Epilog
Shankar Ehsaan Loy - Kal Ho Naa Ho
Ardan
Fünf Jahre später
Hätte man mir vor vielleicht sechs Jahren die Frage gestellt, wie ich mir die Zukunft vorstelle, wäre die Antwort entweder Einsamkeit oder der Tod. Ich wäre mir so sicher wie nichts anders in meinem Leben, bis ich die strahlenden, schon fast goldenen Augen erblicken durfte, die mich anfangs verunsicherten, mein Leben aber danach bereicherten. Sie hat innerhalb eines Monats für mehr Glück gesorgt als jede andere Person in einem Jahr. Und sie tut es immer und immer wieder. Egal, was sie tut, es ist eine sanfte Magie für mein Herz. Selbst, wenn sie sich über die logischen Regeln der Mathematik aufregt wie jetzt. "Warum brauche ich das? Ardan, ich brauche das doch beim Operieren nicht!" "So ist die Anästhesie aber, Mopsi." So schwer ist es eigentlich nicht, aber das sage ich ihr lieber nicht, sonst zieht sie an meiner Haut wie sie gerade an ihren Locken zieht. Ihr Gesamtbild beruhigt mich jedes Mal, selbst wenn sie in Rage ist. Mit jeder Tat, mit jedem Atemzug inspiriert sie mich für neue Zitate und Gedichte, die ich ganz ihr widme. Sowie sie sich mir widmet. Cana wollte erst Neurologin werden und strebt jetzt den Wunsch an, im kardiologischen Bereich tätig zu sein. Sobald auch sie mit ihrem Studium fertig ist und genug Erfahrung gesammelt hat, möchten wir uns gemeinsam an ein Projekt setzen, um Herzkranken den Alltag zu erleichtern. Das bedarf noch viele Fortbildungen, sehr viel Geduld und Erfahrung, aber wir sind uns sicher, dass wir etwas bewegen können.
Wenn ich mich wieder an die Worte meiner Eltern erinnere, bin ich beeindruckt, wie selten wir uns gestritten haben. Wenn, dann ist Mopsi die Störrische, aber das ist zum Glück nichts, was ich schnell beseitigen kann. Manchmal reichen Waffelröllchen, manchmal muss auch ein Stück Schokokuchen für sie her, aber das ist es mir wert. Mir ist alles recht, wenn ich weiterhin diese Ruhe in meinem Herzen tragen kann. Mit ihr. Mit der Liebe meines Lebens, die mein Herz zum Blühen gebracht hat. All die Jahre der Einsamkeit kommen mir wie ein zusammengefasster Tag vor, dank ihr. "Aber so ist das doch richtig, oder?" Sie hält mir die berechneten Formeln hin, voller Hoffnung in ihren honiggoldenen Augen. Ich nicke beruhigend. Es ist ihr dritter Versuch gewesen und obwohl sie schon nach dem zweiten aufgeben wollte, habe ich sie ermutigt. "Siehst du, Mopsi? Es hat doch geklappt." Doch sie murrt nur trotzig wie jedes Mal, wenn es doch so klappt, wie ich es sage. So schwer sind die Formeln wirklich nicht. Mopsi hat nur zu viel Angst, weil die Formeln ihrer Ansicht nach gruselig aussehen. Dabei sieht das große Delta vor dem P der Bernoulli-Gleichung wirklich friedlich aus. "Und vergiss das Klein-M bei der Schlag-Volumen-Variation nicht." Aber wenn sie es doch vergisst, darf ich ihr wieder den Hintern versohlen. Das ist meine liebste Beschäftigung, wenn ich nach Feierabend nach Hause komme, neben ihrem und Roxys Begrüßen.
"Genug für heute!" Sie hat recht. Das ist eines der seltenen Ausnahmen, in denen Cana selbst weiß, wann sie Pause machen muss. Nur muss ich ihr irgendwie das permanente Essen von Zartbitter-Waffelröllchen während des Lernens austreiben. Wenn ich am Arbeiten bin, stopft sie sich mit drei Packungen voll. Es ist erschreckend, dass ich das in den vier Jahren, die sie jetzt studiert, immer noch nicht unter Kontrolle bekommen habe. Ich lehne mich mit Cana auf meiner Brust zurück aufs Kissen. Ihre Lernutensilien liegen noch quer verteilt auf dem Bett, aber das stört uns nicht weiter. Nichts könnte die Ruhe, die ich genießen darf, zerstören. Nicht einmal, wenn Roxy jetzt ins Schlafzimmer stürmen würde und sich auf meinen Bauch setzt. Darauf habe ich viel zu lange gewartet, als dass ich es mir von irgendwem nehmen lasse. All die Jahre der Angst können nicht einen Windstoß meiner Zufriedenheit wegwehen. Nicht mehr. Nie wieder. Meine Brust ist kein unangenehmer Ort mehr, den ich Cana verwehre. Ich genieße es sogar, dass sie meinem Herzschlag lauschen möchte. Es lässt mich zur Ruhe kommen. Ich hastete stets nach Akzeptanz und Bestätigung. Jede mir unnahbare Seele konnte mir nichts als Ablehnung geben, bis ich auf die wärmsten Augen mit den schönsten Locken und dem hinreißendsten rechten Grübchen kennenlernen durfte. Es wirkt bis heute noch wie ein wahres Privileg, sie an meiner Seite zu haben.
"Ich liebe diese kleinen Momente der Stille", murmelt sie, als hätte sie meine Gedanken lesen können. Meine Finger gleiten durch ihre weichen Locken, als ich summend zustimme. "Sie bilden eine kleine Ruhestätte für die Herzen." Jetzt summt sie zustimmend. Es ist immer ein kleines Wechselspiel zwischen uns, das ich jedes Mal neu liebe. "Hast du eigentlich Hunger?" Die Frage kommt so wahllos, dass ich leise lachen muss. "Und ich dachte, du fragst mich nie." Cana setzt sich mit großen Augen auf, blinzelt mich träge an, als hätte ich ihr eine Reihe der reziproken Folge oder Grenzwertsätze für Folgen der Ingenieursmathematik aufgezeichnet. "Sag mir das doch. Ich habe kaum Hunger." "Das liegt vermutlich daran, dass du die ganze Zeit Waffelröllchen isst, Mopsi. Ist das denn überhaupt gesund? Kommt es nicht mit der Zeit zu Ablagerungen in den Gefäßen?" Sie braucht nicht ein Wort zu sagen. Die signifikante und liebevolle Art und Weise, wie sie ihre Lippen schürzt, sobald ich sie auf eine Sache aufmerksam mache, reicht mir. Ich überbrücke ihr Nachdenken, indem ich ihr seinen Kuss auf ihre gespitzten Lippen gebe. "Also wenn du dir keinen Vortrag von mir zur Mathematik in den Ingenieurswissenschaften anhören magst-," "Ich gehe schon was kochen!" Und schon watschelt sie davon. Ich verweile noch einen kleinen Moment auf unserem Ehebett, bevor ich mich zu ihr in der Küche geselle und schon mal das Gemüse gründlich wasche und schneide.
Seitdem ich fest angestellt bin, genieße ich die Abende mit Cana noch mehr. Es ist ein neuer Abschnitt in meinem Leben. Ich bin 25, Ehemann und im Berufsleben tätig. Ich fühle mich so, als hätte ich schon alles im Leben erlebt und verstanden, seitdem ich mit ihr verheiratet bin. Ich fühle mich erfüllt in jeder Hinsicht. Die Ehe ist wahrlich ein Segen. "Was sollen wir Ramzi eigentlich zur Hochzeit schenken?" Cana seufzt daraufhin nur überfordert wie jedes Mal, wenn es um Geschenke geht. Ich werde sicherlich etwas Gutes finden. "Ich muss mich mit Yasmin zusammensetzen. Auf jeden Fall irgendetwas, das man im Haushalt gut gebrauchen kann." Cana setzt sich mit den Geschenken immer sehr unter Druck, zu meinem Geburtstag vor allem. Ich sage ihr zwar immer wieder, dass sie mir nichts schenken soll und muss, aber ich lehne nie ihre sinnlichen Angebote an, die sie mir vor allem an dem Tag anbietet. "Und ich weiß nicht, was ich anziehen soll." "Die Hochzeit ist doch erst in zwei Monaten." "Trotzdem!", murrt sie. Ich kenne keine Person, die so ungeduldig ist, wie meine Ehefrau. Erschreckend und dennoch amüsiert es mich jedes Mal. Es vermag ein Wunder sein, dass sie es jedes Mal bis zum Essen durchhält.
Aber genau das sind die Kleinigkeiten, die mein Herz jedes Mal neu erfrischen. Ich liebe jedes einzelne Murren ihrerseits. Ich genieße es jedes Mal, als wäre es das Letzte dieser Erde, wenn sie mit mir spricht. Von jedem einzelnen Kuss, den ich von ihr kriegen darf, möchte ich jedes noch so kleine Detail verinnerlichen. Mein Herz füllt sich mit Zufriedenheit, wenn ich ihr Lächeln und ihre Grübchen sehe. Selbst jetzt kann ich meinen Blick nicht von ihrer Schönheit nehmen. Sie betitelt mich als ihr Sedativum, dabei kann sie sich nicht einmal vorstellen, wie beruhigend sie doch auf mich wirkt. Wenn sie nur wüsste, wie beruhigend sie schon damals auf mein krankes Herz wirkte. Wie gut mir jede Aufmerksamkeit bis heute von ihr tut. Dank der Liebe in ihren goldenen Augen habe ich gelernt, dass ich reiche. Dass ich gut genug bin. Niemand könnte mich besser lieben als sie. Ein Tag mit der Schönheit ihrer Zunge sättigt mich voller Zufriedenheit. Cana bemerkt langsam mein Besehen. Mein kleines Lächeln wird nur noch größer, als sie mich ansieht und mein Herz erwärmt bei ihrem sanften Erwidern. "Was ist los?" Ich liebe dich. Ich liebe dich mit jeder Faser meines Herzens, bis ich nicht mehr erwache und darüber hinaus. Ich könnte nicht zufriedener mit meinem Leben sein. "Sag schon!" Schon wieder ihr ungeduldiges Murren. Ya Allah, ich bin dir bis an mein Lebensende für sie dankbar.
Am Ende des Tages liegen wir gemeinsam im Bett. Sie auf meiner Brust und Roxy am Bettende schon schlafend. Genau das betitele ich als absolute Zufriedenheit. Wir benötigen keine Worte in der Stille. Sie ist nicht unangenehm. Keines Wegs. Eher vermittelt sie genau die Ruhe und Zufriedenheit, die in meinem Herzen herrscht. Kaum zu glauben, dass ich das erleben darf. Während meine Jugend von Ängsten und Ärgernissen geplagt war, die mich selbst in meinen Träumen verfolgt hatten, habe ich sie sogar im Zustand der mehrtägigen Bewusstlosigkeit wahrnehmen können. Es wirkt so magisch. Alles, was sie macht, ist magisch. "Ich habe Lust auf Waffelröllchen." "Cana", seufze ich. Kurz darauf muss ich wieder schmunzeln. Es ist einfach so typisch. "Wieso nicht?", murrt sie, woraufhin ich ihr den Mund zuhalte. "Du krümelst sonst wieder das Bett voll." "Mach ich nicht", nuschelt sie durch meine Hand. "Morgen." "Jetzt!" So ungeduldig. Ich weiß, dass Cana weiter diskutieren wird, also ergreife ich jetzt schon die Maßnahme und rolle mich über sie. Das Ergebnis ist eine verwirrte Mopsi, die ein wenig unter meinem Körpergewicht leidet und ächzt, aber kurz darauf anfängt zu lachen. Es ist mehr als nur faszinierend, dass ein Laut reicht, um mich glücklich zu machen. Ich kann lächeln, ohne Angst vor Verlusten zu haben. Ich darf lieben, ohne Angst zu haben, ausgenutzt zu werden.
Ich kann leben, ohne an einen weiteren niederschmetternden Morgen denken zu müssen. Dank ihr.
Meiner Herzensdiebin.
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E N D E
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Es ist endlich vorbei.
Wann das neue Buch kommt, wird im Kapitel hiernach kundgegeben. Ein festes Datum steht noch nicht fest. Erst muss ich mich für eine Prüfung vorbereiten und das kann eine gute Weile dauern.
- Helo
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