3. Juni, Kathi

Kathi

Zuerst hörte ich nur das Zwitschern der Vögel. Unwillkürlich lächelte ich und schlug dann die Augen auf. Sascha hatte das Kinn auf die verschränkten Arme gelegt und sah über die Wiese, als wäre er in Gedanken weit fort. Ich berührte ihn sanft an der Schulter, worauf er erschrocken zusammenzuckte. Ich musste laut lachen. „So in Gedanken?", neckte ich und dann machte mein Drang zu gähnen jede Fortsetzung meiner Frage zunichte.

Sascha lachte und streckte einladend seine Arme nach mir aus. „Ich habe gerade an unsere erste Begegnung gedacht", erklärte er und zog mich an sich.

"Du hast dich ja sofort zurückgezogen und keinen Ton mehr gesagt..." erinnerte ich mich. „Ich dachte, ich hätte mich getäuscht und gefalle dir doch nicht."

Ich kuschelte mich an Saschas Brust und sah auf den See hinaus. „Warum hast du mich nicht direkt nach einem Treffen gefragt?", wollte ich, die Zettelnachricht im Kopf, nun wissen, drehte mich und sah neugierig hoch in Saschas Gesicht.

„Vor den Kumpels? Bestimmt nicht."

Er zog eine Grimasse, aber milderte die Schärfe seiner Aussage mit einem Kuss, bevor er hinzufügte: „Und fange mir öffentlich von einer West-Tussi eine Absage ein?" Vergnügt zwinkerte er mir zu.

„Ich wusste nicht, ob ich mich darauf einlassen sollte", gab ich zu und lehnte mich wieder an ihn. „Aber Susi hat mir zugeredet."

„Und inzwischen bereust du es", zog Sascha mich auf und knabberte sanft an meinem Ohrläppchen.

„Idiot!", protestierte ich, drehte mich wieder um und gab ihm einen sanften Klaps auf den Kopf. „Natürlich nicht! Mein Herz hat Purzelbäume geschlagen", fuhr ich in Erinnerung an den 23. April fort. „Susi hat mich bis zur U-Bahn begleitet. Und ich weiß noch genau, wie ich aufgeregt an den Grenzbeamten vorbei gegangen bin und mich gefragt habe, ob du überhaupt da sein wirst". Ich schüttelte mich. „Du warst nirgends zu sehen, und ich hatte noch gedacht: Kathi, das war eine völlig verrückte Idee, du kannst gleich wieder umkehren...

„Aber zum Glück hast du das nicht getan", ergänzte Sascha und zog mich eng an sich. Ich erlebte den Moment in Gedanken noch einmal, lehnte mich behaglich an Saschas Brust und lächelte zufrieden.

„Du bist mit deinen Gedanken weit fort", stellte er fest und spielte mit meinem Zopf.

„Gar nicht so weit...", murmelte ich, „nur immer noch bei unserem ersten Treffen...und dem ersten Kuss..."

"Mmm...", machte Sascha und versenkte die Nase in meinem mittlerweile zerzausten Haar, „...da haben wir noch geübt."

Ich kicherte, setzte dann jedoch übergangslos eine strenge Miene auf und entzog mich meinem Freund. Mit in die Hüfte gestemmten Händen drehte ich mich um und sagte: „Du weißt schon, wie leichtsinnig es war, mir die Führung des Bootes zu überlassen? Wir hätten..."

„Die Niagara-Fälle herunter treiben können, ich weiß", grinste Sascha und schloss mit: „Für dich nehme ich jede Gefahr auf mich!"

„Jede?", neckte ich ihn, wieder lachend, und bemerkte erst spät, wie Sascha kurz die Lippen aufeinander presste.

Dann jedoch kehrte das Lachen in sein Gesicht zurück und er machte Anstalten, aufzustehen. „Komm, ich beweise es dir. Wir können gleich in Richtung Ostsee segeln, da haben sie heute Sturm vorhergesagt..."

„Na klar...", ich schürzte die Lippen in einer pantomimischen Entsprechung von wer's glaubt und zog ihn wieder auf die Decke. „Ich glaube dir auch so", verkündete ich und schnaufte belustigt. „Aber auf die Ostsee würde ich schon gern mal mit..."

Ließ sich das nicht arrangieren, für einen Tag? In Gedanken sah ich mich bereits mitten auf dem Meer, in einem dunklen Boot, dessen weiße Segel sich blähten... Ich sah Sascha mit großen Augen – und einem, wie ich hoffte, unwiderstehlichen Blick – an, doch er schwieg leider nur. Das versetzte mir einen kleinen Stich. War ich ihm nicht wichtig genug? In gedämpfter Stimmung und mit dem Gefühl, etwas anderes sagen zu müssen, fragte ich in leicht tonloser Stimme: „Woher hast du eigentlich das Boot?"

„Selbst gebaut..." begann er stolz, brach aber ab, anscheinend irritierte ihn mein Gesichtsausdruck. „Was ist los?", wollte er wissen und sah mich an.

Ich zog kurz einen Schmollmund, aber ließ ihn sogleich wieder verschwinden, ich war mir nicht sicher, wie Sascha das aufnehmen würde. Besser ich bemühte mich um einen neutralen Gesichtsausdruck. Dabei konnte ich jedoch trotzdem nicht verhindern, dass meine Stimme ein wenig verletzt klang, als ich erwiderte: „Würdest du mich nicht mit an die Ostsee nehmen?"

„Blut geleckt?", zog mich Sascha auf, wurde aber gleich wieder ernst, als er sah, dass ich darüber nur gezwungen lächelte.

Er seufzte. „Kathi, wie soll denn das gehen? Du weißt doch, wie es ist." Er machte eine weit ausholende Gebärde, die das ganze Drumherum erfasste. „Du hast doch nur ein Visum für Berlin."

„Ich könnte mir doch ein Visum für die Durchreise besorgen?", schlug ich hoffnungsvoll vor, „Das geht doch?"

Sascha hob nur schweigend die Schultern.

„Ich frage das mal", entschied ich energisch und streckte meine Beine aus. „Wenn du mich mitnehmen würdest?" Fragend sah ich Sascha an und hasste mich dabei dafür, dass ich meine Frage wiederholte. Aber Segeln auf dem Meer wäre bestimmt klasse...

„Klar!", erwiderte er zum Glück jetzt sofort und lächelte mich beruhigend an. Ich drehte mich zufrieden lächelnd um, rutschte auf den Rücken und ließ meinen Kopf in seinen Schoß fallen. Er sah mir verliebt in die Augen und ich fühlte mich wie im siebten Himmel und konnte an nichts anderes mehr denken als an den süßen Typ neben mir...


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