Prolog

09.01.2011, Fairview Creche, ein Kindergarten in Dublin

Als Mrs Smith von Larissas Kindergärtnerin angerufenen wurde, war sie sehr überrascht: Larissa war ein ruhiges Kind und hielt sich eigentlich immer an die Regeln. Eigentlich. Nun sollte sie einem älteren Jungen das Mittagessen, Kartoffeln mit Blattspinat, samt Teller ins Gesicht geworfen haben. Sie leugnete das zwar konsequent und behauptete, der Teller sei von alleine losgeflogen, aber niemand schenkte ihr Beachtung. So musste der Junge, weil der Porzellanteller zerbrochen war und er nun einige Schnitte im Gesicht hatte, zum Arzt, und Mrs Smith zu einem Gespräch mit der Kindergärtnerin. Larissa durfte, da es keine weiteren solchen Zwischenfälle gab, weiterhin die KiTa besuchen und auch der Junge kam recht bald wieder. Die Schnittwunden waren zu schmalen weißen Naben verheilt, die nur noch sah, wer genau hinschaute. Und nur wer ganz ganz genau hinschaute, erkannte das Wort, das sie bildeten: Wog -Kanake-...


10.01.2011, York District Hospital

Behutsam öffnete der große Mann die Tür zu Zimmer zwölf. Die Frau, auf der sein Blick ruhte, schien in ihrem Krankenbett zu versinken. Ihre Haut war so blass, dass sie sich kaum von dem gestärkten weißen Laken abhob, und so durchscheinend, dass man alle ihre Adern sah. Sie war so dünn, dass man ihre Rippen zählen konnte.Einige Schläuchen verbanden sie  mit den komplizierten Muggelgeräten, die neben ihrem Bett standen. Ihre Augen waren geschlossen und nur am leichten Heben und Senken ihres Brustkorbs erkannte man, dass sie noch lebte. Langsam ging der Mann auf sie zu, ein kleines Kind, vielleicht ein Jahr alt, schmiegte sich in seine Arme. Man erkannte sofort, dass es sich dabei um seine Tochter handelte: Sie hatten nicht nur die gleiche schokoladenbraune Haut, auch bei den Haaren erkannte man, obwohl die schwarzen des Mannes sehr kurz geschnitten waren und die gleichfarbigen Locken des Mädchens wild wucherten, eine gewisse Ähnlichkeit. Einzig die himmelblauen Augen des Mädchens unterschieden sich gänzlich von den dunkelbraunen, fast schwarzen, ihres Vaters. Doch als die Kranke nun die Augen öffnete, erkannte man das selbe Himmelblau, wie das in den Augen der Kleinen. Die Krankheit allerdings hatte die Augen einsinken und ihren Glanz verlieren lassen, so dass sie nun klein und matt in einem viel zu alt wirkendem Gesicht. „Clemence" , der Mann war vor dem Bett seiner Frau stehengeblieben, in seiner tiefen melodischen Stimme klang großer Schmerz. Die Frau antwortete mit einer leisen, fast gehauchten Simme: „Blaise. Zara." Schwach strich sie ihrer Tochter über den Kopf. „Maman?" ,fragte diese. Aber ihre Mutter rührte dich nicht mehr. Sie starrte ins Leere, ihr Arm war mitten in der Bewegung erstarrt. „Maman?" ,die Augen der Kleinen wurden groß. Ihr Vater drückte sie schützend an sich. Aber auch er konnte sie nicht vor dem Starren ihrer Mutter und dem drohenden Piepen der Geräte schützen. Er konnte noch nicht einmal sich selbst schützen.

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