Kapitel 33

Aislin Evans - Feel About You

Es ist so weit. Heute geht es zu Ardan und ich bin sowas von unvorbereitet. Ich bin zwar geduscht, meine Nägel sind lackiert und meine Haare getrocknet, aber ich bin sehr nervös und weiß nicht, was ich gleich sagen soll. Ich weiß bei Ardan nie, was ich sagen soll. Und ich weiß auch nicht, welches Oberteil ich lieber nehmen soll. Sollte ich den roten Pullover nehmen oder doch eher den Dunkelblauen? Warm oder kalt? So lächerlich es sich auch anhört, nehme ich den roten Pullover, weil Rot für die Liebe steht. Aber bevor ich es wage in dieses Oberteil zu schlüpfen, kleistere ich mich mit Deo voll, ziehe mir den Pullover dann über und stelle mich fragend vor meine Kommode, wobei ich an seinem Lederarmband zupfe. Ich habe so viel Auswahl, aber ich weiß trotzdem nicht, welchen Duft ich nehmen soll. Süß oder Fruchtig? Ich nehme einfach von Paco Rabanne Lady Million Privé. Etwas nervös streiche ich über meine hellblaue Hose und fühle mich ein wenig unwohl, weil mein Po so stark betont wird. Ich weiß nicht so recht ... vielleicht sorgt mein Po ja, dass man nicht auf meine kleinen Brüste guckt, aber Ardan achtet doch gar nicht darauf. Gott, was habe ich da bloß für Gedanken? Ich seufze und schüttele den Kopf, ringe mit mir selber, ob ich Mascara auftragen sollte oder nicht. Ich bin doch sonst nie so, weil ich zu faul und zu untalentiert bin, um mich zu schminken, aber jetzt will ich so hübsch wie möglich aussehen. Ich finde, dass du trotzdem wunderschön aussiehst, Cana. Ich erschaudere und muss lächeln, als mir auch noch sein schönes Lächeln in den Sinn kommt.

Meinen schwarzen Schal schlinge ich mir um meinen Hals, gucke, ob ich nichts vergessen habe und laufe raus. Kein Dialog, nicht einmal ein Monolog hat sich in meinem Kopf irgendwie zusammengestellt, weshalb es gleich sicherlich peinlich wird. Wie sollen wir reden? Ich weiß nicht einmal mehr, über was wir reden wollen. Wir wollen die Fragen aus der Welt schaffen. Hoffentlich beginnt er, damit ich einsteigen kann, denn sonst wird das nichts. Mein Herz schlägt schneller, ich muss an das denken, was Mama mir gesagt hat. Meine Herzprobleme können nicht schlimmer werden, das ist eine gute Nachricht. Die schlechte Nachricht ist, dass ich wieder daran denken muss, was Mama von Beziehungen im jungen Alter denkt. Ich laufe zu einem Jungen nach Hause und wenn sie das jemals erfährt, wird sie enttäuscht sein - von meinem Vater will ich gar nicht erst anfangen. Seufzend fahre ich mir über meine Stirn, fahre die Haare unter meiner Kapuze an meine Seiten und sehe den Vorgarten seiner Familie schon. Gleich gibt es kein Zurück mehr. Mein Finger streicht über die Klingel, über jeden einzelnen Buchstaben seines Nachnamens, ehe ich zudrücke und sofort Roxy höre, die ihre Pfoten dann gegen die Tür schnellen lässt. Wenigstens beruhigt sie mich, denn ich weiß, dass es in einem ziemlichen Desaster enden kann. Ich hoffe so sehr, dass es wie das genaue Gegenteil sein wird.

Die Tür wird geöffnet, mein Blick fällt sofort auf sein Gesicht, welches mir ein sanftes Lächeln schenkt. Wieso muss mein Bauch kribbeln und wieso müssen meine Lippen sich teilen? Ich schlucke nervös und senke den Blick. "Hallo, Cana, komm rein." Von meinem kleinen Mut werde ich verlassen, sobald er vor mir steht. Ich ziehe mir meine Boots aus und öffne meine Jacke, erschrecke mich innerlich und spüre eine kleine Hitze, als er mir die Jacke von meinen Schultern streift. "Soll ich dir auch den Schal abnehmen oder möchtest du ihn bei dir lassen?" "Bei mir", murmele ich. Ich fühle mich mit dem Schal ein kleines bisschen geschützt. Er nickt lächelnd und deutet mir mit seiner ausgestreckten Hand, mich im Wohnzimmer hinzusetzen. Auf dem Tisch ist eine Schüssel mit Puffreis und noch eine Schüssel mit Chips, neben zwei Gläsern und Getränken. Das sorgt für eine entspannte Atmosphäre, genau wie die flackernden Kerzen. Roxy springt mich an, freut sich sehr über meinen Besuch und schleckt mir über meine Wange. "Hi, Roxy", flüstere ich. Ich bin immer noch ziemlich schüchtern, wegen ihm. Er setzt sich neben mich hin, schaut mich an, während ich versuche nicht auf ihn zu achten, sondern auf die kuschelbedürftige Roxy. Kann er solange nicht woanders hinschauen? Das würde mich auf jeden Fall beruhigen. "Roxy, aus", befiehlt er sanft, als Roxy wieder auf mich springt und nicht aufhören will, mich abzulecken. Sofort hört sie auf ihn und setzt sich hechelnd und mit wedelndem Schwanz. Sie ist so süß.

Ich drehe meinen Kopf zu ihm, verliere aus unerklärlichen Gründen mein Lächeln nicht sofort und frage mich nun, wie wir das angehen wollen. Ich fühle mich nicht in der Lage, zu diskutieren. Ich will lieber liegen und entspannen. Sein Lächeln wird ein wenig schwach, er senkt seinen Blick auf seine großen Hände, die er gegeneinander reibt - Ardan fühlt sich ebenfalls nicht so ganz sicher. "Du brauchtest Zeit und ich hoffe, ich habe dir genügend Zeit gegeben, ehe ich dich gefragt habe", setzt er an. Ich zucke mit meinen Schultern. Ich weiß gar nichts. Ich weiß nichts, obwohl ich so viel Zeit hatte. "Wozu brauchtest du diese Zeit?" Langsam schauen seine grünen Augen zu mir und sofort fühle ich mich unsicherer. "Ich ..." Tief atme ich durch, verdränge mein schnelles Herz. Ich kann es ihm nicht sagen, es kommt wieder zu einer Abweisung. "Es hat dich ziemlich verletzt", sage ich dann. Er nickt aufrichtig. "Ich hasse Abweisungen." "Die fehlende Akzeptanz?" Er nickt mit unterdrückter Zerknirschtheit. "Du meintest, dass ich dich abgewiesen hätte und das schon dreimal?" Ich nicke sofort. Ardan schaut zu mir auf, dreht seinen Körper zu mir. Wie sehr ich mir wünsche, dass er mich berührt. "Was habe ich dir getan?" Es ist mir echt peinlich. Unsicher kaue ich auf meiner Unterlippe herum und versuche Mut zu fassen. Kann es denn schlimmer werden? Ich habe ihm doch so einiges an emotionalen Geständnissen gemacht. Als ich den Blick auf das Sofa senke, rutscht er zu mir auf. Automatisch schließe ich meine Augen, schlinge unbewusst meinen Schal fester um ich, weil ich mich innerlich vorbereiten will - oder weil er mir nähergekommen ist. Ich schäme mich aber trotzdem, mir fehlt einfach der Mut.

"Dass du mich nur wegen meinen Brüdern beschützt", setze ich sehr leise an. Das ist mir echt peinlich und es grenzt an einem Wunder, dass ich es gesagt habe. Wieso habe ich das gesagt? Dann beschützt er mich halt nur deshalb. Wie soll ich ihm erklären, dass es eine Demütigung für mich war? Wieso musste er mir das schreiben? "Schon gut", füge ich flüsternd hinzu, ehe ich mich erheben will. Es ist mir so verdammt peinlich. "Nein, nicht." Er hält mich an meinen Handgelenken zurück und sorgt mit seinem sanften, aber bestimmenden Druck, dass ich mich wieder hinsetze. Mein Blick fällt auf seine Hände, die mich berühren und aus der Fassung bringen. Seine Berührungen sind so schön, so aus der Fassung bringend. "Was wolltest du denn hören?" Seine Daumen fahren sachte über meine Haut. Mehr Mut habe ich nicht. Wie soll ich antworten? "Keine Ahnung", antworte ich wahrheitsgemäß und schulterzuckend. "Ich hätte mit allem gerechnet, nur nicht damit. Wenn du es nur wegen meinen Brüdern machst, würdest du mich doch nicht zu dir rufen", rutscht es mir aus. Es war gut, dass ich genau das gesagt habe. Ardan hält inne. Plötzlich fällt mir noch etwas ein. "Es kann doch nicht sein, dass du es nur wegen meinen Brüdern tust", nuschele ich. Jetzt bin ich wieder unsicher, versuche aber den Blick nicht zu senken. Er schaut abweisend an mir vorbei, sein Kiefer mahlt nachdenklich, was ihn so unfassbar gut aussehen lässt. Er sitzt so anziehend vor mir. Jeder kann so sitzen, mit locker gespreizten Beinen, den Oberkörper nach vorne gebeugt, aber nicht jeder kriegt es hin, so gut wie Ardan dabei auszusehen.

"Das ist ein berechtigtes Argument." Sein Kopf fällt zur Seite, sodass sein Nacken knacksen kann. "Du meintest, dass ich dir nicht guttue." Ich nicke. Das stimmt auch. Er tut mir verdammt weh und immer und immer wieder komme ich zurück zu ihm. Das ist etwas, was ich niemals von mir gedacht hätte. Ich konnte nie nachvollziehen, wieso man sich nicht einfach von einer Person distanzieren konnte, wenn einem doch bewusst war, dass er einem Schlechtes tut, aber jetzt verstehe ich, dass es ein verzweifeltes Hin und Her von Gefühlen ist. "Man sollte sich nicht auf oberflächliche Deutungen eingehen, wenn es auch Tieferes gibt." Ist das ein Zeichen? "Was soll das Tiefere sein? Wie soll man es denn erkennen können?" Er lächelt. "Vertrauen." Ist das wieder ein Zeichen? Ich schlucke. "Muss Vertrauen denn gleich auf etwas anderes hindeuten?" "Nein, aber ich habe dir etwas anvertraut, was ich sonst niemanden anvertrauen konnte." Das kann doch nur ein Zeichen sein. Ich senke den Blick auf unsere Hände. Seine haben immer noch meine Handgelenke umschlungen. "Gibt es nur das, was du als etwas Tieferes empfindest?" "Ich finde das ganze schon tief." Fragend sehe ich ihn an. "Ich habe so etwas noch nie gemacht, weil ich ja die Probleme mit der Akzeptanz hatte." Also bin ich die Erste. Tief atme ich durch, hoffe, dass es mir bloß nicht zu Kopf steigt. "War es auch etwas Tieferes, dass du mich beschützt hast?", möchte ich wissen. Das würde mir Hoffnungen geben. Er nickt leicht. Oh mein Gott, mein Herz macht einen Satz. Ich fühle mich gerade so viel leichter, weil mir plötzlich so viele Fragen irgendwie beantwortet wurden.

Unwillkürlich muss ich lächeln und senke den Blick. Ich spüre, wie meine Schultern fallen. Das ist ein Zeichen, es kann nur ein Zeichen sein. Das ist wunderbar, ich fühle mich so wunderbar! "Und ich bleibe auch bei dir, ich lasse dich nicht los." Ein weiter Stein fällt mir vom Herzen. Er erinnert sich noch an unser Gespräch, als ich ihn beim Gassi gehen gesehen habe. Mir steigen Tränen auf, ich muss wieder den Blick senken. Er bleibt bei mir, er verlässt mich nicht. Es fühlt sich so wunderbar an, dass er bleibt. Das ist wieder etwas Tieferes. "Ich gebe dir gerne das Gefühl der Geborgenheit, Cana. Du hast es mir als erste Person geschenkt, die ich bei meinem Neuanfang kennenlernen durfte." Ich bebe innerlich. Ich bin so dankbar für dieses Gespräch. Angestrengt blinzele ich und wage es nicht, aufzuschauen. Ich bin die erste Person, die ihm das Gefühl geben konnte, ich bin so unfassbar stolz auf mich. Eine Hand löst sich von meinem Handgelenk, die mein Gesicht anhebt. Seine schönen, grünen Augen schauen in meine, er lächelt und wischt mir die kleinen Tränen weg, die frisch aus meinen Augen kullern. "Aber wir beide wissen, dass es Zeit in Anspruch nehmen wird." Ich nicke. Heißt das, dass da mehr entstehen könnte? Ich will nicht fragen, weil ich mich irgendwie schäme, aber es ist doch logisch? Zärtlich streichelt er meine Wange. Wie sehr ich mir gerade einen Kuss wünsche. "Denk nicht so viel nach, leb im Hier und Jetzt." Ich nicke schluckend, kann nur an seine Lippen und seine Stimme denken. Ich erlaube es mir, mich an seine Hand zu schmiegen. Mein Herz rattert vor Nervosität und Glück.

Ich lege meine Hand auf seine und spüre sofort die Woge der Geborgenheit, als er mir ein Lächeln schenkt. "Geborgen?" Ich nicke. Warum ich plötzlich emotional werde und wieder weinen muss, weiß ich nicht. "Tut mir leid", lache ich, als ich mir die Tränen wegwische. "Komm her." Das lasse ich mir nicht zweimal sagen und schmeiße mich schon fast in seine Arme. Berührungen von ihm brauche ich so sehr, wie alles Lebenswichtige. Es gibt mir so viel Kraft und viel Positives. Ich lege meinen Kopf auf seiner Brust ab, schließe die Augen und lächele, als er sich zurücklehnt und über meinen Rücken fährt. Sein wunderbarer Duft, seine Wärme, einfach alles beruhigt mich gerade und lässt mein Herz gleichzeitig rattern.Das ist wunderbar, das ist perfekt, das ist das, was ich so dringend gebraucht habe. Roxy legt sich auf mich und leckt Ardan ab, weshalb ich seine schöne Lache hören kann. "Ich glaube, Roxy wird langsam eifersüchtig." Schmunzelnd drehe ich mich zur Golden Retriever Hündin, die sich auf meine Brust legt und gestreichelt werden will. "Sie kriegt weniger Aufmerksamkeit, als sie verdient." Ich setze mich auf und gebe ich ihre verdienten Streicheleinheiten. Plötzlich bin ich voller Energie, voller Mut und Freude. Es ist echt unfassbar, wie vieles indirekt beantwortet wurde. Ich war so unwissend und plötzlich weiß ich so vieles. Ich weiß jetzt so vieles, dass es mich schon nervös macht. Was machen wir die Tage? Werden wir uns wieder treffen? In zwei Wochen sind doch schon die Osterferien. Ich würde mich echt freuen, wenn er hierbleibt, denn ich bleibe auf jeden Fall hier. Mama und Baba sind in den Ferien oft auf Fortbildungen und das sind meine Chancen, zu ihm zu kommen.

Ich nehme mir die Schüssel mit dem Puffreis, welche Roxy sofort beschlagnahmt. "Roxy, lass den Gast essen", tadelt Ardan sie liebevoll, woraufhin sie hechelnd zu ihm geht und sich auf seinen Schoß niederlässt. Dieses Bild will mir nicht aus dem Kopf gehen und ich sollte lieber aufhören, daran zu denken, weil ich mir statt Roxy unwillkürlich mich vorstelle. Gott, das ist echt peinlich. "Du hast die Tage mein Lederarmband nicht getragen", setzt er an. Sofort zeige ich ihm mein linkes Handgelenk, an dem Roxy schnüffelt und sehe das leuchten in seinen Augen. "Ich hoffe, es hat dich nicht verletzt." "Ehrlich gesagt, hat es mich schon verletzt." Oh nein. "Tut mir leid." Schuldbewusst esse ich den Puffreis, welchen ich Ardan anbiete. "Und ich dachte, du willst alles alleine essen", schmunzelt er. "Wenn du darauf bestehst." Ich zucke mit meinen Schultern. Schmunzelnd nimmt er sich eine Handvoll Puffreis und lehnt sich zurück. Ich würde mich so gerne an seinen Oberkörper schmiegen, aber ich halte mich zurück. Ich schüttele leicht den Kopf, trage ein Lächeln auf meinen Lippen und darf nicht vor Freude explodieren. Das ist so wunderbar, so perfekt. Ich kann mich nur wiederholen. "Was möchtest du heute essen?", werde ich gefragt. "Was du essen möchtest." Ich gebe ihm die Schüssel mit dem Puffreis und lege mir den Schal ab, der auf meinen Schultern ruhte. "Dann heißt es, dass es einfach wird, denn heute muss ich mich um das Essen kümmern." Überrascht hebe ich meine Augenbrauen. "Du kannst kochen?" Er wiegt leicht den Kopf hin und her. "Ich bin zwar kein Profi, aber wenn ich einmal etwas draufhabe, dann schmeckt es jedem. Ich weiß, was dir schmecken wird." Er läuft in die Küche und ich und Roxy ihm nach.

Aus der Tiefkühltruhe holt er eine Tüte mit irgendwelchen kleinen Knödelchen raus. "Wenn dir die Nudeln meiner Mutter geschmeckt haben, wird dir das auch schmecken. Knoblauch magst du ja." "Und was ist das?", frage ich. "Mantı, kleine, mit Hackfleisch befüllte Teigtaschen." Ich nicke. Hört sich schon mal nicht abstoßend an. "Oder möchtest du etwas anderes?" "Nein, nein, ich bin jetzt neugierig. Dauert das lange?" Er verneint es lächelnd. "Während die Dinger kochen, bereite ich in der Zwischenzeit beide Soßen vor und dann ist es schon fertig. Roxy ist auch ein Fan davon, nicht wahr?" Lachend tätschelt er seine Hündin, die ihn bespringt. "Aber für sie gibt es keinen Knoblauch. Sie kriegt nur die Light-Version." "Ach, ist im Teig auch Knoblauch?" "Nein, aber in der Joghurtsoße." "Ah." Ich nicke. Er gibt die ganze Tüte in einen Topf mit Wasser, gibt etwas Salz dazu und dann nimmt er sich den Joghurt aus dem Schrank, den er begutachtet. "Ja, damit kommen wir aus." Knoblauchpulver landet im Joghurt, wobei Ardan immer wieder abschmeckt und wieder etwas hinzugibt, bis er sich dann sicher ist. "Ist das zu stark?" Er hält mir den Löffel hin. "Ist gut", nicke ich. Ardan bereitet noch die Tomatensoße vor und ehe ich mich versehe, können wir schon essen.Meinen Teller legt er vor mir ab und setzt sich gegenüber mir hin. "Roxy, geh essen." Schmunzelnd sehe ich ihr zu, wie sie zu ihrem Napf geht und einmal unser Essen und Hundefutter isst. Ich nehme einen Löffel und stelle fest, dass es echt gut schmeckt. Sofort schlage ich zu. "Vorsicht, verschluck dich nicht", lacht er. Das schmeckt echt gut. "Jetzt weiß ich, wie ich dich hierhin locken kann", witzelt er. Du kannst mich mit allem hierhin locken, was dir zur Verfügung steht.

"Die Nudeln deiner Mama sind auch ein gutes Lockmittel." Und deine Berührungen. "Gut zu wissen." Sein Grübchen sticht beim Schmunzeln hervor. "Die erste Klausur wird die Bioklausur sein." "Musst du mir die Laune verderben?", stöhnt er entgeistert auf. Ich kichere. "Bio ist super toll." Er macht nur angewiderte Geräusche. "Aber das Beste kommt zum Schluss." "Oh Gott, musst du mich daran erinnern?", quengele ich. Die letzte Klausur in diesem Jahr wird die in Mathe sein. Das wird die Hölle. "Hey, du stehst doch dank mir vier." "Ja, danke", murre ich kleinlaut. Er hat mich vor der Fünf bewahrt. "Aber wir müssen bei dir in Biologie noch feilen." "Ich bin echt zufrieden mit der Vier Plus." "Das ist echt schlecht", gebe ich trocken von mir. Ihn scheint es zu amüsieren. "Nicht jeder kann in der Klausur eine Eins schreiben. Für dich ist die Vier in Mathe gut und für mich die Vier Plus in Bio." "Nächstes Jahr muss es irgendwie eine Drei werden", murmele ich. Nächstes Jahr geht es wirklich mit dem Abitur los. Ich darf dort keine Fehler machen. "Das kriegen wir hin, Doktor." Er lächelt mich an, was ich verlegen erwidere. "Ich freue mich schon echt auf die Klassenfahrt", sage ich leise. Weil wir uns da hoffentlich noch näherkommen. "Es ist echt schön dort, ich freue mich ebenfalls." Ich stelle mir schon vor, wie wir irgendwie alleine an einem See sind oder ähnliches. Das wäre ein Traum. Aber unsere Freunde darf ich nicht vergessen. Neben wem wird Ardan sitzen? Hoffentlich regelt sich das irgendwie, denn ich möchte nicht, dass er alleine sitzen muss.

Nachdem wir satt wurden, abgespült und uns mit Minze vollgestopft haben, saßen wir vor dem Fernseher herum und haben herumgealbert, bis es spät wurde. "Komm." Ich laufe ihm nach, kriege eine Decke mitgegeben und sehe oben im Flur auf seine Hand, die er mir hinhält. "Die brauchst du gleich." Ich verstehe nicht ganz, nehme aber trotzdem seine Hand, die sich perfekt an meine schmiegt. Als sei sie für mich geschaffen, so fühlt es sich an. Sie ist so warm und weich, was perfekt zu ihm passt. Wir steigen auf den Dachboden, als wir die Treppen weiter hochsteigen und gehen auf eine kleine Treppe zu, die zu einem Fenster führt. "Ich hoffe, du hast keine Höhenangst." Er lächelt sanft und öffnet das Fenster. "Ist das nicht gefährlich?", frage ich etwas zögernd und ziehe seine Hand an mich. Er legt schmunzelnd seine Hand auf meinen Rücken, sodass beide Hände mich halten. Oh Mann, ich spüre das Beben im Bauch und das Kribbeln am Rücken. Seine Wärme und seine Berührungen geben meinem Körper das Gefühl, dass er verfällt und sich unter seinen Händen verformen kann. "Dir passiert nichts, keine Sorge." Ich sehe in seine grünen Augen und plötzlich fühle ich mich so sicher, wie noch nie. Nickend lasse ich mich die Treppen hinaufführen, woraufhin Ardans Hand meinen Rücken verlässt und mich an meiner Hand hinter sich herzieht. "Siehst du die Stufen?" Ich nicke, als ich auf die übereinanderliegenden Tiefen des Dachs sehe, und wage es nicht, nach unten zu schauen. "Steig sie hoch und dann kannst du dich auf das Dach setzen. Da ist genügend Platz." Wieder nicke ich, hebe die Decke an und steige vorsichtig die Treppen hoch, während ich mich an den Dachziegeln festhalte. Es ist kalt, aber dennoch beruhigend und entspannend.

Ardan brauch weniger als die Hälfte, die ich in Anspruch genommen habe, um zu mir zu kommen und setzt sich unter die Decke zu mir. Er hat recht: das Dach ist breit, sodass man sich sogar hinlegen könnte. Am dunkelblauen Himmel leuchten Mond und Sterne, so viele grell leuchtende Sterne, es sieht wunderschön aus. "Der Himmel ist echt schön." "Ja", haucht er. "Manchmal habe ich das Gefühl, dass viele diese Aussicht gar nicht wertschätzen oder überhaupt beachten", erzähle ich. "Sie sehen es als etwas nicht Spektakuläres." "Aber es ist doch spektakulär. Manchmal ist der Himmel pink und lila, das muss man doch festhalten." Er nickt schmunzelnd, rutscht näher zu mir auf. Komm bitte noch näher. "Da hast du recht." Ich lehne mich an ihn und bin so mutig, seinen Arm zu umschlingen. Sein maskuliner Duft steigt mir in die Nase, er riecht immer so gut. "Mir ist aufgefallen, dass du ziemlich pessimistisch bist." Überrascht sehe ich zu ihm auf. "Ich möchte mir nicht allzu viele Hoffnungen machen." Sein Mundwinkel zuckt, nachdem er sich über seine Lippen leckt. "Das ist nicht gut. Das belastet dein Herz." Wieso weiß er das? "Aber ich beuge mein Herz doch vor Enttäuschungen vor." "Aber du bist trotzdem enttäuscht, Cana." Er schaut zu mir hinab und fährt mir über mein Haar. "Du bist negativ eingestellt und dann kommt noch eine Ladung Negativität auf dich zu." "Ich kann nicht so optimistisch wie du denken." "Das tue ich nicht. Für mich ist das Glas nicht halbvoll oder halb leer. Für mich ist es optimal gefüllt." Ich ziehe leicht verwirrt die Augenbrauen zusammen, nebenbei versuche mich nicht von seinen Lippen ablenken zu lassen.

"Ist es dann nicht eher halb voll?" Schmunzelnd schüttelt er den Kopf. "Nein, ich gebe mich mit dem zufrieden, was ich kriege. Außerdem muss ich das Behältnis betrachten, indem das Wasser gefüllt ist. Was ist, wenn es ein ganzer Krug ist? Dann wärst du doch auch zufrieden." "Und wenn es nur ein kleines Glas wäre?" Er schaut mich schmunzelnd an, als ich mir nachdenklich über meine Unterlippe fahre. "Das ist Menschenabhängig und kommt immer auf ihre Psyche an. Manche fordern immer nach mehr, sind unersättlich, niemals oder selten zufrieden und dann gibt es noch welche, die sich bei der banalsten Sache freuen. Roxy zählt zu ihnen." Wir schauen vom Dach auf den Garten, wo Roxy fröhlich herumrennt und sich auf den Bauch legt. Ich bin von seinen Ansichten immer wieder fasziniert. Er denkt so friedlich und ruhig, dass ich mich schon unbewusst entspannt habe. Es ist unglaublich, was Worte mit einem anstellen können, denn ich bin verliebt in seine Gedanken. "Sie zählt zur Familie", erzählt er mir. "Ich könnte es nicht ertragen, wenn sie stirbt." Er seufzt und fährt sich durch sein braunes Haar. "Aber ich habe noch sehr viel Zeit mit ihr. Sie ist gerade Mal drei." "Also hast du sie ja gar nicht so lange." Er nickt. "Ich war echt froh, als ich sie bekommen habe. Sie war ein ganz kleines Bündel und wollte gar nicht weg von mir. Als ich auf Toilette musste, hat sie gewinselt wie verrückt, weshalb sie mir auch auf dem Klo und unter der Dusche nie von der Seite gewichen ist. Sie hat sogar eigenständig gelernt, sich auf die Kloschüssel zu setzen und dort das Geschäft zu verrichten." Ardan schmunzelt schulterzuckend. "Sie spürt es, wenn es mir nicht gut geht. Wie oft war sie schon da für mich? Sie ist eine Heldin, obwohl sie noch in der Ausbildung ist." "Was für eine Ausbildung?" "Es gibt Diabetikerwarnhunde, die spüren, wenn Über- oder Unterzuckerung droht." "Wow." Erstaunt hebe ich die Augenbrauen.

"Ja, kaum habe ich angefangen zu zittern, hat sie herumgebellt und alles dafür gesetzt, damit man mir hilft und dann wussten wir, dass sie den Instinkt besitzt und haben sie ausbilden lassen." Er lächelt, wirkt ganz stolz auf seine Hündin. "Es ist schön, wenn man so jemanden an seiner Seite haben darf." Ich nicke und umschlinge seinen Arm fester. Es ist schön, dich zu haben, Ardan. "Damit meine ich auch dich." Schlagartig schaue ich zu ihm hoch, ich kann mir mein Lächeln überhaupt nicht verkneifen und lehne meine Stirn gegen seinen breiten Oberarm, damit er mein dümmliches Grinsen nicht sehen muss. Innerlich kreische ich wie verrückt. "Ich bin froh, dass wir uns so nahestehen", gestehe ich. Es ist plötzlich so warm! Mein Bauch platzt gleich vor Freude! Seine Hand legt sich auf meinen Hinterkopf und fährt mir wieder über mein Haar. Das kribbelnde Gefühl genieße ich und wünsche mir noch viel mehr. Es ist so perfekt, es ist wie in Liebesgeschichten oder in Liebesfilmen. Ich freue mich unwillkürlich auf alles andere, was noch zwischen uns passieren wird, obwohl ich überhaupt keine Ahnung habe. Ich lasse von seinem Arm ab und umschlinge seinen warmen Oberkörper. Ich brauche diese Berührungen, sie machen mich so glücklich und heilen meine Probleme. Das ist das, was mein Herz braucht. "Es ist nur eine Frage der Zeit, bis wir über das Jetzige hinauswachsen." Ich nicke. Alles braucht seine Zeit und wenn wir wie jetzt weiterleben, kann ich gerne warten. Ich genieße es so sehr, in seinen Armen zu liegen, denn es ist ein Privileg - es ist mein Privileg. Ich bin die erste Person, die ihm Geborgenheit geschenkt hat. Wieso konnte es ihm keiner geben? Nichts ist einfacher, als diesen Jungen glücklich zu machen. Sein Lächeln ist für mich ein sehr wertvolles Geschenk.

Sein Lächeln ist das Geschenk meines Herzens.

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