Kapitel 27

Alessia Cara- Growing Pains

Ich bin so verdammt aufgeregt. Diese zwei Stunden Kunst muss ich noch totschlagen und dann werde ich den restlichen Tag mit Ardan verbringen. Am liebsten hätte ich den ganzen Tag geschwänzt und wäre sofort zu ihm gegangen, aber ich war doch zu schüchtern, um ihn diesen Vorschlag zu machen. Gerade laufe ich in den Kunstraum und sehe, dass Ardan mit dem Lehrer redet und ihm einen Zettel gibt. "Gut, ich drück dir die Daumen." Ardan bedankt sich und schaut dann zu mir. Wie? Aber unser Treffen? "Ich schreibe dir", gibt er gedämpft von sich und verabschiedet sich lächelnd von mir, ehe er geht. Wohin geht er? Wird das Treffen trotzdem stattfinden? Gerade fühle ich mich dezent gekränkt, weil ich mich doch so gefreut habe. Vielleicht treffen wir uns ja doch, denn er will mir ja schreiben, aber vielleicht will er sagen, dass es heute doch nichts wird. Aber, wenn es heute doch nichts wird, dann hätte er mir doch vorher Bescheid gegeben. Sollte ich es vielleicht den Mädels erzählen, die gerade in den Raum treten? Ich würde gerne, aber irgendwie kann ich nicht. Etwas hält mich auf und es würde eher ungewollt rauskommen, weil ich sowieso jetzt deshalb grübele. "Wo ist dein Ehemann?", fragt Yasmin. Ich verdrehe meine Augen und zeichne schlecht gelaunt Bögen auf den beschmutzten Tisch. "Was ist los?" Ich zucke mit meinen Schultern. Es liegt daran, dass Ardan jetzt weg ist und unser gemeinsamer Tag gestrichen werden kann. Heute habe ich auch noch meine Tage bekommen - jetzt bräuchte ich eine Wärmeflasche. "Ich will nach Hause." Und danach am liebsten zu Ardan. "Komm, diese zwei Stunden überlebst du noch."

Ich bin aufgeregt. Ardan hat mir geschrieben, dass ich immer noch kommen kann und das am liebsten so schnell wie möglich. Oh Mann, ich bin so hibbelig! Was soll ich anziehen? Ich habe zu wenig Zeit! Unruhig zupfe ich mir die Augenbrauen und schaue sofort auf mein vibrierendes Handy. Verdammt! Scheiße, ich habe zu viel am Bogen weggezupft. Keuchend halte ich mir die kahle Stelle und seufze. Ich bin so nervös, dass ich nichts auf die Reihe kriege. Ich kriege verdammt schlechte Laune deswegen, weil ich nicht einmal duschen kann, weil ich so unter Zeitdruck stehe. Wie soll ich mit fettigen Haaren dahin? Ich seufze frustriert und suche nach einer anderen Hose, weil meine schwarze Periodenhose wegen meines Bluts beschmutzt ist. Ich kann in keiner hellen Jeans zu ihm, aber meine andere schwarze Hose ist in der Wäsche! Ich könnte jetzt losweinen, aber ich reiße mich noch am Riemen. Ich ziehe mir eine graue Jogginghose an und lasse meinen großen, schwarzen Periodenpulli an. Soll ich einfach so gehen? Verdammt, ich habe keine Zeit, um darüber nachzudenken. Ich muss los! Hysterisch nehme ich die Tüte mit seinem Pullover, den ich nicht einmal gewaschen habe, parfümiere mich mit einem echt miesen Gefühl und laufe dann dick angezogen aus dem Haus. Ich will nicht mehr zu ihm, weil das alles so chaotisch zuging zu Hause. Als ich nach Hause kam, habe ich seine Nachricht gelesen und konnte mir gar keine Zeit lassen, weil ich plötzlich so nervös wurde. Ich habe alles in zehn Minuten irgendwie hingekriegt, obwohl ich gar nichts gemacht habe.

Komplett unsicher stehe ich vor der Haustür und will gar nicht klingeln. Deshalb klopfe ich nur ganz sanft und verfluche Ardans guten Ohren innerlich. Mit einem Lächeln öffnet er die Tür, welches sofort fällt. "Hey, was ist los?" Ein wenig gegen meinen Willen trete ich hinein und ziehe mir die Schuhe aus. Mein Magen zieht sich zusammen und mir ist wieder ganz warm. Ich platze gleich vor Frust! Ich will mir nicht einmal meine Jacke ausziehen und seufze bei seinem fragenden Blick. "Was ist passiert?" "Alles", setze ich gestresst an und ziehe mir meine Jacke aus, weil mir total heiß ist. "Ich war total unter Zeitdruck, konnte nicht einmal duschen, ich habe meine Augenbrauen falsch gezupft, habe Hunger, bin geschwächt, habe Schmerzen, mir ist total warm, ich sehe aus wie ein Müllsack aus Baumwolle, ich konnte nicht einmal deinen Pullover-," "Hey, ganz ruhig, beruhige dich bitte", unterbricht Ardan meinen Redefluss an Problemen und legt seine Hände auf meine Oberarme. Sofort verstumme ich und schaue ihn mit offenem Mund an. "Ich finde, dass du trotzdem wunderschön aussiehst, Cana." Und jetzt habe ich das Gefühl, dass tausend Grad in mir herrschen. In meinem Bauch finden kleine Explosionen statt und ich schreie innerlich bei seinem Kompliment. Er findet mich hübsch. ER FINDET MICH HÜBSCH! Ich darf nicht hysterisch werden. Mein Mund will etwas ansetzen, aber ich kriege kein Sterbenswörtchen raus. Ich bin total rot und habe das Gefühl, dass sich alles dreht. Dieses Kompliment hat irgendwie all meine Probleme beseitigt. "Wirklich?", hauche ich schon fast verzweifelt, weil in mir wieder das Chaos herrscht, welches mir schon bekannter ist, als mein Nachbar. Er lächelt. Oh Mann, ist sein Lächeln hinreißend.

"Ja, Cana." Wie wunderschön sich mein Name aus seinem Mund anhört. Sanft fährt er mir über meine Arme, sein Lächeln lässt mich ganz hibbelig werden. Ich kann meine Emotionen nicht kontrollieren und auch das Lachen nicht. Verlegen halte ich mir die Hände vor mein Gesicht und kichere verrückt, höre ihn ebenfalls und kann deshalb nicht anders, als mich freudig zu winden. Er nimmt mir meine Hände runter und schüttelt belustigt den Kopf. "Komm, ich ziehe mich dann auch gemütlicher an." Ich nicke lächelnd, gebe ihm die Tüte und folge ihm in sein Zimmer. "Wo warst du heute?", frage ich mit unterdrückter Neugierde. "Beim Arzt." Das hätte ich mir denken können. "Ouh", murmele ich. "Und was hat er gesagt?" Ich sollte ihn nicht fragen, weil er sich doch sonst auch unwohl fühlt. Aber diesmal lächelt er. "Meine Werte sind super und ich habe die Erlaubnis, beruhigt essen zu dürfen." Ich strahle sofort und fühle mit ihm, obwohl ich nie auf mein Essen achten muss ... obwohl, doch. Aber nur bei einer Kleinigkeit. "Ich freue mich sehr für dich." "Danke." Er holt seinen Pullover aus der Tüte und will ihn in den Schrank legen, als ich ihn aufhalte. "Willst du ihn nicht lieber waschen?" Verdutzt sieht er mich an und inspiziert dann das Oberteil. "Ich sehe keine Essensflecken und sonst nichts Auffälliges. Hypochondrisch war ich selten." Irgendwie freue ich mich, dass er den Pullover nicht waschen will. Ich werde von Mal zu Mal glücklicher und das nur wegen ihm! Lächelnd beiße ich mir auf die Lippe, als ich den Blick senke, damit er meine Freude nicht zu sehr sehen kann. Moment, er will sich doch umziehen.

Ich stehe auf, ziehe meinen Pullover über meinen Po und erstarre bei dem Fleck. "Nein", flüstere ich und setze mich sofort wieder hin. Verdammt! Wieso blute ich immer so viel?! Ich habe seine Matratze angeblutet, was soll ich jetzt machen? Als Ardan sich umdreht und seine Sachen in der Hand hält, grinst er. Er weiß nichts vom Blut auf seiner Matratze. "Willst du mir beim Umziehen zusehen?" Nein ... doch eigentlich schon. Ahnungslos zucke ich mit meinen Schultern. Ich kann schon wieder nicht reden. Meine leichten Krämpfe kommen wieder, ich versteife mich. Sein Bett ist wegen mir beschmutzt und das ist super peinlich! "Was ist los?", fragt er mich besorgt. "Ich", setze ich flüsternd an. "Tut mir leid", murmele ich. Fragend blinzelt er und wartet auf meine Erläuterung. "Du ... da ist Blut ... ich habe deine Matratze angeblutet." Ich halte inne und hoffe, dass ich mich nicht noch mehr blamiere. "Oh." Er legt seine Kleidung auf seinen Schreibtisch und kommt auf mich zu. Nein, nein, nein! "Blutest du viel? Du hast ja Schmerzen, ich mache dir gleich eine Wärmeflasche. Leg dich doch hin." Sofort fallen meine Schultern und ich atme kaum vernehmbar aus. Ich weiß nicht, wie ich bei seinem Verständnis reagieren soll, weil es mich so berauscht. "Aber ... aber." "Du hast Schmerzen, die Jungs niemals so ertragen können, wie du und Millionen von anderen Mädchen und Frauen. Nur ein Arschloch würde das nicht verstehen." Ich erschaudere bei seiner sanften Tonlage. "Und du bist ein Mann", flüstere ich komplett hin und weg von seinem wunderschönen Charakter. Mir steigen die Tränen auf, weil ich so überwältigt und komplett durcheinander bin. "Ja, das bin ich", lächelt er. Sanft fährt er mir unter mein Auge und schüttelt den Kopf, um mir zu signalisieren soll, dass ich nicht weinen soll.

"Möchtest du eine Jogginghose von mir anziehen?" Ich fühle mich so wohl, obwohl ich mich so unwohl gefühlt habe am Anfang und jetzt in einer misslichen Lage stecke. "Nein, danke, der Fleck ist nicht sonderlich groß." Er nickt lächelnd. "Möchtest du anderweitig frisch machen? Moment, ich guck mal, ob es im anderen Bad Binden gibt." Er läuft aus dem Zimmer. Oh Mann, er ist so süß. Ich gucke mich in seinem dunkelblauen Zimmer um und würde am liebsten den ganzen Tag hier verbringen. Sein Bett wirkt so einladend, dass ich wirklich das Angebot annehmen will, mich hinzulegen. Ich summe leicht, weil sein Bett so weich ist und kuschele mich an seine Decke. Es riecht nach seinem Parfüm und da die Decke schon zurückgeschlagen war, weiß ich, dass er hier lag. Das macht es noch viel gemütlicher. Es fließt unten, weshalb ich mich leicht anspanne, weil ich Angst habe, dass es wieder ein wenig ausläuft. Mit geschlossenen Augen kugele ich mich zusammen und denke wieder an den Montag, wo er mich umarmt hat. Das war so unbeschreiblich schön. "Oh, da hast du es dir gemütlich gemacht." Langsam öffne ich meine Augen und nicke lächelnd. "Dankeschön", flüstere ich, als er mir die Wärmeflasche gibt, die ich gerade echt gebrauche. "Gerne. Wir haben keine Binden da, ich gehe welche holen." "Brauchst du nicht", murmele ich verlegen, doch er winkt einfach ab. "Der Drogeriemarkt ist eh hier um die Ecke, das dauert nur fünf Minuten zu Fuß. Bleib liegen und entspann dich, ja?" Ich nicke und drücke die Wärmeflasche fester an mich. "Okay, bis gleich." Ich winke ihm zu und schließe wieder meine Augen. Ich habe mir das Treffen ganz anders vorgestellt, aber schließlich kann ich nicht in die Zukunft blicken.

Kurze Zeit später klingelt es, weshalb ich mich langsam aufrappele und gleichzeitig mit Roxy zur Tür gehe. Mit der einen Hand streichele ich Roxy und mit der anderen Hand öffne ich die Tür. Schockiert halte ich die Luft an, denn vor mir steht nicht Ardan. Die Mutter schaut mich ebenfalls überrascht an und oh mein Gott, mir ist verdammt heiß! "Hallo", gebe ich schrill von mir und trete zur Seite. Ausgerechnet heute muss sie mich sehen und das in diesem Zustand. "Oh, Hallo, Liebes." Überrascht tritt sie mit den Einkaufstüten in das Haus und weiß ebenfalls nicht, was sie tun soll. Das ist mir so peinlich. Ich stehe in Periodenpulli und Jogginghose vor Ardans Mutter, meine Haare zeigen, dass ich es dringend nötig habe zu duschen und von meiner Augenbraue will ich gar nicht erst anfangen. Sie bemerkt meine Nervosität und lächelt, ehe sie mich lachend in ihre Arme zieht. "Dich kenne ich doch." Vollkommen unwohl in meiner Haut erwidere ich die Umarmung und spüre die Hitzewelle, weil es mir so peinlich ist. Ich nicke einfach nur, als sie sich von mir löst und greife nach einer Tüte, um sie in die Küche zu bringen. "Dankeschön, Liebes." "Bitte sehr." Ich bin so verlegen, dass ich meine Stimme schon fast verloren habe. Die Lebensmittel hole ich aus der Tüte hinaus und bin so verdammt glücklich, als die Tür aufgeschlossen wird. "Mama?" "Ja?", säuselt sie. Oh nein, sie versteht es falsch. Ardan tritt in die Küche und lächelt leicht überfordert. "Oh, ihr habt euch kennengelernt?" "Na ja, noch ist sie zu schüchtern." Ich senke den Blick und lege das Obst in den Korb.

Ardan hilft uns und die Mama geht nach oben, weil sie Ardans Wäsche in die Waschmaschine tun muss. "Moment, ich habe die Tüte im Flur gelassen." Ardan geht mit der Tüte hoch und sagt mir danach, wo was hingehört. "Du bist ja komplett verstummt", stellt er belustigt fest. "Ich hätte nicht mit deiner Mutter gerechnet", nuschele ich. "Komm, wir sind fertig." "Ardan?", fragt die Mutter leicht hysterisch. Fragend sehen wir uns an und laufen schnell die Treppen hoch. Die Mutter ist ja ganz blass und ihre Augen sind geweitet. Oh nein, der Blutfleck! Vollkommen peinlich berührt stelle ich mich hinter Ardan, weil die Mutter komplett falsch denkt. "Nein, nein, Cana hat ihre Periode", erklärt Ardan lachend. Das ist überhaupt nicht lustig. Sie seufzt erleichtert und auch ich kann wieder aufatmen. "Tut mir leid, ich war nur so schockiert." Langsam luge ich an ihm vorbei und bete, dass es nicht noch schlimmer sein wird. Die Mutter dachte kurz, dass ihr Sohn mich entjungfert hätte. Es kann doch nicht noch schlimmer werden! "Ich ... ich lasse euch dann mal wieder alleine und mache solange das Essen. Möchtest du etwas Bestimmtes und musst du auf gewisse Lebensmittel verzichten?", fragt sie mich und lächelt. Ich erröte. "Ich esse alles, was man mir hinstellt, außer Erdnüsse." "Allergie?", fragt Ardan, was ich bestätige. "Gut. Möchtest du etwas trinken?" "Ich übernehme schon, Mama." Sie lächelt ihn voller Freude an, lächelt mit etwas verkniffen an und lässt uns alleine. "Oh Mann", flüstere ich und schaue zu ihm hoch. Er grinst dümmlich. "Was?" "Nichts." "Wieso grinst du so ... so unanständig?" "Der Tatort sieht unanständig aus und Mama hat auch unanständig gedacht." "Ardan!", meckere ich und lege mich wieder in sein Bett. Muss er mich in Verlegenheit bringen?

"Bloß nicht umdrehen, ich will mich umziehen." "Geh doch ins Bad", murre ich und drehe ihm den Rücken zu. "Aber das ist mein Zimmer." "Nein, nicht mehr." Er lacht leise und danach höre ich, wie sein Reißverschluss aufgeht. Oh Gott, ich will nicht falsch denken, aber der Gedanke geht mir nicht aus dem Kopf, wie Ardan nur in Boxershorts aussieht. Das sieht bestimmt verdammt heiß aus. Leise quietsche ich, weil meine Gedanken verrücktspielen und kauere mich weiter zusammen. "Geht es dir besser?", fragt er mich. "Einigermaßen." Schließlich wurde ich mit peinlichen Situationen misshandelt. "Gut." Er setzt sich aufs Bett, weshalb ich mich wieder zu ihm umdrehe und mich aufsetze. Er lächelt mich an, was ich sofort erwidern muss. Wow, eine richtige Kettenreaktion. "Ziemlich ereignisreich diese Stunde." "Es ist erst eine Stunde vergangen?", frage ich überrascht. Er schaut auf die Wanduhr. "Okay, doch nur eine halbe Stunde." Das freut mich, denn ich will, dass die Zeit sehr langsam vergeht. Wir schauen uns an, keiner weiß, was wir machen sollen. "Hat noch jemand aus deiner Familie Diabetes?" Ich wollte ihm doch keine Fragen zu seiner Krankheit stellen! "Tut mir leid, ich vergesse, dass es dir un-," "Alles gut und nein, alle sind gesund, nur ich habe das große Los gezogen." Der Arme. "Ouh ... ich hoffe, es ist nicht allzu schlimm." "Ich habe keine Folgeerkrankungen, aber ..." Er lächelt schwach. "Ich liebe Essen mit Herz und Seele und dass ich Diabetes habe, stört mich echt. Früher musste ich verdammt aufpassen und ... na ja ..." Er schüttelt abwinkend den Kopf. "Jedenfalls haben sich meine Werte verbessert, seitdem ich von einer anderen Person behandelt werde. Ich habe so vieles Erfahren und war erstaunt, was es doch für Möglichkeiten gibt." Ich danke der jetzigen, ihn behandelnden Person.

"Und heute ist Cheat-Day?", frage ich lächelnd, was ihn lachen lässt. "Ja, die Tage war mein Blutzucker niedrig und heute darf ich mit der Erlaubnis essen, wie ich will - aber ich soll es trotzdem nicht übertreiben." Er gluckst freudig und kann es anscheinend gar nicht abwarten, essen zu können. Seine Freude ist so ansteckend, dass ich ihn am liebsten umarmen würde. "Du hast eine Erdnussallergie, ist sie sehr stark?" Ich nicke mit einer leicht gerümpften Nase. "Ich muss sofort ins Krankenhaus." Seine Augen weiten sich. "Oh, das ist nicht gut. Hattest du schon einmal einen Schock?" Ich nicke. Das war überhaupt nicht schön. "Man kriegt keine Luft, das Herz rast und man möchte nur, dass es aufhört." Er verzieht bemitleidend das Gesicht. "Gibt es nicht spezielle Therapien dafür?" "Doch, aber das hat nichts gebracht. Meine Mama ist Allergikerin und von ihr habe ich auch diese Allergie, nur in noch schlimmer." Wenigstens ist es die einzige Allergie, die ich habe. Meine Brüder leiden alle an Pollen- und Stauballergie und Mama ist sowieso die Königin der Allergien. Er rutscht näher zu mir auf und auch ich kann mir eine winzige Bewegung nicht verkneifen. Das zählt doch als Anziehungskraft, oder? Er will etwas ansetzen, lässt es aber sein. "Wann ... ach, schon gut." "Nein, nein, sag schon", fordert er sanft. Ich komme mir so komisch vor, weil ich das Versteckte vom Montag klären will. "Ich ... ich wollte nur fragen, ob wir jemals das klären werden, was am Montag passiert ist." Geniert ziehe ich die Schultern an. Er senkt den Blick und lässt kurz seinen Kiefer mahlen. "Bestimmt", murmelt er. Ich würde zu gerne wissen, wie es zwischen uns steht.

Ich schaue auf seine Finger, die an seinem Armband spielen und dann in sein hübsches Gesicht. Er hat keinen starken Bartwuchs, aber er trägt auch keinen Bart. Das würde ihm auch nicht so stehen. Sein Gesicht soll frei von irgendwelchen Bedeckungen sein. Seine Wimpern und Augenbrauen sind dunkler als seine Haare, durch die ich gerne fahren möchte. Und seine Lippen ... sie sind so schön pink und gerade verziehen sie sich zu einem schiefen Grinsen. Oje. Ich schaue in seine grünen Augen und schlucke. "Ich sehe toll aus, nicht wahr?" Ich zucke mit meinen Schultern und spüre, wie warm mir wieder wird. "Ich gehe dann mal ins Bad", murmele ich. Schnell tapse ich aus dem Zimmer, höre sein leises Lachen, was mich in Verlegenheit bringt und schließe die Tür des Bads ab. Tief atme ich durch, mache mich frisch und stelle mich vor den Spiegel. Meine Haare binde ich mir zu einem Dutt und fahre über die kleine Lücke unter meiner Augenbraue. Sie ist nicht stark zu sehen, aber auch nicht unauffällig. Er findet mich aber trotzdem wunderschön, das lässt mich strahlen. Mit einem kleinen Schub an Selbstbewusstsein laufe ich zurück ins Zimmer und fahre ihm sogar durch sein Haar. "Hat dir im Bad jemand ein Kompliment gemacht?" Ich nicke und er grinst. Sein süßes Grübchen sticht hervor. Es ist so schön, so wunderbar harmonisch. Wir sind uns so nah und ich wünsche mir so sehr, dass wir uns noch näherkommen. Ich atme durch, was er erwidert. Danach zupft er an seinem Lederarmband herum. "Falls meine Mutter irgendwie ... irgendwelche Anspielungen macht, nimm's nicht persönlich, ja?" Huch, was für Anspielungen? "Hat sie einen fiesen Humor?" "Nein, nein, sie nimmt es anders auf, als es ist. Der Fleck auf meiner Matratze hat es ja gezeigt." "Ouh." Ich schürze meine Lippen. "Sie denkt, wir sind ein Paar?" "Vielleicht? Oder wir sind kurz davor, aber das ist für meine Mutter dasselbe." Er grinst und ich muss es unwillkürlich erwidern.

Die Mutter ruft uns irgendwann zum Essen hinunter. Ardan lasse ich den Vortritt und setze mich neben ihm hin. Die Mutter lächelt verstohlen und stellt die Getränke vor uns ab - sie denkt sowas von falsch. Es riecht unfassbar würzig und super gut. Es erinnert mich an das Essen von Oma oder Mama. "Ist das Huhn?", fragt Ardan mit einem großen Lächeln. "Ja." Sie drückt ihn an sich und legt dann zwei Schüsseln mit Linsensuppe vor uns ab. Ich war schockiert, als ich zum ersten Mal die europäische Variante der Linsensuppe gesehen habe, denn sie sieht ganz anders aus, wenn man sie mit der Linsensuppe aus dem orientalischen Raum vergleicht. Die Mutter stellt den Salat und die Soße dazu noch ab und holt das wunderbar duftende Huhn aus dem Ofen und drapiert die Teller für uns, ehe sie die Teller vor uns ablegt. Ich erkenne auf jeden Fall Sesam und grüne Bohnen. Das Hähnchen liegt auf einer Paste, neben einer Zitronenscheibe. "Das ist Auberginen-Mus. Ich hoffe, du magst Knoblauch." Ich nicke schmunzelnd und muss an Oma und Opa denken, die Knoblauch aus mehreren Metern Entfernung riechen und sofort das Gesicht vor Ekel verziehen. "Wir haben noch Minze da, für danach." Sie lächelt wieder verstohlen und ich muss kurz nachdenken, bis ich verstehe, dass sie auf die neutralisierende Wirkung und damit auf einen Kuss anspielt. "Dankeschön", murmele ich. Hoffentlich kam das nicht falsch rüber, denn ich habe mich nicht für das Angebot bedankt, sondern für das sau gute Essen. Wow, das ist echt gut! Ardan tut mir etwas Salat auf den Zeller und beträufelt es mit der Joghurtsoße. "Schmeckt es dir, meine Liebe?" Ich nicke und halte mir die Hand vor den Mund, ehe mir Ardan ein Taschentuch reicht.

"Ihr wart ja gemeinsam bowlen und Ardan hat ja bei dir übernachtet." Sie beißt sich kaum sichtbar auf die Unterlippe. Ihre grünen Augen zeigen Neugierde. "Also nicht bei mir, sondern bei meinen Brüdern." Sie nickt belustigt. Oh Mann, mir wird wieder warm. "Mama, bring sie nicht in Verlegenheit." "Ich finde es einfach nur so schön. Weiß deine Mutter Bescheid?" Sofort fällt mir mein Besteck aus der Hand. Ich habe komplett vergessen, dass beide Mütter sich kennen. Oh Gott, Mama darf es niemals erfahren. "Nein", flüstere ich. Ihr Lächeln fällt leicht. "Und bitte erzählen Sie es ihr nicht." Sie nickt. "Ich schweige." Beruhigend lächelt sie und widmet sich wieder ihrem Essen. Ardan hat eine hübsche Mutter. Das Fleisch verschlinge ich schnell und mische noch die restlichen Bohnen mit dem übriggebliebenen Mus. Ardan füllt uns allen Cola ein und tut sich ein wenig vom Salat auf seinen Teller. Als ich zu Ende gegessen habe, will ich aufstehen und den Teller in die Spüle tun, als Ardan es für mich übernimmt. "Willst du meine Zitrone? Ich habe gerade keine große Lust auf Saures." Ich nicke und beiße sofort das Fruchtfleisch raus. Hoffentlich bedeckt das den Knoblauchgeschmack. "Willst du auch Minze?", grinst er. Ich nicke verlegen und schaue weg. "Kannst schon mal hoch." Das lasse ich mir nicht zweimal sagen und spurte die Treppen hinauf. Ich würde am liebsten den ganzen Tag hierbleiben, weil ich mich so unfassbar wohlfühle. Wenn ich durch die Haustür treten muss, werde ich womöglich traurig sein. Aber bis dahin sind es noch wenige Stunden. Er tritt mit Minzblättern in einer Schale und Wasser ins Zimmer und grinst mich mit wackelnden Augenbrauen an. "Gleich wird's scharf."

Die Stunden vergehen im Flug, in denen wir quatschen, herumalbern oder nur schweigend unseren Gegenüber ansehen, wie jetzt. Diesmal bin ich diejenige, die seinen Unterarm nimmt und an seinem Armband spielt. "Ich schenke es dir." Überrascht sehe ich ihn an. "Nein, das ist deins." Er winkt ab. "Ich habe genügend andere, hier." Er streift es sich ab und legt es um mein rechtes Handgelenk, sodass auch dieses beschmückt ist. Mein Herz macht einen Satz, weil er mir etwas Persönliches geschenkt hat. Ich lächele ungehemmt und muss kurz kichern. Ich freue mich so sehr! "Dankeschön." Das ist ein weiterer Schritt, der mein Herz noch schneller schlagen lässt. Er tippt mir auf mein Grübchen und kneift mir dann sanft in die Wange. "Beim nächsten Treffen bist du weniger hysterisch und mehr selbstbewusst, ja?" "Es gibt noch ein Treffen?", gebe ich schon fast ungläubig von mir. Ardan möchte mich noch einmal treffen. Er lächelt verträumt - so wunderschön. "Ich würde mich freuen, dich ein weiteres Mal bei mir zu haben - vielleicht ein bisschen weniger blutig." "Ey", murre ich und schlage gegen seinen Oberarm. Er hebt lachend die Hände und mal wieder bin ich berauscht von dieser Schönheit; seine schönen Augen, sein schönes Lächeln und diese wunderschöne Lache. Ich muss mein Schwärmen unterbrechen, weil ich angerufen werde. Beim Namen setzt mein Herz aus, mir wird wieder einmal super warm und ich drücke instinktiv die Hand auf Ardans Mund, als ich den Anruf meiner Mutter annehme und ihr Bescheid gebe, dass ich gleich nach Hause komme. "Wow, wie wild", neckt Ardan mich. "Ich muss gehen", schmolle ich. Seine Schultern fallen, er ist auch traurig - oder ich bilde es mir nur ein. "Soll ich dich ... ach, das wäre ein bisschen riskant." Ich nicke, ziehe mir meine Jacke und Schuhe an, nachdem ich mich von der Mutter verabschiedet habe, ehe ich etwas schüchtern vor der Haustür stehe und ihn ansehe. Er kratzt sich den Nacken und lächelt.

"Das war ein schöner Tag", gestehe ich verlegen, spüre die Hitze auf meinen Wangen und auf meiner Stirn und fühle mich genau wie ein Mädchen aus US-Teenieserien. "Ja, das war es", erwidert er und lächelt ein Ticken mehr. Ich presse meine Lippen aufeinander, weil ich vor Verlegenheit nicht weiß, was ich tun soll. Ich könnte ihn umarmen, weil wir das schon zweimal getan haben, aber vielleicht wäre das unpassend ... oder? Nein, wieso sollte es denn unpassend sein? "Dann ... bis zum nächsten Mal." Ich setze einen Schritt zu Ardan an, hebe langsam meine Arme und schlinge sie um seinen Rumpf, spüre die Wärme, die von ihm ausgeht. Ich lege meinen Kopf auf seiner Brust ab und zwinge mich, nicht ein wenig mehr zu seinem Herzen zu rutschen. Ich will diesen Moment nicht zerstören. Seine Arme sind perfekt geschaffen, um Umarmungen zu erwidern und Wärme um das Herz und die Seele schließen zu lassen. Wie faszinierend es ist, dass ich mich sofort sicher fühle. "Wir sehen uns, Cana." Sanft fährt er mir über meinen Hinterkopf, ehe wir uns voneinander lösen. Meine Augen glitzern bestimmt noch mehr als seine, als ich noch ein letztes Mal den Blick auf sie schweifen lasse. Ich winke und laufe aus der Haustür, würde am liebsten rennen und springen, weil ich so viel Energie in mir spüre. Als ich außer Sichtweite bin, tue ich auch genau das und muss einmal vor Freude quietschen. Zu Hause komme ich an, ziehe mir meine Schuhe aus und werde in die Küche gerufen. Oje, ich werde nervös. "Ja?", frage ich auf den Weg in die Küche. "Wo warst du?" Bei Ardan, wir haben einen schönen Tag verbracht. "Bei Sarah." Mama nickt und schaut leicht fragend. Hoffentlich bemerkt sie nichts. "Vernachlässigst du die anderen?" "Nein!", schießt es sofort aus mir. "Ich habe sie neu kennengelernt und bin deshalb die Tage oft mit ihr gewesen. Am Samstag unternehmen die Mädels sowieso etwas mit mir." Sie nickt. Sie weiß überhaupt nicht, was los ist. Sie weiß nichts von meinem Chaos und meinen Gefühlen.

Sie weiß überhaupt nicht, was in meinem Herzen gerade los ist.

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