiß ja, wie es sich ungefähr anfühlt. "Das stimmt", haucht er. "Ich kann es auch nicht immer. Das haben wir ja heute sehen können, aber ich bessere mich Stück für Stück. Hier habe ich mehr Kontakte als jemals zuvor." Das macht mich glücklich. "Hast du denn sonst keinen, mit dem du bist?" "Doch, meine Cousins. Sie sind oft bei uns."
Ich spüre jetzt langsam die Anzeichen der Müdigkeit, aber ich will nicht weg. Aus meiner Jackentasche hole ich Schokobons raus, die ich ihm anbiete. Er dreht sich mit seinem ganzen Körper zu mir, weshalb ich auf die andere Seite rutsche und mich ebenfalls mit dem Rücken an die Seite lehne. Wann wohl der nächste Schritt kommt? Ich sollte nicht so ungeduldig sein, alles hat seine Zeit. Langsam kaue ich auf meinem Schokobon herum und beobachte Ardan. Mir kommt das erste Mal in den Sinn, wo er uns allen Schokobons angeboten hat und dann am selben Tag hat er mir wieder eins angeboten, weil ich nach der Auseinandersetzung mit Didem so frustriert war. Die Schokobons sind zu unserem Ding geworden, fällt mir auf. Das lässt mich schmunzeln. "Erzähl." "Die Schokobons, sie sind zu unserem Ding geworden." Ardan lächelt. "Ja, das stimmt. Ich liebe die Dinger." Ich weiß nicht wieso ich jetzt wieder an das Szenario im Schwimmbad denken muss. Hat Ardan meine Brüste angeguckt? Ich setze mich ein wenig auf und mache meine Jacke zu. Ist er sehr auf Proportionen angewiesen? Hoffentlich nicht. Er wirkt nicht so. Ich verdränge den Gedanken. Er schaut mich an, wirkt ein wenig verträumt. Wieso habe ich das Gefühl, zu erröten? Wieso bin ich so schüchtern? Ich schaue verlegen weg. Ich habe nicht einmal etwas zum Spielen. Das Lederarmband ist auch nicht in dieser Jacke hier, toll. Als ich wieder zu Ardan sehe, schaut er mich unverändert an. Fragend schüttele ich den Kopf und er kommt wieder zu sich, lächelt zufrieden. "Komm, wir gehen zurück."
Er hält mir wieder seine große, warme Hand hin, bevor er mich schweigend zu meinem Haus begleitet. Es ist so verrückt, dass ich das wirklich zulasse. Ich wollte doch gar nichts mit Jungs zu tun haben. Ich wollte doch keine dahergelaufenen Typen und was mache ich gerade? Ich halte Händchen. Aber ich bereue es nicht. Es fühlt sich richtig an. Es fühlt sich gut an. Ich kann Ardan vertrauen und er mir auch. Es fühlt sich so schön an, wenn man verliebt ist. Es kommt mir gerade so einfach vor. Seine Hand passt perfekt in meine und am liebsten würde ich sie gar nicht mehr loslassen, aber jetzt sind wir leider angekommen. Verlegen schaue ich ihn an und zwirbele meine Babyhaare. Und was jetzt? Soll ich ihn umarmen? Ich weiß gerade gar nicht, was ich tun soll. Er bemerkt mein Unwissen und kommt lächelnd auf mich zu. Mein Herz rattert sofort. Meine Hand verlässt meine Haare. Sanft hält er meinen Hinterkopf fest und küsst meinen Scheitel. Es kribbelt! Ich liebe dieses Bauchkribbeln. "Gute Nacht, Cana." Zärtlich streichelt er meine Wange und lehnt seine Stirn an meine. Kann es noch schöner werden? Ich umarme ihn fest und will am liebsten nie wieder loslassen. Es ist zu schön, um wahr zu sein. "Gute Nacht, Ardan." Lächelnd löst er sich von mir und wartet, bis ich ins Haus trete. "Oh Gott", flüstere ich leise. Das wachsende Grinsen unterdrücke ich mir nicht. Mein Herz schlägt so schnell, ich bin so glücklich. All die Jahre habe ich mir immer gesagt, dass so etwas warten kann, dass ich es nicht brauche. Ich wusste nicht, dass es so ergreifend ist. Das, was in Büchern geschildert wird, lässt sich nicht mit den eigenen Erfahrungen und Empfindungen vergleichen.
Ich habe nur einen Vorgeschmack der Liebe und es füllt mich jetzt schon bis zum Herzen.
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