Kapitel 40

Why Don't We - 8 Letters

Der Tag beginnt gut gelaunt und mit Sonne. Zwar bin ich noch müde, aber das wird sich sicherlich legen, wenn ich Ardan sehe. "Hat da jemand die Sonne gekitzelt oder wo ist die traurige Cana hin?", fragt Yasmin. "Ich war nie traurig", leugne ich schmunzelnd. Was soll ich heute anziehen? Die helle Jeans auf jeden Fall. Welches Oberteil? Vielleicht das rote mit der aufgestickten Rose? Ja, darauf habe ich Lust. Ich parfümiere mich davor, trage viel Deo auf und sprühe mich noch einmal nachdem ich mich angezogen habe. Ich bin schon viel wacher und motivierter, kann selbst beim Zähneputzen nicht aufhören zu grinsen. Heute geht es ins Sea Life. Heute macht mich einfach alles glücklich. "Sind die Jungs schon wach?", frage ich. "Bestimmt pennen sie noch." Das ist meine Chance. Mit einem versteckten Grinsen gebe ich Bescheid, dass ich die Jungs wecken gehe. Meine Brust wölbt sich schon vor Freude auf Ardan. Oh Mann, ich bin einfach so glücklich! Ich hüpfe auf die Terrasse und klopfe. Ramzi schläft sehr fest. Man kann ihn nur im Team wecken, also ist es sehr unwahrscheinlich, dass er die Tür öffnet. Wieder klopfe ich und höre dann Schritte. In mir braust weitere Freude auf und als die Tür geöffnet wird und ich seine müden, grünen Augen sehe, kann ich mir ein Grinsen nicht verkneifen. Schmunzelnd fährt er sich durch sein Haar. Zu schade, dass er ein T-Shirt anhat. "Guten Morgen, Mopsi." "Morgen", quietsche ich und trete hinein. Langsam schließe ich die Tür, lasse sie aber nicht ins Schloss fallen. Ich will jetzt gerade sehr gerne ganz allein mit ihm sein.

"Sind die anderen schon wach?", flüstere ich. Er verneint es kopfschüttelnd. Sehnsüchtig schaue ich ihn an. Ich will ihn sehr gerne umarmen. Ich weiß nicht, ob er es mir ansieht, aber er lächelt irgendwie wissend. Langsam öffnet er seine Arme und lockt mich zu sich. Ja! Sofort drücke ich mich an ihn, höre sogar sein sanft schlagendes Herz. Das ist so intim, so schön. Es kribbelt in den Lymphknoten und auf dem Rücken. Von der Gänsehaut am Körper brauche ich gar nicht anfangen. Gehört das schon zum Verliebtsein? Es ist wunderbar. Seine großen Hände fahren sanft über meinen Rücken, herrlich. Wir denken gar nicht an die Konsequenz, wir leben einfach im Hier und Jetzt. Sein natürlicher Duft ist so himmlisch schön. Es ist etwas Sanftes, etwas Unbeschreibliches. Es macht ihn noch schöner, als er ist. Langsam schaue ich zu ihm auf, sehe seine sanften Züge, die mit seinen leuchtend grünen Augen harmonieren. Sein schönes, zartes Antlitz wirkt wie ein Kunstwerk, welches ich tausendmal mit meinen Fingern nachzeichnen will. Seine schönen Lippen heben sich zu einem kleinen Lächeln. Meine Finger kraulen hibbelig seine Schultern. Dass seine Hände immer noch auf meinem Rücken liegen, lässt mich hochfliegen und starkes Bauchkribbeln bekommen. "Willst du Bananenscheiben?" Ich muss irgendwie lachen. Das passt überhaupt nicht zur Situation. "Ramzi wollte Bananen in Scheiben und hat mich angebettelt, ihm welche zu machen. Am Ende hatte er Verstopfungen, komm." Er führt mich zum Kühlschrank und holt den Teller hervor. "Ihr habt so einiges mitgenommen, fällt mir auf." Mit dem Teller setze ich mich auf den Stuhl und esse die kalten Scheiben.

"Bist du gerade eben aufgewacht?" "Ich war wach im Bett. Einer muss die Kinder ja wecken." Ich schmunzele. "Dafür brauchst du Hilfe. Ramzi zu wecken wird echt schwer." Munter esse ich die Bananenscheiben, lege den Teller in die Spüle und laufe mit ihm hoch, wo ich mich schnell auf Ramzi schmeiße, der nur tief brummt. "Aufstehen." Er verneint es. Ich locke Ardan zu mir und sage ihm, dass er sich vor Ramzi setzen soll. "Soll ich ihn wach küssen?", schmunzelt er. "Ja", brummt Ramzi, der tief und voller Leidenschaft ausatmet. Wir wenden mit verzogenem Gesicht den Blick ab und versuchen den Mundgeruch unseres Freundes zu überleben. "Möchtest du etwas Mundspülung trinken?", keuche ich atemlos. Ramzi brummt nur. Ardan und ich rütteln wieder an ihm, ich ziehe an seinen Haaren und höre ein lauteres Brummen. "Ja, zieh fester an meinen Haaren. Packt mich härter an." "Aber dafür musst zu aufstehen." Er dreht sich auf den Bauch. "Ramzi", seufze ich. "Ich hab' Zeit." "Hast du nicht." "Ich muss nicht frühstücken." Frustriert erdrücke ich ihn. "Pfui, ich will Ardan-Liebe", murmelt er. Dann müssen härtere Maßnahmen her. Schmunzelnd stehe ich auf und fülle etwas Wasser in meine Hände, welches ich dann auf Ramzis Gesichtshälfte schütte. Er keucht und steht auf. "Ich ertrinke!" Schmunzelnd sehen Ardan und ich uns an. "Geh duschen, damit du ganz wach bist", schlägt Ardan vor. "Nur, wenn du mitkommst." "Vielleicht ein andermal." Ramzi steht endlich auf und schafft es, Miran zu wecken. "Lass mich erst Zähne putzen." "Ich mache mich schon nackig." Miran seufzt nur. "Ich glaube, ich sollte nach unten." Kurz sehe ich in Ardans Augen und senke verlegen den Blick. Ich stehe auf und laufe die Treppen hinab.

Die Umarmung kommt mir wieder in den Sinn, ich lächele sehr stark. Es war wunderbar und ich will ihn am liebsten wieder umarmen, aber ich beherrsche mich und laufe mit angestrengter Neutralität aus dem Haus, wieder zu den Mädels. "Hast aber ziemlich lange gebraucht." "Du solltest deinen Bruder kennen, Yasmin." Dilan hustet stark. "Was?" Bescheiden zuckt sie mit ihren Schultern. "Ach wirklich?", spotte ich. "Ja, ich habe nur an etwas gedacht." "An mich oder an meinen Bruder?" Sie grinst verschwörerisch. "Ich will es doch nicht wissen." Angeekelt verziehe ich das Gesicht. "Meint ihr, Didem wird sich diese Klassenfahrt etwas erlauben?" Yasmins Frage und ihr Grinsen sagen mir schon, dass sie Pläne schmiedet. "Was hast du vor?" "Ich will nur dabei sein, wenn sie etwas tut. Wie wäre es mit Flaschendrehen? Bei Ramzi natürlich, denn ich will sie nicht hier haben." Aber ich will nicht, dass sie bei Ardan ist. Das kann ich leider nicht laut aussprechen. "Wer sagt denn, dass Ramzi und die beiden anderen es wollen?" Skeptisch schaut sie mich an und bindet ihre hellbraunen Haare zu einem Zopf. "Das sind Ramzi und Miran und ich denke nicht, dass Ardan etwas dagegen hat." Wortlos zucke ich mit meinen Schultern und warte, bis die Mädels fertig sind. Wir sehen die Jungs ein wenig weiter vor uns. "Wollt ihr nicht auf uns warten?", meckert Amal. "Nicht auf dich", kontert Ramzi. Lachend holen wir auf und bilden einen kleinen Haufen. Ich befinde mich links von Ardan, spüre das Kribbeln im Bauch. Oh Mann, ich fühle mich plötzlich so anders. So viel besser und schöner. Das ist faszinierend.

Im Frühstücksraum setzen wir uns hin. Die Gespräche beginnen im Einklang mit dem Geklimper des Geschirrs. Meine Gedanken schweifen während des Schneidens und dem Bestreichen ab. Es sind immer Ardan und ich. Wir lächeln uns an, berühren uns ... und da ist auch vielleicht mehr. Aber ich traue mich irgendwie nicht weiter nachzudenken. Ich weiß nicht wieso, aber ich schäme mich irgendwie daran zu denken, wie wir uns in Gedanken küssen. Würden wir es jemals tun? Ja ... oder? Also, wenn wir weitergehen wollen, dann gehört das doch dazu, oder? Ich weiß nicht, wie so etwas abläuft. Aber es kommt mir nicht falsch vor, also müsste das Küssen auch irgendwann kommen. Natürlich wird es irgendwann kommen, wir hätten uns doch schon einmal fast geküsst. "Cana?" Langsam hebe ich den Blick an. Dilans grün-blauen Kulleraugen schauen fragend. "Ja?" "Wovon träumst du?" Ich bin echt stolz, dass ich weder das Gefühl habe, rot zu werden, noch irgendeine Wärme spüre. Ich spüre seine grünen Augen. Oje, hoffentlich werde ich nicht rot. "Nichts", murmele ich. Statt den Blickkontakt zu halten, schaue ich auf mein Brötchen. "ADHS", hüstelt jemand. Das war Didem. Ich hebe mit einem warmen und prickelnden Rücken den Blick an. War das an mich gerichtet oder ist sie mit ihren Freundinnen in ein Gespräch verwickelt und hat sich Gott sei Dank verschluckt? Ich wusste gar nicht, dass sie hinter uns sitzt. Was hört sie uns zu? Hat sie nichts Besseres zu tun? Dilan zieht ihre Augenbrauen zusammen. Anscheinend hat sie es auch gehört. Ahnungslos zucke ich mit meinen Schultern und winke beschwichtigend ab. Ich will essen, statt zu stressen.

Mit guter Laune im Bus fahren wir zum Sea Life. "Wer wohnt in der Ananas ganz tief im Meer?", grölt Ramzi. "Spongebob Schwammkopf!", singen wir alle im Bus. "Saugstark ... oh, saugstark", schnurrt Ramzi. Es wird gelacht, aber Miran schaut angeekelt und schlägt die Hand von Ramzi weg, die über seine Brust streichen will. "Hey." Ramzi schaut schmollend zur Ardan. "Wieso ist Miran ein Arsch?" Oh Gott, wieso lächelt Ardan so wunderschön? "Ich bin mir sicher, dass er in Wirklichkeit ziemlich nett ist." Wie kann man so gutmütig sein? Oh Mann, Ardan ist so süß und so sanft und einfach Ardan. Ich würde ihn so gerne durchknuddeln. Das kann ich ja irgendwann nach der Klassenfahrt machen - hoffentlich so schnell wie möglich. Amal schießt Fotos - ich muss an Doris Diner und die Aktion denken, weshalb ich meine Augenlider für einen winzigen Moment zusammenkneife und mich dann auf den Fotos blicken lasse. "Leute, Mama will, dass wir die Fotos nachstellen. Unsere Eltern waren ja auch alle auf Klassenfahrt in einem Aquarium. Die Bilder habe ich auf meinem Handy", erinnere ich sie. Mama hat mich gestern noch angerufen und dafür gesorgt, dass ich es ja nicht vergesse. "Ich mache dann die Bilder." Wieso kriege ich wieder Mitleid mit Ardan? "Aber danach macht Ramzi die Bilder", sage ich. "Hey, ich bin doch das Model", gibt er übertrieben schmollend von sich. "Jemand muss daran glauben", schmunzele ich. Auf gar keinen Fall möchte ich, dass Ardan sich ausgegrenzt fühlt, denn das hat er überhaupt nicht verdient. Er soll bei guter Laune sein und Akzeptanz zu spüren bekommen. "Wow, guckt euch diesen Push-up an!", ruft Dilan überrascht und zeigt uns ihr schwarzes Display. Sofort schaue ich zu Didem, die auf ihre Brüste schaut und kann mich nicht mehr halten. Dilan ist eine gerissene Hexe.

Wir betreten das Sea Life und bestaunen die ganzen Meerestiere, die um uns herumschwimmen. "Wie es wohl wäre, wenn man auch mit ihnen schwimmen könnte?", frage ich. Ich hätte sicherlich Angst. Auch wenn ich mich nur vor den Haien fürchten sollte, aber auch bei den größeren Fischen hätte ich sicherlich Bedenken, weil es so ungewohnt ist. Ramzi lacht und zeigt auf den Rochen. "Der sieht genauso aus wie Yasmin." Ich weiß nicht wieso, aber irgendwie ähneln sich der Rochen, der an der Scheibe ist und Yasmin sich wirklich irgendwie. Lachend umarme ich sie und kann nur zustimmen. "Kein Wunder, wieso du so hässlich bist." "Ramzi, du siehst aus wie ein überfahrener Vogel. Du redest ziemlich groß." Sofort legt sich Ramzi super theatralisch die Hand auf die Brust. "Wie kannst du nur so etwas wagen zu sagen?" Schnaubend nimmt sich den neben mir stehenden Ardan und watschelt weg. "Hey, lasst uns die Bilder machen." Sofort stellen sich alle auf, weshalb ich sie noch einmal zusammenrufe und ihnen die Bilder zeige. Beim Posieren kriege ich etwas Mitleid mit Ardan, aber wir machen ja auch Bilder mit ihm gleich. Ich sollte nicht alles so bemitleidenswert sehen. Die Fotos entstehen schnell und ich hoffe, dass es lange dauert, bis die Fotos entstehen, auf denen Ardan und ich auf jeden Fall drauf sind. Sofort spüre ich meine Hyperaktivität und kann gar nicht mehr stillbleiben, muss immer neue Posen einnehmen. "Cana ist im Modelmodus." Ich bestätige es lachend. Wir schießen noch viele Fotos mit Selbstauslöser, damit auch jeder drauf ist und besichtigen die Meerestiere.

"Cana, willst du dich nicht etwas schick machen für das Flaschendrehen?", schmunzelt Dilan dreckig. Wir kamen gerade von den Kennenlernspielen mit der Stufe zurück und Dilan hat natürlich nichts Besseres im Kopf. "Du scheinst wohl sehr auf das Spiel fokussiert zu sein." Spöttisch sehe ich sie an und stecke mir einige Schokobons in die Jackentasche. Natürlich nasche ich auch noch dabei. "Das sollte ich mal Adam schnell erzählen." "Wehe!" Ertappt sehe ich sie an. "Verheimlichst du meinem Bruder etwas?" Ich verschränke die Arme vor meiner Brust. "Nein, aber wenn du anfängst zu hetzen, dann sorge ich dafür, dass du auf Ardans Schoß landest." Ich drehe mich grinsend zu meinem Bett um. Oh Gott, dieser Gedanke ist so verlockend böse. Ich muss dieses Grinsen aus meinem Gesicht kriegen! Sollte ich mir wirklich ... nein, ich bleibe so, wie ich bin. Kein Umziehen, kein Zurechtmachen. Das fehlt noch. Als die Mädels fertig sind, können wir zum Nachbarhaus. Den Schlüssel tue ich in meine Hosentasche und spiele den kurzen Weg an meinem Bettelarmband herum. Ich sollte mir wieder das Lederarmband umbinden. Es sind schon einige im oberen Zimmer. Irgendwie ist mir nicht so wohl dabei. Es wäre angenehmer, wenn wir unter Freunden irgendetwas spielen würden. Etwas unsicher setze ich mich hin. Irgendetwas sagt mir, dass es eine schlechte Idee ist, dass hier gespielt wird. Im Hintergrund läuft Musik. Ich mag die heutige Rapmusik nicht, deshalb verziehe ich das Gesicht. Ramzi tritt aus dem Bad, wirkt wie eine Diva. "Willkommen, Willkommen, Fußvolk." Ich pruste. Ramzi und sein komischer Sinn für Humor. "Wir haben uns meinetwegen hier versammelt, um meine Schönheit mit einem Spiel zu krönen. Am Ende darf einer von euch mit mir in das dunkle Badezimmer." Sein Blick fällt auf Ardan, welcher langsam und schmunzelnd den Blick senkt. Oje.

Ich frage mich echt, wie man so hübsch sein kann. Wie kann man so schön sein und dann noch so wunderbar lächeln? Das grenzt an einem Wunder. Und dieses starke Grübchen, ich könnte kreischen! Und diese Hände und wie toll er dasitzt, leicht nach vorne gebeugt, die Ellbogen auf den Knien abgestützt, die Hände aneinandergelegt. Ich bin so dankbar, dass ich dieses schöne Bild vor Augen habe. Ich konzentriere mich gar nicht auf die Gespräche, sondern auf seine Schönheit. Sein blassgrünes Hemd, gepaart auf einem schwarzem T-Shirt und einer dunkelgrauen Jeans im leichten used look, sehen einfach unfassbar gut an ihm aus. Es fehlen nur noch seine Doc Martens. Ich schnurre leise, aber anscheinend nicht leise genug, denn er dreht sich zu mir! Sofort schaue ich mit großen Augen weg. Oh mein Gott, war das peinlich. Mir ist warm, verdammt warm. "Lasset die Spiele beginnen!" Mit einer opernreifen Stimme holt Ramzi eine Flasche und schon setzen sich alle auf den Boden. Ich bleibe aber auf dem Bett. Ich will irgendwie nicht mitspielen. Vor allem, will ich lieber zusehen, was die Freundinnen von Didem hier verloren haben. Wieso ist Didem nicht hier? Na ja, okay, es wäre auch ziemlich dumm, bei den Freunden der Feindin aufzutauchen."Spielst du nicht mit?", fragt Miran, was ich verneine. "Ich bin die, die über das Spiel wacht. Los, fangt an." Ich bin ein wenig abgelenkt, als ich auf Ardans Seitenprofil schaue. Seine Haare sehen so fluffig aus und seine Kinnline schreit mich schon an, mit meinem Zeigefinger über sie zu gleiten. Er verführt mich, ohne mir überhaupt Signale zu senden. Das ist doch verrückt!

Es vergehen mehrere Runden, in denen viel gelacht wird. Ich habe das Lustige zum Glück mitbekommen und mich nicht nur die ganze Zeit auf Ardan konzentriert, auch wenn es mir viel Spaß gemacht hat. Inzwischen steht auf Dilans Stirn ganz groß Opfer und Mirans Wange prangt ein großer Penis. Außerdem sind auch Videos entstanden, von komischen Tänzen und Personen, die irgendein Gemisch trinken mussten. Die Flasche wird von Luis gedreht. Ich werde sofort wieder aufmerksam, als sie bei Ardan landet. Ich mochte Luis noch nie, weil er einfach ein unsympathischer Idiot ist, der denkt, er sei übertrieben schlau und könnte sich vieles erlauben. Er sei auch schlau, weil sein Vater wohl zwei Doktortitel haben soll. Ich verdrehe schon wieder meine Augen, wie beim ersten Mal, als ich es gehört habe. Bald sind es drei Stück in meiner Familie, die einen Doktortitel haben und prahle ich auch damit? Idiot! Sein dämliches Grinsen, diese Zähne, die bei seiner blassen Haut noch gelber aussehen und dieses Hämische in seinem Blick, können mich zum Kotzen bringen! "Wahrheit oder Pflicht?" Ramzi klopft ihm grinsend auf den Rücken. Wieso habe ich das Gefühl, dass er dadurch beeinflusst wird? Die fehlende Akzeptanz! "Pflicht." Mir wird unwohl. "Küss ein Mädchen deiner Wahl." Nein, das tut er nicht! Ich hasse diesen Typen von Sekunde zu Sekunde immer mehr! Ardan wirkt verdutzt und leicht überfordert mit der Aufforderung. Er wird es nicht tun, das würde nicht zu ihm passen. Selbst ich werde nervös, doch ich lasse es mir nicht ansehen. Was ist das für eine ekelhafte Aufforderung? Gott, Luis macht mich so aggressiv! Ich hasse ihn!

"Nein, fordere etwas anderes." Leise atme ich aus. Etwas anderes wollte ich auch nicht hören. "Was bist du für einer? Was stellst du dich so an?", spottet er. Sofort setze ich mich auf. Ich weiß, dass das Ardan trifft. "Langweiler", lacht Luis. "Lass ihn in Ruhe!", fauche ich. Sofort schauen alle zu mir. "Was willst du denn jetzt?" "Halt deine Schnauze", kommt es schnell und stumpf von Ramzi. "Nur weil er sich nicht für eine andere Person verschwenden will, ist er noch lange nicht langweilig. Was bist du denn für einer?", blaffe ich. Ich bin so wütend. Wegen solchen Idioten wie Luis gehen Jugendliche nicht den eigentlich richtigen Weg. "Was mischt du dich denn da ein? Er hat Pflicht gewählt, also muss er es auch tun." "Ich misch mich da ein, du überhebliches Stück Scheiße, ohne Wissen!" Mit zitternden Händen stehe ich auf. "Was fällt dir ein, andere zu verachten, nur weil sie etwas nicht tun wollen? Wer hat dir das Recht gegeben?" Es macht mich so unfassbar wütend, weil ich weiß, dass das Ardan negativ beeinflusst. "Haut ab, ich hab' keinen Bock mehr", meint Ramzi wieder. Die Stimmung ist sowieso im Keller. Ich hatte von Anfang an kein gutes Gefühl dabei. Was hatte dieser Typ überhaupt hier zu suchen? Mit gesunkener Laune lasse ich mich auf das Bett plumpsen und beobachte finster die Menge, die aus dem Zimmer läuft. Ardan sitzt versteinert auf dem Boden. Ich sehe und spüre, dass ihn die Worte getroffen haben. Ich will ihn trösten. Keiner unserer Freunde redet im Raum, alle schauen irgendwohin oder direkt auf den Boden. Mir fallen gerade so viele weitere Sätze ein, die ich hätte in Luis' Gesicht schreien können.

Als Ardan irgendwann aufsteht, erstarren wir aus der Stille und sehen ihm zu, wie er die Treppen runterläuft. "Ardan", ruft Ramzi. Ich will ihn trösten, muss mit mir selber kämpfen, weil ich Bedenken wegen Ramzis Gefühlen habe und was die Mädels denken könnten - aber das Zweite kann mir sowas von egal sein. Ich stehe schnell auf und renne die Treppen hinab. Er bindet sich gerade seinen Doc Marten zu und läuft raus. Stumm laufe ich ihm nach, weiß nicht, ob ich etwas sagen soll oder ob ich einfach warten soll, dass er spricht. Er geht Richtung Strand, ich bleibe ihm dicht auf den Fersen und stampfe leicht durch den Sand, bereue es, dass ich Chucks angezogen habe, da ich den Sand schon im Schuh habe. Ardan spricht immer noch kein Wort, ich höre keinen einzigen Mucks. Das Wasser schlägt leichte Wellen, reflektiert die Leuchten, es weht leichter Wind. Der Anblick sieht schön aus, aber, dass Ardan verletzt ist, macht es weniger anschaulich. Vor dem Ufer bleibt er stehen. Jetzt kann ich seine angespannte Haltung richtig erkennen. Seine Hände sind zu Fäusten geballt, er drückt auf seinem Daumen herum. Starr ist sein Blick nach vorne gerichtet, der Kiefer ist angespannt. Ich spüre seine Trauer und das ruft mir unwillkürlich einige Tränen auf. Etwas unsicher hole ich einen Schokobon raus, halte es ihm hin, aber er regt sich nicht. Das verstehe ich. "Ich tue ihn in die Brusttasche", flüstere ich und knöpfe die Tasche seines Hemdes vorsichtig auf, fahre, nachdem ich die Schokolade dort verstaut habe, sanft über seine Brust, die sich langsam hebt und senkt. In seinem Herz steckt gerade viel Frust und Trauer. Er hat auch sicherlich den Druck im Körper und vor allem auf dem Nacken. Ich warte geduldig, bis er irgendwann sprechen möchte.

"Verstehst du, was ich mit der fehlenden Akzeptanz meine?", flüstert er zittrig. Ich schaue vom Wasser zu ihm. "Das kann für Außenstehende zu übertrieben vorkommen", setzt er an. Tief atmet er durch und lässt seinen Kopf kreisen. "Außenstehende, die dieses Gefühl nicht kennen, sollten am besten ganz still sein, wenn sie mit Aussagen ankommen, wie, dass man überreagiert." Ich nicke. Da hat er komplett recht. "Es war zwar nur eine Person, aber es hat mich in eine andere Zeit zurückgeschleudert." Er schüttelt den Kopf. "Bin ich so verkrüppelt?" Seine Stimme ist heiser vor Trauer. Meine Augen weiten sich. "Nein, Ardan." Ich umarme ihn seitlich, ohne auch nur daran zu denken, dass jemand uns so sehen könnte. "Du bist nicht verkrüppelt, wieso solltest du auch? Das ist ein Wort, das überhaupt nicht zu dir passt. Luis' Hirn ist verkrüppelt, aber du doch nicht." Sein Blick ist immer noch stur auf das Wasser gerichtet. Ich spüre das Beben seines Oberkörpers. Er bebt immer stärker. Sofort stelle ich mich vor ihn, schlinge meine Arme fester um ihn und fahre über seinen Rücken. Ich spüre seine Trauer, habe den Druck auf meinem Nacken. Ich würde ihn gerne Fragen stellen, aber das ist nicht der richtige Zeitpunkt. Ich empfinde einen sehr starken Hass auf Luis und bin froh, wenn er nach der elften Klasse endlich weg ist. Wir verfallen wieder in ein Schweigen. Ich habe meine Arme immer noch um seinen starren Körper gewickelt und er schaut immer noch auf das Wasser. "Du weißt, dass wir dich aber so akzeptieren, wie du bist." Ich lege meine Hand auf seine Wange. Er braucht emotionale Wärme.

"Zwar sind solche Niederschläge unangenehm, aber hab immer im Hinterkopf, dass dich auch viele mögen. Alleine Ramzi zählt zehnmal." Seine Augenlider flattern kurz, als ich seine Wange kraule. "Abgesehen davon, dass dich viele Mädchen aus der Stufe hübsch finden." Ich lächele leicht. Ein Impuls stößt in mir auf. Ich bin mir zwar nicht ganz sicher, aber es könnte gar nicht schlecht ausgehen. Ich stelle mich auf meine Zehenspitzen und nähere mich seiner Wange, gebe einen sanften Kuss drauf. Überrascht schaut er zu mir. Wenigstens ist er aus seiner Starre erwacht. Jetzt bin ich auch irgendwie überrascht. Ich hatte ja gar keine Bedenken, bei der Aktion. Ich habe seine Wange geküsst und es war schön. Etwas unsicher lächele ich, als ich beide Wangen streichele. Das war gut, es hat gutgetan. Seine grünen Augen schimmern im schwachen Licht. Er sieht besser aus. Plötzlich schlingt er fest seine Arme um mich. Mein Bauch kribbelt. Ich habe ihm helfen können. "Danke", wispert er. Sofort spüre ich die Woge des Stolzes und der Zufriedenheit. Ich habe etwas Gutes tun können und bin sehr glücklich darüber. Ich will ihn gar nicht mehr loslassen. Dieses Gefühl ist zu schön, um es zu beenden. Am liebsten würde ich die ganze Nacht bei ihm bleiben, so umschlungen, in völliger Ruhe. Ich will ihn immer glücklich sehen, seine Seele immer zum Strahlen bringen. Es war eine Entscheidung, die ich nicht bereue. Ich habe auch das Gefühl, dass ich die weiteren Schritte ebenfalls nicht bereuen werde. Ich bin bereit für die nächsten Schritte, die kommen werden. Ich will diese Verbundenheit spüren, ich will mehr davon spüren. Zögernd hebe ich meinen Blick an, löse mich leicht von ihm.

Ich will mehr. Ich will viel mehr. Mein Herz schreit nach mehr von seinem Herzen. Er muss dasselbe fühlen. Sein Blick sagt mir das. Meine Augenbrauen sind leicht zusammengezogen, mein Mund steht ein kleines bisschen offen, mein Blick fällt auf seine schönen Lippen. Wieso nicht hier? Passieren auf Klassenfahrten nicht immer solche Dinge? Etwas Geheimes? Etwas, was man nicht erwartet? Es wäre ja schon filmreif, wenn ich meinen ersten Kuss am Strand verliere. Langsam wandern meine Augen zu seinen. Wir wollen es doch beide. Küss mich, bitte, wünsche ich mir mit meinem Blick. Ungeduldig fahren meine Daumen über seine Wangen. Möchte er denn nicht? Das kann nicht sein. Seine Lider senken sich, sein Kopf nähert sich mir. Es passiert. Es wird passieren. Mein Körper ist ganz angespannt und mein Herz schlägt schnell. Es liegt ein Prickeln in der Luft, das mich ein wenig hibbelig macht. Ich lasse zu, dass ich meinen ersten Kuss verliere. Ich schmeiße meine Moralen weg. Im Moment zählen nur wir beide, unsere Herzen, unsere Lippen, die sich berühren wollen und sollen. Eine Hand wandert zu meinem Kreuz, ein Prickeln macht sich sofort auf meinem ganzen Rücken breit. Die andere Hand fährt zu meinem Nacken. Ich erschaudere bei diesen Berührungen, genieße das wohlige Bauchkribbeln. Mein ausgeschalteter Kopf legt sich ein wenig zur Seite, als seine Lippen immer näherkommen. Ich habe schon die Vorfreude im ganzen Körper, sehne mich nach der Explosion, die gleich kommen wird.

"Cana? Ardan?" Verdammt!

Sofort schrecken wir zurück. Ist das Ramzi? Hat er uns gesehen? Wo ist er? "Cana?", ruft er wieder. Ich bin zu verdattert, um schnell zu antworten. "H-hier!", rufe ich mit schiefer Tonlage. Ich bin ein wenig erschrocken, versuche mich aber wieder zu fangen und deute Ardan, dass wir zurücklaufen sollen. Ich bin schon etwas traurig, dass wir bei unserem intimen Tête-à-Tête unterbrochen wurden. Ich weiß, dass es wunderschön gewesen wäre. Ardan seufzt, er ist ebenfalls enttäuscht. "Ein andermal", murmele ich leise. Aufmunternd lächele ich und er erwidert es. Danach holt er den Schokobon raus. Ramzis hellbrauner Schopf taucht vor uns auf. Er seufzt erleichtert. "Wir haben euch überall gesucht. Wie geht es dir?", fragt er Ardan. "Besser." "Komm her, mein Großer." Ramzi nimmt Ardan in den Arm und schnurrt dabei. Würde er wohl eine Beziehung zwischen mir und Ardan akzeptieren? Würde es unserer Freundschaft im Weg stehen? Unsicher beiße ich mir auf die Lippe. Ich verwerfe den Gedanken lieber. "Wir fressen noch ein wenig und dann kuscheln wir uns in den Schlaf", muntert Ramzi Ardan auf. Ihre Freundschaft lässt mich echt strahlen. Es freut mich sehr, dass sie sich so gut verstehen. Am Ende des Tages liege ich nachdenklich im Bett und schaue aus dem Fenster. Ich bin bereit, die nächsten Schritte zu gehen. Ja, das bin ich. Oder ich bin es nur für den Moment, weil es vorhin so schön war. Aber nein, ich glaube, dass es nicht nur für den Moment ist. Ich bin mir sicher. Aber bevor ich die weiteren Schritte gehe, muss ich mir etwas eingestehen.

Ich bin Herz über Kopf in Ardan verliebt.

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Wer es noch nicht getan hat, sollte sich das Buch mit meinen Zitaten reinziehen

N O M I N I E R U N G

1. Was hast du in den Ferien gemacht?
Überhaupt nichts, außer einige Male am See zu liegen.

2. Wie alt bist du?
12.

3. Was möchtest du nach der Schule für einen Job machen?
KFC-Fachverkäuferin.

4. Was ist deine Lieblingsgeschichte hier?
Welche wohl?

5. Was tust du gerade nebenbei?
Die Fragen von meinem Handy abzulesen, während ich sie auf dem Laptop niederschreibe.

6. Freunde oder Familie?
Wieso nicht beides?

7. Bist du zufrieden mit deiner jetzigen Lebenssituation?
Es geht immer besser.

8. Anime oder Kpop?
Wenn überhaupt, dann Anime.

9. Hast du Haustiere?
Ich hätte gerne einen Hund.

10. Würdest du dich in einem Krieg für andere opfern, damit sie überleben oder würdest du die anderen für dein Leben opfern? Erkläre deine Entscheidung!
Wat weiß ich. Ich war nie in so einer Situation - Gott sei Dank - und weiß nicht, ob mein Egoismus mich retten würde oder der Altruismus mich umbringt.

@Frostlyer (Hoffentlich nach mehreren Ansätzen richtig geschrieben)

- Helo

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