Kapitel 20
Shawn Mendes - Perfectly Wrong
Was vor mehreren Minuten passiert ist, bleibt vor mehreren Minuten. Ich spüre das Kribbeln an meiner Haut, wo er sanft getupft hat. Mein Bauch bebt, Schmetterlinge fliegen in ihm herum und es zieht dort auch. Ich weiß nicht, was los mit mir ist! Das ist so frustrierend. Wieder bin ich in meinem Gefühlschaos. Ich belüge meine Mitmenschen und tue Dinge, die ich niemals tun wollte. Mama wäre total enttäuscht von mir, aber das will ich doch nicht! Seufzend halte ich mir den Kopf, bleibe aber nicht stehen. Wenigstens bin ich von keiner intensiven Hitze umgeben, sondern von klarer, kalter Luft. So sehr ich den Winter nicht mag, so sehr liebe ich gerade diese kalte Luft, die mich etwas vitaler macht. Mein Herz ... oh Mann, was ist nur los mit mir? Diese Frage werde ich mir noch tausend weitere Male stellen und jedes Mal bleibt sie offen. Ich fühle mich plötzlich gekränkt, ich weiß aber nicht wieso. Wenn Ardan ... ich schäme mich irgendwie daran zu denken ... wenn er mich geküsst hätte, hätte ich es zugelassen? Aber er hat es ja nicht. Er hat sich nicht einmal vorgebeugt, also sollte ich mir nicht allzu große Hoffnungen machen. Moment, was für Hoffnungen? Ich mache mir keine Hoffnungen mit ihm! Jetzt bin ich ein wenig wütend, weil ich so lächerlich denke und stampfe mich durch den Schnee zu mir nach Hause. Es ist kalt, Ardan ist scheiße und ich will mich in mein Bett kuscheln. Ich habe gerade wieder Lust auf diese leckeren Nudeln und würde am liebsten bockig zurück zu Ardan laufen, den Topf klauen und damit wieder nach Hause rennen, aber ich bleibe stur und lege meinen Daumen auf den Sensor, damit sich das Tor öffnet.
Den Schnee trete ich an der Fußmatte ab, entferne diese Stiefel von meinen Füßen und laufe schnell die Treppen hoch. Die Gefühle überkommen mich wieder, so sehr ich mich auch gegen sie sträube. Er hat mir über die Haarlängen gestrichen, das hat sich so schön angefühlt. Der lächerliche Wunsch mit dem Küssen kommt mir wieder in den Sinn. Ich will den Freund meiner Brüder küssen, der es für selbstverständlich hält, mich beschützen zu müssen und den ich außerhalb seiner Physis beschnüffelt habe, als er mir die Schlafsachen gegeben hat. Ich bin doch echt ein hoffnungsloser Fall. Was wäre passiert, wenn mein Körper nicht Alarm geschlagen hätte? Was wäre passiert, wenn ich einfach ganz still und brav sitzengeblieben wäre? Gäbe es einen Kuss? Irgendwie glaube ich nicht daran. Aber er hat doch geseufzt ... aber vielleicht vor Erleichterung. Ich weiß es nicht und kann leider keine Gedanken lesen. Als ich endlich in meinen Schlafsachen bin und den Rucksack für morgen gepackt habe, lege ich mich mit geputzten Zähnen ins Bett, obwohl an Schlaf gar nicht zu denken ist. Ich schalte meine Lichterkette an, die mich ganz kuschelbedürftig macht. Wie wird der morgige Tag aussehen? Wird mir Ardan in die Augen schauen? Vielleicht so intensiv wie vorhin? Nein, das würde er nicht. Entweder würde er mich wie sonst auch behandeln oder den Blick gesenkt halten - vor Scham oder sonst was. Guck mal, Mopsi. Das Szenario mit dem Kinn Abtupfen wird vor meinem geistigen Auge abgespielt. Sofort verfalle ich wieder in Trance, mein Mund ist geöffnet, mein Blick sehnsüchtig. Ich begaffe meine Decke, doch vor mir sehe ich trotzdem Ardan.
Ardan, ach Ardan, was machst du nur mit mir? Ich sehe nur Grünes, habe noch nie in meinem Leben so oft bei anderen Schokobons gesehen und musste mir sonst noch nie Gedanken um jemanden machen, der mich so komisch fühlen lässt. Das ist so verdammt verrückt! Ich verfalle wieder in Trance, weil mir eine weitere Situation in den Sinn kommt. Ich stelle mir zur Zeit vieles mit ihm vor ... einfach so, weil ich Langeweile habe - der Geschichtsunterricht ist sowieso nicht spektakulär. Wir sitzen irgendwo an einem See, es ist schon dunkel, es funkelt und es herrscht eine schöne Wärme. Meinen Kopf lehne ich zur Seite, als ich mir in Gedanken vorstelle, wie ich meinen Kopf an seine breite Schulter lehne. Seine breiten Schultern ... ich würde sie gerne anfassen und über seine Schlüsselbeine fahren. "Hm", summe ich leicht verträumt. Ich fahre mir durch meinen Haaransatz und wünsche, er würde es tun. Ach, Schluss damit! Frustriert seufze ich. Das ist ein Desaster. Ein richtiges Teenager-Desaster. Toll, da habe ich den Salat - einen leckeren Salat -, weil ich mich ... was habe ich genau gemacht? Mich einem Jungen geöffnet? Habe ich das wirklich getan? Ich habe nur bei ihm Nachhilfe genommen. Wirklich intim wurde es nicht - egal auf welche Art und Weise. Ich habe ihn nichts anvertraut und er mir ebenso wenig. Aber ... ach, keine Ahnung. Ich will mir nicht zu viel erhoffen. Wir schreiben nicht täglich miteinander und machen auch sonst nichts, was die Verbindung irgendwie stärken könnte. Gerade muss ich wie Ardan denken, da er gerne philosophiert. Er sieht alles gerne von beiden Seiten. Man müsste also nicht sofort miteinander schreiben, um eine Verbindung zueinander zu haben. Wenn ich mich an das erinnere, was ich immer gehört habe und die folgenden Resultate, waren es auch nur Fehlschläge, egal wie tief sie in die Nacht geschrieben haben.
Und was mache ich jetzt? Wie fühle und reagiere ich jetzt? Wie handele ich jetzt und demnächst? Habe ich einen Zug, den ich angehen möchte? Nein. Habe ich klare Gedanken und Ideen? Ganz sicherlich nicht. Bin ich überhaupt noch rational? War ich das je? Und war ich es je, als ich Ardan begegnet bin? Nein, das war ich ganz sicherlich nicht. Mir war schon immer klar, dass ein Mensch niemals ganz rational Handeln kann. Wir haben eine Verbindung im Gehirn zwischen der Vernunft und dem limbischen System, wo auch die Emotionalität sitzt, und diese Emotionalität überwiegt der Vernunft. Mehr als die Hälfte unseres Hirns wird von Emotionalität besetzt. Wenn wir zu rational Handeln, dann kann es uns keinen Schaden anhaben, aber wenn wir zu emotional sind und deshalb in Stress und Trauer verfallen, kann es schwerwiegende Folgen haben. Meine Mundwinkel zucken ahnungslos und leicht deprimiert. Ich umklammere meine Decke und lege mich auf den Bauch. Wann kommt Mama? Ich will weibliche Gesellschaft. Ich könnte mit den Mädels schreiben, aber ... ach, ich weiß es nicht. Was soll ich überhaupt mit Mama bereden? Über Ardan kann ich ganz sicherlich nicht reden. Ich will doch genau wie sie sein: Gefühle so gut es geht zu unterdrücken und stur die Schule durchziehen. Wieso ist alles leichter gesagt, als getan? Wie hat sie das hingekriegt? Ich kann sie nicht einmal fragen, weil sie vielleicht Verdacht schöpfen könnte. Ich bin nicht verliebt, aber trotzdem würde es falsch rüberkommen.
Ich weiß gar nicht, wie viel Uhr wir haben und irgendwie will ich es auch gar nicht wissen. Begründen kann ich es nur halbwegs: So kann ich länger wach bleiben. Nur kann es sein, dass es schon spät ist. Aber wie lange war ich denn bitte bei Ardan? Wie lange hätte ich noch bleiben können? Ich sehne mich nach der Kennenlernfahrt ... aber ich erhoffe mir mal wieder zu viel. Ich will ihn wenigstens einmal nur in Badehose sehen ... einfach so, weil auch ich von einem tollen Körper schwärmen möchte, wie alle Protagonistinnen und Mama. Daran ist doch nichts auszusetzen. So ein sportlicher Körper ist doch immer schön anzusehen. Wenn Ardan das wüsste, dann würde er schief grinsen und dann würden seine Grübchen hervorstechen, vor allem sein linkes Grübchen. Hach, wie sehr ich mit meinem Daumen über dieses Grübchen fahren will. Ich quengele und rolle mich auf meinem Bett hin und her. Was sollen diese Gedanken? Die grenzen ja schon an Unanständigkeit. Mama würde mich ärgern und necken, genau wie jeder andere auch. An wen soll ich mich bloß wenden? Aber weshalb sollte ich mich an jemanden wenden? Ich liege noch bestimmt mehrere Stunden im Bett, als ich die Stimme von Mama höre. Sie kommt die Treppen hoch, öffnet meine Tür und schaltet zum Glück das Licht nicht an. "Du schläfst doch nicht wirklich um 22:45 Uhr?", fragt sie entsetzt. Ich muss schmunzeln. "Wäre das nicht eigentlich angebracht?" "Doch, schon, aber meine Kinder sind da relativ nachtaktiv. Komm, du schläfst heute bei mir." Stimmt, ich habe vollkommen vergessen, dass Mama mich immer bei sich haben will, wenn Baba nicht nach Hause kommt, wegen der Arbeit.
Meine Sachen nehme ich mit und laufe mit ihr nach unten. Sie schläft dann immer auf der Seite, wo Baba eigentlich liegt. Ich finde das echt süß und super romantisch. Oft bin ich ganz neidisch auf Mama und ihre Geschichte. Ich lege mich auf ihre Seite und warte, bis sie ins Schlafzimmer kommt. "Weißt du wie froh ich bin, nicht mehr auf das Fenster zu achten, wenn ich mich umziehe? Dein Vater hat mich immer angemeckert, die Jalousien runterzuziehen und immer wieder habe ich es vergessen." Sie schlüpft aus ihrer Kleidung, tut sie in ihren Schrank und legt sich unter die Decke. Danach betatscht sie mich hyperaktiv. "Ich freue mich immer, wenn du bei mir schlafen kannst." Das lässt mich strahlen. Sie drückt mich an sich und will mich gar nicht loslassen. "Meine hübsche Tochter. Du weißt nicht, wie froh ich war, als du auf der Welt warst und keinen Penis an dir hängen hattest." Gleichzeitig prusten wir. "Aber was wäre, wenn ich beide Geschlechter hätte?" "Dann hätte ich dir deinen Schniedel abgeschnippelt. Ich habe genügend Söhne und habe meine Tochter verdient." Sie tätschelt meinen Rücken und küsst meinen Scheitel. Immer noch liege ich auf ihrer Brust und schlinge meine Arme um sie. "Schläfst du im Winter nicht in Unterwäsche?" "Ich bin da nicht so flexibel wie du." "Na ja, dein Vater hat Bedürfnisse." "Mama", murre ich. Während sie vor sich hin kichert, schnalze ich empört mit meiner Zunge, kann aber trotzdem nicht ernst bleiben. "Das will ich nicht wissen." "Sonst willst du doch alles wissen." "Aber ich will nichts über das Liebesleben meiner Eltern wissen." "Ach, das Leben fiktiver Personen und besonders die Sexszenen sind interessanter, was?" "Bitte, Mama, hör auf", flehe ich trotz dessen, dass ich schmunzele. Wieder kichert sie und drückt mich noch einmal.
"Wie war es bei deiner Freundin?" Oh Mann, mein Lächeln verfliegt sofort. "Gut. Wir haben viele Aufgaben bearbeitet." Ich war bei Ardan und bei keiner Freundin, Mama. Ich will das Thema wechseln. "Welche Freundin ist es? Du hast dich ja gut in der Stufe eingelebt, auch wenn dieses Miststück noch lebt." Wegen ihren Worten muss ich kichern. "Sarah", sage ich ganz spontan. Ich fühle mich echt schlecht, weil ich Mama dreist ins Gesicht lüge. "Und sie steht Eins in Mathe?" Ich nicke. Wenn du seine Klausuren sehen würdest, wärst auch du fasziniert. "Hattest du viele Freunde an der Uni?" "Nein, nur deinen Vater, auch wenn wir uns oft gezankt haben. Irgendwann habe ich ein Mädchen kennengelernt, Jessica, ich weiß aber nicht, in welchem Semester das war. Sie ist leider weggezogen." Mama summt. "Und sonst niemanden?" Sie seufzt. "Es gab immer etwas, was nicht gepasst hat, Cana", murmelt sie. Wie? Ich schaue fragend zu ihr hoch, doch sie winkt nur ab. "Alte Geschichten, alte Wunden." Wunden? Ich dachte, dass die Geschichte meiner Eltern außer kleine Streits perfekt ist. "Jetzt schau mich nicht so an. Schlaf lieber, du hast morgen Schule." "Deine Kinder sind relativ nachtaktiv", zitiere ich sie schalkhaft. "Du freches Früchtchen." Sie kneift mir in den Po, was mich quietschen lässt. "Gucken dir einige auf den Po?" "Mama", murre ich empört und belustigt. "Was denn? Du hast einen schönen Po. Ich guck ihn mir auch gerne an." "Dankeschön, aber ich beobachte nicht diejenigen, die meinen Hintern begaffen." Wieder kneift sie mir in eine Backe.
"Ich brauche neue Hosen, Mama. Meine dunkelblaue ist schon wieder gerissen und die drücken immer am Bauch." "Dann kauf dir das nächste Mal eine Größe größer." "40?", keuche ich leicht. "Ja, das trage ich auch. Ich habe mich auch immer in 38 gequetscht, wodurch mein Speck herausgequirlt ist, bis ich eines Tages mit deiner Tante Ranja im Laden war und sie mir die Größe 40 in die Hand gedrückt hat. So wirst du auch sicherlich die Pickelchen an Beinen und Po los." "Ich trage untenrum 40, aber obenrum gerade mal 75B", gebe ich unzufrieden von mir. "Cana, das kommt noch, mein Baby." Aufmunternd drückt sie mich. "Hör auf so unzufrieden zu sein. Du hast einen schönen, prallen Po. Der ist glaube ich sogar größer als meiner." Ich schaue schmunzelnd zu ihr hoch. "Willst du jemanden mit deinen Brüsten beeindrucken oder was?" fragt sie schroff. Ardan. WAS?! Nein, das stimmt gar nicht! "Nein", murre ich. Wieso kommt mir dieser Gedanke in den Kopf? Er ist sowieso nicht so einer, der auf den Körper achtet ... hoffe ich zumindest, denn so kommt er nicht rüber. Aber das ist doch egal, Ardan ist doch egal. "Jaja, du kleines Luder", schmunzelt sie. "Sollten wir nicht schlafen?" "Ich dachte, wir sind nachtaktiv?" Muss sie so schlagfertig sein? "Aber Moment mal, versuchst du gerade dem Gespräch auszuweichen?" Innerlich kreische ich ertappt. "Da ist niemand, Mama. Es ist mir einfach unangenehm", erwidere ich leise. Aber Ardan ist da. Ich schäme mich schon sowieso dafür, dass ich bei meiner Mutter im Bett liege, nachdem ich sie angelogen habe.
Sofort ist meine Laune gesunken. Ich bereue es grad, bei ihm gewesen zu sein. Aber ich ... aber ich wollte doch nur lernen. Ich hätte doch mit Amir lernen können oder mit den anderen, die bei Miran waren. Wieso bin ich zu ihm gegangen? Ich will es so gerne leugnen können, dass ich es schön fand bei ihm. Es war so schön, so harmonisch und schön. "Cana?" Ich habe Angst aufzuschauen, auch wenn man meine Mimik nur schwach im Dunkeln erkennen kann. Mama wird es mir von den Augen ablesen. "Ja?" "Was ist passiert?" Mir steigen die Tränen auf. Ich habe Angst, dass Mama enttäuscht sein wird, ich habe Angst, dass alles den Bach untergehen wird, was meine Gefühle angeht. "Ich will das nicht, Mama", flüstere ich. Sofort schlingt sie ihre Arme fester um mich und setzt sich mit mir auf ihrer Brust auf. "Was ist passiert, Cana min?" Ich will nicht darüber reden. Mir kullern zwei Tränen aus meinen Augen. "Hast du einen Freund?", fragt sie vorsichtig. "Nein", flüstere ich schniefend. "Ich weiß doch, dass du willst, dass ich mich auf die Schule konzentriere, aber ... aber das setzt mich irgendwie unter Druck." Meine Stimme wird am Ende heiser. Ich weiß doch selber nicht, was mit mir nicht stimmt. "Kommst du mit dem ganzen Stoff nicht klar? Cana, in der Einführungsphase kannst du noch ganz entspannt sein. Das Zeugnis der EF ist nicht abiturrelevant." Das ist es nicht, Mama. Ich setze mich unter Druck, weil ich mich nicht verlieben möchte, weil ich eben genauso wie meine Mutter sein möchte. Trotzdem nicke ich einfach. Das ist besser, als alles andere jetzt ... nein, ist es nicht, aber ich sehe es als beste Option. "Fühlst du dich gut genug, um morgen zur Schule zu gehen?", fragt sie mich sanft und voller Fürsorge. Ich nicke schniefend. "Gut, dann solltest du jetzt versuchen zu schlafen, sonst bist zu demotiviert am Morgen." Wir legen uns wieder hin und ihre Hand fährt mir sanft über den Kopf. Ich muss runterkommen.
Vor allem mein Herz muss sich beruhigen.
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Unglaublich, worauf einige bei meiner Snapstory achten. Einige sind hier echt pervers, ncncnc 🍑
Vor allem die Bitches, die Screenshots gemacht haben. Ich hoffe, ihr wolltet euch das Gehirn nur näher anschauen
- Helo
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