Kapitel 110

Queen Naija - Butterflies Pt. 2

Ardan wurde am Freitag stationiert und am Montag nach all seinen Untersuchungen operiert. Er ist nicht an sein Handy gegangen, aber laut seiner Mutter ist er aktuell zu schwach, um zu antworten. Die Pumpe wurde erfolgreich eingesetzt. Es wird ihm wieder besser gehen, nur ist er noch sehr schwach. Verständlich. Das ist eine große Operation, um sein armes Herz zu entlasten. Ich hatte Hoffnungen, mit ihm reden zu können, aber er ist durch die Schmerzmittel viel zu müde, um zu reden. Ich will ihn sehen. Ich muss ja nicht mit ihm reden. Ich kann ihn ja auch einfach nur mit einem Waschlappen reinigen und durch sein weiches Haar fahren. Ich weiß nicht, wie lange er auf der Intensivstation bleibt, aber sobald er verlegt wird, renne ich zu ihm. Ich informiere ihn seit der Stationierung über jede Kleinigkeit, die passiert und falls er von den anderen erwähnt wird. Ramzi war noch Tage danach niedergeschlagen und konnte sich auch die Tränen nicht verkneifen, als wir es am Freitag den anderen erzählt haben. Ich habe an dem Tag auch erzählt, dass ich mit ihm zusammen bin. Ich war unsicher, ob ich es sagen soll, weil ich mir dachte, dass es jetzt hier nichts zu suchen hat. Es geht um Ardan und seine Gesundheit, aber in dem Moment hat es sich richtig angefühlt und ich bin mir sicher, dass es Ardan glücklich machen wird, wenn er es weiß. Mit Adam habe ich privat gesprochen. Er wartet seitdem ungeduldig auf die Möglichkeit, ihn besuchen zu gehen. Aiman ist noch bei meinen Großeltern. Wann er zurückkommt, weiß ich nicht.

Meine Mitschriften, die ich zu Hause vorarbeite, sind jetzt noch ordentlicher und noch präziser, weil ich nicht will, dass er auch nur eine Information verpasst. Bei den philosophischen Texten aus seinem Leistungskurs bin ich zwar überfordert, aber ich bemühe mich, mit den Leuten aus seinem Kurs zu kommunizieren. Wenigstens markiere ich seine Texte schön. Nur in der Mathematik kann ich nicht helfen, aber da muss ich auch nichts tun, wenn Ardan die Aufgaben wahrscheinlich im Schlaf ohne Taschenrechner lösen kann. Außerdem ist ja noch Miran da, der alles für ihn mitschreibt. Ich bin einfach nur froh, dass die Lehrer alle bescheid wissen und demnach auch sehr nachsichtig handeln. Selbst wenn es mit dem Abitur nicht klappt - hoffentlich doch - kann er mit einem Fachabitur an einer Fachhochschule studieren. Seitdem ich es meinen Freunden gebeichtet habe, ist es an einigen Ecken in der Stufe rumgegangen. Ein wenig stört es mich, aber irgendwie ist es mir auch egal. Vermutlich bin ich noch zu sehr daran gewöhnt, mein Privatleben so privat wie möglich zu halten. Didems Missgunst bei den Erwähnungen meiner Mitschülerinnen und ihre Glückwünsche haben sich wie eine Therapie angefühlt. Sie kann nicht mehr drohen und erpressen und sonst wie lügen. Das Einzige, was sie nur noch tun kann, ist es wie eine Hexe zu schauen, voller Hass und Abneigung. Tja, ihr Hass ist meine Anerkennung.

"Gibt es schon Neuigkeiten?" Yasmin spricht es nicht direkt aus, weil ich ihnen deutlich gemacht habe, dass sie seine Krankheit privat halten sollen. "Noch nicht. Nein." Ich schaukele die Beine über den Tisch. Ramzi und Miran sind zum Penny gefahren, um uns einige Snacks für die Freistunde zu holen. Die Heizungen sind alle an und langsam wird es echt warm hier, weshalb ich mir die kaminrote Lederjacke ausziehe, die Ardan mir damals geholt hat. Ich habe ihm auch ein Bild von mir in der Jacke geschickt. Sobald er in der Lage ist, auf sein Handy zu schauen, wird er es sehen und sich hoffentlich freuen. "Die Jacke ist echt schön." Ich pflichte Dilan bei. "Hat Ardan mir geschenkt", merke ich stolz und verlegen zu gleich an. "Macht sie nicht größer", höre ich Didem sagen. Das Grinsen meiner Freundinnen fällt. Ernsthaft? Ist sie wirklich immer noch so verbittert und drückt mir Sprüche über meine Brüste rein? Ich schaue mit wenig Begeisterung zu ihr, ziehe meine Augenbrauen zusammen, als ich in ihr schäbiges Gesicht sehe. So wie sie atmet, wartet sie nur darauf, dass ich zurückschieße, aber das tue ich nicht. Um ehrlich zu sein, interessiert es mich gar nicht. Es trifft mich überraschender Weise nicht, dass sie etwas gegen mich sagt. Ich lasse sie einfach stehen und wende mich wieder an meine Freundinnen. "Na ja, jedenfalls wollte ich es gar nicht annehmen, aber es war schon zu spät. Ich will ihm ebenfalls etwas kaufen." "Kondome", hüstelt Dilan, der ich sofort gegen das Schienbein trete. Wir prusten. "Unterwäsche in Grün. Wie seine Augen, Cana", raunt Yasmin mir zu. Oh Gott, der Moment auf der Hochzeit! Ich erinnere mich noch ganz genau daran. Als Ardan mir das Handy weggenommen hat, wusste ich nicht, was passieren wird. Alles, was danach folgte, war ziemlich hitzig und ereignisreich.

Wie lange er wohl braucht, um sich melden zu können? Ich weiß, dass er seine Ruhe braucht, aber ich vermisse ihn so schrecklich und will ihn sehen. "Ich kann es immer noch nicht wirklich realisieren, dass ihr zusammen seid. Ich habe es mir vorgestellt, klar! Aber ... als du das gesagt hast, war ich noch schockierter. Ich wusste gar nicht, was ich fühlen soll", erzählt mir Dilan halb lachend. Ihre Gefühlslage kann ich mir sehr gut vorstellen. Ich habe mich tief im Inneren ziemlich erleichtert gefühlt, als ich es endlich gebeichtet habe und spätestens im Bett habe ich es voll und ganz spüren können. Wie bestärkend das Gefühl aller war, als sie mich beglückwünschten. Es hat sich so befreiend angefühlt. So gut. Ich hoffe, dass es bald in eine bessere Zukunft geht. "Klopf, klopf, ihr jämmerlichen Geschöpfe der Unterwelt. Verneigt euch vor eurem König." Ramzi torkelt wie die Dramaqueen, die er ist, auf uns zu, krönt seine Anwesenheit mit seinem ausgestreckten Bein, das er auf meinem Tisch neben mir abstellt. Er scheint erstaunlich gut gedehnte Bänder zu haben, dass er das so locker flockig und vor allem so ausgestreckt hinkriegt. Respekt. "Zu schade, dass dich kein Schneesturm mitgenommen hat", merkt Yasmin bedauernd an. "Kein Schnee der Welt könnte deine Hässlichkeit bedecken", schießt er sofort zurück und lässt uns alle mit dieser Aussage in ein schallendes Gelächter fallen.

Die Tage vergehen gut, aber ungewöhnlich still. Ardan antwortet weder mir noch sonst wem. Ich kann nur entspannen, weil die Mutter mir immer Mitteilt, wie es Ardan geht. Er braucht Zeit. Er fühlt sich sicherlich unwohl und möchte nicht, dass ich ihn so sehe, aber ich will ihm unbedingt beweisen, dass er sich vor allem vor mir nicht zu schämen braucht. Wenn er irgendetwas braucht, selbst eine neue Farbe einer Socke, dann bringe ich sie ihm sofort. Ich bin die Tage oft zu ihm nach Hause gegangen, damit Roxy nicht alleine ist, während die Eltern weg sind. Solange habe ich gelernt und meine Notizen gemacht, selbst als Roxy auf meinem Schoß saß. Ich konnte es mir nicht verkneifen, immer eines seiner Oberteile anzuziehen und sie mit seinem Parfüm zu besprühen, wie jetzt auch. Vielleicht kuschelt sich Roxy deshalb immer so voller Euphorie an mich, weil ich wie ihr Herrchen rieche, den sie sehnsüchtig jedes Mal erwartet, sobald die Tür aufgeschlossen wird. "Willst du deinen Kuchen mit Hähnchen oder Rind?", schmunzele ich. Ich weiß zwar nicht, wie ich diesen Kuchen zu ihrem Abschluss machen soll, aber ich will es unbedingt feiern. Was er wohl im Krankenhaus isst oder essen darf? Darf er jetzt öfter frittiertes Hähnchen essen? Ich mache mich mit Roxy wieder auf den Weg nach unten, wo die Mutter zum perfekten Zeitpunkt durch die Tür tritt. Hoffentlich hat sie Neuigkeiten zu Ardan.

"Hallo, Liebes. Zieh dich an, wir fahren zu Ardan." Wie? Mein Herz setzt für einen kurzen Augenblick aus. Ich bin wirklich verdutzt, so glücklich mich diese Nachricht auch macht. Mein Herz schlägt so kräftig. Mir ist auf einmal ganz warm und ich habe auch durch die Wärme auf meinen Wangen das Gefühl, zu erröten. Ich schnappe mir sofort Rucksack und Jacke, steige so schnell wie noch nie in meine Stiefel um der Mutter zum Wagen zu folgen. Leider darf Roxy nicht mit ins Krankenhaus, aber für sie umarme ich Ardan extra ausgiebig, damit sein Eigengeruch am dunkelgrünen Hoodie hängt. "Weiß er, dass ich komme?" Sie bestätigt es mir. Ouh Mann, ich bin so aufgeregt! Ich sehe nach, ob er mir eine Nachricht geschrieben hat, doch weder das noch meine hat er gelesen. Vielleicht hat es ja einen Grund. Einen Grund, den ich ja gleich erfahren darf! "Man merkt dir deine Aufregung an, ohne dich zu betrachten", lacht sie. Ich nicke. "Ich habe die ganze Zeit darauf gewartet, dass er endlich bereit ist." Die Züge der Mutter werden sanfter. "Er brauchte die Zeit wirklich. Ardan hat leider immer noch die Gedanken, die durch seine alten Mitschüler entstanden sind." Und ein weiteres Mal verfluche ich sie bis zum Tod und darüber hinaus. "Ich hoffe so sehr, dass er seinen Seelenfrieden erlangen kann. Ich habe Angst, dass ihn die Pumpe jetzt mental weiter verschreckt." "Das tut sie leider", flüstert sie leise. Oje, nein! Ich hoffe, dass ich gut auf ihn einreden kann.

"Wie lange kann ich bei ihm bleiben?" "Ich glaube nicht, dass er dich freiwillig wegschickt. Wir schauen, wie lange er sich wohlfühlt." Ich hoffe, er fühlt sich lange wohl. Ich hätte die Notizen vielleicht für ihn mitnehmen sollen, aber wer sagt, dass er es braucht und dass er Lust und Kraft fürs Lernen hat? Ich darf nicht vergessen, dass er in drei seiner Prüfungsfächer ein Ass ist und da ruhig entspannen kann. Ich freue mich so sehr, ihn gleich sehen zu können! Ich trage immer noch die Schokobons und die Waffelröllchen mit mir und hoffe, dass er heute einige mehr von ihnen essen kann. "Darf er wieder normal essen?" "Dadurch, dass sein Herz von der Pumpe unterstützt wird, sollte es eigentlich kein Problem sein, ein wenig mehr zu essen, aber so wie ich meinen Ardan kenne, wird er sehr zögerlich sein. Immerhin lebt er sein ganzes Leben lang sehr gesund." Ouh. Ich hoffe, ich kann ihn mit Kleinigkeiten zu essen, glücklich machen. Ich kann ja mal frittiertes Hähnchen für ihn machen! Ich nutze auch nur Hähnchenbrust und Light-Produkte. Aber zuerst müssen wir auf dem Parkplatz des Krankenhauses ankommen und das dauert noch ein wenig. "Reinigen ihn die Pflegekräfte?" Ich würde das viel lieber machen. "Nein. Es war ihm unangenehm, also habe ich es für ihn übernommen." "Das nächste Mal kann ich ja übernehmen. Wegen der Arbeit kannst du sicherlich nicht so oft." "Ach", winkt sie ab. "Mein Chef ist da ein Herzensmensch. Bei ihm habe ich damals meine Praktika gemacht und so haben wir uns gut angefreundet. Wenn etwas mit Ardan oder Roxy ist, darf ich alles stehen und liegen lassen." Das ist gut. Das ist wunderbar und so sollte es auch sein. Die Arbeitswelt sollte Liebe nicht als Anhängsel sehen, wenn sie ein Teil von uns ist.

Ich darf endlich aussteigen und den mir sonst so unangenehmen, starken Wind begrüßen, der uns beide zum Eingang weht. "Es scheint so, als ob er schon auf uns wartet", schmunzelt sie. So heftig, wie der Wind uns gerade trägt, kann man das wirklich meinen. Meine Glieder werden schnell von der Wärme des Eingangs umschlossen. Die Nostalgie schwimmt durch meine Poren. Wie oft ich hier war für Ardan, ohne anfangs zu wissen, weshalb. Ich habe hier mein Praktikum absolviert, als Baba noch Oberarzt der Neuro-Station war. Ich erinnere mich noch an die tiefe Hirnstimulations-Operation erinnern, bei der ich Baba zusehen durfte. Es war verdammt kalt im Saal, aber erstaunlich entspannt. Ich dachte, man würde total konzentriert und still sein, weil man eben einen offenen Menschen vor sich liegen hat, aber es wirkte eher wie eine ruhige Mittagspause mit leiser Musik im Hintergrund bei sehr frischen Temperaturen. Wir fahren auf die dritte Etage, woraufhin ich mich zum Zimmer führen lasse und ihn endlich sehen darf. Da liegt er. Mein Ardan. Er wirkt blasser als sonst, aber umso schöner durch seine kräftig grünen Augen und sein schönes, braunes Haar. Seine schönen pinken Lippen. Er wirkt so normal. In seiner Armbeuge sehe ich ein Pflaster. Sonst sieht mein Ardan so gut aus wie immer. "Hallo, Mopsi." Ich darf sein Lächeln sehen und sofort steigen mir die Tränen auf. Ich warte gar nicht, bis er seine Arme anhebt, als ich auf ihn zugehe und ihn vorsichtig umarme. Ich habe zu sehr Angst, dass ich aus Versehen an die Schläuche rankomme, wenn mein Oberkörper seinen streift und drücke seinen Kopf deshalb ab mich.

"Wie geht es dir?", murmele ich. Er riecht so schön. So sanft und rein. So frisch. "Es wird immer besser. Ist bei dir alles in Ordnung?" Ich löse mich mit glasigen Augen von ihm, drücke seine Hände und fahre über den Bluterguss an seinem rechten Handrücken. Da musste wohl ein Zugang gelegt werden. Ich nicke wortlos. "Die Gruppe vermisst dich ganz doll. Hast du dir meine Nachrichten durchgelesen?" "Nein", antwortet er sanft. "Wieso? Warst du zu müde?" "Nein. Ich wollte, dass du mir alles erzählst. Das ist mir lieber als über WhatsApp." Ouh! Sein lieblicher Grund lässt mich lächeln und die Mutter leise hinter uns lachen. Oje, wir sind ja gar nicht alleine! Das habe ich für einen kurzen Moment ganz vergessen. "Ich kann auch raus, wenn es zu privat ist." Ich drehe mich hektisch zu ihr. "Alles gut! Setz dich ruhig!" Ich will ihr nicht das Recht nehmen, nach ihrem Sohn zu sehen. Sie hat mich ja schon mit Knutschfleck am Hals gesehen. Was soll da noch alles schiefgehen? Ich bedanke mich bei ihr, als sie mir einen der zwei Stühle ans Bett schiebt und lasse Ardans Hand mit meiner auf meinen Schoß fallen, als ich mich setze. "Ich habe es ihnen am Freitag gesagt. Ramzi habe ich es nach dem Besuch bei dir gesagt. Du kannst mir gar nicht glauben, wie viel er geweint hat", erzähle ich. Meine Augenbrauen ziehen sich wieder bemitleidend zusammen, als ich an Ramzis Tränen denke. "Er hat mir oft geschrieben und mich auch weinend angerufen." Ouh, oje. Hoffentlich ist Ramzi jetzt entlasteter.

"Und ich habe ihnen am Freitag auch erzählt, dass wir zusammen sind." Ardans grünen Augen weiten sich. "Wie? Wirklich?" Ich nicke, erfreue mich an seinem wachsenden Lächeln. "Und wie haben sie reagiert?" Ardan wirkt viel lebendiger. Er will sich langsam aufsetzen, weshalb ich ihn davon abhalte und ihn auf die Fernbedienung des Bettes aufmerksam mache. Er soll sich nicht belasten. "Sie waren durch die Nachricht davor erst erschüttert und dann wirkten sie wie erstarrt. Verständlich. Ich war mir erst unsicher, es zu sagen, weil ich wollte, dass es sich um deine Erkrankung dreht, aber dann dachte ich mir, dass es vielleicht doch der beste Zeitpunkt wäre? Ich habe mich da irgendwie am freisten gefühlt." "Dann war es auch der beste Zeitpunkt. Danke, Cana." Ardan zieht mich in seine Arme. "Nicht dafür", wispere ich. Es ist schön und schade zu gleich, wie leicht man ihn glücklich machen kann und dass er sich für die selbstverständlichsten Dinge bedankt. "Jetzt muss ich mir aber immer die interessanten Gedanken von Dilan anhören. Sie kann gar nicht mehr aufhören, mir ihre verstörenden Fantasien mitzuteilen und wenn ich jetzt auf mein Handy schauen würde, bin ich mir sicher, dass sie wieder etwas geschrieben hat." "Ich weiß schon, wie ich die Stochastik-Aufgaben für dich formuliere", schmunzelt er. Ich pruste los.

Ich realisiere erst beim richtigen Betrachten des Bettes und der veränderten Einrichtung, dass es ein Privatzimmer ist. "Seit wann bist du privat versichert?" Oder war ich die letzten Male total unaufmerksam? "Seit kurzem", schmunzelt er. Ich hebe überrascht die Augenbrauen. Soso. Na ja, ich gönne ihm jegliche Form der Privilegierung. "Na dann." "Eigentlich wollte ich es nicht." "Falls du mal irgendwo einen Arzt aufsuchen musst, wirst du schneller drankommen", wendet die Mutter nun besorgt ein. "Deine Mutter hat mir zwar erzählt, dass es öfter unter den Mitarbeitern sein kann, dass unnötig weitere Tests angeordnet werden, damit mehr Profit rausspringt, aber das ist es mir wert. So kann wirklich auf mehr Kleinigkeiten geachtet werden. Ich halte es nicht aus, zu lange zu unwissend zu bleiben." Ich verstehe ihre Sorge und lächele dementsprechend. An ihrer Stelle hätte ich sicherlich auch so gehandelt. "Sobald du wieder gut auf den Beinen bist, gehen wir schön etwas essen bei uns. Du solltest dein Privileg auch dort nutzen." Immerhin wurden die Restaurants deutschlandweit als eine der gesündesten Ketten gewählt. "Das wird aber sicherlich noch eine Weile dauern. Übrigens habe ich eine nette Matheaufgabe für dich, Mopsi." Das kann doch jetzt nicht wahr sein! Da wird er frisch operiert und schon kommt er wirklich mit seiner dämlichen Mathematik an! "Ardan!", setze ich quengelnd an. Sowohl ihn als auch seine Mutter scheint das Ganze ziemlich zu amüsieren. Verständlich. Es sind beides Mathematiker!

"Na ja, fast. Als die Ärztin mir gesagt hat, dass ich meine Gerinnungswerte selbst bestimmen muss, dachte ich, dass ich mit einer kleinen Formel arbeiten muss. Du weißt schon. Größe plus Gewicht durch Alter Mal einer gewissen Prozentanzahl. Ich war gerade dabei, die Formel schon selbst aufzustellen und sie dir mit Freude und Leidenschaft mitzuteilen, als sie mir ein kleines Gerät gegeben hat." Puh! Glück gehabt. Kein Mathe für mich. "Und in welchem Bereich musst du dich befinden?" "2,5 bis 3,0. Bei einem Wert von 2,0 oder weiter runter kriege ich eine Notfallspritze." Hört sich nicht so toll an. Ich hoffe, dass er diese Spritze niemals braucht. "Ist gespeichert." Ardan und ich lächeln zeitgleich. "Und wie waren deine Tage sonst so?" Ich erzähle von den Kleinigkeiten, die wir in den Pausen gemacht haben, vom Unterricht und meinem Wochenende, als mir eine spezielle Sache wieder einfällt. "Heute hat Didem wieder etwas gesagt." Meine Augenbrauen ziehen sich dabei genauso zusammen wie seine. "Was?", erwidert Ardan ungewöhnlich stumpf. "Ich habe Yasmin, Dilan und Amal von der Lederjacke erzählt, die du mir geschenkt hast und dann, als ich sie ausgezogen habe, hat sie aus der Ecke gesagt, dass sie dadurch auch nicht größer werden." Ich deute mit meinen Augen auf meine Brüste. Verrückt, dass es mich auch jetzt kein bisschen tangiert. "Aber es hat mich gar nicht interessiert. Ich habe mich weder angegriffen gefühlt noch habe ich etwas zurück gesagt. Ich habe sie nur einen Moment lang angeschaut und dann das Gespräch mit meinen Freunden weitergeführt." "Das war Antwort genug für sie. Ich bin stolz auf dich." Meine Hand wird von ihm zu seinem Mund geführt, wo er mir die lieblichsten Küsse auf meine Haut haucht. Oje, seine Mutter ist noch hier.

Gerade erinnere mich wieder an ihre Anwesenheit, da höre ich sie hinter mir auch schon kichern. Ouh, oje. Ich werde ganz rot. Verlegen ziehe ich meine Hand zurück und schaue ich ablenkend im Zimmer um. "Wie sieht es mit der Körperreinigung aus?" "Fragst du, um zu erfahren, ob mich eine Krankenschwester wäscht?", höre ich ihn schmunzeln und so sehr ich mich bemühen will, streng zu schauen, pruste ich. "Ich frage, damit deine Augen grün bleiben und nicht zu blau-rot-lila mutieren", erwidere ich keck, als ich mich wieder an ihn wende und sein Schmunzeln sehen darf. Er schüttelt als Reaktion nur tadelnd den Kopf. "Da siehst du, mit was für einer kleinen Tyrannin ich zusammen bin. Ein Glück bin ich hier für einige Zeit in Sicherheit. Ist das nicht zufälligerweise mein Oberteil und trägst du zufälligerweise mein Parfüm und Roxys Haare auf dir?" Ouh, stimmt! Das habe ich ihm ja auch gar nicht gesagt. "Ich bin nach der Schule immer zu dir gegangen, damit Roxy nicht allzu alleine bleibt und ... na ja." Ich werde wieder verlegen, weil seine Mutter hier ist. "Sie hat dich nun mal schrecklich vermisst, Ardan. Da darf sie doch wohl nach Hilfsmitteln greifen." "Natürlich darf meine Mopsi das", setzt er schmunzelnd an. "Nimm dir alles, was dir lieb ist. Selbst meine Unterhosen stehen dir zur Verfügung." Argh, Idiot! Ich gebe ihm einen Klaps gegen seinen Oberarm. Doch nicht vor seiner Mama! "Ardan!", murre ich, doch er lacht nur und seine Mutter schnalzt schmunzelnd mit ihrer Zunge. "Sag schon!" "Liebste Mopsi. Ich weiß nicht, wie es sein wird. Ich würde ehrlich gesagt lieber vor mich hinvegetieren, als dass mich jemand in dieser Verfassung ohne Kleidung sieht." Sein Lächeln ermattet genau wie mein unterdrücktes Schmunzeln. Ich muss schlucken.

"Das brauchst du nicht. Ich komme nach der Schule immer vorbei." "Das brauchst du nicht. Du musst für deine Matheklausur üben." "Dann machen wir das auch." Wenn ich ehrlich bin, habe ich die Klausur schon längst vergessen. Ich reibe ermutigend und flehend seine warme Hand, suche nach Bestätigung in seinem abschweifenden Blick. Ich weiß, dass er zu seiner Mutter schaut. Erst denke ich, dass er zu ihr schaut, um nach Bestärkung zu suchen, aber sie steht auf und verlässt wortlos das Zimmer. Mir wird ein wenig mulmig dabei. "Ardan", setze ich an. "Ich schäme mich." Meine Worte bleiben im Hals stecken. Stattdessen seufze ich nur. "Ich kann dich verstehen, aber bei mir brauchst du das wirklich nicht. Ich habe dich doch schon einmal gereinigt. Ich habe doch schon alles an dir gesehen." Meine Hände fahren über seine warmen Oberarme. Wie sehr es mich doch freut, dass er endlich wieder eine normale Körpertemperatur hat. "Das ist nicht damit gleichzusetzen, wie ich jetzt aussehe. Du würdest dich ekeln." "Würde ich nicht. Ich kenne solche Eingriffe doch. Es ekelt mich nicht an, sondern fasziniert mich." Ich würde es sogar jetzt gerne sehen wollen. Ardan antwortet nicht, aber immerhin bricht der den Blickkontakt nicht ab. Ich hebe zögernd meine Hände und will die Bettdecke wegschieben. Soweit komme ich auch, aber als ich meine Hände deutend zu seinem T-Shirt bewegen möchte, hält er mich sofort auf. Ich nicke verstehend. Ich möchte ihm nur sagen, dass ich mich niemals vor ihm ekeln würde.

"Okay", flüstere ich. "Ich wollte dir damit nur zeigen, dass ich keinerlei Abneigungen zeige. Ich freue mich über jede Möglichkeit mit dir. Hätten wir den Gerinnungswert wirklich ausrechnen müssen, hätte ich es sofort gelernt und jedes Mal für dich berechnet." Meine Lippen zucken. "Aber ich hätte es dir vorsichtshalber noch einmal gezeigt. Bitte niemals meinen Werten vertrauen." Und jetzt lächelt er sogar! Ich komme mir so stolz vor. Das fühlt sich so unfassbar gut an. Meine Hand wandert zu seiner Wange, verdeckt sein linkes Grübchen mit meinem Daumen, woraufhin ich sein schönes Gesicht an meins ziehe. Der sanfte Kuss beruhigt mich und hoffentlich auch ihn. Ich beuge mich zu ihm vor, drücke ihn an seinen Schultern sanft auf sein Bett. Wie sehr ich Ardan doch vermisst habe und vor allem seine weichen Lippen auf meinen. Am liebsten würde ich mich rittlings auf seinen Schoß setzen und wilder werden, doch das würde in dieser Lage vielleicht sogar lebensgefährlich werden. Deshalb beende ich es, wenn auch widerwillig. "Deine Lippen waren die Versüßung, die ich in diesem allbekannten Krankenhaus brauchte." Wir sind uns noch so nah, dass sich unsere Lippen beim Lächeln streifen. Meine Lymphknoten kribbeln ganz wohlig bei seinen sanften Worten, als würden die Flügel tausender Schmetterlinge um meine Haut tanzen. "Ich habe etwas für dich." Ouh! Ardan greift unter sein Kissen und holt eine kleine rote Geschenkbox hervor. Ich halte den Atem an, spüre sofort ganz viele Schmetterlinge in mir. "Es ist zwar noch kein Ring, aber ich dachte mir, dass es dir gefallen wird." Er soll aufmachen! Mein Herz schlägt ganz aufgeregt!

Ich keuche leise, als ich die wunderschöne Goldkette sehe. Ein herzförmiger Anhänger mit herzförmigem Stein in der Mitte - und das in Grün! Grün wie seine Augen! Umgeben ist das wunderschöne kräftig grüne Kristallherz von einer Reihe an winzig kleinen weißen Steinchen. Es ist wunderschön. Es ist schon die zweite Kette, die er mir schenkt und ich werde sie mit Stolz tragen. Ouh Mann, ich bin so glücklich, dass mir schon Tränen aufsteigen! Mein Herz wird von ganz vielen wunderschönen grünen Schmetterlingen umflogen und gestreichelt. "So grün wie deine Augen", flüstere ich lächelnd. Ich drehe ihm aufgeregt den Rücken zu, schiebe meinen Zopf zur Seite, damit er mir die Kette anlegen kann. Meine Brust bebt vor Freude. "Bis ich irgendwann den Ring aussuchen kann", raunt er mir gegen den Nacken, den er sanft küsst. Oh, er weiß gar nicht, was er mit mir anstellt. Ich muss mich beherrschen, ihn nicht zu überfallen. Ich könnte das ganze Krankenhaus vor Freude zusammenschreien. "Wenn du magst, kannst du die andere abnehmen, wenn dich zwei stören oder es zu auffällig gegenüber deinen Eltern ist." "Niemals", hauche ich. Wenn es wirklich sein muss, dann trage ich eins der Ketten als Armband, aber ich will sie niemals abnehmen wollen. Ardan streicht mir meine Haare zurück und ich drehe mich voller Freude zu ihm. "Gefällt sie dir?" "Das fragst du noch? Ich könnte hier und gleich sofort weinen. Ich muss mich zurückhalten, dich zu zu überwältigen!" Mein Herz wird von einer Welle an Positivität und Euphorie überschwemmt. Ich fühle mich so viel kräftiger und energiegeladener!

Das leise Klopfen an der Tür lässt mich erschreckt zusammenzucken. Für einen kurzen Moment denke ich, dass es Mama ist, aber es ist nur Ardans Mutter. Puh! Mein Herz! Ihr Blick fällt lächelnd auf meine neue Kette. "Ardan hatte mich gefragt, wo man so schnell wie möglich eine solche Halskette finden kann. Sie steht dir wunderbar." Meine Brust bebt vor Freude und Stolz. Gott, ich kann es gar nicht abwarten, morgen mit dieser wunderschönen Kette zur Schule zu gehen! "Ich wollte erst ein anatomisch korrektes Herz, aber dann fiel mir deine Aussage mit der Farbe des Steins ein." "Es ist perfekt, Ardan. Danke." Es ist mehr als nur perfekt. So perfekt, dass ich während des Besuchs immer wieder in Gedanken schwelge, wie stolz ich die Kette trage und sie das Licht so wunderschön reflektiert. Ich stelle mir auch vor, wie seine grünen Augen auf die Kette schauen und er deshalb lächelt und wie ich deshalb lächele. "Wieso lächelst du so, Mopsi?" Ardan stupst mich an, sodass ich meinen Blick vom Boden zu ihm anhebe - und dabei immer noch lächele. "Ich freue mich auf die Zukunft", erwidere ich heiser. Ich habe gerade so viel Energie in meinem Herzen, dass meine Stimme sich komisch anhören würde, sobald ich in einer normalen Lautstärke reden würde. Meine Wangen schmerzen vom ganzen Lächeln. Meine Freude auf dieses Geschenk ist nicht in Worte zu fassen. Das gute Gefühl, das sich in meinem ganzen Herzen ausbreitet, umschmeichelt meine Sinne und jeden Teil meines Gehirns - selbst die pessimistischen Gedanken.

"Mein Herz sagt mir, dass gute Dinge passieren werden."

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